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Verwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 18.12.2018 - 1 B 57/18 - Entzug der Fahrerlaubnis wegen Konsums von Opiaten

VG Lüneburg v. 18.12.2018: Entzug der Fahrerlaubnis wegen Konsums von Opiaten


Das Verwaltungsgericht Lüneburg (Beschluss vom 18.12.2018 - 1 B 57/18) hat entschieden:

   Ergeben sich bei der Blutentnahme eines Betroffenen 67,7 ng/ml Codein und zusätzlich positive Befunde von Morphin, ist die Fahrerlaubnis des Betroffenen wegen Konsums von Opiaten und der sich daraus ergebenden Fahrungeeignetheit zu entziehen. Seine spätere Einlassung, während eines längeren Zeitraums regelmäßig die Schmerzmittel Voltaren Salbe sowie Ibuprofen sowie Paracetamol eingenommen zu haben, ist unglaubwürdig, wenn er auf Fragen der Ärztin bei der Fahreignungsbegutachtung ausdrücklich versichert hat, keinerlei Medikamente regelmäßig einzunehmen.


Siehe auch
Zum Entzug der Fahrerlaubnis bei nur einmaligem Konsum harter Drogen (außer Cannabis)
und
Stichwörter zum Thema Drogen


Gründe:


I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Das Amtsgericht A-​Stadt - Schöffengericht - verurteilte den Antragsteller im Jahr 2006 wegen unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe. Aufgrund eines erneuten Verdachts des Handels mit Betäubungsmitteln durchsuchten Polizeibeamte im August 2017 seine Wohnung. Dabei fanden sie in einem Bein eines Regals circa 0,2 g Amphetamine und stellten diese sicher.

Nachdem der Antragsgegner hiervon Kenntnis erlangt hatte, ordnete er gegenüber dem Antragsteller am 7. Juni 2018 eine Überprüfung seiner Fahreignung durch eine ärztliche Begutachtung an.

Da der Antragsteller bis zum 25. Oktober 2018 ein Gutachten nicht vorgelegt hatte, setzte der Antragsgegner ihm hierfür nochmals eine Frist bis zum 7. November 2018 und teilte ihm mit, dass er anderenfalls von seiner Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen und seine Fahrerlaubnis entziehen müsse. Binnen der genannten Frist könne er hierzu Stellung nehmen.

In dem vom Antragsteller dem Antragsgegner daraufhin am 13. November 2018 übersandten Gutachten der TÜV Nord Mobilität GmbH & Co. KG vom 1. Oktober 2018 wird ausgeführt, dass der Antragsteller angegeben habe, nie Betäubungsmittel zu sich genommen und auch noch nie etwas damit zu tun gehabt zu haben. Eine regelmäßige Einnahme von Medikamenten sei von ihm verneint worden. Zu dem bei ihm aufgefundenen Tütchen mit den Amphetaminen habe er erklärt, dieses nach einer Grillparty gefunden und später dann vergessen zu haben, sich um eine Rückgabe an den eigentlichen Besitzer zu bemühen. Weiter wird in dem Gutachten dargelegt, dass in einer der drei untersuchten Urinproben des Antragstellers 67,7 ng/ml Codein nachgewiesen sowie Morphin positiv befundet worden sei, was eine vorangegangene Aufnahme von Opiaten belege.

Der Antragsgegner entzog dem Antragsteller daraufhin mit Bescheid vom 14. November 2018 die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (Ziffer 1), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an (Ziffer 2), forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds zur unverzüglichen Abgabe seines Führerscheins bis zum 21. November 2018 auf (Ziffer 3 und 4) und setzte ihm gegenüber Kosten in Höhe von 150,00 Euro fest. Zur Begründung führt der Antragsgegner in seinem Bescheid im Wesentlichen aus, dass der Antragsteller ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, weil er Betäubungsmittel eingenommen habe. Dies ergebe sich aus dem Ergebnis der Untersuchung seiner Urinproben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete der Antragsgegner mit der vom Antragsteller bei einer Teilnahme am Straßenverkehr ausgehenden Gefährdung seines eigenen Lebens und das anderer Verkehrsteilnehmer.

Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 29. November 2018 Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass die ausgewerteten Urinproben widersprüchlich seien. Zudem habe die spätere Untersuchung einer weiteren Urinprobe am 6. November 2018 durch seinen Hausarzt, dessen Hinzuziehung zu einer mündlichen Verhandlung beantragt werde, einen negativen Befund ergeben. Auch verwende er regelmäßig Voltaren Salbe und nehme Ibuprofen und Paracetamol ein. Eine Wirkstoffzuordnung könne nicht erfolgen, sodass die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt werde, zur Klärung, ob die ermittelten Werte auch durch die Einnahme der Medikamente hervorgerufen werden könnten. Die vorläufige Entziehung seiner Fahrerlaubnis sei darüber hinaus unverhältnismäßig, weil er schwerbehindert und deshalb auf die Nutzung seines Fahrzeugs angewiesen sei. Außerdem müsse er seine sich in einem Pflegeheim lebende Mutter chauffieren.

Der Antragsgegner hat am 7. Dezember 2018 die Zwangsgeldandrohung in dem Bescheid vom 14. November 2018 aufgehoben, woraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt haben.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

   die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. November 2018 in der geänderten Fassung vom 7. Dezember 2018 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

   den Antrag abzulehnen.

Das vom Antragsteller vorgelegte Ergebnis der Untersuchung einer Urinprobe durch seinen Hausarzt sei nicht geeignet, die Zweifel an seiner Fahreignung auszuräumen.


II.

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit mit Schreiben jeweils vom 14. Dezember 2018 hinsichtlich der mit dem angegriffenen Bescheid angedrohten Festsetzung eines Zwangsgelds für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren insoweit entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.

Im Übrigen ist der nach seinem Wortlaut unbeschränkte Antrag des Antragstellers auf vorläufigen Rechtsschutz als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis auszulegen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO). Nachdem der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung nunmehr eine aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins annimmt und die Zwangsgeldandrohung aufgehoben hat, geht die Kammer nicht (mehr) davon aus, dass der Antragsteller darüber hinaus auch die Feststellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die angeordnete Abgabe seines Führerscheins in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO begehrt (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 30.8.2012 - 7 VR 6.12 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Beschl. v. 26.3.2014 - 13 ME 21/14 -, juris Rn. 11 und Beschl. v. 17.9.2013 - 4 ME 192/13 -, juris Rn. 4; Kammerbeschl. v. 5.12.2018 - 1 B 54/18 -, juris Rn. 14, 29 ff.). Auch geht die Kammer nicht davon aus, dass der Antragsteller gesonderten vorläufigen Rechtsschutz gegen die Kostenfestsetzung begehrt, da er keine Einwände gegen die Erhebung der Gebühr erhoben hat und hinsichtlich der Festsetzung der Verwaltungskosten auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 80 Abs. 6 VwGO für einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht vorliegen würden.

Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis ist zulässig, insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, da der Antragsgegner die sofortige Vollziehung insoweit besonders angeordnet hat, jedoch unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise wiederherstellen. Ist die sofortige Vollziehung von der Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügend angeordnet worden, so entscheidet das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage auf der Grundlage einer eigenen Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014   - 7 VR 5.14 -​, juris Rn. 9; Nds. OVG, Beschl. v. 10.09.2014 - 8 ME 87/14 -, juris Rn. 2). Im Rahmen der Interessenabwägung haben die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs eine entscheidende Bedeutung. Ergibt sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber grundsätzlich auch ausreichenden (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 16.8.2017 - 13 ME 173/17 -, juris Rn. 4, vgl. auch Beschl. v. 24.01.2018 - 7 ME 110/17 -, juris Rn. 28) summarischen Überprüfung, dass der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weil sich der angegriffene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts. Erweist sich der Rechtsbehelf bei summarischer Überprüfung demgegenüber als offensichtlich erfolgreich, überwiegt regelmäßig das Interesse des Adressaten des Verwaltungsakts, von dessen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Stellen sich die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hingegen als offen dar, so ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich, bei der in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe bei bestehender Unsicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs für und gegen eine Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts sprechen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 10.5.2010 - 13 ME 181/09 -, juris Rn. 4). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die voraussichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts für sich allein nur das allgemeine Interesse an seiner Vollziehung begründet, nicht aber zugleich auch deren, für die behördliche Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche Dringlichkeit (vgl. grundlegend BVerfG, Beschl. v. 27.4.2005 - 1 BvR 223/05 -, NVwZ 2005, 1303; Beschl. v. 18.7.1973, - 1 BvR 23/73 -, BVerfGE 35, 382, 402; Nds. OVG, Beschl. v. 10.9.2014, a.a.O.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., Rn. 757 f. m.w.N.).

Nach Maßgabe dessen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage unbegründet.

Zunächst genügt die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung den sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Anforderungen. Erforderlich für das Vorliegen einer hinreichenden schriftlichen Begründung im Sinne dieser Vorschrift ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angegriffenen Verwaltungsakt verschont zu werden. Dem Begründungserfordernis ist nicht erst dann Genüge getan, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung tatsächlich vorliegt; ausreichend ist vielmehr – wie bei der Begründung eines Verwaltungsakts nach § 39 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) –, dass die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitteilt, die sie im konkreten Einzelfall zu der Annahme des Vorliegens eines besonderen Vollzugsinteresses und damit zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben. Da sich diese Begründung auf das besondere öffentliche Interesse an der Vollziehung zu beziehen hat, ist eine gesonderte Darstellung der diesem Interesse entgegenstehenden Interessen des von der sofortigen Vollziehung nachteilig Betroffenen keine Voraussetzung der formalen Ordnungsmäßigkeit der Begründung. In diesem Zusammenhang ist nicht entscheidungserheblich, ob bereits die von dem Antragsgegner getroffene Entscheidung über den Sofortvollzug auf einer auch inhaltlich tragfähigen, materiell ausreichenden Abwägung beruht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 7.3.2017 - 12 ME 12/17 -, n.v.). Die Begründung des Antragsgegners für die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt diesen Anforderungen, da er die Notwendigkeit des Sofortvollzugs auf die mit einer weiteren Teilnahme des als Kraftfahrer ungeeigneten Antragstellers am Straßenverkehr einhergehende erhebliche Gefährdung der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer stützte. Die Verwendung standardisierter Begründungselemente war dem Antragsgegner dabei im vorliegenden Fall nicht verwehrt (vgl. OVG Sachsen-​Anhalt, Beschl. v. 26.10.2012 - 2 M 124/12 -, juris Rn. 10; VG Bremen, Beschl. v. 10.1.2018 - 5 V 3111/17 -, juris Rn. 17 (Fahrerlaubnisentziehung); Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 80 Rn. 85 m.w.N.).

Die Abwägung des Interesses des Antragstellers, vom Vollzug der Fahrerlaubnisentziehung bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das besondere öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage wird seine Klage gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil diese Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-​Verordnung - FeV -). Danach ist die Fahrerlaubnis zwingend zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Ungeeignet ist gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere derjenige, bei dem Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-​Verordnung vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 FeV ist die Fahreignung bei einer Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) im Regelfall (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.2.2009 - 3 C 1.08 -, juris Rn. 20) nicht gegeben. Voraussetzung der Entziehung ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird (BVerwG, Urt. v. 9.6.2005 - 3 C 25.04 -, juris Rn. 17). Unter Zugrundelegung des vorgenannten Maßstabs war hier die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil sich der Antragsteller nach summarischer Prüfung als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hatte. Aufgrund des in seiner Urinprobe nachgewiesenen Codeins und Morphins steht fest, dass er zuvor Betäubungsmittel im Sinne des § 1 Abs. 1 in Verbindung mit der Anlage III Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) eingenommen hatte. Hieraus folgt gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 FeV seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen. Auf die Häufigkeit des Konsums kommt es dabei in aller Regel – wie auch vorliegend – nicht an (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 11.8.2009 - 12 ME 156/09 -, juris Rn. 7, sowie Beschl. v. 30.06.2009 - 12 ME 112/09 -, juris Rn. 8; VG Oldenburg, Beschl. v. 6.3.2018 - 7 B 938/18 -, juris Rn. 22 m.w.N.).

Der Nichteignung des Antragstellers steht auch sein erstmals mit der Begründung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz vorgebrachter Vortrag nicht entgegen, er benutze regelmäßig Voltaren Forte Salbe und nehme Ibuprofen sowie Paracetamol ein. Denn die Kammer hält die pauschale Behauptung nicht für glaubhaft. Der Antragsteller hat bereits keine näheren Ausführungen dazu gemacht, weshalb er diese Medikamente im Vorfeld der Abgabe der Urinprobe eingenommen haben will. Zudem steht seine Darstellung im Widerspruch zu seinen Angaben gegenüber der Ärztin, die das Fahreignungsgutachten erstellte. Sie führt darin aus, dass die Einnahme von Medikamenten, die sich auf die Fahreignung auswirken könnten, auf Befragen des Antragstellers von ihm verneint worden und eine regelmäßige Medikamenteneinnahme in den letzten drei Monaten nicht erfolgt sei (S. 4, 6 des Gutachtens). Auch bei der Übersendung des Gutachtens an den Antragsgegner machte der Antragsteller keine Angaben zu eingenommenen Medikamenten, sondern brachte gegen dieses vielmehr lediglich vor, dass es widersprüchlich und nicht nachvollziehbar sei. Abgesehen davon, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nur präsente Beweismittel zu berücksichtigen sind (vgl. etwa Nds. OVG, Beschl. v. 14.8.2018 - 12 OA 90/18 -, juris Rn. 15, sowie v. 18.04.2018 - 10 ME 73/18 -, juris Rn. 32), bedurfte es auch deshalb – mangels Entscheidungserheblichkeit – nicht der vom Antragsteller beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens. Dies gilt gleichermaßen für die vom Antragsteller beantragte Vernehmung seines Hausarztes als Zeugen für eine negative Urinprobe vom 6. November 2018. Denn aus einem solchen Untersuchungsergebnis würde nicht folgen, dass der Antragsteller im zeitlichen Zusammenhang mit der Urinprobe für das Fahreignungsgutachten keine Betäubungsmittel eingenommen hatte.

Besondere Umstände, die es – abweichend vom Regelfall der Ziffer 9.1 der Anlage 4 FeV – ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen ließen, von einer fortbestehenden Fahreignung des Antragstellers auszugehen (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 26.2.2009 - 3 C 1.08 -, juris Rn. 20; Nds. OVG, Beschl. v. 30.6.2009 - 12 ME 112/09 -, juris Rn. 9) hat er weder vorgetragen noch sind solche sonst ersichtlich. Im Übrigen räumen § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV der Fahrerlaubnisbehörde kein Ermessen ein, ob die Fahrerlaubnis zu entziehen ist oder nicht, sondern sehen dies als zwingende Folge vor, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Vor diesem Hintergrund kommt es auch auf die vom Antragsteller im Zusammenhang mit der Entziehung der Fahrerlaubnis befürchteten Nachteile für seine Fortbewegungsmöglichkeiten nicht an. Die (absehbaren) Folgen einer Fahrerlaubnisentziehung muss jeder Betroffene hinnehmen, wenn – wie hier – hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass aus seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine Gefahr für dessen Sicherheit resultiert (vgl. OVG Mecklenburg-​Vorpommern, Beschl. v. 19.3.2004 - 1 M 2/04 -, juris Rn. 33; vgl. auch Hamburgisches OVG, Beschl. v. 15.11.2017 - 4 Bs 180/17 -, juris Rn. 30).

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch nicht wegen einer etwaig unterbliebenen Anhörung (§ 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz - NVwVfG - in Verbindung mit § 28 VwVfG) rechtswidrig. Zwar hat der Antragsgegner dem Antragsteller, nachdem dieser das Gutachten vorgelegt hatte, keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen des Konsums von Betäubungsmitteln eingeräumt. Jedoch ist dies unabhängig davon, ob nach der am 25. Oktober 2018 erfolgten Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis bei einer Nichtvorlage des Gutachtens überhaupt eine nochmalige Anhörung durchzuführen gewesen wäre, jedenfalls nach § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 46 VwVfG unbeachtlich, weil dieser (mögliche) Verfahrensfehler die Entscheidung des Antragsgegners nicht beeinflusste (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 46 Rn. 30 f.). Dies folgt für die Kammer daraus, dass dem Antragsgegner ein Entscheidungsspielraum nicht zustand und der Antragsteller auch keine Umstände vorgetragen hat, die dem Vorliegen der Voraussetzungen einer Fahrerlaubnisentziehung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV entgegenstehen könnten.

Schließlich liegt hier ein besonderes Vollzugsinteresse in der Wahrung der Sicherheit des Straßenverkehrs vor. Die von einem – voraussichtlich zu Recht – als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet angesehenen Fahrerlaubnisinhaber ausgehenden Gefahren für den Straßenverkehr sind zu groß, als dass sie im Interesse seiner erleichterten und erweiterten Teilnahme am Straßenverkehr vorläufig hingenommen werden könnten (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23.12.2016 - 12 ME 186/16 -, juris Rn. 19). Auch unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit der Auswirkungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf den Antragsteller sind dessen Interessen nicht von höherem Gewicht. Denn angesichts der Gefahren für die Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr, die von einem Kraftfahrer ausgehen, der sich – wie der Antragsteller – als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, müssen seine privaten Belange zurückstehen (vgl. hierzu auch: Nds. OVG, Beschl. v. 7.4.2017 - 12 ME 49/17 -, juris Rn. 9).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Bei der Kostenquotelung hat die Kammer berücksichtigt, dass der Antragsgegner seinen Bescheid teilweise aufgehoben hat und anderenfalls der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vorrausichtlich insoweit Erfolg gehabt hätte (vgl. Kammerbeschl. v. 5.12.2018 - 1 B 54/18 -, juris).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Anlehnung an die Vorschläge unter Nr. 46.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

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