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Kammergericht Berlin Beschluss vom 17.03.2009 - 2 Ss 51/09 - Zur wirksamen Zustellung des Bußgeldbescheides bei außergerichtlicher Vertretungsvollmacht

KG Berlin v. 17.03.2009: Zur wirksamen Zustellung des Bußgeldbescheides bei außergerichtlicher Vertretungsvollmacht


Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 17.03.2009 - 2 Ss 51/09) hat entschieden:

   Handelt es sich bei dem Bevollmächtigten um einen Rechtsanwalt, so darf im Hinblick auf dessen Stellung als Organ der Rechtspflege gemäß § 1 BRAO der Nachweis der Bevollmächtigung durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nur ausnahmsweise aus besonderem Anlass gefordert werden. Wird in einer Vollmacht eines Anwalts seine Zuständigkeit zur Entgegennahme von Zustellungen nicht ausdrücklich ausgeschlossen, ist eine Zustellung des Bußgeldbescheides an ihn zulässig und kann die Verjährung unterbrechen.



Siehe auch

Die Vollmacht des Rechtsanwalts

und

Zustellung/Bußgeldbescheid


Entscheidungsgründe:


Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen § 37 Abs. 2 (zu ergänzen: Nr. 1 Satz 7), 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 125,00 Euro verurteilt, nach § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn verhängt und gemäß § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen macht mit der Behauptung, die Zustellung des Bußgeldbescheides sei unwirksam gewesen, das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung geltend. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.




Gemäß § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG bis zum Erlass des Bußgeldbescheides drei Monate, danach sechs Monate. Vorliegend ist die Verjährung bezüglich der vom Betroffenen am 10. März 2008 begangenen Ordnungswidrigkeit zumindest durch die am 7. Mai 2008 erfolgte Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG, den Erlass des am 20. Juni 2008 zugestellten Bußgeldbescheids am 17. Juni 2008 gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG und die am 29. August sowie 5. September 2008 erfolgten Anberaumungen eines Hauptverhandlungstermins gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG jeweils wirksam unterbrochen worden. Dabei ist die Zustellung des Bußgeldbescheids an Rechtsanwalt S. wirksam erfolgt. Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG, § 5 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG kann an einen für bestimmte Angelegenheiten im Sinne von § 166 Abs. 2 BGB bestellten Vertreter des Zustellungsempfängers wirksam zugestellt werden (vgl. Lampe in KK, OWiG 3. Aufl., Rdn. 82; Seitz in Göhler, OWiG 14. Aufl., Rdn. 42; Wieser, OWiG , Rdn. 5.3; jeweils zu § 51 OWiG). Eine solche Vollmacht wird durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erklärt (§ 167 Abs. 1 BGB), wobei die Erteilung grundsätzlich auch formlos, unter Umständen auch konkludent erfolgen kann (vgl. Engelhardt/App/Schlatmann, VwVollStrG-VwZG, 8. Aufl., § 7 Rdn. 1, 2; Sadler, VwVollStrG-VwZG, 6. Aufl., § 7 Rdn. 4; Schramm in MK, BGB 5. Aufl., § 167 Rdn. 4, 11, 15). Dabei ist davon auszugehen, dass allgemein bevollmächtigte Personen, wie zum Beispiel Generalbevollmächtigte oder Prokuristen, in der Regel zur Annahme von Schriftstücken, die im Bußgeldverfahren zugestellt werden, nicht ermächtigt sein werden, da dies nicht zu ihrem Aufgabenkreis gehört. Das Gegenteil gilt jedoch für Vertreter, die für bestimmte Angelegenheiten bestellt sind und bei denen die Bevollmächtigung zugleich die Ermächtigung umfasst, Zustellungen in Empfang zu nehmen (vgl. Seitz in Göhler a.a.O.; Sadler a.a.O., Rdn. 6). Handelt es sich bei dem Bevollmächtigten um einen Rechtsanwalt, so darf im Hinblick auf dessen Stellung als Organ der Rechtspflege gemäß § 1 BRAO der Nachweis der Bevollmächtigung durch Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nur ausnahmsweise aus besonderem Anlass gefordert werden (vgl. Engelhardt/App/Schlatmann a.a.O., Rdn. 6; Sadler a.a.O., Rdn. 4; jeweils m.w.N.).



Unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze besteht kein Zweifel daran, dass die an Rechtsanwalt S. erfolgte Zustellung des Bußgeldbescheides wirksam war, da es sich bei dem Rechtsanwalt um den für das Bußgeldverfahren gegenüber der Verwaltungsbehörde Bevollmächtigten handelte, wobei nicht nur der Inhalt der von ihm vorgelegten schriftlichen Vollmacht, sondern im Hinblick darauf, dass deren Vorlage zum Nachweis der Bevollmächtigung und zur Wirksamkeit der danach erfolgten Zustellung nicht einmal erforderlich war, auch das von dem Rechtsanwalt bei Vollmachtsvorlage verfasste Begleitschreiben zu berücksichtigen sind. Nach dem Inhalt der Vollmachtsurkunde wurde den in dieser namentlich aufgeführten beiden Rechtsanwälten vom Betroffenen „Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung“ erteilt, und zwar bezüglich des gegen den Betroffenen bei der Verwaltungsbehörde anhängigen Bußgeldverfahrens, wie sich aus der Bezugnahme der Vollmachtserteilung auf die „Angelegenheit gegen H.-G.S. wegen 58.70.389137.1“ (dem Aktenzeichen des Bußgeldverfahrens) ergibt. Dass die Entgegennahme von Zustellungen von der Bevollmächtigung ausgeschlossen werden sollte, ergibt sich auch nicht aus dem danach folgenden Text der Vollmachtsurkunde, da die dort im einzelnen aufgeführten sieben Tätigkeitsbereiche des Bevollmächtigten eindeutig nur beispielhaft erwähnt sind, da ihre Aufzählung mit dem Passus „die Vollmacht ermächtigt insbesondere“ eingeleitet wird. Es kommt hinzu, dass in dem bei Vollmachtsvorlage von Rechtsanwalt S. beigefügten Meldeschriftsatz dieser anzeigt, den Betroffenen „anwaltlich zu vertreten“ und darum bittet, „jede weitere Korrespondenz in dieser Angelegenheit ausschließlich“ über seine Kanzlei zu führen und „von persönlichen Anfragen“ an seinen Mandanten abzusehen. Danach ist vorliegend die an Rechtsanwalt S. erfolgte Zustellung des Bußgeldbescheides gemäß § 5 des Gesetzes über das Verfahren der Berliner Verwaltung i.V.m. § 7 Abs. 1 VwZG wirksam erfolgt und somit auch die Verjährung rechtzeitig unterbrochen worden (vgl. zu der entsprechenden Vorschrift in § 8 des Thüringer Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes auch Thüringer OLG, VRS 112, 360 (362 f.)).

Obwohl mit der Rechtsbeschwerde lediglich der Eintritt der Verfolgungsverjährung geltend gemacht worden ist, ist damit auch die allgemeine Sachrüge erhoben, weil die Verjährungsfrage nur beantwortet werden kann, wenn die Tat rechtlich zutreffend eingeordnet wird ( OLG Düsseldorf VRS 74, 45; Seitz a.a.O., § 79 Rdn. 27c). Die Sachrüge ist jedoch unbegründet, da das angefochtene Urteil keine Rechtsfehler aufweist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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