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OLG Hamm Beschluss v. 03.01.2019 - III-4 RBs 377/18 - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen fehlender Hinzuziehung der Rohmessdaten

OLG Hamm v. 03.01.2019: Zum notwendigen Vortrag, wenn die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen fehlender Hinzuziehung der Rohmessdaten bzgl. einer Geschwindigkeitsmessung begründet wird


Das Oberlandesgericht OLG Hamm (Beschluss vom 03.01.2019 - III-4 RBs 377/18) hat entschieden:

   Unter Umständen wird dem Betroffene unmöglich gemacht, Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorzutragen, wenn die Messdaten nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werden. Damit kann eine erfolgversprechende Verschaffung rechtlichen Gehörs unmöglich gemacht werden, wenn der Betroffene überhaupt keine Möglichkeit gehabt hat, an die entsprechenden Originalmessdaten zu gelangen. Deswegen gehört zu einer entsprechenden Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht nur die Wiedergabe des entsprechenden Antrages in der Hauptverhandlung und seiner Bescheidung durch den Tatrichter, sondern auch die Darlegung, welche Anstrengungen der Betroffene außerhalb der Hauptverhandlung in dieser Hinsicht unternommen hat, ob er etwa gegenüber der Verwaltungsbehörde tätig geworden ist und wie diese auf seine Anfragen reagiert hat (ähnlich: OLG Celle, Beschl. v. 21.04.2016 -2 Ss OWi 82/16-).


Siehe auch
Akteneinsichtsrecht in die Rohmessdaten von Messgeräten
und
Rechtliches Gehör im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:


Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 29.11.2018 Folgendes ausgeführt:

   "Da das Amtsgericht Siegen den Betroffenen zu einer Geldbuße von nicht mehr als 100,00 Euro verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht, wegen der Anwendung von materiellen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts oder wegen der Versagung rechtlichen Gehörs zuzulassen.

Diese Zulassungsgründe liegen allesamt nicht vor.

a) Die auf die allgemeine Sachrüge hin vorzunehmende materiell-​rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils führt nicht zur Aufdeckung einer entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und abstraktionsfähigen Rechtsfrage, so dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts nicht geboten ist.




Soweit die Rechtsbeschwerde unter Hinweis auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes vom 27.04.2018 (Lv 1/18) geltend macht, dass der Betroffene in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt sei, wenn ihm die Rohmessdaten nicht zur Verfügung gestellt werden, gebietet dies die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht. Ein - unterstellter - Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vermag die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht zu begründen, da es sich um keinen in § 80 Abs. 1 OWiG aufgeführten Zulassungsgrund handelt. Ferner ist es auch in der Sache obergerichtlich hinreichend geklärt, dass Gesuche, die auf die Einsichtnahme in die Rohmessdaten der Messung abzielen, gegenüber der Verwaltungsbehörde zu verfolgen sind. Kommt die Verwaltungsbehörde dem nicht nach, hat der Betroffene sein Begehren im Wege des § 62 OWiG weiterzuverfolgen (zu vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.07.2018 - IV- 2 RBs 133/18), was die Rechtsbeschwerde nicht vorgetragen hat. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes hier nicht einschlägig (zu vgl. OLG Düsseldorf, aaO.).

b) Soweit die Rechtsbeschwerde eine Versagung rechtlichen Gehörs geltend macht und damit begründet, das Amtsgericht habe einen Antrag auf Hinzuziehung einer Kopie der Messdatei einschließlich etwaiger Rohmessdaten zu Unrecht abgelehnt, dringt sie auch damit nicht durch. Es kann dahinstehen, ob der von dem Betroffenen herangezogenen Auffassung des VerfGH des Saarlands (Beschl. v. 27.04.2018 Lv 1/18 -), dass die Nichtzugänglichmachung einer lesbaren Falldatei das Gebot des rechtlichen Gehörs verletzt (auch wenn sie nicht Aktenbestandteil sind), zu folgen ist oder ob es sich vielmehr nur um eine nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG berechtigende Frage des fairen Verfahrens geht (s.o).

Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs genügt vorliegend jedenfalls nicht den Begründungsanforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO. Danach muss eine Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Darstellung in der Rechtsbeschwerdebegründung überprüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensverstoß vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen.




Nach Auffassung des VerfGH des Saarlands wird dem Betroffene unmöglich gemacht, Anhaltspunkte für eine Fehlmessung vorzutragen wenn die Messdaten als die Grundlage der Messung nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werde. Damit würde ihm auch die erfolgversprechende Verschaffung rechtlichen Gehörs unmöglich gemacht (VerfGH Saarland a.a.O.). Die Richtigkeit dieser Rechtsansicht unterstellt, wäre das aber nur dann der Fall, wenn der Betroffene überhaupt keine Möglichkeit gehabt hat, an die entsprechenden Originalmessdaten zu gelangen. Deswegen gehört zu einer entsprechenden Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht nur die Wiedergabe des entsprechenden Antrages in der Hauptverhandlung (der hier ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 05.09.2018 tatsächlich gar nicht gestellt worden ist ) und seiner Bescheidung durch den Tatrichter, sondern auch die Darlegung, welche Anstrengungen der Betroffene außerhalb der Hauptverhandlung in dieser Hinsicht unternommen hat, ob er etwa gegenüber der Verwaltungsbehörde tätig geworden ist und wie diese auf seine Anfragen reagiert hat (ähnlich: OLG Celle, Beschl. v. 21.04.2016 -2 Ss OWi 82/16 -). Entsprechende Ausführungen finden sich in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht. So kann der Senat nicht überprüfen, ob dem Betroffenen tatsächlich die erfolgversprechende Verschaffung rechtlichen Gehörs unmöglich gemacht worden ist, oder ob die Stellung eines entsprechenden Antrages erst in der Hauptverhandlung auf seiner eigenen Nachlässigkeit oder gar taktischen Erwägungen beruhte oder ob er gar die erforderlichen Daten anderweitig erhalten hat (vgl. Senatsbeschluss vom 25.07.2018 - III-​4 RBs 221/18 -)."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

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