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OLG Koblenz Urteil vom 28.09.2017 - 1 U 302/17 - Neuwagenkaufvertrag über ein vom "Abgas-Skandal" betroffenes Dieselfahrzeug

OLG Koblenz v. 28.09.2017: Zur Haftung des Vertragshändlers für Täuschungshandlungen des Autoherstellers


Das OLG Koblenz (Urteil vom 28.09.2017 - 1 U 302/17) hat entschieden:

   Auch im Verhältnis Fahrzeughersteller und Vertragshändler ist im Regelfall der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers. Eine etwaige arglistige Täuschung durch den Fahrzeughersteller kann dem Vertragshändler daher regelmäßig nur unter den Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 BGB zugerechnet werden.



Siehe auch

Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“

und

Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:


I.

Die Parteien streiten darüber, ob die von der Klägerin erklärte Anfechtung eines Pkw-​Kaufvertrages wirksam und die Beklagte somit zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, sowie zum Ersatz verauslagter Kraftfahrzeugsteuer und der geleisteten Beiträge zur Kraftfahrzeughaftpflicht- und -kaskoversicherung verpflichtet ist.

Die Beklagte ist Vertragshändlerin für Fahrzeuge der Marke Volkswagen (im Weiteren: VW). Am 8.7.2014 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Kaufvertrag über ein Neufahrzeug des Modells Tiguan, Sport & Style, TDI, Schadstoffklasse Euro 5, mit "BlueMotion"-​Technik zum Bruttopreis von 35.285,00 €. In dem Fahrzeug ist ein von der Volkswagen AG (im Weiteren: VW AG) hergestellter Dieselmotor der 2,0 Liter-​Variante vom Typ EA 189 verbaut. Das Fahrzeug wurde der Klägerin am 3.11.2014 übergeben. Im September 2015 wurde der sogenannte Diesel-​Abgasskandal bekannt und räumte die VW AG ein, dass die Motoren des Typs EA 189 in der 2,0 Liter-​Variante, wie in dem von der Klägerin erworbenen Fahrzeug verbaut, hiervon betroffen sind. Auch die Beklagte erfuhr erst durch die mediale Berichterstattung im September 2015 von dieser Thematik. Zuvor gab es für sie diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.4.2016 (Bl. 37 GA) erklärte die Klägerin die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung.




Die Klägerin behauptet eine arglistige Täuschung der VW AG und ist der Auffassung, die Beklagte müsse sich diese zurechnen lassen. Die VW AG sei nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. Als Vertragshändler für Fahrzeuge der Marke VW sei die Beklagte direkter Bestandteil des Vertriebsnetzes der VW AG.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen,

  1. an sie 35.285 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.11.2014 Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges VW Tiguan Sport & Style mit BlueMotion-​Technik, Fahrzeugidentifizierungsnummer: … zu zahlen,

  2. an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.589,84 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

  3. an sie Schadensersatz in Höhe von 1.733,92 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.




Die Beklagte hat beantragt,

   die Klage abzuweisen.


Sie hat vorgetragen, die Klägerin sei weder von ihr noch von der VW AG arglistig über vertragsrelevante Eigenschaften des Fahrzeugs im Sinne von § 123 BGB getäuscht worden. Außerdem könne ein etwaiges arglistiges Verhalten der VW AG ihr, der Beklagten, nicht zugerechnet werden, da die VW AG Dritter im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB sei.



Durch das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 16.2.2017 zugestellte Urteil vom 15.2.2017, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Anfechtung, auf die die Klägerin sich alleine stütze, nicht gegeben seien. Die Klägerin gehe selbst davon aus, dass die Mitarbeiter der Beklagten nicht mit Täuschungsabsicht gehandelt hätten und ihnen die arglistige Täuschung der VW AG möglicherweise nicht bekannt gewesen sei; es sogar nicht fernliegend sei, dass kein einziger Mitarbeiter der Beklagten die Täuschung gekannt habe. Unter diesen Voraussetzungen sei eine etwaige von der VW AG verübte arglistige Täuschung der Beklagten nur zurechenbar, wenn erstere nicht Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB sei. Das sei jedoch nicht der Fall. Bei der insoweit gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtung verbleibe es auch im konkreten Fall bei dem Grundsatz, dass der Hersteller im Verhältnis zum Händler Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB sei. Die VW AG sei hier in keiner Weise am Zustandekommen des Kaufvertrages beteiligt gewesen und habe darauf keinen Einfluss nehmen können. Die Beklagte habe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung gehandelt. Bei der VW AG und der Beklagten handele es sich um rechtlich unabhängige juristische Personen ohne gesellschaftsrechtliche oder personelle Verflechtung. Die VW AG sei nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten. Auch begründe der Status der Beklagten als Vertragshändlerin kein besonderes Vertrauens- oder Näheverhältnis, das zu einer anderen Einschätzung Anlass geben könnte. Hersteller und Händler verfolgten bezüglich des Endkundengeschäfts nicht per se gleichlaufende Gewinninteressen. Die Beklagte sei ein selbständiges "Absatzorgan" und stehe auf einer anderen wirtschaftlichen Stufe als die VW AG. Soweit die Klägerin Schadensersatz begehre, sei eine anspruchsbegründende Pflichtverletzung der Beklagten nicht dargetan.

Hiergegen richtet sich die am 16.3.2017 eingelegte und mittels des am 28.3.2017 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatzes begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihre Klage uneingeschränkt weiterverfolgt.

Die Klägerin rügt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages eine fehlerhafte Rechtsanwendung, in deren Folge das Landgericht eine Zurechnung des arglistigen Handelns der VW AG verneint habe. Sie verweist darauf, dass mit dem Vertragshändlervertrag ein Sonderfall der Hersteller-​Verkäufer-​Beziehung vorliege, der generell zur Anwendung von § 278 BGB führe. Erst recht gelte dies in der Automobilbranche, in der Hersteller und Vertragshändler besonders eng miteinander verbunden seien. So sei der Vertragshändler in die Verkaufsorganisation des Herstellers eingegliedert und erhalte unter anderem Vorgaben zum Vertrieb, zu den zu vertreibenden Produkten und zum Vertriebsgebiet. Ferner bestünden weitreichende Kontroll- und auch Weisungsrechte des Herstellers. Bei der Frage der Zurechnung dürfe zudem nicht nur auf die betreffenden gesetzlichen Regelungen (§§ 278, 31, 166 BGB) abgestellt werden, sondern seien die Gesamtumstände zu beachten. Ein Anfechtungsgegner müsse sich nicht nur Täuschungen eines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen, sondern auch solche von Personen, zu denen enge Beziehungen bestünden, oder deren Handeln ihm aus sonstigen besonderen Umständen billigerweise zuzurechnen sei. Insoweit sei hier zu beachten, dass die Beklagte und die VW AG mit dem Verkauf der Fahrzeuge gemeinsame wirtschaftliche Interessen verfolgten; die Beklagte eng in die Vertriebsorganisation der VW AG eingebunden sei, das VW-​Logo verwende, Fahrzeuge der Marke VW bewerbe. Die Beklagte erwecke damit nach außen bewusst den Eindruck eines Näheverhältnisses. Es solle gerade der Eindruck erweckt werden, die Beklagte sei VW bzw. die Niederlassung von VW in ...[Z].

Hierüber hinaus trägt die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz zu einer Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs vor und behauptet negative Folgen des von der VW AG angebotenen Software-​Updates.

Die Klägerin beantragt,

   das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 15.2.2017, Az.: 12 O 111/16, aufzuheben und die Beklagte gemäß ihrer bereits in erster Instanz gestellten Klageanträge zu verurteilen.


Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Unstreitig habe die Beklagte die Klägerin nicht getäuscht und von einer etwaigen Täuschung der VW AG keine Kenntnis gehabt. Es sei auch nicht zu einer für die Kaufentscheidung der Klägerin relevanten Täuschung durch die VW AG gekommen. Eine solche habe die Klägerin auch nicht substantiiert vorgetragen. Eine Täuschung komme nur hinsichtlich wertbildender Merkmale, und damit hier allenfalls hinsichtlich der EG-​Typengenehmigung für eine bestimmte Emissionsklasse in Betracht. Das Fahrzeug besitze jedoch nach wie vor eine wirksame Euro-​5-Zertifizierung. Im Übrigen wäre eine Täuschung der Beklagten nicht zurechenbar, da die VW AG als Herstellerin Dritte im Sinne von § 123 Abs. 2 BGB sei. Die Beklagte sei als Vertragshändlerin selbständige Gewerbetreibende und schließe sämtliche Verträge ohne Mitwirkung der VW AG im eigenen Namen und für eigene Rechnung ab, wobei sie auch die Risiken selbst trage. Ein Weisungsrecht der VW AG bestehe nicht. Preis- und Gebietsvorgaben seien kartellrechtlich unzulässig. Der Vortrag der Klägerin zur Einbeziehung der Beklagten in das Vertriebssystem der VW AG erschöpfe sich in Behauptungen ins Blaue hinein, und die Klägerin sei mit diesem erstmals in zweiter Instanz gehaltenen Vortrag präkludiert. Der tatsächliche Vortrag der Klägerin, wonach eine Zurechnung nach Billigkeitserwägungen zu erfolgen habe, sei nicht richtig.

Schließlich bestreitet die Beklagte das Vorliegen eines Mangels ebenso wie negative Auswirkungen des angebotenen Software-​Updates und rügt das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin als verspätet.

Hinsichtlich des Vorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.
1. Die Klägerin kann ihr Begehr nicht auf eine wirksame Anfechtung des Kaufvertrages stützen. Es fehlt an einem Anfechtungsgrund. Insbesondere hat die Beklagte die Klägerin nicht arglistig getäuscht.

a. Eine Täuschung durch Verantwortliche der Beklagten selbst hat die Klägerin nicht behauptet.

b. Für eine von einer anderen Person verübte arglistige Täuschung hätte die Beklagte nur einzustehen, wenn deren Verhalten dem der Beklagten gleichzusetzen wäre. Maßgeblich hierfür ist, ob der arglistig Täuschende mit Wissen und Wollen der Beklagten als deren Repräsentant oder Vertrauensperson aufgetreten ist (BGH, NJW-​RR 1987, 59; NJW 1989, 287; NJW 2011, 2874). Die Voraussetzungen, nach denen sich die Einordnung als Repräsentant oder Vertrauensperson bemisst, entsprechen denjenigen, die für eine Erfüllungsgehilfenstellung nach § 278 BGB gefordert werden (BGH, NJW 1989, 287; NJW 2011, 2874), womit entscheidend ist, ob der arglistig Täuschende nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Anfechtungsgegners, hier der Beklagten, in dessen Pflichtenkreis als Hilfsperson tätig geworden ist (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 278 Rn. 7).




aa. Der am Vertragsschluss unmittelbar beteiligte Mitarbeiter der Beklagten kann hiernach unproblematisch als deren Repräsentant angesehen werden. Ein Fehlverhalten dieses Mitarbeiters hat die Klägerin jedoch nicht behauptet. Im Gegenteil - sie geht nach ihrem Vortrag selbst davon aus, dass ihr Gegenüber, also der Verkäufer der Beklagten, nicht mit Täuschungsabsicht gehandelt hat und ihm die (behauptete) arglistige Täuschung der VW AG möglicherweise gar nicht bekannt war. Von diesem Vortrag ist die Klägerin auch in der Berufungsinstanz nicht abgewichen.

bb. Soweit die Klägerin ihre Argumentation auf eine behauptete - und von der Beklagten bestrittene - arglistige Täuschung der VW AG stützt, hat die Klägerin nicht darzulegen vermocht, dass diese als Repräsentant oder Vertrauensperson der Beklagten beim Zustandekommen des Vertrages eingebunden gewesen wäre.

(1) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft, weil er regelmäßig nur seine eigene Verpflichtung gegenüber dem Verkäufer erfüllt und nicht dessen Verpflichtung gegenüber dem Käufer (BGH, Urteil vom 22. Februar 1962 - VII ZR 205/60 -, Rn. 18; Urteil vom 2.4.2014 - VIII ZR 46/13 Rn. 32; beide zitiert nach juris).

Ob sich im Falle einer Einbindung der VW AG in den Pflichtenkreis der Beklagten, welcher die Übergabe des Fahrzeugs und die Verschaffung des Eigentums am Fahrzeug umfasste, Abweichendes ergeben könnte, bedarf hier keiner Erörterung. Die Klägerin hat dies für den konkreten Fall nicht behauptet. Vielmehr ist der Vortrag der Beklagten, das Fahrzeug sei nicht durch die VW AG, sondern von der Beklagten an deren Sitz an die Klägerin übergeben worden, unbestritten geblieben.

(2) Auch die Stellung der Beklagten als Vertragshändlerin vermag zu keiner anderen Einschätzung zu führen, da der Pflichtenkreis der Beklagten gegenüber der Klägerin hierdurch keine Veränderung erfährt.

Die Beklagte schließt die Fahrzeugkaufverträge unstreitig im eigenen Namen und trägt das damit verbundene wirtschaftliche Risiko. Die VW AG war weder unmittelbar am Vertragsschluss noch an der Übergabe des Fahrzeugs beteiligt.

Die Argumentation der Klägerin bezieht sich auch letztlich nicht auf eine Einbindung der VW AG in die Absatzorganisation der Beklagten, sondern auf eine Einbindung der Beklagten in die Vertriebsorganisation der VW AG und könnte allenfalls die Einschätzung begründen, dass die Beklagte als Erfüllungsgehilfin der VW AG anzusehen sein könnte, nicht jedoch die Annahme einer Erfüllungsgehilfenstellung der VW AG tragen. Zudem hat die Klägerin ihren diesbezüglichen Vortrag erst in zweiter Instanz inhaltlich ausgefüllt und bestreitet die Beklagte den von der Klägerin behaupteten Inhalt des Vertragshändlervertrages. Die Klägerin ist daher mit diesem neuen Vorbringen präkludiert (§§ 529 Abs. 1 Nr.2, 530, 531 Abs. 2 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass sie gehindert gewesen wäre, diesen Vortrag bereits in erster Instanz zu halten.

(3) Auch bei einer Gesamtbetrachtung ist aus Gründen der Billigkeit keine abweichende Einschätzung geboten.

So hat die Klägerin nicht schlüssig darzulegen vermocht, dass die Beklagte zurechenbar einen Rechtsschein dergestalt gesetzt hätte, in die Organisation der VW AG als Hersteller des Fahrzeugs eingebunden zu sein. Der Vortrag der Klägerin hierzu (Verwendung des VW-​Logos, Werbung als VW-​Händler, Verwendung von VW-​Infomaterial und ähnliches) vermag, unabhängig von der Frage einer Präklusion dieses Vortrages, die Annahme eines solchen Rechtsscheins nicht zu tragen. Es handelt sich bei all diesen Maßnahmen letztlich für den Käufer erkennbar um Mittel des Marketings zur Steigerung des Verkaufs, die nicht ernsthaft den Eindruck erwecken können, der Händler sei Teil der Fahrzeugkonzeption und -herstellung oder habe hierauf Einfluss. Die Beklagte steht vielmehr, wie sie substantiiert ausgeführt hat, der VW AG als eigenständige juristische Person gegenüber, die die mit dem Absatz der Waren sowie den marktspezifischen Investitionen verbundenen Risiken selbst trägt.

c. Die VW AG ist mithin im Verhältnis zur Beklagten lediglich Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB, womit die Klägerin den Kaufvertrag nur dann anfechten könnte, wenn die Beklagte die (behauptete) Täuschung der VW AG kannte oder kennen musste.

Entsprechende Kenntnis oder ein Kennenmüssen der Beklagten hat die Klägerin jedoch nicht behauptet. Vielmehr hat sie bereits in der Klageschrift ausgeführt, es nicht für fernliegend zu halten, dass kein einziger Mitarbeiter der Beklagten die (behauptete) arglistige Täuschung der VW AG kannte. Bei diesem Vortrag ist es im weiteren Prozessverlauf geblieben. Auch ist die Klägerin der Darstellung der Beklagten, keine Anhaltspunkte für den Einbau der streitgegenständlichen Software gehabt und erst über die mediale Berichterstattung im September 2015 von der Thematik erfahren zu haben, nicht entgegengetreten.

2. Da die Klägerin, wie in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich erklärt, den geltend gemachten Anspruch ausschließlich auf eine Anfechtung des Vertrages und nicht auf Gewährleistungsrecht stützt, bedarf es aufgrund der klaren Positionierung der Klägerin keiner Überlegungen dazu, ob die Anfechtungserklärung in eine Rücktrittserklärung umgedeutet werden könnte (vgl. zur möglichen Umdeutung BGH, Urteil vom 7.6.2006 - VIII ZR 209/05 - Rn.16, juris).

Im Übrigen ist rein vorsorglich hinsichtlich etwaiger Gewährleistungsansprüche anzumerken, dass die Klägerin - völlig stimmig mit ihrem rechtlichen Ansatz - zu deren Voraussetzungen nicht ausreichend vorgetragen hat. Soweit dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin Anhaltspunkte für die Behauptung eines Sachmangels entnommen werden könnten, fehlt es an Ausführungen zu einem Nacherfüllungsverlangen bzw. zu dessen Entbehrlichkeit oder zur Unzumutbarkeit einer Nacherfüllung. Erstmals in zweiter Instanz werden Nachteile des herstellerseitig angebotenen Software-​Updates behauptet, die insoweit relevant werden könnten. Mit diesem Vorbringen ist die Klägerin jedoch präkludiert (§§ 530, 531 ZPO). Ein Ausnahmefall, nach dem neuer Vortrag in zweiter Instanz zuzulassen ist, liegt auch insoweit nicht vor. Weder sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Klägerin daran gehindert gewesen wäre, hierzu bereits in erster Instanz vorzutragen; das Aussparen dieses Aspektes ist vielmehr Konsequenz ihrer rechtlichen Argumentation. Noch ist der neue Vortrag unstreitig geworden. Die Beklagte ist dem neuen Vorbringen vielmehr ausdrücklich entgegengetreten und hat es auch als verspätet gerügt. Gleiches gilt, soweit erstmals in zweiter Instanz ein etwaiger Rechtsmangel (fehlende Zulassungsfähigkeit, möglicherweise keine gültige Betriebserlaubnis) des Fahrzeuges anklingt. Auch mit diesem, von der Beklagten bestrittenen, Vortrag kann die Klägerin in zweiter Instanz nicht mehr gehört werden.

3. Das Landgericht hat auch zutreffend einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint.

a. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB scheitert aus zweierlei Gründen.

aa. Zum einen haftet der Vertragspartner nach diesen Vorschriften nur, wenn eine Pflichtverletzung vorliegt, die er zu vertreten hat. Eine eigene Pflichtverletzung der Beklagten hat die Klägerin nicht behauptet. Eine etwaige Pflichtverletzung der VW AG ist, wie dargelegt, nicht nach § 278 BGB der Beklagten zuzurechnen.

bb. Zudem besteht eine Ersatzpflicht aus vorvertraglichem Schuldverhältnis in Fällen der Mängelhaftung für den Käufer nur im Falle eines arglistigen oder vorsätzlichen Handelns des Verkäufers (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O. § 311 Rn. 14 ff). Dass die Beklagte arglistig oder vorsätzlich falsche Angaben über den Stickstoffausstoß des streitbefangenen Fahrzeugs bzw. der diesbezüglichen Beschaffenheit des Fahrzeugs gemacht hätte, hat die Klägerin, wie bereits ausgeführt, nicht vorgetragen. Sie hat nicht einmal eine Kenntnis der Beklagten oder ihrer Mitarbeiter von etwaigen Manipulationen behauptet. Eine Zurechnung erfolgt, wie bereits wiederholt dargelegt, auch in diesem Fall nicht.

b. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach Gewährleistungsrecht sind nicht ausgeführt. Es wird insoweit auf die Ausführungen zu vorstehender Ziffer 2 Bezug genommen.

c. Schließlich scheidet auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung aus. Ein insoweit beachtliches arglistiges, vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln oder Verschwiegen der Beklagten oder ihrer Mitarbeiter ist nicht behauptet.

Eine deliktische Haftung der Beklagten nach § 831 BGB für Fehlverhalten des Verrichtungsgehilfen ist nach dem Sach- und Streitstand nicht begründet. Die Stellung eines Verrichtungsgehilfen erlangt, wem eine Tätigkeit von einem anderen übertragen worden ist, unter dessen Einfluss er allgemein oder im konkreten Fall handelt und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit in einer organisatorisch abhängigen Stellung vorgenommen wird (BGH, NJW 2013, 1002 Palandt/Sprau a.a.O. § 831 Rn. 5). Dass die VW AG nach Maßgabe dessen nicht als Verrichtungsgehilfe der Beklagten betrachtet werden kann, ist auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrages augenfällig und bedarf keiner weiteren Ausführungen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 709 S. 2, 711 S. 1 u. 2 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Rechtssache betrifft die Entscheidung in einem Einzelfall und hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO), noch ist der Streitfall zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Berufungsgerichts zu eröffnen (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).

V.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf bis 40.000 € festgesetzt.

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