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Amtsgericht Ludwigshafen Urteil vom 13.09.2017 - 2h C 42/17 - Berücksichtigung der Betriebsgefahr bei Unfällen mit Fußgängern

AG Ludwigshafen v. 13.09.2017: Haftungsverteilung bei Beschädigung eines zur Nötigung des Beiseitetretens eingesetzten Fahrzeugs


Das Amtsgericht Ludwigshafen (Urteil vom 13.09.2017 - 2h C 42/17) hat entschieden:

   Fährt ein Kraftfahrer beim Ausparken mit seinem Fahrzeug auf einen vor dem Fahrzeug stehenden Fußgänger zu, um diesen zum Beiseitetreten zu nötigen, und schlägt dieser sodann mit der Faust auf die Motorhaube, ohne dass insoweit ein Rechtfertigungsgrund eingreift, verwirklicht sich grundsätzlich die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs, so dass der - vom Fahrer personenverschiedene - Halter des beschädigten Kraftfahrzeugs sich eine Mithaftung anrechnen lassen muss. In diesem Fall kann eine hälftige Schadensteilung angemessen sein.



Siehe auch

Berücksichtigung der Betriebsgefahr bei Kfz-Unfällen mit Fußgängern

und

Stichwörter zum Thema Fußgänger und Fußgängerunfälle


Tatbestand:


Die Klägerin ist Eigentümer und Halter des Pkw ..., Erstzulassung 2004. Der Beklagte betreibt auf dem Wochenmarkt in ... einen Verkaufsstand. Der Markt findet auf der Mittelinsel der ... statt. Am jeweils linken Fahrbahnrand der ... - also an der Mittelinsel - ist ein absolutes Halteverbot mit Ausnahme für Marktbeschicker an Markttagen geregelt. Der Beklagte stellt dort an Markttagen seinen Transporter mit Anhänger ab, wobei er mit mindestens zwei Pylonen einen Ladebereich hinter dem Anhänger absteckt.

Am 11.06.2016 stellte der Ehemann der Klägerin, der Zeuge A, den Pkw der Klägerin im absoluten Halteverbot hinter dem Beklagtenfahrzeug und dem hintersten der Pylonen ab. Als der Zeuge nach Erledigung von Einkäufen wieder in den Pkw einstieg und losfahren wollte, stellte sich der Beklagte vor oder auf den hintersten Pylon. Der Zeuge fuhr sodann mit dem Pkw auf den Beklagten zu, um diesen dazu zu bringen, den Weg freizumachen; näheres ist streitig. Der Beklagte schlug sodann mit der Faust auf die Motorhaube des Pkw. Der Zeuge A setzte anschließend zurück und fuhr aus der Parkposition heraus. Die von dem Zeugen verständigte Polizei stellte nach Eintreffen um 11:45 Uhr eine Delle auf der Motorhaube des Pkw fest.

Die Klägerin ließ im Zeitraum 27.06.-​30.06.2016 bei der ... Reparaturen an der „Frontklappe“ des Pkw für brutto 1.079,04 € ausführen. Mit Anwaltsschreiben vom 2.08.2016 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von 1.281,04 € nebst Anwaltskosten bis 15.08.2016 auf.

Ein bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal unter ... wegen Sachbeschädigung geführtes Ermittlungsverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage von 100 € gemäß § 153a StPO eingestellt. Ein gegen den Zeugen A geführtes Ordnungswidrigkeitsverfahren stellte die Bußgeldbehörde nach § 47 OWiG ein.

Die Klägerin trägt vor, „das kurzzeitige Abstellen von Fahrzeugen am linken Fahrbahnrand an Markttagen von auch Marktbesuchern während der Markteinkäufe ist lokaler Usus und Regel“. Der Beklagte habe bei Eintreffen des Zeugen A hinter seinem Anhänger 5-​6 rot-​weiße Pylone/Zipfel auf ca. 3-​4 m aufgestellt gehabt, der Zeuge habe vor einem anderen dort abgestellten Pkw und hinter den Pylonen geparkt. Als er nach Tätigen der Einkäufe zurückgekommen sei und habe wegfahren wollen, habe der Beklagte „inzwischen die Zipfel/Hüte direkt vor den Pkw der Klägerin mit dem ersten in einer Entfernung von max. 1 Meter aufgestellt und abgestellt“ gehabt. Nach Aufforderung des Ehemanns der Klägerin, diesen wegzunehmen, habe sich der Beklagte „vor diesem letzten Zipfel“ etwa in Fahrzeugmitte aufgestellt, die Arme verschränkt und den Zeugen „provozierend“ angeschaut. Ihr Ehemann sei dann „mit Minimalgeschwindigkeit“ mit dem Pkw maximal 10 cm zum Beklagten vorgerollt und habe „in sicherer Entfernung zu diesem und ohne jede Gefahr oder Gefährdung für ihn sofort wieder angehalten“. Das habe den Beklagten so in Wut und Rage gebracht, dass er auf die Motorhaube eingeschlagen habe, „ca. 3-​5 Sekunden nachdem der Pkw der Klägerin wieder stand“. Die Klägerin hat zunächst weiter vorgetragen, ein Ausweichen mit Rücksetzen des Pkw sei nicht möglich gewesen, es sei „der Pkw eines anderen Marktbesuchers hinter dem der Klägerin press mit minimalem Zwischenraum zu diesem abgestellt/geparkt, was der Beklagte gesehen hat und wusste“, gewesen; sie macht sodann geltend, zu dem hinter dem der Klägerin geparkten Pkw habe eine Distanz von „max. 1 Meter“ gelegen, der Zeuge A sei nach dem Schlag vorsichtig zurückgestoßen und dann ohne Beschädigung oder Kontakt mit einem der Hütchen oder dem Beklagten aus der Parklücke herausgefahren. Durch den Schlag sei eine Delle entstanden, zu deren fachgerechten Instandsetzung der Betrag aus der Rechnung vom 4.07.2016 notwendig gewesen sei. Ein Mitverschulden ihres Ehemannes sei nicht zuzurechnen. Die Klägerin verlangt weiter Nutzungsausfall von 177 € (drei Tage zu 59 €) und Vorfall-​/Unfallnebenkosten pauschal von 25 € und beantragt:

1.  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.281,04 € nebst Zinsen hieraus mit 5-​Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 16.08.2016 zu zahlen.

2.  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche RA-​Kosten von € 213,71 nebst Zinsen hieraus mit 5-​Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 16.08.2016 zu zahlen.





Der Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.


Er trägt vor, die rot-​weißen „Hütchen“ hätten sich bereits zum Zeitpunkt des Einparkens des Ehemanns der Klägerin dort befunden, er sichere die notwendige Ladefläche hinter seinem Bus mit zwei Pylonen ab. Der Ehemann der Klägerin habe direkt hinter der Absperrung geparkt und habe den Beklagten im Vorbeigehen mit „was soll der Scheiß“ angepöbelt. Als er nach dem Einkaufen zurückgekommen sei, habe er dem Beklagten gesagt, er solle seine Absperrung wegnehmen, da er jetzt wegfahren wolle; der Beklagte habe darauf hingewiesen, dass er rückwärts problemlos aus der Parklücke fahren könne. Um sein Absperrhütchen zu sichern, habe sich der Beklagte auf diesen Pylon gestellt. Der Ehemann der Klägerin sei grundlos nach vorne und ihm gegen die Beine gefahren, der Beklagte habe die Hand gehoben und gesagt, jetzt reiche es. Trotzdem habe der Ehemann der Klägerin den Beklagten wegschieben bzw. umfahren wollen. Erst als der Beklagte vor Schreck auf die Motorhaube geschlagen habe, um den Ehemann der Klägerin am Weiterfahren zu hindern, habe dieser gestoppt. Dieser habe daraufhin den Rückwärtsgang eingelegt, den Beklagten beschimpft und sei weggefahren. Es sei mehr als 1 m Platz hinter dem Fahrzeug gewesen. Die Delle könne genauso schon vor dem Unfall vorhanden gewesen sein.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen A, B und C. Der Beklagte wurde als Partei angehört. Die genannte Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft wurde beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:


Die Klage ist teilweise begründet. Der Beklagte haftet für die durch den Schlag auf die Motorhaube des Klägerfahrzeugs verursachten Schäden wegen schuldhafter Beschädigung des Eigentums gemäß § 823 BGB, ein Rechtfertigungsgrund greift nicht ein. Die Klägerin muss sich jedoch eine vorwerfbare hälftige Mitverursachung des Schadens im Rahmen der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs zurechnen lassen.

1. Indem der Zeuge A mit dem Kraftfahrzeug auf den Beklagten zugefahren ist, um diesen zum Weggehen zu zwingen, hat er - auch ausgehend vom Vortrag der Klägerin - durch Einsatz des Fahrzeugs als körperliche Gewalt die Straftat der Nötigung (§ 240 StGB) verwirklicht, insbesondere war die Gewaltanwendung zur Erreichung dieses Zwecks im Sinne des § 240 Abs. 2 StGB verwerflich. Verwerflichkeit in diesem Sinne ist ein erhöhter Grad sozialethischer Missbilligung der für den erstrebten Zweck angewandten Mittel, was auf Grund einer umfassenden Abwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und einer darauf aufbauenden Gesamtwürdigung des Wertverhältnisses und des sachlichen Zusammenhangs von Zweck und Mittel zu beurteilen ist (Schönke/Schröder-​Eser/Eisele StGB § 240 Rn. 17). Bei der Nötigung eines Fußgängers mittels eine Kraftfahrzeugs, um diesen zum Beiseitetreten zu bringen, kann es zwar an der Verwerflichkeit in Fällen fehlen, in denen der Fußgänger rechtswidrig eine Parklücke blockiert und es nicht zu einer ernsthaften Gefährdung kommt (vgl. hierzu OLG Hamm Urt. v. 15.08.1969 - 1 Ss 603/69; OLG Köln NJW 1979, 2056; OLG Sachsen-​Anhalt NZV 1998, 163; BayObLG NZV 1998, 163). So liegt der Fall hier aber nicht. Denn die Klägerin trägt zuletzt selbst vor, dass hinter dem Klägerfahrzeug ein Platz von bis zu einem Meter gewesen sei, so dass es dem Zeugen A nach den von einem Kraftfahrer zu erwartenden Fähigkeiten und bei zumutbaren Anstrengungen - gerade wenn man sein Fahrzeug im absoluten Halteverbot abstellt - ein Ausparken durch Rücksetzen ohne weiteres möglich gewesen wäre (aus der Aussage des Zeugen A, wonach der Abstand hinten vielleicht etwa 50 cm gewesen sei, ergibt sich auch nichts anderes). Dass dies tatsächlich ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich war, belegt der Umstand, dass auch nach dem Klagevortrag der Zeuge nach dem Schlag mittels Rücksetzen „ohne Beschädigung oder Kontakt mit einem der Hütchen oder dem Beklagten“ ausgeparkt ist, obwohl der Beklagte nicht zur Seite gegangen war. Das Zufahren auf den Zeugen A diente daher keinem billigenswerten Zweck und war den Umständen nach völlig unangemessen; der Zeuge A hat auch nicht versucht, die Situation zunächst durch ein Gespräch mit dem Beklagten zu klären. Wenn zudem der Beklagte dort nicht gestanden hätte, hätte dort oder jedenfalls unmittelbar dahinter ein Pylon gestanden, den der Zeuge A nicht einfach hätte umfahren dürfen; letztlich diente somit das Fahrverhalten auch dem Zweck, eine Gefährdung fremden Eigentums zu ermöglichen. Für diese Beurteilung ist nicht von wesentlicher Bedeutung, wie weit der Zeuge A tatsächlich an den Beklagten herangefahren ist, denn auch wenn er nur „ein ganz kleines Stückchen, 5 cm“ vorgefahren sei (so Aussage des Zeugen), erfolgte dies gleichwohl, um den Beklagten durch Drohung mit einer körperlichen Verletzung oder aber einem gewaltsamen Wegschieben durch das Kraftfahrzeug zu einer Handlung zu nötigen. Unerheblich ist auch, ob der Beklagte erst nach dem Abstellen des Klägerfahrzeugs Pylone umgestellt habe, zumal anschließend der erste Pylon noch immer in einem großzügigen Abstand von bis zu einem Meter zu dem Fahrzeug gestanden haben soll.

2. Gleichwohl war der Beklagte nicht berechtigt, das Fahrzeug durch einen Schlag auf die Motorhaube zu beschädigen, um das Heranfahren zu stoppen, das Handeln ist nicht durch Notwehr gerechtfertigt. Notwehr ist gemäß § 227 BGB (entspricht § 32 StGB) diejenige gebotene Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Ein rechtswidriger Angriff lag zwar vor. Ob der Schlag im gesetzlichen Sinne erforderlich war, also das mildeste Erfolg versprechende Gegenmittel darstellte (vgl. MüKo-​BGB-​Grothe § 227 Rn. 12-​13), ist jedoch fraglich, wenn nicht abschließend geklärt ist, wo sich zu diesem Zeitpunkt das Fahrzeug befand und inwieweit es zuvor in Bewegung war. Jedenfalls fehlt es an der Gebotenheit der Verteidigungshandlung. Bei der Voraussetzung der Gebotenheit geht es um sozialethische Einschränkungen des Notwehrrechts, die letztlich in dem Verbot des Rechtsmissbrauchs begründet sind; danach kann im Einzelfall dem Angegriffenen ein Ausweichen oder sogar die Duldung des Angriffs zumutbar sein, wenn das Rechtsbewährungsinteresse des Notwehrrechts nicht oder nur wenig betroffen ist. Typische Fälle sind schuldlose oder unerhebliche Angriffe oder eine sog. Notwehrprovokation (Staudinger-​Repgen BGB § 227 Rn. 65 ff.; MüKo-​BGB-​Grothe § 227 Rn. 19 ff.). Wer schuldhaft einen Angriff auf sich provoziert, darf auch dann, wenn er insoweit nicht vorsätzlich gehandelt hat, nicht bedenkenlos von seinem Notwehrrecht Gebrauch machen; die Notwehreinschränkung in solchen Fällen hängt davon ab, ob er dem Angriff ausweichen kann oder ob er über ein Ausweichen zum Einsatz eines weniger gefährlichen Verteidigungsmittels gelangen kann (vgl. BGH NStZ-​RR 1996, 130 m.w.N.). Hier hat der Beklagte vorwerfbar die Notwehrlage mitverursacht, indem er sich auf oder vor den Pylon gestellt und damit demonstrativ (wenn auch nur unwesentlich) die Fahrt des Zeugen A blockiert hat, obwohl es zum Schutz des Pylons vor Verlust oder Beschädigung ohne weiteres ausgereicht hätte, diesen kurz wegzunehmen, bis das Fahrzeug weggefahren war. Da der Zeuge A den Beklagten nach dessen Vortrag schon vorher „angepöbelt“ hatte (was auch der Zeuge in seiner Aussage nicht ausschließen wollte), war vorhersehbar, dass es hierdurch zu einer Eskalation gerade in der stattgefundenen Weise kommen könnte. Wenn es dem Beklagten nur um einen Schutz des Pylons ging, war ihm zumutbar, anstelle auf den Angriff mit einer Beschädigung des Fahrzeugs zu reagieren dem Auto auszuweichen und erforderlichenfalls den Pylon kurz auf die Seite zu stellen. Ging es ihm dagegen, was nicht fernliegt, zumindest auch um eine Maßregelung des Zeugen A für das Falschparken und ein beleidigendes Auftreten, hat der Beklagte sich erst recht vorwerfbar in eine Gefahrenlage gebracht, indem er sich in einer Weise, die als provozierend empfunden werden konnte, vor ein losfahrendes Auto stellte.

Die Vernehmung der Zeugen B und C hat demgegenüber nicht ergeben, dass nach der konkreten Situation im Zeitpunkt des Schlages der Beklagte von einer erheblichen Gefährdung ausgehen durfte, die nur noch durch einen solchen Schlag hätte abgewendet werden können, etwa weil das Fahrzeug bereits - und nicht nur im Sinne einer leichten Berührung - gegen seine Beine gestoßen gewesen wäre. Die beklagtenseits benannten Zeugen B und C haben zu dem eigentlichen Geschehen keine Wahrnehmungen gemacht. Die Zeugin B hat angegeben, der Beklagte habe sich auf das „Hütchen“ gestellt, sie habe dann nicht mehr hingeschaut, aber dann gesehen wie die Zeugin C im Verkaufsstand gegenüber aufgeregt auf einen Zettel etwas aufschreibe, sie habe dann zum Beklagten laufen wollen und in dem Moment einen Schlag gehört, sie habe dann gesehen, dass das Auto direkt an seinen Beinen dran gewesen sei. Die Zeugin C hat das so nicht bestätigt, sondern konnte lediglich angeben, der Beklagte habe sich „in dem Bereich vor dem Auto aufgehalten“ und mit dem Herrn diskutiert, sie habe zwar gesehen, dass das Auto auf ihn zugefahren sei, aber nicht gesehen oder gehört, dass der Beklagte geschlagen habe, man habe sich das hinterher erzählt. Soweit der Beklagte in seiner Anhörung angegeben hat, das Fahrzeug sei bereits gegen seine Beine gefahren, sind etwaige Verletzungen oder Beschwerden, die dann grundsätzlich zu erwarten wären, nicht dokumentiert oder geltend gemacht worden.

3. Der Schlag ist zurechenbar durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs mitverursacht worden. Gemäß § 7 StVG ist der Halter eines Kraftfahrzeugs, wenn bei dessen Betrieb ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird, zum Schadensersatz verpflichtet, auf ein Verschulden kommt es nicht an. Der Begriff des Betriebs eines Kraftfahrzeugs ist weit zu fassen. Ausreichend ist, dass ein naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht und bei wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit-​)geprägt worden ist, es muß sich um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll (BGH NZV 2015, 327; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht § 7 StVG Rn. 7 ff.; jeweils m.w.N.). Eine Fahrzeugberührung ist nicht erforderlich, zurechenbar sind danach auch Schäden, die durch eine objektiv nicht erforderliche Ausweichreaktion ausgelöst werden, selbst wenn die Ausweichreaktion aus Sicht des Geschädigten nicht subjektiv erforderlich war oder sich als einzige Möglichkeit zur Vermeidung einer Kollision dargestellt hat (BGH NJW 2010, 3713; BGH NJW 2005, 2081). Auch sonst ist die Zurechnung zur Betriebsgefahr regelmäßig nicht unterbrochen, wenn der Schaden erst durch ein gefahrträchtiges oder aber rechtswidriges und sogar vorsätzliches Verhalten des Geschädigten selbst oder Dritter eingetreten ist (vgl. BGHZ 58, 162: Schäden durch nachfolgende Kraftfahrer, die zur Umgehung der Unfallstelle über den Radweg und Fußweg fahren; BGH NJW 2013, 1679: Sturz eines Unfallbeteiligten bei eisglatter Fahrbahn nach Verlassen des Fahrzeugs; OLG Celle MDR 2005, 1345: Sturz auf Straße aufgrund von Enge und Gedränge an Haltestellen als typisches Betriebsrisiko des Busverkehrs, ebs. OLG Karlsruhe NZV 2011, 141); die vorsätzliche Benutzung des Kraftfahrzeugs durch den Fahrer zur Begehung einer Straftat schließt die Haftung des Halters ebenfalls nicht notwendig aus (BGHZ 37, 311: Vorsätzliche Tötung eines Menschen durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs). Wird umgekehrt ein Kraftfahrzeug bei dessen Betrieb schuldhaft durch einen anderen (jedoch nicht durch ein anderes Kraftfahrzeug) beschädigt, ist die gegebenenfalls durch ein schuldhaftes Fehlverhalten des Fahrers erhöhte Betriebsgefahr gegen das Verschulden des Schädigers nach §§ 823, 254 BGB abzuwägen.

Danach ist der Schaden am Pkw der Betriebsgefahr zuzurechnen. Die Schadensentstehung erfolgte unmittelbar beim technischen Betrieb des Fahrzeugs bei laufendem Motor und begonnenem Ausparkvorgang. Bei wertender Betrachtung ist der Schaden durch den Betrieb des Fahrzeugs mitgeprägt worden, es ist hierzu nur deshalb gekommen, weil der Zeuge A es unternahm, den Beklagten durch Zufahren mit dem Fahrzeug von seinem Standort wegzudrängen. Dass derjenige, der in solcher Weise durch ein Fahrzeug genötigt und jedenfalls potentiell erheblich gefährdet wird, mit einem Schlag gegen das Fahrzeug reagiert, war nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbar, keinesfalls unwahrscheinlich und insoweit direkte Folge des Fahrverhaltens des Klägerfahrzeugs. Ebenso wie der Beklagte damit rechnen musste, dass sein Verhalten den Zeugen A dazu provozieren könnte zu versuchen, ihn durch Zufahren mit dem Fahrzeug wegzudrängen, musste der Zeuge damit rechnen, dass der Beklagte diesem Verhalten handgreiflich begegnen, also der Einsatz des Kraftfahrzeugs als Mittel der Gewaltanwendung sozusagen „nach hinten losgehen“ könnte.

4. Bei Abwägung des Verschuldens des Beklagten einerseits und des der Klägerin im Rahmen der Betriebsgefahr zuzurechnenden Verschuldens des Zeugen A andererseits ist eine hälftige Teilung der Haftung angemessen. Weder tritt, insbesondere im Hinblick auf die (potentielle) Gefährlichkeit des Fahrverhaltens des Klägerfahrzeugs dessen Betriebsgefahr hinter ein überwiegendes Verschulden der Beklagtenseite zurück, noch ist ein Zurücktreten des Verschuldens des Beklagten, der vorsätzlich auf das Fahrzeug eingeschlagen hat, gerechtfertigt. Bei wertender Betrachtung beruhte der Vorfall vielmehr auf beiderseits ungefähr in gleichem Maße vorwerfbarem Verhalten. Eine Haftung des Beklagten für den Schaden zu 50 % ist danach angemessen und ausreichend. Wäre das Mitverschulden des Zeugen A im übrigen nicht der Klägerin zurechenbar, wäre der Zeuge in entsprechendem Umfang dem Beklagten gemäß §§ 840, 426 BGB zur Erstattung beziehungsweise zur Freistellung von der Klageforderung, gegebenenfalls nebst anteiliger Prozesskosten, verpflichtet.




5. Zur Höhe des Schadens ist die Klägerin nicht mehr zu weiterem Beweis gehalten. Unstreitig hat die kurze Zeit nach dem Vorfall eingetroffene Polizei an der Motorhaube des Klägerfahrzeugs eine „kleine Delle“ festgestellt und hat die Klägerin zeitnah eine Reparatur der „Frontklappe“ bei der Firma ... vornehmen lassen, ausweislich der Rechnung erfolgte die Anlieferung am 27.06.2017, also 16 Tage nach dem Vorfall. Insoweit bedarf es keines weiteren Beweises, dass die Reparaturen sich auf die Delle bezogen und diese bei dem Schlag entstanden ist. Für die Höhe der Reparaturkosten trägt der Beklagte das sog. Werkstattrisiko; die tatsächlich entstandenen Kosten sind damit auch dann zu ersetzen, falls sie ohne eigenes Verschulden der Klägerin höher als der an sich nach § 249 Abs. 2 BGB erforderliche Geldbetrag sind.

Ebenfalls zur Hälfte steht der Klägerin der Nutzungsausfall von drei Tagen zu je 59 € und eine allgemeine Unkostenpauschale von 25 € zu. Der Satz von 59 € ist für das Fahrzeug ... Erstzulassung 2004 nach Herabstufung um zwei Klassen bei einem Fahrzeugalter von über 10 Jahren (Gruppe G) zutreffend (vgl. etwa Nutzungsausfalltabellen NJW-​Beil. 2008, 3; NJW 2007, 1640). Eine pauschale Unkostenentschädigung ist noch gerechtfertigt, da es sich im weiteren Sinne um einen Verkehrsunfall gehandelt hat (vgl. hierzu BGH NJW 2012, 2267).

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind aus dem zutreffenden Streitwert bis 1.000 € in der geltend gemachten Höhe einer 1,3-​Gebühr nebst Postpauschale und Mehrwertsteuer sowie 12 € Akteneinsichtsgebühr ersatzfähig. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288.

6. Die Entscheidung über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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