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OVG Saarlouis Urteil vom 19.10.2017 - 4 U 29/17 - Kollision beim Linksabbiegen bei Dunkelheit und Regen

OVG Saarlouis v. 19.10.2017: Vertrauensschutz des Abbiegenden hinsichtlich der Beleuchtung entgegenkommender Fahrzeuge bei Dunkelheit und Regen


Das OVG Saarlouis (Urteil vom 19.10.2017 - 4 U 29/17) hat entschieden:

1. Ein schuldhafter Verstoß gegen die Wartepflicht gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO ist nur festzustellen, wenn bei Beginn des Abbiegevorgangs Gegenverkehr bereits sichtbar ist, was im Bestreitensfall vom geschädigten Geradeausfahrer zu beweisen ist.

2. Bei Dunkelheit und Regen muss ein Linksabbieger nicht (mehr) mit Verkehrsteilnehmern rechnen, die auf einer Straße mit erhöhtem Verkehrsaufkommen ohne Beleuchtung fahren.

3. Auch im Rahmen des § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO kann die zur Anwendung des Anscheinsbeweises erforderliche Typizität nur auf Grund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden.



Siehe auch

Kollisionen zwischen Linksabbieger und entgegenkommendem Geradeausfahrer

und

Stichwörter zum Thema Abbiegen


Gründe:


I.

Am 20.11.2015 zwischen 16.30 und 17.00 Uhr ereignete sich im Einmündungsbereich der Straße „Am alten Bahnhof“ in die Bahnhofstraße in S. ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Eigentümer, Fahrer und Halter des Pkw Peugeot 508 mit dem amtlichen Kennzeichen ...-​... und der Beklagte zu 1 als Fahrer und Halter des bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw Ford Focus mit dem amtlichen Kennzeichen ...-​... beteiligt waren. Die beiden Pkw stießen zusammen, als der Kläger von der Bahnhofstraße aus nach links in die Straße Am alten Bahnhof abbiegen wollte, während der Beklagte zu 1 die aus Fahrtrichtung des Klägers aus gesehen hinter der Straße Am alten Bahnhof befindliche Tankstelle verließ und entgegen der Fahrtrichtung des Klägers die Bahnhofstraße befuhr. Der Kläger forderte die Beklagte zu 2 mit Anwaltsschreiben vom 01.12.2015 zum Schadensersatz in Höhe von 12.562,99 € für den Sachschaden an seinem Fahrzeug und von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € an seine jetzigen Prozessbevollmächtigten auf.

Der Kläger hat die Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 12.795,04 € in Anspruch genommen. Dieser Betrag setzt sich aus Nettoreparaturkosten in Höhe von 12.532,99 €, einer Auslagenpauschale in Höhe von 30 € und Sachverständigenkosten in Höhe von 232,05 € zusammen. Außerdem hat der Kläger Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € begehrt. Er hat behauptet, sein Fahrzeug an der Mittellinie der Bahnhofstraße angehalten zu haben, um nach links in die Straße Am alten Bahnhof einzubiegen. Entgegen der Angabe in der Ermittlungsakte habe er nicht in der Einmündung, sondern in der Straße Am alten Bahnhof wenden wollen. Er habe mit eingeschaltetem Blinker den Gegenverkehr abgewartet und, als das letzte dieser Fahrzeuge an ihm vorbei gewesen sei, sein Fahrzeug aus dem Stillstand angefahren und den Abbiegevorgang begonnen. Der Beklagte zu 1 habe das Tankstellengelände mit hoher Geschwindigkeit verlassen und sei auf das Fahrzeug des Klägers zugefahren. Der Beklagte zu 1 habe allerdings das Fahrlicht nicht eingeschaltet gehabt, so dass sein Fahrzeug für den Kläger auch angesichts der Dunkelheit und des starken Regens nicht sichtbar gewesen sei. Erst nach dem Unfall habe der Beklagte zu 1 sein Fahrlicht eingeschaltet.

Der Kläger hat beantragt,

   die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 12.795,04 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 € - diese zu zahlen an die Rechtsanwälte ...pp. (S.) - jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2016 aus 12.562,99 € und 958,19 € und aus 232,05 € seit dem 18.02.2016 zu zahlen.


Die Beklagten haben beantragt,

   die Klage abzuweisen.


Sie haben behauptet, der Kläger habe nicht an der Mittelinie der Bahnhofstraße angehalten, sondern von einer Stellfläche vor einer Tierarztpraxis aus quer über die Bahnhofstraße fahren wollen, um in der Einmündung der Straße Am alten Bahnhof zu wenden. Den linken Blinker habe der Kläger auch nicht eingeschaltet gehabt. Der Beklagte zu 1 sei mit eingeschalteter Beleuchtung aus dem Tankstellengelände herausgefahren.

Das Landgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1 als Partei angehört (Bd. I Bl. 99 d. A.) und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Polizeihauptkommissar G. Schm. (Bd. I Bl. 100 f. d. A.), Polizeikommissar B. B. (Bd. I Bl. 101 f. d. A.), T. Z. (Bd. I Bl. 102 f. d. A.), V. Schm. (Bd. I Bl. 103 ff. d. A.), dem Beweisbeschluss vom 28.04.2016 (Bd. I Bl. 105 d. A.) sowie durch mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-​Ing. W. E. (Bd. I Bl. 185 f. d. A.). Mit dem am 09.02.2017 verkündeten Urteil (Bd. I Bl. 189 ff. d. A.) hat es die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch insoweit weiter, als er nunmehr Verurteilung der Beklagten zum Ersatz von 50 v. H. der ihm entstandenen Schäden begehrt. Er macht geltend, das Landgericht sei auf Grund einer unzutreffenden Beweiswürdigung zum Ergebnis gekommen, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfallereignis zustehe. Die Zeugin Z. habe glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass sie beim Aussteigen aus ihrem Fahrzeug bemerkt habe, dass an dem Beklagten-​Fahrzeug kein Licht eingeschaltet gewesen sei. Die Zeugin habe nachvollziehbar angegeben, den Beklagten (zu 1) hierauf angesprochen zu habe, dieser sei dann zu seinem Auto gegangen und habe das Licht eingeschaltet. Demgegenüber habe die Zeugin Schm. angegeben, sie habe nicht nur gemeinsam mit ihrem Vater nach links und rechts geschaut, sondern auch auf den Tacho gesehen und dabei festgestellt, dass das Licht eingeschaltet gewesen sei und die entsprechende Kontrollleuchte geleuchtet habe. Diese Zeugenaussage sei in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar. Zum einen erscheine es fast unmöglich, die entsprechende Kontrollleuchte vom Beifahrersitz aus wahrzunehmen. Zum anderen dürfte es einem Beifahrer, der selbst nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei, nicht in Erinnerung bleiben, wie und wann eine Leuchte Auskunft über die Beleuchtungssituation des Fahrzeugs gebe. Hier habe die Zeugin erkennbar vom Ergebnis her argumentiert und ihre Zeugenaussage entsprechend geändert.

Werde mit der Zeugin Z. davon ausgegangen, dass das Beklagten-​Fahrzeug nicht beleuchtet gewesen sei, so sei der Verkehrsunfall auf das zumindest hälftige Mitverschulden des Beklagten zu 1 zurückzuführen. Wie das erstinstanzliche Gericht zutreffend ausführe, stelle sich vorliegend auch die Wertungsfrage, ob ein Kraftfahrer auf die Einhaltung bestimmter Regeln, hier die Einschaltung der Beleuchtung, vertrauen dürfe. Bei der entsprechenden Beurteilung der Verschuldensfrage habe das Gericht unberücksichtigt gelassen, dass sich der Verkehrsunfall bei vollkommener Dunkelheit und starkem Regen ereignet habe, so dass ein unbeleuchtetes Fahrzeugs, das zudem noch von einem beleuchteten Tankstellengelände in die Straße eingefahren sei, für einen anderen Verkehrsteilnehmer nicht zu sehen sei. Dass den Kläger bei der Durchführung seines Abbiegevorgangs hohe Sorgfaltspflichten getroffen hätten, stehe außer Frage. Andererseits müsse der Kläger nicht damit rechnen, dass ein unbeleuchtetes Fahrzeug sich in den Verkehr einordnen würde, der von beleuchteten Fahrzeugen gekennzeichnet gewesen sei. Die Sichtbedingungen ließen es nachvollziehbar erscheinen, dass der Kläger nicht damit habe rechnen können, dass ein unbeleuchtetes Fahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen habe; denn ein solches Fahrzeug sei bei den Sicht- und Witterungsbedingungen schlicht und ergreifend nicht zu sehen gewesen.

Der Kläger hat zunächst angekündigt, zu beantragen (Bd. II Bl. 225 d. A.),
   das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 09.02.2017 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 6.397,52 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2016, zu zahlen.


Er beantragt nunmehr (Bd. II Bl. 239 f. d. A.),

   das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 09.02.2017 abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

  1.  an den Kläger 6.397,52 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2016 zu zahlen und,

  2.  an die Rechtsanwälte ...pp. außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2016 zu zahlen.,





Die Beklagten beantragen,

   die Berufung zurückzuweisen.


Hinsichtlich des zunächst angekündigten Berufungsantrags haben die Beklagten (nochmals) das Fehlen der Aktivlegitimation des Klägers gerügt und außerdem auf § 533 ZPO hingewiesen.

Im Übrigen verteidigen die Beklagten die angefochtene Entscheidung. Der Berufungskläger setze lediglich in unzulässiger Weise seine eigene Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des erstinstanzlichen Gerichts. Daraus seien jedoch Fehler der angefochtenen Entscheidung oder auch erhebliche abweichende Wertungsmöglichkeiten nicht ersichtlich. Selbstredend sei auch vom Beifahrersitz aus zu erblicken, ob die Kontrollleuchte am Fahrzeug eingeschaltet sei. Einen Erfahrungssatz, wie ihn der Berufungskläger behaupte, dass einem Beifahrer, der keine Fahrerlaubnis besitze, nicht in Erinnerung bleiben sollte, wie und wann eine Leuchte Auskunft über die Beleuchtungssituation eines Fahrzeuges gebe, existiere nicht. Die Zeugin Schm. habe nicht vom Ergebnis her argumentiert und ihre Zeugenaussage nicht entsprechend geändert. Weiterhin werde bestritten, dass sich der streitgegenständliche Unfall bei vollkommener Dunkelheit und starkem Regen ereignet habe und ein vermeintlich unbeleuchtetes Fahrzeug, das von dem beleuchteten Tankstellengelände in die Straße am Unfallort einbiege, für einen anderen Verkehrsteilnehmer nicht zu sehen sei. Hierzu habe der Sachverständige E. im Rahmen seiner mündlichen Befragung keine verbindliche Aussage treffen können.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 28.04.2016 (Bd. I Bl. 98 ff. d. A.) und 19.01.2017 (Bd. I Bl. 184 ff. d. A.) und des Senats vom 07.09.2017 (Bd. II Bl. 248 ff. d. A.) und die beigezogenen Akten des Landesverwaltungsamts Saarland (Aktenzeichen 350009713), welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

In der Berufungsverhandlung haben die Parteien auf Hinweis und Anregung des Senats die Beilackierungskosten, die im Hinblick auf die mit der Berufung geltend gemachte hälftige Haftungsquote mit 184,73 € weiterverfolgt werden, in Höhe von 92,37 € unstreitig gestellt (Bd. II Bl. 252 d. A.).

II.

Die Berufung des Klägers ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist mithin zulässig. Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 513, 529, 546 ZPO nach Maßgabe der vom Kläger nunmehr zu Grunde gelegten Haftungsquote der Beklagten von 50 v. H. (nachfolgend unter 4.) und der von den Parteien aus prozessökonomischen Gründen teilweise unstreitig gestellten Höhe der zuzusprechenden Nettoreparaturkosten (nachfolgend unter 5.) weit überwiegend begründet.

1. Das Landgericht ist bei der Haftungsabwägung zunächst von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen, die weder die Berufung noch die Berufungserwiderung in Frage stellen.

a) Demnach ergibt sich die grundsätzliche Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner für die dem Kläger auf Grund des Verkehrsunfalls vom 20.11.2015 entstandenen Schäden aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG. Die Ersatzpflicht der Beklagten ist vorliegend nicht gemäß § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil der Unfall offenkundig nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Darüber hinaus ist auch der für den Ausschluss der Ersatzpflicht des Beklagten zu 1 nach § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Fahrzeugführers verursacht ist, nicht geführt. Die gesetzliche Verschuldensvermutung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG kann insbesondere widerlegt sein, wenn der Unfall auf einem technischen Fehler (z. B. geplatzter Reifen, Versagen der Bremsen) beruht; es ist dann aber Sache des Fahrers, den Nachweis zu führen, dass er deshalb schuldlos die Kontrolle über das Kraftfahrzeug verloren hat (Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht 24. Aufl. § 18 StVG Rn. 8). Ein technischer Fehler kommt hier nicht in Betracht. Die Verschuldensvermutung ist ferner widerlegt, wenn der Fahrzeugführer nachweist, dass er sich verkehrsrichtig verhalten hat (OLG Hamm NZV 1998, 463). Auch das ist nicht der Fall. Wie nachfolgend näher ausgeführt werden wird, ist insbesondere offen geblieben, ob der Beklagte zu 1 im Unfallzeitpunkt die Beleuchtung seines Pkw eingeschaltet hatte.

b) Da der Kläger als Fahrer und Halter eines ebenfalls unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs seinerseits grundsätzlich gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG haftet und auch insoweit weder § 7 Abs. 2 StVG noch § 18 Abs. 1 Satz 2 StVG eingreifen, hängt gemäß § 17 Abs. 1 StVG im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d. h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung auf Grund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH NJW 2007, 506, 507 Rn. 18; 2012, 1953, 1954 Rn. 5; Senat OLGR 2009, 394, 396; NJW-​RR 2017, 350, 351 Rn. 37).

2. Weiter richtig hat das Landgericht angenommen, dass auf Seiten der Beklagten nur die (einfache) Betriebsgefahr des Beklagten-​Pkw zu berücksichtigen ist, weil der Beklagte zu 1 weder gegen § 10 StVO - was die Berufung nicht angreift - noch nachweisbar gegen die Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen hat, wonach während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder wenn die Sichtverhältnisse es sonst erfordern, die vorgeschriebenen Beleuchtungseinrichtungen zu benutzen sind. An die entsprechenden Feststellungen des Erstrichters ist der Senat im Prüfungsrahmen der §§ 529 ff. ZPO gebunden.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 2 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind (BGH NJW 2004, 1876). Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 1987, 1557, 1558; 1999, 3481, 3482). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt unter anderem dann vor, wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können, oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH NJW 1991, 1894, 1895; 1997, 2757, 2759). Geht das Eingangsgericht auf Grund einer fehlerhaften Beweiswürdigung von der Nichterweislichkeit einer entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung aus, so bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen. Hierbei genügt es, wenn nur ein tragendes Element der erstinstanzlichen Beweiswürdigung in seiner Aussagekraft geschmälert wird, weil bereits dann die Unrichtigkeit oder Lückenhaftigkeit der getroffenen Feststellungen als Folge der konkreten Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann (BGH NJW 2004, 1876, 1877). Die Darstellung der bloßen Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisergebnisse reicht jedoch nicht aus, um die erstinstanzliche Beweiswürdigung zu erschüttern. Es genügt nicht, die eigene Beweiswürdigung an die Stelle der landgerichtlichen zu setzen. Meint der Rechtsmittelführer lediglich, es sei z. B. den Äußerungen eines Zeugen eine andere Bedeutung beizumessen, kann dies die Beweiswürdigung nicht entkräften (OLG München, Urt. v. 20.06.2012 - 17 U 1392/12, juris Rn. 6; Senat, Urt. v. 06.11.2014 - 4 U 189/13, juris Rn. 33; NJW-​RR 2015, 946, 948 Rn. 29).

b) Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen und deshalb eine erneute Feststellung durch den Senat gebieten, zeigt die Berufung insoweit nicht auf.

aa) Die Berufung hält die Aussage der Zeugin Schm. für nicht glaubhaft, da es einem Beifahrer, der selbst nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis sei, nicht in Erinnerung bleibe, wie und wann eine Leuchte Auskunft über die Beleuchtungssituation des Fahrzeugs gebe (Bd. II Bl. 226 d. A. zweitletzter Abs.). Einen solchen Erfahrungssatz, dass Beifahrer ohne Führerschein das Verhalten des Fahrers weniger aufmerksam wahrnehmen oder über die Bedeutung einer Kontrollleuchte nicht im Bilde sind, gibt es nicht.

bb) Die Berufung macht weiter geltend, die Zeugin Schm. habe erkennbar vom Ergebnis her argumentiert und ihre Zeugenaussage entsprechend geändert (Bd. II Bl. 226 d. A. unten). Dem kann nicht gefolgt werden. Die vom Landgericht gewürdigte protokollierte Zeugenaussage lässt keine (nur) ergebnisbezogene Argumentation der Zeugin erkennen. Die Zeugin hat das Geschehen im Zusammenhang beschrieben. Entgegen der Aussage der Berufung hat die Zeugin ihre Aussage keineswegs geändert, sondern konstant, auch auf entsprechende Nachfragen des Landgerichts, angegeben, der Beklagte zu 1 habe das Licht eingeschaltet gehabt, was sie selbst gesehen habe (Bd. I Bl. 104 d. A.).

cc) Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat die Berufung in dem weiteren Schriftsatz dargelegt, es erscheine fast unmöglich, die entsprechende Kontrollleuchte vom Beifahrersitz aus wahrzunehmen (Bd. II Bl. 239 d. A.). Dieses Vorbringen der Berufung ist neu und gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die klagende Partei hätte bereits erstinstanzlich allen Anlass gehabt, entweder die Zeugin Schm. mit einer solchen Behauptung zu konfrontieren oder eine entsprechende Frage an den Sachverständigen zu richten.

3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist aber auch auf Seiten des Klägers nur die (einfache) Betriebsgefahr in die Haftungsabwägung einzustellen; denn ein unfallursächlicher, schuldhafter Verstoß gegen die Wartepflicht als Linksabbieger ist dem Kläger nicht nachzuweisen.

a) Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO in der seit dem 01.04.2014 geltenden Fassung vom 06.03.2013 muss, wer links abbiegen will, entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Den Linksabbieger trifft mithin eine Wartepflicht (BGH NZV 2005, 249, 250). Genügt er dieser nicht und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zumindest zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften (BGH NZV 2005, 249, 250). Allerdings indiziert die objektive Verletzung des § 9 Abs. 3 StVO nicht stets ein Verschulden; vielmehr muss das Vorrecht des Geradeausfahrers für den Wartepflichtigen in zumutbaren Grenzen erkennbar und seine Verletzung vermeidbar gewesen sein (BGH NJW 1984, 1962; NZV 2005, 249, 250). An eine Verletzung des Vorfahrtrechts des Geradeausfahrenden durch den Linksabbieger knüpft ein schwerer Schuldvorwurf an, wobei für das Verschulden des Abbiegenden der Anscheinsbeweis spricht (BGH NZV 2005, 249, 250). Demgegenüber darf der Geradeausfahrende, sofern nicht Anzeichen für eine bevorstehende Vorfahrtsverletzung sprechen, darauf vertrauen, dass der Linksabbieger sein Vorrecht beachten werde (BGH NJW 2003, 1929; NZV 2005, 249, 250).

b) Die Berufung rügt mit Recht, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Verschuldensfrage unberücksichtigt gelassen hat, dass sich der Verkehrsunfall bei Dunkelheit und Regen ereignete, so dass ein unbeleuchtetes Fahrzeug, das zudem noch von einem beleuchteten Tankstellengelände in die Straße einfuhr, für einen anderen Verkehrsteilnehmer nicht zu sehen war (Bd. II Bl. 226 f. d. A.). Insoweit hat das Landgericht nicht in den Blick genommen, dass eine Wartepflicht gemäß § 9 Abs. 3 StVO überhaupt nur besteht, wenn bei Beginn des Abbiegevorgangs Gegenverkehr bereits sichtbar ist (BGH NJW 1984, 1962, 1963; NJW-​RR 1994, 1303, 1304, zu § 8 StVO; OLG Hamm VRS 76, 253, 255; SaarlOLG ZfS 2003, 537; Freymann in Geigel, Der Haftpflichtprozess 27. Aufl. Kap. 27 Rn. 282; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 44. Aufl. § 9 StVO Rn. 39 [S. 624]). Diese Voraussetzung ist im Bestreitensfall nachzuweisen (vgl. SaarlOLG ZfS 2003, 537), was den für einen Pflichtverstoß des Klägers darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht gelungen ist.

aa) Der Sachverständige E. hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, bezüglich des Weg-​Zeit-​Verhaltens der beiden Fahrzeuge vom Einfahrvorgang des Pkw des Beklagten zu 1 von dem Tankstellengelände (Bürgersteig) bis zur Kollisionsposition bzw. von dem Anfahrvorgang des Kläger-​Pkw bis zur Kollisionsposition seien keine eindeutigen technischen Anknüpfungstatsachen vorhanden, ob dieser Bewegungsvorgang jeweils aus dem Stillstand eingeleitet oder der Bewegungsvorgang mit einer Restgeschwindigkeit übertragen worden sei. Dies ergebe durchaus einen großen zeitlichen Unterschied, ob die entsprechende Bewegung aus dem Stillstand oder mit einem Geschwindigkeitsverhalten fortgesetzt worden sei. Die Bewegungsstrecke für den Kläger-​Pkw sei mit 6 bis 8 m zu rekonstruieren (Bd. I Bl. 145 d. A.), diejenige des Beklagten Pkw mit 17 bis 18 m, so dass für eine erste Abschätzung - also keinen Nachweis, wie der Senat hierzu bemerkt - von jeweils - unterstellt, wie der Senat weiter bemerkt - aus dem Stillstand einfahrenden Fahrzeugen bei normaler bis zügiger Anfahrweise Anfahrzeiten für den Kläger von 2,45 bis 3,25 s und für den Beklagten zu 1 von 4,1 bis 4,9 s vorzugeben wären. Ob nun die Fahrzeugbeleuchtung des Pkw des Beklagten zu 1 beim Verlassen der Tankstelle eingeschaltet gewesen sei, lasse sich nicht eingrenzen. Kollisionsbedingt sei der vordere linke Scheinwerfer am Beklagten-​Pkw beschädigt worden, so dass sicherlich auch eine makroskopische Untersuchung der Glühwendel der vorderen linken Scheinwerferglühlampe hätte erfolgen können (Bd. I Bl. 146 d. A.). Da diese Glühlampe polizeilicherseits nicht sichergestellt worden sei, seien zurzeit weitergehende technische Angaben über den Einschaltzustand nicht möglich. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass im Unfallzeitpunkt bereits Dunkelheit geherrscht habe und es stark geregnet haben solle. Wie sich hierbei die Sicht- und Straßenverhältnisse aus der Blickorientierung der beiden Fahrzeugführer dargestellt hätten, lasse sich nicht eindeutig eingrenzen. Ob während des vom Kläger angegebenen Passiervorgangs des Gegenverkehrs eine Verdeckung des noch auf dem Tankstellengelände befindlichen Fahrzeugs des Beklagten zu 1 vorgelegen habe, lasse sich ebenfalls nicht eindeutig eingrenzen. Ein gefahrdrohendes Erkennen sei bei einer nicht eingeschalteten Beleuchtungseinrichtung am Pkw des Beklagten zu 1 als durchaus auch entscheidend einzustufen. Insofern sei abschließend festzustellen, dass je nach entsprechendem Bewegungsverhalten der Fahrzeuge und vorzunehmender Blickorientierung ein gegenseitiges Erkennen der Fahrzeuge durchaus möglich gewesen wäre, so dass eine Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens einerseits aus Sicht des Klägers, andererseits aber auch aus Sicht des Beklagten zu 1 möglich gewesen wäre. Dieses Problemfeld bedürfe einer weitergehenden rechtlichen Würdigung und sei keine vom technischen Sachverständigen zu entscheidende Angelegenheit (Bd. I Bl. 147 d. A.).

bb) Diese Einschätzung des Sachverständigen trifft in jeder Beziehung zu. In rechtlicher Hinsicht folgt aus den technischen Feststellungen des Sachverständigen, dass der Unabwendbarkeitsnachweis (§ 17 Abs. 3 StVG) von keinem der beiden Unfallbeteiligten zu führen ist, weil nicht auszuschließen ist, dass sie das jeweils andere Fahrzeug rechtzeitig gefahrdrohend hätten erkennen können. Andererseits kann ein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO dem Kläger nicht angelastet werden, weil sich ebenso wenig feststellen lässt, dass er das nicht erwiesenermaßen beleuchtete Fahrzeug des Beklagten zu 1 rechtzeitig gefahrdrohend hätte erkennen können. Auch die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen hat in Ermangelung von (weiteren) Anknüpfungstatsachen keine weiteren Erkenntnisse erbracht (Bd. I Bl. 186 d. A.).

cc) Die für einen schuldhaften Pflichtverstoß darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten haben sich darauf beschränkt, zu bestreiten, dass der Beklagten-​Pkw auf Grund der herrschenden Dunkelheit für den Kläger nicht sichtbar gewesen wäre (Bd. I Bl. 32 d. A. unten). Der der unfallaufnehmenden Polizeistreife, die laut Verkehrsunfallanzeige nur sechs Minuten nach dem Unfall um 16.47 Uhr an der Unfallstelle um 16.53 Uhr eintraf (Beiakte Bl. 1), angehörende Zeuge Polizeihauptkommissar Schm. hat überzeugend bekundet, dass damals sehr schlechte Witterungsverhältnisse herrschten und es auch schon dunkel war (Bd. I Bl. 100 d. A. unten). Diese Angaben decken sich mit der Verkehrsunfallanzeige, in der unter „Lichtverhältnisse“ die Alternative „Dunkelheit“ (also nicht nur „Dämmerung“) und unter „Witterung“ die Alternative „Regen“ angekreuzt ist (Beiakte Bl. 1). Am Ende der Verkehrsunfallanzeige ist von dem Zeugen Polizeikommissar B. festgehalten worden, dass es im Unfallzeitpunkt regnete und bereits Dunkelheit herrschte und auf Grund des Feierabendverkehrs erhöhtes Verkehrsaufkommen im Bereich der Bahnhofstraße bestand (Beiakte Bl. 8). An der Richtigkeit dieser noch am Unfalltag aufgenommenen Verkehrsunfallanzeige hat der Senat keinen Zweifel, zumal diese schlechten Sichtverhältnisse auch an Hand der von der Polizei aufgenommenen Bilder 1 und 2 nachzuvollziehen sind (Beiakte Bl. 9b).

dd) Angesichts dieser Sachlage kann ein schuldhafter Verstoß des Klägers gegen § 9 Abs. 3 Satz 1 StVO auch nicht damit begründet werden, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes das Vertrauen des Abbiegenden darauf, nur auf beleuchtete Fahrzeuge zu treffen, nicht gerechtfertigt ist (BGH NZV 2005, 249, 251). Dieser Rechtssatz gilt - was das Landgericht und auch die Berufungserwiderung außer Acht gelassen haben - bei Dämmerung, wenn noch mit unbeleuchteten Fahrzeugen zu rechnen ist. Vorliegend herrschte indes nicht Dämmerung, sondern Dunkelheit und regnete es darüber hinaus, weshalb aus Klägersicht vernünftigerweise nicht bzw. nicht mehr mit Verkehrsteilnehmern zu rechnen war, die auf einer Straße mit erhöhtem Verkehrsaufkommen ohne Beleuchtung fahren.

c) Ohne Erfolg macht die Berufungserwiderung insbesondere in den nach der Berufungsverhandlung eingereichten Schriftsätzen vom 18. und 26.09.2017 geltend, es spreche ein nicht erschütterter Anscheinsbeweis für die Alleinhaftung des Klägers als Linksabbieger. Für einen solchen Anscheinsbeweis fehlt es im vorliegenden Rechtsstreit bereits an einer hinreichenden Grundlage.

aa) Der Anscheinsbeweis kommt nur in Betracht, wenn ein Sachverhalt feststeht, der typischerweise auf eine bestimmte Ursache oder ein Verschulden hinweist. Es muss also ein typischer Geschehensablauf feststehen, der nach der Erfahrung des Lebens den Schluss auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten rechtfertigt (BGH NJW 1996, 1405, 1406). Der Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung auf einen bestimmten Geschehensablauf hinweist, muss als solcher voll bewiesen werden (Knerr in Geigel, aaO Kap. 37 Rn. 50). Es reicht allein das „Kerngeschehen“ als solches dann als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur auf Grund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (BGHZ 192, 84 ff. = BGH NJW 2012, 608 Rn. 7; Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs 5. Aufl. § 38 Rn. 44). Nach den vorstehenden Ausführungen unter b), auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, kann ein den Anscheinsbeweis gegen den Kläger begründendes Gesamtgeschehen gerade nicht festgestellt werden. Selbst eine - hier nicht gegebene - größere Wahrscheinlichkeit für die Unfalldarstellung der Beklagten würde den Anscheinsbeweis allein nicht rechtfertigen (vgl. BGHZ 24, 309, 313).

bb) Die Berufungserwiderung greift sich unter Ausblendung der vorstehend dargestellten Grundlagen des Anscheinsbeweises einzelne gegen den Kläger sprechende Sachverhaltselemente heraus, was der rechtlich gebotenen Gesamtschau zuwider läuft. Überdies bringt die Berufungserwiderung vor, die Auffassung des Senats würde im Ergebnis dazu führen, dass derjenige, gegen den ein Anscheinsbeweis auf Grund seines Abbiegevorgangs eingreife, ansonsten mit dem Vortrag, er habe den Berechtigten nicht erkennen können, ohne weiteren Nachweis und ohne Beweismöglichkeit des Berechtigten eine Mithaftung von 50 v. H. bewirke. Auch diese Erwägung ist von den bereits aufgedeckten Rechtsirrtümern über die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises beeinflusst. Die Auffassung der Berufungserwiderung liefe letztlich darauf hinaus, dass ein ungeklärter Unfallhergang - wie hier -, nämlich das unterstellte sorgfaltswidrige Linksabbiegen, stets dem Abbiegenden angelastet würde.

4. Da auf beiden Seiten nur die einfache Betriebsgefahr verbleibt, beträgt die Haftungsquote der Beklagten 50 v. H. bei einer Mithaftung des Klägers von 50 v. H.

a) In Fällen, in denen auf beiden Seiten nur die einfache Betriebsgefahr in Rechnung gestellt werden kann, kommt eine Schadensteilung in Betracht, wenn nicht auf Grund objektiver Umstände, also etwa Größe, Masse und Geschwindigkeit, die auch unfallursächlich geworden sind, die Betriebsgefahr des einen Fahrzeugs abweichend zu bewerten ist (jurisPK-​StrVkR/Scholten 1. Aufl. § 17 StVG Rn. 40). Solche objektiven Umstände sind hier nicht nachweislich unfallursächlich geworden.

b) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der Berufungsverhandlung geltend gemacht, bei der Haftungsquote sei die Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. betreffend einen Unfall nachts im räumlichen Bereich einer Tankstelle nicht berücksichtigt worden (Bd. II Bl. 252 d. A.). Dieses Bedenken ist nicht nachzuvollziehen.

aa) Unter dem von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten angegebenen Aktenzeichen 24 U 138/05 ist das Urteil des 24. Zivilsenats vom 25.11.2005 veröffentlicht (u. a. in OLGR 2006, 335 f.). Dort ging es um einen Verkehrsunfall, der sich am 22.10.2004 gegen 13.45 Uhr ereignete. In dem vom OLG Frankfurt a. M. beurteilten Fall hatte die Tochter des dortigen Klägers angesetzt, mit dessen Pkw aus der an einer zweispurigen Straße gelegenen Tankstelle in die - von ihr aus gesehen - gegenüberliegende Fahrspur links abbiegend einzufahren. Auf der ihr zugewandten „rechten“ Fahrspur hatte sich, ausgehend von der aus der Sicht der Tochter des dortigem Klägers etwa 20 - 40 m rechts installierten Fußgängerampel ein Stau gebildet. Der Fahrer eines im Bereich der Ausfahrt wartenden Fahrzeuges hatte zugunsten der Ausfahrt eine Lücke offen gelassen. In diese Lücke fuhr die Zeugin ein und bog nach links in die gegenüberliegende Fahrspur ein. Etwa gleichzeitig war der dortige Beklagte zu 1 mit seinem Wagen aus der Warteschlange ausgeschert und an dieser Schlage mit dem Ziel vorbeigefahren, in die schräg gegenüber der Tankstelle und in seiner Fahrtrichtung noch vor der Fußgängerampel gelegene andere Straße abzubiegen. Gegenüber der Ausfahrt kollidierten beide Fahrzeuge.

bb) Entgegen der Angabe des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ereignete sich der vom OLG Frankfurt a. M. beurteilte Verkehrsunfall somit nicht nachts, sondern bei Tageslicht (13.45 Uhr). Außerdem ist der vorstehend wiedergegebene Hergang des dortigen Verkehrsunfalls mit dem hier zu beurteilenden in keiner Weise vergleichbar; denn dort fuhr die Zeugin aus dem Tankstellengrundstück nach links in die Straße ein, hatte den Einfahrvorgang anders als der hiesige Erstbeklagte noch nicht abgeschlossen, und andererseits hatte der dortige Erstbeklagte nach den Feststellungen des OLG Frankfurt a. M. vorbedacht und wenig rücksichtsvoll gehandelt und „der Tankstellenbenutzerin die Chance (genommen), unbehelligt in die dem äußeren Anschein nach freie Fahrspur einzufahren“ (OLGR 2006, 335, 336). Alle diese Umstände sind mit dem im vorliegenden Fall jeweils zu Grunde zu legenden Unfallhergang nicht vergleichbar.

5. Von dieser Haftungsquote ausgehend ist dem Kläger die Forderung in Höhe von 5.676,31 € nebst Freistellung von entsprechenden außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und jeweils zu zahlender Zinsen zuzuerkennen.

a) Die geltend gemachten Reparaturkosten in Höhe von 12.532,99 € netto sind von den Beklagten „allenfalls“ in Höhe von 10.910,81 € als erforderlich angesehen worden (Bd. I Bl. 35 d. A.).

aa) Den Arbeitslohn laut Haftpflichtschadengutachten halten die Beklagten in Höhe von 655 € netto für überhöht. Der Prüfbericht der ControlExpert GmbH, Langenfeld, vom 29.12.2015 (Bd. I Bl. 44 ff. d. A.) zeige auf, dass der vom Kläger berechnete Arbeitslohn überhöht sei. Ihm seien entsprechende Referenzbetriebe benannt worden, die hochwertig und kostengünstiger arbeiteten (Bd. I Bl. 35 d. A.).

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes besteht in der Regel ein Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob der Geschädigte den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGHZ 155, 1, 3). Allerdings ist unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB ein Verweis des Schädigers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen „freien Fachwerkstatt“ möglich, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen (BGH NJW 2015, 2110 Rn. 10). Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war. Auch bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (BGH NJW 2015, 2110 f. Rn. 10). Der Geschädigte hat dann z. B. unter Vorlage des „Scheckhefts“, der Rechnungen oder durch Mitteilung der Reparatur- bzw. Wartungstermine konkret darzulegen, dass er sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (BGH NJW 2017, 2182, 2183 Rn. 8). Unzumutbar ist eine Reparatur in einer „freien Fachwerkstatt“ für den Geschädigten weiter dann, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die (markt-​) üblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zu Grunde liegen. Andernfalls würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet und ihn davon befreit, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von ihm ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen (BGH NJW 2015, 2110 f. Rn. 10).

(2) Da das am 22.02.2012 erstmals zugelassene (Bd. I Bl. 7 d. A.) Fahrzeug des Klägers im Unfallzeitpunkt am 20.11.2015 mehr als drei Jahre alt war, die Beklagten unstreitig günstigere Referenzwerkstätten aufgezeigt haben und der Kläger nicht dargelegt hat, er habe sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt warten und reparieren lassen und auch nicht ersichtlich ist, dass die Referenzwerkstätten nur deswegen kostengünstiger wären, weil nicht die (markt-​) üblichen Preise, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zu Grunde liegen, ist die Abrechnung des Klägers entsprechend zu kürzen. Der Kläger hat zwar in der Replik unwiderlegt erklärt, der von den Beklagten (mit der Klageerwiderung vom 15.02.2016) vorgelegte Prüfbericht - in dem die Referenzwerkstätten aufgezeigt werden - sei ihm nie zugegangen (Bd. I Bl. 86 d. A.). Der Umstand, dass der Prüfbericht vom 29.12.2015 dem Kläger nicht schon vorgerichtlich übermittelt worden ist, steht der Berücksichtigung von gegenüber der Kalkulation im Haftpflichtschadengutachten vom 26.11.2015 günstigeren Referenzwerkstätten nicht entgegen. Die vom Kläger beauftragte TÜV Rheinland Schaden- und Wertgutachten GmbH in Sulzbach/Saar dürfte über keine geringeren Erkenntnismöglichkeiten zu regionalen Werkstätten verfügen als die von der Zweitbeklagten beauftragte ControlExpert GmbH in 40764 Langenfeld. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass die Beklagten nicht erst nach Rechtshängigkeit günstigere Referenzwerkstätten benennt und die Abrechnung auf Grund des fiktive Reparaturkosten zu Grunde legenden Haftpflichtschadengutachtens entsprechend zu kürzen ist, vermag der Kläger nicht aufzubauen. Schließlich kommt es für die Beurteilung der Unzumutbarkeit nicht auf die subjektive Sicht des Geschädigten an, weil es im Rahmen von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB um ein Unterlassen derjenigen Maßnahmen geht, die ein ordentlicher und verständiger Mensch an der Stelle des Geschädigten zur Schadensabwehr oder -minderung ergreifen würde. Auch wenn dabei die Situation des Geschädigten zu berücksichtigen ist, ist es nicht dessen persönliche Sicht, die die Grenzen der Zumutbarkeit und damit den Umfang der Schadensminderungspflicht bestimmt (BGH NJW 2017, 2182, 2183 Rn. 9).

bb) Die Beilackierungskosten sind zweitinstanzlich in Höhe eines Betrags von 92,37 € unstreitig geworden. Insoweit haben die Beklagten erstinstanzlich geltend gemacht, die Beilackierung der Tür vorne rechts und die damit verbundene De- und Montage der Anbauteile sei aus lackiertechnischen Gründen nicht erforderlich. Hieraus ergebe sich ein gerechtfertigter Abzug in Höhe von 369,46 € (Bd. I Bl. 35 d. A.). In der Berufungsverhandlung haben die Parteien auf Hinweis und Anregung des Senats (Bd. II Bl. 251 d. A.) die Beilackierungskosten, die im Hinblick auf die mit der Berufung geltend gemachte hälftige Haftungsquote mit 184,73 € weiterverfolgt werden, in Höhe von 92,37 € unstreitig gestellt (Bd. II Bl. 252 d. A.).

cc) Die Beklagten haben bestritten, dass Aufschläge auf die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers für Ersatzteile in Höhe von insgesamt 597,73 € erforderlich seien (Bd. I Bl. 36, 45 d. A.). Da das Fahrzeug des Klägers mehr als drei Jahre alt gewesen sei, habe er keinen Anspruch auf Reparatur in einer Markenwerkstatt. Bei den dem Kläger benannten Referenzwerkstätten würden UPE-​Aufschläge nicht erhoben. Da der Kläger auch insoweit keinen Vortrag mehr gehalten hat, ist das entsprechende Vorbringen der Beklagten unstreitig und der Anspruch des Klägers auch in diesem Punkt entsprechend zu kürzen.

dd) Der Kläger hat zwar vollumfänglich Beweis durch Sachverständigengutachten angeboten (Bd. I Bl. 86 d. A.), der in Ermangelung von Klägervortrag zu den vorstehend unter aa) und cc) dargestellten Punkten und in Anbetracht des Unstreitigstellens der erforderlichen Kosten der Beilackierung in Höhe von 92,37 € netto aber unerheblich (geworden) ist.

ee) Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen der Berufungserwiderung in dem nach der Berufungsverhandlung eingereichten Schriftsatz vom 18.09.2017 dazu, dass Beilackierungskosten im Rahmen der fiktiven Abrechnung grundsätzlich nicht zu erstatten seien (Bd. II Bl. 257 d. A.), für den Senat nicht nachzuvollziehen. Soweit es in dem Schriftsatz heißt, dies entspreche „(wohl) auch der Auffassung des Senats“ und dazu ein Urteil des Amtsgerichts Brandenburg vom 08.01.2016 (31 C 111/15, NJW-​RR 2016, 283, 284) zitiert wird, das sich seinerseits wiederum auf das Senatsurteil vom 08.05.2014 (4 U 61/13, juris - Schaden-​Praxis 2015, 49 ff.) bezieht. In dem Urteil hat der Senat allerdings keinen solchen Rechtssatz aufgestellt (vgl. aaO, juris Rn. 102 ff.).

b) Die Kostenpauschale von 30 € ist unter Beachtung der ständigen Senatsrechtsprechung (z. B. NJW-​RR 2015, 223, 227 Rn. 62 m. w. Nachw.; ebenso Knerr in Geigel, aaO Kap. 3 Rn. 106), auf welche die Beklagten bereits in der Klageerwiderung hingewiesen haben (Bd. I Bl. 36 d. A.), nur in Höhe von 25 € berechtigt, so dass auf der Grundlage der Quote von 50 v. H. insoweit 12,50 € zu ersetzen sind.

c) Die vom Kläger gezahlten (vgl. Sparkassenkontoauszug des Klägers mit Belastungsbuchung, Bd. I Bl. 88 d. A.) Sachverständigenkosten in Höhe von 232,05 € sind in Höhe von 116,03 € zu ersetzen.

d) Der Berufungsantrag zu 2, mit dem der Kläger seinen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten an die Prozessbevollmächtigten des Klägers weiterverfolgt, ist interessengemäß als Freistellungsantrag auszulegen und hat in der Sache Erfolg.

aa) Inhalt und Reichweite des Klagebegehrens werden nicht allein durch den Wortlaut des Antrags bestimmt. Dieser ist unter Berücksichtigung der Klagebegründung auszulegen (BGH NJW-​RR 1998, 1005; 2012, 872 Rn. 23). Denn der prozessuale Anspruch im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wird durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet, festgelegt (BGH WM 2015, 1679 Rn. 14). Bei der Auslegung des Klageantrags ist im Zweifel wegen des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör das als gewollt anzusehen, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (BGH WM 2016, 1599, 1600 Rn. 12). Diese Grundsätze führen zur Auslegung des Klageantrags zu 2 als Antrag auf Freistellung des Klägers von einer Verbindlichkeit.

(1) In Bezug auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten kommt rechtlich grundsätzlich ein Anspruch des Klägers auf Freistellung oder, unter den Voraussetzungen des § 250 BGB, ein Anspruch auf Zahlung in Betracht. Der Zahlungsanspruch des Klägers wäre auch ohne Fristsetzung zu bejahen, wenn der Schädiger eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er die Leistung ablehnt (jurisPK-​BGB/Rüßmann, 8. Aufl. § 250 BGB Rn. 7).

(2) Ein unmittelbarer Anspruch der beauftragten Rechtsanwaltssozietät auf Zahlung gegen den Schädiger liegt fern, da dieser eine rechtswirksame Abtretung des Anspruchs vom Geschädigten (= Schuldner) an die Sozietät (= Gläubiger) voraussetzte, an der es hier aber fehlt. Deshalb kann vorliegend offenbleiben, ob eine Abtretung zum Erlöschen auf Grund einer Konfusion (Schuldner und Gläubiger fallen in der Person der Sozietät zusammen) führen würde. Die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person führt zwar in der Regel zum Erlöschen der Forderung (BGHZ 48, 214, 218). Diese Rechtsfolge ist aber weder gesetzlich vorgeschrieben noch logisch zwingend; vielmehr ist vom Fortbestehen der Forderung auszugehen, wo dies nach der Interessenlage etwa mit Rücksicht auf Rechte Dritter an der Forderung geboten erscheint (BGH NJW 1995, 2287, 2288).

(3) Da aber schon eine Forderungsabtretung des Klägers an seine Prozessbevollmächtigten nicht wirksam erfolgt ist, bedarf die Frage der Konfusion keiner Beantwortung. Die Beklagten begründen zwar ihre Rüge des Fehlens der Aktivlegitimation des Klägers hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter Hinweis auf eine der Beklagten zu 2 mit Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers an sie vom 24.11.2015 vorgelegten Abtretungserklärung (Bd. I Bl. 36 d. A.). Unabhängig von der Frage, ob eine solche zusammen mit dem Hinweis gemäß § 49b Abs. 5 BRAO auf der Prozessformularvollmacht angebrachte, wenn auch mit gegenüber der Vollmacht gesonderter Unterschrift des Mandanten versehene Abtretung nicht schon überraschend im Sinne des § 305c BGB ist, ist die vorliegende Abtretung nicht hinreichend bestimmt und damit unwirksam.

(3.1) Laut der vorliegenden Formularerklärung vom 24.11.2015 tritt der Auftraggeber die Kostenerstattungsansprüche und sonstigen Ansprüche gegenüber dem Gegner, der Justizkasse oder anderen erstattungspflichtigen Dritten in Höhe der Kostenansprüche des beauftragten Anwalts an diesen ab (Bd. I Bl. 49 d. A. oben). Diese Fassung genügt dem Bestimmtheitserfordernis nicht.

(3.2) Eine Abtretung - insbesondere eine solche künftiger Forderungen ist nur wirksam, wenn die abgetretene Forderung bestimmt oder zumindest bestimmbar bezeichnet ist (Bestimmtheits- bzw. Bestimmbarkeitsgebot, BGHZ 7, 365, 367; BGH NJW 1995, 1668, 1669; NJW-​RR 2003, 1690, 1691; jurisPK-​BGB/Rosch, aaO § 398 Rn. 10, 20). Unwirksam ist hingegen die Abtretung mehrerer Forderungen in Höhe eines Teilbetrages, wenn nicht erkennbar ist, auf welche Forderungen bzw. Teilforderungen sich die Abtretung bezieht. Bestimmbarkeit setzt voraus, dass Höhe und Reihenfolge der von der Teilabtretung erfassten Forderungen aufgeschlüsselt werden. Der Schuldner muss sich in zumutbarer Weise Gewissheit darüber verschaffen können, ob und in welcher Höhe seine Verpflichtung von der Abtretung erfasst ist. Nicht hinreichend bestimmt ist daher eine Abtretungsvereinbarung, wenn eine Forderungsmehrheit abgetreten werden soll, dies aber nur bis zu einem Höchstbetrag, wenn dabei unklar bleibt, welche der Forderungen diesen Höchstbetrag ausfüllen sollen. Um dem Bestimmbarkeitserfordernis zu genügen, ist es erforderlich, in der Abtretungserklärung gegebenenfalls den Umfang der von der Abtretung erfassten Forderungen der Höhe und der Reihenfolge nach aufzuschlüsseln. Für die Bestimmbarkeit künftiger Ansprüche, die bis zu einem Höchstbetrag abgetreten werden sollen, ist daher eine Regelung darüber notwendig, in welcher Reihenfolge weitere Forderungen an die Stelle der getilgten nachrücken sollen, um den Höchstbetrag „aufzufüllen“. Ist eine solche Bestimmung in den zwischen den Parteien geschlossenen Zessionsverträgen nicht enthalten, ist die Abtretung unwirksam (BGH NJW 1965, 2197, 2198; 2011, 2713 Rn. 7 f.; Erman/H. P. Westermann, BGB 14. Aufl. § 398 Rn. 10; jurisPK-​BGB/Rosch, aaO Rn. 17; abweichend OLG Karlsruhe OLGZ 1984, 81, 82 f.). So liegt der Fall hier. Die in der Formularerklärung enthaltene Abtretung betrifft eine Forderungsmehrheit (Kostenerstattungsansprüche und sonstigen Ansprüche gegenüber dem Gegner, der Justizkasse oder anderen erstattungspflichtigen Dritten), die teilweise, in Abhängigkeit von der Höhe - mehrerer - anderer Forderungen, nämlich der Kostenansprüche des beauftragten Anwalts, an diesen abgetreten werden sollten. Damit ist weder die Reihenfolge des „Auffüllens“ mit der abgetretenen Forderungsmehrheit noch ein auch nur bestimmbarer Betrag, in dessen Umfang die Abtretung erfolgen soll, festgelegt.

bb) Der Freistellungsanspruch der Klägerin ist gegeben. Zu den adäquat verursachten und gemäß § 249 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Schadensfolgen rechnen auch die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, soweit sie aus sachgerechten und vernünftigen Maßnahmen der Rechtsverfolgung erwachsen. Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH NJW 2012, 2194 Rn. 8). Die Beklagten haben die von der angemessenen 1,3 Geschäftsgebühr ausgehenden Darlegungen in der Klageschrift (Bd. I Bl. 5 d. A.) zu den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht in Frage gestellt.

e) Der Zinsanspruch ergibt sich gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Grund der Inverzugsetzung durch Anwaltsschreiben vom 01.12.2015 mit Fristsetzung zum 29.12.2015 (Bd. I Bl. 20 f. d. A.) jedenfalls im geltend gemachten Umfang (§ 308 Abs. 1 ZPO) ab dem 01.02.2016. Obgleich das vorbezeichnete Anwaltsschreiben nur an die Beklagte zu 2 gerichtet war, wirkt die Inverzugsetzung dieser als Gesamtschuldnerin trotz § 425 Abs. 1 und 2 BGB auch zu Lasten des Beklagten zu 1, weil sich aus dem Schuldverhältnis ein Anderes im Sinne des § 425 Abs. 1 BGB ergibt. Die vom Beklagten zu 1 der Beklagten zu 2 gemäß A.1.1.4 AKB bzw. § 10 Abs. 5 AKB 2008 erteilte Regulierungsvollmacht bewirkt, dass sich der Beklagte zu 1 gemäß § 164 Abs. 1 und 3 BGB die den Verzug begründende Wirkung der gegenüber der Beklagten zu 2 ausgesprochenen Mahnung zurechnen lassen muss (vgl. Palandt/Grüneberg, aaO § 425 Rn. 3).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO.

7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

8. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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