1. |
Die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG gilt nicht, wenn entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen vorliegen, nach denen das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde. Die Prüfung, ob solche Informationen als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührend und als unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats. Dabei muss die Begründung eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein. Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen. Soweit unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Frage die Umstände des gesamten Falles heranzuziehen, also ergänzend auch die „inländischen Umstände“.
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2. |
Wenn keine Umstände ersichtlich sind, die die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Polen bereits im Zeitpunkt der Anmeldung oder der Erteilung der Fahrerlaubnis als gesichert erscheinen ließen, stellt auch die Anmeldung eines Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat kurze Zeit vor der Ausstellung des Führerscheins ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass sich der Antragsteller nur zum Zweck des Erwerbs einer Fahrerlaubnis dort angemeldet hat, ohne einen ordentlichen Wohnsitz zu begründen.
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3. |
Das Gericht darf nach §§ 88, 122 VwGO nicht über das Antrags- und Klagebegehren hinausgehen. Es ist bei dessen Auslegung aber nicht an die Fassung missverständlich formulierter Anträge gebunden, sondern hat das erkennbare, wahre Rechtsschutzziel zur Grundlage seiner Sachprüfung zu machen, das sich aus dem gesamten Prozessstoff ergeben kann. In diesem Rahmen muss es – auch bei anwaltlich vertretenen Prozessbeteiligten – ggf. auch eine ausdrücklich gewählte Klage- bzw. Antragsart umdeuten oder gemäß § 86 Abs. 3 VwGO darauf hinwirken, dass Unklarheiten bei Anträgen beseitigt werden.
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