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Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 05.07.2018 - 3 C 9/17 - Fortwirkung eines Wohnsitzverstoßes bei Umtausch

BVerwG v. 05.07.2018: Fortwirkung eines Wohnsitzverstoßes in einem umgetauschten EU-Führerschein


Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 05.07.2018 - 3 C 9/17) hat entschieden:

  1.  Hat ein Mitgliedstaat einen EU-Führerschein unter offensichtlichem Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes ausgestellt und tauscht ein anderer Mitgliedstaat diesen Führerschein um, wirkt der Wohnsitzmangel in dem umgetauschten Führerschein fort

  2.  Ein Führerschein, den ein anderer Mitgliedstaat nach Ablauf einer Sperrfrist im Wege des bloßen Umtauschs ausgestellt hat, berechtigt vor deren Tilgung nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland.


Siehe auch
Umtausch / Umschreibung / Verlängerung einer EU-Fahrerlaubnis in eine Fahrerlaubnis anderer EU-Mitgliedsstaaten
und
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein


Tatbestand:


Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung, dass er nicht berechtigt ist, mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen.

Der 1959 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er erhielt am 2. Oktober 1990 eine Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der damaligen Klasse B der Deutschen Demokratischen Republik, die ihm durch Entscheidung des Kreisgerichts Jena vom 18. November 1991 im Anschluss an eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr entzogen wurde. Der Kläger nahm nachfolgend gleichwohl mit erlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teil und wurde in den Jahren 1992 bis 2006 insgesamt sieben Mal wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs, unerlaubten Entfernens vom Unfallort u.a. verurteilt. Anträge auf Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis blieben erfolglos.

Am 21. Januar 2009 erhielt der Kläger einen tschechischen Führerschein mit der Nummer 995733. Nachdem er bei einer Polizeikontrolle in Deutschland mit diesem Führerschein angetroffen worden war, erkannte die Stadt Bamberg ihm mit Bescheid vom 19. Juni 2009 die Berechtigung ab, mit seinem tschechischen Führerschein im Bundesgebiet Kraftfahrzeuge zu führen, und versah diesen mit einem entsprechenden Sperrvermerk. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 16. April 2013 ab, weil der Führerschein unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilt worden sei. Der Kläger habe nach Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-​tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit in der Tschechischen Republik nur einen Scheinwohnsitz begründet und dort tatsächlich nie gewohnt.

Da der Kläger auch nachfolgend im Bundesgebiet Kraftfahrzeuge führte, wurde er durch Urteile des Amtsgerichts Tirschenreuth vom 10. Juni 2010 und des Amtsgerichts Bamberg vom 29. Juni 2011 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt; dabei wurde jeweils eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis (zuletzt für 18 Monate) angeordnet. Weil der Kläger den Sperrvermerk auf dem tschechischen Führerschein entfernt hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht Bamberg auch wegen Urkundenfälschung.

Mit Datum vom 23. Mai 2014 stellte die Landespolizeidirektion Salzburg dem Kläger einen österreichischen Führerschein für die Fahrerlaubnisklassen AM, A und B aus. In Spalte 10 ist dort das Datum 21. Januar 2009 und unter Nummer 12 die Angabe "70CZ995733" eingetragen. Der Kläger hatte dort den tschechischen Führerschein ohne den deutschen Sperrvermerk vorgelegt.




Nachdem der Kläger am 23. Juni 2015 mit diesem Führerschein bei einer Fahrt im Bundesgebiet angetroffen worden war, stellte das Landratsamt Bamberg mit Bescheid vom 7. September 2015 fest, dass der Kläger nicht berechtigt ist, mit seinem österreichischen Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. Gleichzeitig forderte es den Kläger auf, den Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen.

Die hiergegen erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis hafte auch dem österreichischen Führerschein an, weil dieser nur auf dem Umtausch der fehlerhaften tschechischen Fahrerlaubnis beruhe und auch nur diese dokumentiere. Folgerichtig habe eine Prüfung der Fahreignung durch die österreichischen Behörden nicht stattgefunden. Die in dem österreichischen Führerschein dokumentierte tschechische Fahrerlaubnis könne überdies deshalb nicht anerkannt werden, weil das Amtsgericht Bamberg eine isolierte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gegen den Kläger verhängt habe. Auch der Inhaber einer ausländischen EU-​Fahrerlaubnis sei nach einer derartigen Sperre erst dann wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland berechtigt, wenn er den Nachweis erbringe, dass er seine Fahreignung wiedergewonnen habe.

Mit seiner vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision hat der Kläger insbesondere vorgetragen, im sachgleichen Strafverfahren sei er durch Urteil des Landgerichts Bamberg vom 18. Februar 2016 freigesprochen worden. Bei der Ausstellung des hier allein maßgeblichen österreichischen Führerscheins habe kein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis vorgelegen. Eine Rechtsgrundlage für die vom Berufungsgericht angenommene Fortwirkung des Verstoßes bei der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis gebe es nicht.

Der Kläger beantragt,

   die Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2017 und des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. Juni 2016 sowie den Bescheid des Landratsamts Bamberg vom 7. September 2015 aufzuheben,

festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, mit seinem am 23. Mai 2014 in Österreich ausgestellten Führerschein Nr. 14178051 in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen,

und

den Beklagten zu verpflichten, den auf dem österreichischen Führerschein eingetragenen Sperrvermerk zu entfernen.

Der Beklagte beantragt,

   die Revision zurückzuweisen.





Entscheidungsgründe:


Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das angefochtene Berufungsurteil verletzt kein Bundesrecht und steht auch im Einklang mit den Vorgaben des Rechts der Europäischen Union. Die Nichtanerkennung der Berechtigung des Klägers, mit seinem in Österreich ausgestellten Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, findet ihre Rechtfertigung in dem offensichtlichen und rechtskräftig festgestellten Verstoß gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis bei der Erteilung der Fahrerlaubnis in der Tschechischen Republik; dieser Mangel steht auch der Anerkennung des dem Kläger in Österreich im Wege des Umtausches ausgestellten Führerscheins entgegen (I.). Darüber hinaus rechtfertigen die in Deutschland wegen nach der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis begangener Verkehrsstraftaten rechtskräftig verhängten isolierten Sperrfristen für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis die Nichtanerkennung seiner Fahrberechtigung auf der Grundlage des österreichischen Führerscheins (II.). Der Beklagte ist daher weder zu der beantragten Feststellung des Rechts des Klägers verpflichtet, mit dem österreichischen Führerschein fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge in der Bundesrepublik zu führen, noch zur Entfernung des auf dem österreichischen Führerschein angebrachten Sperrvermerks (III.).

I.

Der dem Kläger in Österreich ausgestellte Führerschein berechtigt ihn nicht, in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen. Einer Anerkennung des im Wege des Umtauschs in Österreich erlangten Führerscheins steht der offensichtliche Wohnsitzmangel der mit ihm dokumentierten tschechischen Fahrerlaubnis entgegen (1.). Diese Nichtanerkennung steht im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben (2.).

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-​Verordnung - FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980) in der bei Erlass der angegriffenen Verfügung geltenden Fassung vom 16. Dezember 2014 (BGBl. I S. 2213) sowie der hinsichtlich des Feststellungsbegehrens maßgeblichen - insoweit unveränderten - Fassung vom 3. Mai 2018 (BGBl. I S. 566) dürfen die Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-​Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen, sofern keiner der in § 28 Abs. 4 FeV normierten Ausnahmetatbestände vorliegt.

a) Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung nach Absatz 1 nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-​Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben.

Die dem Kläger am 21. Januar 2009 erteilte tschechische Fahrerlaubnis (Nr. 995733) war unter Verstoß gegen die unionsrechtlich zwingend vorgeschriebene (Zuständigkeits-​)Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung erteilt worden. Dies steht aufgrund von vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen fest. Nach den Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 16. April 2013 ergab eine - auf Ermittlungen der tschechischen Polizei gestützte - Auskunft des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-​tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt nur einen Scheinwohnsitz in der Tschechischen Republik begründet und tatsächlich weiterhin im Inland gelebt hatte. Dies erfüllt das Kriterium einer vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Information (BVerwG, Beschluss vom 15. August 2013 - 3 B 38.13 - DAR 2013, 594 Rn. 3 m.w.N.). Die tschechische Fahrerlaubnis ist folglich mit einem Mangel behaftet, der ihre Nichtanerkennung durch deutsche Behörden rechtfertigt.

b) Dieser Mangel wirkt in dem vom Kläger durch Umtausch der tschechischen Fahrerlaubnis am 23. Mai 2014 erworbenen österreichischen Führerschein (Nr. 14178051) fort. Die fehlende Berechtigung des Klägers, mit seinem österreichischen Führerschein im Bundesgebiet fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge zu führen, folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV.

aa) Der Ausnahmetatbestand des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV kann auf den österreichischen Führerschein des Klägers keine unmittelbare Anwendung finden.

Der im Wege des Umtauschs ausgestellte österreichische Führerschein des Klägers leidet nicht an einem Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat im Zeitpunkt seiner Ausstellung. Dies gilt auch dann, wenn man auf das unter Nr. 10 des Führerscheins wiedergegebene Datum der Erteilung durch die tschechischen Behörden abstellen wollte. Denn insoweit wäre der Mangel nicht aus dem Führerschein selbst oder aufgrund von dessen Ausstellungsmitgliedstaat Österreich herrührender Informationen feststellbar.

bb) Die Fortwirkung des Wohnsitzmangels der mit ihm dokumentierten tschechischen Fahrerlaubnis folgt aber aus einer entsprechenden Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV.


Die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung dieses Ausnahmetatbestands auf in der Norm unbewusst ungeregelte Fallkonstellationen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt (BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 3 C 34.11 - BVerwGE 144, 220 Rn. 23). Der Regelung liegt erklärtermaßen die Absicht des deutschen Verordnungsgebers zugrunde, in dem vom Gerichtshof der Europäischen Union gebilligten Umfang Fälle von Führerscheintourismus zu bekämpfen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-​329/06 u.a. [ECLI:EU:C:2008:366], Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 69) und ausländischen Fahrerlaubnissen die Anerkennung in Deutschland zu versagen, die unter einem offensichtlichen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis erteilt worden sind (Begründung zur Dritten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-​Verordnung, BR-​Drs. 851/08 S. 5 ff.).

Es liegt auch eine Regelungslücke vor. Die Fallgestaltung, in der sich der Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis zum Zeitpunkt der Erteilung der EU- oder EWR-​Fahrerlaubnis wegen des späteren Umtauschs in einem anderen Mitgliedstaat nicht mehr unmittelbar aus dem aktuellen (umgetauschten) Führerschein oder aus den von dessen Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt, ist vom Wortlaut der Bestimmung nicht erfasst.

Sinn und Zweck der Regelung gebieten eine Erstreckung der Vorschrift auf diese Ausnahmekonstellation; dies entspricht der einhelligen Auffassung in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 29. August 2017 - 10 S 856/17 [ECLI:DE:VGHBW:2017:0829.10S856.17.00] - VBlBW 2018, 156 <158>; VGH München, Urteil vom 13. Februar 2013 - 11 B 11.2798 [ECLI:DE:BAYVGH:2013:0213.11B11.2798.0A] - juris Rn. 47 sowie OVG Weimar, Beschluss vom 29. April 2016 - 2 EO 563/15 [ECLI:DE:OVGTH:2016:0429.2EO563.15.0A] - juris Rn. 19; vgl. auch OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. März 2017 - 1 B 357/16 [ECLI:DE:OVGSL:2017:0310.1B357.16.0A] - juris Rn. 9 in einem auf § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV bezogenen Fall). Auch im Fall des späteren Umtauschs beruht der Führerschein auf einem Verstoß gegen die zwingende Zuständigkeitsvoraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung; er löst eine Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung daher nicht aus. Dies ist der materiell maßgebliche Gesichtspunkt, der die in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV ausgesprochene Nichtanerkennung trägt und rechtfertigt (vgl. BR-​Drs. 851/08 S. 6 und 8).

Anhaltspunkte dafür, dass der Verordnungsgeber diese Fallgestaltung nicht von der Regelungswirkung erfasst sehen wollte, sind nicht ersichtlich. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus der nachträglichen Anfügung von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 FeV durch die Siebte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-​Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 26. Juni 2012 (BGBl. I S. 1394), die zwar den Umtausch in eine EU- oder EWR-​Fahrerlaubnis regeln, aber nur die Fälle der ursprünglich in einem Drittstaat erteilten Fahrerlaubnis erfassen. Nur diese Fälle hatte der Verordnungsgeber im Blick (BR-​Drs. 245/12 S. 28). Rückschlüsse auf EU-​Fahrerlaubnisse, die ein anderer Mitgliedstaat umgetauscht hat, lassen § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 7 und 8 FeV deshalb nicht zu. Insbesondere kann den Vorschriften nicht entnommen werden, dass der Verordnungsgeber die von einem anderen Mitgliedstaat unter Verstoß gegen die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes erteilte Fahrerlaubnis deswegen anerkannt sehen will, weil sie nachträglich in den Führerschein eines anderen Mitgliedstaats umgetauscht worden ist. Dem steht bereits das ausdrücklich formulierte Anliegen der Bekämpfung des Führerschein-​Tourismus entgegen (BR-​Drs. 245/12 S. 28).

cc) Die in der strafgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretene Auffassung, durch den Umtausch eines Führerscheins wirke der Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung nicht mehr fort (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 8. Juli 2013 - 1 Ss 17/13 u.a. [ECLI:DE:OLGTH:2013:0708.1SS17.13.0A] - NZV 2013, 509 <510 f.>; für den Fall der Verlängerung der Geltungsdauer auch OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Februar 2015 - 4 Ss 697/14 [ECLI:DE:OLGSTUT:2015:0205.4SS697.14.0A] - NZV 2015, 512 sowie OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18. Januar 2016 - 1 Ss 106/15 [ECLI:DE:POLGZWE:2016:0118.1OLG1SS106.15.0A] - juris Rn. 12), ist maßgebend durch das im Strafrecht geltende Analogieverbot und die besonderen Anforderungen an die Bestimmtheit von Straftatbeständen geprägt. Diese Gesichtspunkte sind auf das Gefahrenabwehrrecht nicht übertragbar. Im Übrigen trägt eine Gleichstellung von Umtausch und Neuausstellung eines Führerscheins dem begrenzten Zweck und Prüfprogramm eines Umtauschs nicht hinreichend Rechnung.

Da der Freispruch des Klägers vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) durch das Landgericht Bamberg im Urteil vom 18. Februar 2016 allein auf die Auslegung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gestützt ist und damit keine der in § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG benannten Feststellungen betrifft, besteht keine Bindungswirkung für das Fahrerlaubnisverfahren.

2. Auch Unionsrecht gebietet nicht, den österreichischen Führerschein des Klägers im Inland anzuerkennen.

a) Art. 2 Abs. 1 der hier in zeitlicher Hinsicht maßgeblichen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-​467/10 [ECLI:EU:C:2012:112], Akyüz - NJW 2012, 1341 Rn. 31 f.) sogenannten dritten Führerschein-Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl. L 403 S. 18) sieht - ebenso wie Art. 1 Abs. 2 der vorangegangenen sogenannten zweiten Führerschein-Richtlinie 91/439/EWG - die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor (EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-​419/10 [ECLI:EU:C:2012:240], Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 43 ff.).

Der Begriff des "Führerscheins" in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG bezieht sich auf das Dokument, das zum Nachweis des Vorliegens einer Fahrerlaubnis ausgestellt wird (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - C-​195/16 [ECLI:EU:C:815], I - Rn. 48 f.). Die Bestimmungen der unionsrechtlichen Führerscheinrichtlinien zielen auf eine Standardisierung und Harmonisierung der in den Mitgliedstaaten ausgestellten Legitimationspapiere ab, um deren gegenseitige Anerkennung in den Mitgliedstaaten zu erleichtern und zu ermöglichen. Die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Fahrerlaubnis als solche ist in der Richtlinie 2006/126/EG nicht vorgesehen, sondern nur die Folge der mit der Richtlinie eingeführten gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine.

Die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung gilt unbeschadet etwaig abweichender nationaler Vorschriften in einzelnen Mitgliedstaaten, etwa hinsichtlich besonderer Feststellungen zur körperlichen und geistigen Eignung für das Führen eines Kraftfahrzeugs. Da die unionsrechtlichen Vorgaben nur eine Mindestharmonisierung vorschreiben (vgl. Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2006/126/EG), steht es den Mitgliedstaaten zwar frei, strengere Vorschriften beizubehalten oder zu erlassen. Dies entbindet sie aber nicht von der Verpflichtung, Führerscheine anzuerkennen, die in anderen Mitgliedstaaten im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben ausgestellt worden sind (EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-​467/10, Akyüz - NJW 2012, 1341 Rn. 54).

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist nur der Ausstellungsmitgliedstaat für die Überprüfung zuständig, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestanforderungen, insbesondere die Voraussetzungen hinsichtlich des ordentlichen Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist als Beweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber am Tag der Ausstellung diese Ausstellungsvoraussetzungen erfüllte. Andere Mitgliedstaaten sind daher nicht befugt, die Beachtung der unionsrechtlich aufgestellten Anforderungen nachzuprüfen. Dies gilt auch bei der Erneuerung eines Führerscheins (EuGH, Urteil vom 25. Juni 2015 - C-​664/13 [ECLI:EU:C:2015:417], Nimanis - NJW 2015, 3219 Rn. 39).

Hat ein Aufnahmemitgliedstaat triftige Gründe, die Ordnungsgemäßheit eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu bezweifeln, so hat er dies dem Ausstellungsmitgliedstaat mitzuteilen. Es ist allein Sache dieses Mitgliedstaates, geeignete Maßnahmen in Bezug auf diejenigen Führerscheine zu ergreifen, bei denen sich nachträglich herausstellt, dass ihre Inhaber die vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht erfüllten (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-​329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 56 f.).

b) Unter bestimmten Voraussetzungen ist es einem Aufnahmemitgliedstaat aber nicht verwehrt, in seinem Hoheitsgebiet die Anerkennung eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins zu versagen. Diese Möglichkeit ist insbesondere anerkannt, wenn - aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen - feststeht, dass die unionsrechtlich vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung nicht beachtet wurde (EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-​419/10, Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 48 ff. m.w.N.).

Grundsätzlich löst nur ein unter Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung vom zuständigen Ausstellungsmitgliedstaat ausgestellter Führerschein die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung aus (vgl. EuGH, Urteile vom 19. Mai 2011 - C-​184/10 [ECLI:EU:C:2011:324], Grasser - Rn. 23 f. und vom 25. Juni 2015 - C-​664/13, Nimanis - NJW 2015, 3219 Rn. 38 m.w.N.). Mangels einer vollständigen Harmonisierung der Regelungen in den Mitgliedstaaten über die Erteilung von Fahrerlaubnissen ist die Wohnsitzvoraussetzung eine unerlässliche Bedingung, um den "Führerschein-​Tourismus" zu bekämpfen (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-​329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 69).

Die insoweit eingeschränkte Prüfbefugnis des Aufnahmemitgliedstaates schließt nicht aus, dass seine Behörden ihre Vertretungen im Ausstellungsmitgliedstaat einschalten, um sich derartige Informationen von den dortigen Behörden zu verschaffen (EuGH, Urteil vom 1. März 2012 - C-​467/10, Akyüz - NJW 2012, 1341 Rn. 72; BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 - 3 C 15.09 - BVerwGE 136, 149 Rn. 19). Entsprechende Auskünfte können auch nachträglich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 - 3 C 15.09 - BVerwGE 136, 149 Rn. 21 ff.).

Die Nichtbeachtung der den ordentlichen Wohnsitz betreffenden Voraussetzungen rechtfertigt es bereits für sich, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat (unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmungen) ausgestellten Führerscheins ablehnt (EuGH, Beschluss vom 22. November 2011 - C-​590/10 [ECLI:EU:C:2011:765], Köppl - NJW 2012, 2018 Rn. 32). Unerheblich ist deshalb, ob der Inhaber des Führerscheins darüber hinaus einen Verkehrsverstoß begangen und der Aufnahmemitgliedstaat entsprechende Maßnahmen nach seinen innerstaatlichen Vorschriften auf ihn angewandt hat (EuGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - C-​184/10, Grasser - Rn. 32).

c) Hat ein Mitgliedstaat einen Führerschein ausgestellt, den die übrigen Mitgliedstaaten wegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis nicht anerkennen müssen, und tauscht ein anderer Mitgliedstaat diesen Führerschein gegen einen gleichwertigen Führerschein um, sind die übrigen Mitgliedstaaten unionsrechtlich nicht verpflichtet, den im Wege des Umtauschs ausgestellten Führerschein anzuerkennen. Der offensichtliche Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis wirkt in diesem Führerschein fort.

aa) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein offensichtlicher Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes auch die Nichtanerkennung späterer Führerscheine rechtfertigt, die auf der Grundlage dieses Führerscheins ausgestellt worden sind. Das ist auch dann der Fall, wenn sich die Nichtbeachtung der Wohnsitzvoraussetzung aus dem später ausgestellten Führerschein selbst nicht mehr ergibt.

Die hierzu ergangenen Entscheidungen betreffen Fälle, in denen den Klägern zunächst Führerscheine der Klasse B ausgestellt wurden, die unter einem offensichtlichen Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes litten. Auf Grundlage dieser Führerscheine wurden später - ohne Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis - neue und um die Klassen C bzw. D erweiterte Führerscheine ausgestellt, deren Erteilung eine gültige Fahrerlaubnis für die Klasse B voraussetzt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat eine Fortwirkung des offensichtlichen Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis sowohl für die bei der Neuausstellung hinzugekommenen Fahrerlaubnisklassen angenommen als auch hinsichtlich der im neuen Führerschein dokumentierten Fahrerlaubnis der Klasse B. Er hat entschieden, dass der Aufnahmemitgliedstaat insgesamt zur Nichtanerkennung berechtigt ist, auch wenn sich die Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses aus dem neuen Führerschein nicht mehr ergibt (EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-​224/10 [ECLI:EU:C:2011:655], Apelt - Rn. 47 und Beschluss vom 22. November 2011 - C-​590/10, Köppl - NJW 2012, 2018 Rn. 52).




bb) Für den Umtausch eines gegen das Wohnsitzerfordernis verstoßenden Führerscheins durch einen neuen Wohnsitzmitgliedstaat kann nichts anderes gelten. Anders als die Ausstellung eines Führerscheins, die die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis dokumentiert, lässt der bloße Umtausch eines Führerscheins den Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis unberührt; der Verstoß setzt sich in dem umgetauschten Führerschein fort. Die Wohnsitzvoraussetzung ist unerlässlich, um die Einhaltung der Voraussetzung der Fahreignung zu überprüfen (EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C-​329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 69 und vom 19. Mai 2011 - C-​184/10, Grasser - Rn. 27). Eine Heilung des Wohnsitzverstoßes käme deshalb nur in Betracht, wenn im Rahmen des Umtauschs zu prüfen wäre, ob der Inhaber des unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellten Führerscheins nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Das ist nicht der Fall. Wird ein Führerschein lediglich umgetauscht, ist die Fahreignung nicht zu prüfen.

Die Personenfreizügigkeit und die Niederlassungsfreiheit sollen grundsätzlich nicht durch Umtausch, sondern durch gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine erreicht werden (vgl. Erwägungsgründe 2 und 6 der Richtlinie 2006/126/EG). Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so muss er seinen Führerschein nicht umtauschen lassen; er kann aber einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG). Ein solcher Umtausch kann insbesondere hilfreich sein, um Unklarheiten hinsichtlich der Reichweite der Fahrberechtigung zu beseitigen; diese können sich aus der fehlenden Harmonisierung der Fahrzeugklassen ergeben (vgl. Erwägungsgrund 2 der Richtlinie 2006/126/EG). Der umtauschende Mitgliedstaat prüft - neben der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes -, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist (Art. 11 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2006/126/EG), und stellt einen gleichwertigen Führerschein aus. Eine Prüfung der Fahreignung (Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG) durch den umtauschenden Mitgliedstaat ist nicht vorgesehen. Eine solche Prüfung allein wegen des Wohnsitzwechsels würde dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch widersprechen. Ihr käme - im Hinblick auf den Aufwand und etwaige Kosten - jedenfalls eine mittelbar diskriminierende Wirkung zu (vgl. zur Unzulässigkeit selbst eines Registrierungserfordernisses EuGH, Urteil vom 9. September 2004 - C-​195/02 [ECLI:EU:C:2004:498], Kommission/Spanien - Rn. 55).

Da die Fahreignung beim Umtausch eines Führerscheins nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG nicht zu prüfen ist, besteht kein Sachgrund dafür, das Umtauschdokument besser zu stellen als den zugrundeliegenden Originalführerschein. Vielmehr würde dadurch der Weg zu einem zweistufigen Führerschein-​Tourismus gebahnt. Die Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes im Ausstellungsmitgliedstaat ist für den Anerkennungsgrundsatz von zentraler Bedeutung. Nur ein unter Beachtung dieser Voraussetzung vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein löst die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung aus (EuGH, Urteil vom 19. Mai 2011 - C-​184/10, Grasser - Rn. 24).

Aus Art. 11 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2006/126/EG ergibt sich nichts anderes. Gemäß Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsgrundsatzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen (vgl. EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-​260/13 [ECLI:EU:C:2015:257], Aykul - NJW 2015, 2945 Rn. 59). Ein Mitgliedstaat kann zudem einem von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein die Anerkennung versagen, wenn der Inhaber nach Ausstellung seines Führerscheins auf dem Gebiet des zuerst genannten Mitgliedstaats gegen Verkehrsvorschriften verstoßen hat und dadurch nach dessen nationalen Rechtsvorschriften die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Frage gestellt ist (EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-​260/13, Aykul - a.a.O. Rn. 71, 73). In diesem Fall ist es Aufgabe der Behörden des Mitgliedstaates, in dessen Hoheitsgebiet die Zuwiderhandlung begangen wurde, zu prüfen, ob der Inhaber des Führerscheins zum Fahren in seinem Hoheitsgebiet wieder geeignet ist (EuGH, Urteil vom 23. April 2015 - C-​260/13, Aykul - a.a.O. Rn. 74). Die dargelegten Befugnisse im Hinblick auf nach Ausstellung des Führerscheins begangene Verstöße gegen Verkehrsvorschriften hat ein Mitgliedstaat unabhängig davon, ob der Inhaber des Führerscheins dessen Umtausch beantragt hat oder nicht. Selbst wenn er den Umtausch beantragt hat, ist die Wiedererlangung der Fahreignung nicht im Umtauschverfahren zu prüfen, sondern nur, wenn der Antragsteller die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und die Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins beantragt. Die Ablehnung des Umtauschs kann im Übrigen nicht die Feststellung ersetzen, dass der Inhaber des Führerscheins wegen nach Ausstellung des Führerscheins begangener Zuwiderhandlungen nicht berechtigt ist, im Inland Kraftfahrzeuge zu führen.

Gemäß Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG lehnt ein Mitgliedstaat es ab, einem Bewerber, dessen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, einen Führerschein auszustellen. Daraus folgt nicht, dass ein solcher Bewerber nie mehr, auch nicht nach Ablauf einer Sperrfrist für die Wiedererteilung einen neuen Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat erhalten könnte (EuGH, Urteil vom 26. April 2012 - C-​419/10, Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 74). Auch insoweit ist die Wiedererlangung der Fahreignung im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG nicht im Umtauschverfahren, sondern erst zu prüfen, wenn die Sperrfrist abgelaufen und die Person die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und die Ausstellung eines entsprechenden Führerscheins beantragt hat. Bis dahin lehnt der Mitgliedstaat den Umtausch des Führerscheins ohne weitere Prüfung ab.

cc) Dass ein Führerschein im Wege des Umtauschs ausgestellt wurde, ist auch aus dem neuen Führerscheindokument selbst ersichtlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2012 - 3 C 34.11 - BVerwGE 144, 220 Rn. 16). Nach den Bestimmungen des Anhangs I der Richtlinie 2006/126/EG ist beim Umtausch eines Führerscheins im neuen Führerschein auf dessen Seite 2 die Code-​Nummer 70, die Führerscheinnummer des umgetauschten Führerscheins mit einer Kennung für den Mitgliedstaat, der ihn ausgestellt hatte, und das Ausstellungsdatum des umgetauschten Führerscheins mit der entsprechenden Angabe für jede Fahrzeugklasse einzutragen. Die ursprüngliche Fahrerlaubnis wirkt damit sichtbar auch in dem auf der Grundlage eines Umtauschs neu ausgestellten Führerschein fort.

dd) Zur Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besteht kein Anlass. Die Auslegung der Richtlinie 2006/126/EG ist, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nicht zweifelhaft. Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus dem Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 2017 - 2 RV 7 Ss 558/17 [ECLI:DE:OLGKARL:2017:1220.2RV7SS558.17.00] - DAR 2018, 94). Dort ging es nicht um den Umtausch eines unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellten EU-​Führerscheins, sondern um den Umtausch eines gefälschten Führerscheins eines Drittstaates nach Art. 11 Abs. 6 der Richtlinie 2006/126/EG. Auch aus der Begründung des Beschlusses ergeben sich keine Gesichtspunkte, die die dargelegte Auslegung der Richtlinie in Zweifel ziehen könnten.

II.

Eine Anerkennung des österreichischen Führerscheins scheidet auch deshalb aus, weil wegen nach Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet begangener Straftaten des Klägers rechtskräftig Sperren für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis angeordnet wurden und der nach Ablauf der Sperrfrist vorgenommene Umtausch des tschechischen Führerscheins in einen österreichischen Führerschein nicht den erforderlichen Nachweis ersetzen kann, dass der Kläger wieder geeignet ist, fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen.

1. Gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 FeV gilt die Berechtigung, mit einer gültigen EU-​Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Kraftfahrzeuge zu führen, nicht für Inhaber, denen auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung keine Fahrerlaubnis erteilt werden darf.

a) Dieser Ausschlussgrund erfasst die sog. isolierte (weil ohne gleichzeitige Entziehung der Fahrerlaubnis ausgesprochene) Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 2011 - 3 C 28.10 - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 9 Rn. 11). Er ergänzt die in § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV enthaltene Bestimmung für Fallkonstellationen, in denen dem Betroffenen die Fahrerlaubnis bereits zuvor entzogen worden war bzw. er - wie hier der Kläger - zuvor die Berechtigung verloren hatte, mit einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis Kraftfahrzeuge im Inland zu führen.

Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidungen des Amtsgerichts Tirschenreuth vom 10. Juni 2010 und des Amtsgerichts Bamberg vom 29. Juni 2011 durfte dem Kläger eine Fahrerlaubnis nicht erteilt werden. In beiden Fällen ist neben der strafgerichtlichen Verurteilung auch eine isolierte Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet worden. Für die Dauer dieser Sperrfristen war die fehlende Eignung des Klägers zum Führen eines Kraftfahrzeuges damit unwiderleglich festgestellt.

b) Diese Sperrfristen waren im Zeitpunkt der Ausstellung des österreichischen Führerscheins abgelaufen aber noch nicht im Register zu tilgen (vgl. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung, § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG, § 28 Abs. 4 Satz 3 FeV). Nach Entscheidungen im Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 oder 4 FeV wird das Recht, von einer EU- oder EWR-​Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, auf Antrag erst wieder erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen (§ 28 Abs. 5 Satz 1 FeV). Der Betroffene muss den Nachweis erbringen, dass er seine Fahreignung wiedererlangt hat (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 3 C 1.13 - BVerwGE 149, 74 Rn. 12, 26).

c) Der Kläger hat diesen Nachweis gegenüber einer deutschen Fahrerlaubnisbehörde nicht geführt. Der im Wege des Umtauschs ausgestellte österreichische Führerschein kann den Nachweis nicht ersetzen, weil - wie dargelegt - die Fahreignung im Rahmen eines Umtauschs nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG nicht zu prüfen ist. Dass der umtauschende Mitgliedstaat - wie nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hier - die Fahreignung tatsächlich nicht geprüft hat, ist demgegenüber nicht entscheidend. Für die Prüfung, ob die unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Führerscheins, sei es nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG oder im Falle eines Umtauschs nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG vorliegen, ist ausschließlich der Ausstellungsmitgliedstaat zuständig (EuGH, Urteile vom 26. Juni 2008 - C-​334/06 u.a. [ECLI:EU:C:2008:367], Zerche - Rn. 49 ff. und vom 25. Juni 2015 - C-​664/13, Nimanis - NJW 2015, 3219 Rn. 39). Dass andere Mitgliedstaaten auf der Grundlage eigener Informationen die Entscheidung des Ausstellungsmitgliedstaates nachprüfen, ist mit der Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine nicht vereinbar (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-​329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 55 f.).

2. Die Nichtanerkennung der Berechtigung des Klägers, mit seinem österreichischen Führerschein im Bundesgebiet fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, steht auch insoweit in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Unionsrechts.

a) In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein Führerschein, der nach Ablauf der im Inland rechtskräftig festgesetzten Sperrfrist in einem anderen Mitgliedstaat erteilt worden ist, anerkannt werden muss. Auch wenn ein Mitgliedstaat die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis nach seinen nationalen Vorschriften von strengeren Vorgaben abhängig macht, muss er die von einem anderen Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist (unter Wahrung des Wohnsitzerfordernisses) erteilte EU-​Fahrerlaubnis daher anerkennen (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-​329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 54). In diesen Fällen ist der Fahreignungsmangel durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung eines Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben (EuGH, Urteile vom 19. Februar 2009 - C-​321/07 [ECLI:EU:C:2009:104], Schwarz - Rn. 92 f. und vom 26. April 2012 - C-​419/10, Hofmann - NJW 2012, 1935 Rn. 51; BVerwG, Urteil vom 13. Februar 2014 - 3 C 1.13 - BVerwGE 149, 74 Rn. 22).

Da der Ausstellungsmitgliedstaat die in Art. 7 der Richtlinie 2006/126/EG festgelegten Mindestvoraussetzungen - und damit auch die Fahreignung - prüfen muss, liefe es der Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung zuwider, wenn der Inhaber die Anerkennung der bescheinigten Fahreignung zusätzlich in dem Staat beantragen müsste, in dem ihm die Fahrerlaubnis zuvor entzogen worden ist (EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 - C-​329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403 Rn. 62).

b) Ein im Wege des Umtauschs nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG ausgestellter Führerschein ist indes von vornherein nicht geeignet, einen nach Erteilung der Fahrerlaubnis festgestellten Fahreignungsmangel zu beheben.



Im Rahmen des Umtauschverfahrens ist - wie dargelegt - die Fahreignung nicht zu prüfen. Damit entfällt der Rechtfertigungsgrund, aufgrund dessen es dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verkehrsverstoß begangen wurde, in den oben beschriebenen Fällen versagt ist, dem Betroffenen einen fortbestehenden Fahreignungsmangel vorzuhalten. Es ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass der Beweis für eine (wieder) bestehende Fahreignung durch den von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein nicht erbracht ist, wenn der Inhaber nach der Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörden eines anderen Mitgliedstaats keiner Überprüfung seiner Fahreignung unterzogen worden ist (EuGH, Urteil vom 19. Februar 2009 - C-​321/07, Schwarz - Rn. 95).

III.

Das angefochtene Berufungsurteil ist daher nicht zu beanstanden. Der Berechtigung des Klägers, mit seinem am 23. Mai 2014 im Wege des Umtauschs in Österreich ausgestellten Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge zu führen, stehen die Ausschlussgründe des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 4 FeV entgegen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV war die Behörde ermächtigt, einen feststellenden Verwaltungsakt über diese fehlende Berechtigung zu erlassen. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 FeV war ein "Sperr-​"Vermerk auf dem Führerschein des Klägers anzubringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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