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Oberlandesgericht Koblenz Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18 - Sittenwidrige Abgasrückführungsabschalteinrichtung

OLG Koblenz v. 12.06.2019: Sittenwidrige Abgasrückführungsabschalteinrichtung und Konzernzurechnung


Das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 12.06.2019 - 5 U 1318/18) hat entschieden:

  1.  Wer vorsätzlich ein Fahrzeug mit einer unzulässigen, weil die Typengenehmigung in Frage stellenden Einrichtung (hier Abgasrückführungsabschalteinrichtung) in den Verkehr bringt und die Softwaremanipulation aus reinem Gewinnstreben verschweigt, handelt sittenwidrig.

  2.  Überlässt ein Unternehmen wie die Beklagte es Mitarbeitern, die für die Zulassung von Fahrzeugen essentiellen Voraussetzungen für den Erhalt von Typengenehmigungen zu schaffen, ohne dass den Mitarbeitern durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, kann sie sich nicht von ihrer Haftung für deren Handeln freizeichnen. Dann nimmt sie es jedenfalls bedingt vorsätzlich in Kauf, dass dort Entscheidungen von haftungsrechtlicher Relevanz getroffen werden, die aufgrund mangelhafter Organisation zu ihren Lasten gingen. Anderenfalls könnte die Beklagte Manipulationen Tür und Tor öffnen, indem sie bewusst Verantwortungslücken ent- bzw. bestehen lässt. Insoweit begründet nach der Auffassung des Senates auch das bewusste Organisieren des Nichtwissens eine Zurechnung im Sinne des § 31 BGB.


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:


I.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises für einen Personenkraftwagen, dessen Motor mit einer Steuerungssoftware versehen ist, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand betrieben wird, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.

Der Kläger erwarb am 10. Januar 2014 zu einem Preis von 31.490,- € brutto von einem Autohändler einen Gebrauchtwagen VW Sharan 2.0 TDI match, der mit einem 2,0-​Liter Dieselmotor des Typs EA 189, Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet und dessen Hersteller die Beklagte ist. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 20.000 km. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typengenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt.

Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen stickoxid (NOx)-​optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. So werden mehr Stickoxide in den Motor zurückgeführt, wo sie erneut am weiteren Verbrennungsvorgang beteiligt werden, bevor sie das Emissionskontrollsystem erreichen. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführung-​Modus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxid-​Ausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typengenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand.

Im September 2015 räumte der Hersteller öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Gegen die Beklagte erging unter dem 15. Oktober 2015 ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrtbundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung, der auch das Fahrzeug des Klägers betrifft. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte als Hersteller gab mit Pressemitteilung vom 25. November 2015 bekannt, Software-​Updates durchzuführen, mit denen die Software aus allen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA 189 mit 2,0-​Liter-​Hubraum entfernt werden sollte. Nach der Installation sollen die betroffenen Fahrzeuge nur noch in einem adaptierten Modus 1 betrieben werden. Der Kläger hat das Software-​Update im Februar 2017 durchführen lassen.




Mit Schreiben vom 15. September 2017 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zur Rückerstattung des Kaufpreises unter Fristsetzung bis zum 1. Oktober 2017 auf und bot Zug um Zug die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an. Dessen Kilometerstand zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz betrug 66.557 km und in der Berufungsinstanz 72.229 km.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei aufgrund der EG-​Übereinstimmungs-​bescheinigung davon ausgegangen, dass der PKW mit dem genehmigten Typ übereinstimme und alle europäischen und nationalen Vorschriften erfülle. Er habe geglaubt umweltbewusst zu handeln, da die NOx-​Emissionen auch im realen Fahrbetrieb mit den offiziellen Angaben der Beklagten in Einklang stünden. Wenn er von der verwendeten Software gewusst hätte, hätte er das Fahrzeug nicht erworben.

Die Software habe die Beklagte mit dem Ziel der Gewinnmaximierung eingesetzt und dabei Erkrankungen und Gesundheitsschäden vieler Menschen in Kauf genommen und sich damit abgefunden. Die Software sei ab 2008 mit Billigung des damaligen Leiters der Entwicklungsabteilung in die Motoren integriert worden. Der spätere Entwicklungsvorstand habe bereits 2011 von der Software gewusst und 2012 deren Verbesserung genehmigt. Auch der Vorstand sowie der Abteilungsleiter Typprüfung habe Kenntnis von der verwendeten Software gehabt. Dies gelte ebenso für die Leiter der Motorenentwicklungsabteilung, den Leiter des Qualitätsmanagements und den Abteilungsleiter der Abgasnachbehandlung. Es bestehe die Gefahr, dass das Fahrzeug stillgelegt werde. Die erwartbare Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs liege bei 500.000 km. Der Kläger ist der Auffassung, er schulde für die Nutzung des Fahrzeugs keinen Nutzungsersatz. Den Ersatz außergerichtliche Rechtsanwaltskosten begehrt er aus einer 2,0-​Geschäftsgebühr.

Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, für eine Haftung ihrerseits sei kein Raum. Die Software stelle keine verbotene Abschalteinrichtung, sondern eine innermotorische Maßnahme dar. Auf die Grenzwerte im tatsächlichen Fahrbetrieb komme es nicht an, da sich der Gesetzgeber dafür entschieden habe, die Grenzwerte unter Laborbedingungen zu erheben. Insofern fehle es auch an einer Täuschung. Nach derzeitigem Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung der Entwicklung oder Verwendung der Software in Auftrag gegeben habe. Sie bestreitet, dass ein Vorstandsmitglied im aktienrechtlichen Sinne von Entwicklung gewusst habe. Weitergehender Vortrag dazu, welche Personen von der Entwicklung der Umschaltlogik und ihrer Verwendung Kenntnis gehabt hätten, sei ihr nicht zumutbar. Ein Schaden sei nicht entstanden, da das Fahrzeug sicher und fahrbereit sei und der Kläger auch nicht in seiner Dispositionsfreiheit beeinträchtigt sei. Die Gesamtfahrleistung des Fahrzeugs betrage maximal 200.000 bis 250.000 km. Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung vom 5. Oktober 2018 (Bl.478ff GA) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Vertragliche und quasivertragliche Ansprüche bestünden mangels Vertragsbeziehung bzw. erheblicher Beeinflussung des Vertragsschlusses durch die Beklagte nicht. Die Beklagte habe auch keine Garantieerklärung abgegeben. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung bestünden nicht, da keine Täuschungshandlung der Beklagten gegenüber dem Kläger und bei einem Gebrauchtwagenkauf auch keine Bereicherungsabsicht der Beklagten vorläge. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liege nicht vor. Bei der Beklagten handele es sich um einen seit Jahrzehnten angesehenen einheimischen Kraftfahrzeughersteller, dem ein erhebliches Vertrauen entgegengebraucht werde. Zwar habe dieser das Typ-​Genehmigungsverfahren mit zumindest zweifelhaften Methoden durchgeführt und systematisch getäuscht. Jedoch sei eine Haftung wegen des Schutzzwecks der verletzten Norm nicht gegeben. Die Vorschriften, gegen die die Beklagte verstoßen habe, dienten sämtlich gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarktes durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen sowie der Sicherstellung eines hohen Umweltschutzniveaus. Etwaige Vermögensschäden der Käufer fielen nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm. Anderenfalls bestünde die Gefahr einer exorbitanten Kumulation von Schadensersatzansprüchen. Im Übrigen wird zur Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung auf das Urteil vom 5. Oktober 2018 Bezug genommen.




Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung unter Weiterverfolgung seiner erstinstanzlichen Anträge. Das Landgericht habe materielles und formelles Recht verletzt und Sachverhalt und Rechtslage rechtsfehlerhaft bewertet. Insbesondere stelle sich das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig war, wodurch ihm ein Vermögensschaden in Form der Eingehung einer ungewollten Verpflichtung entstanden sei. Die Täuschung sei der Beklagten auch gem. § 31 BGB zuzurechnen, womit sich das Landgericht nur unzureichend auseinandergesetzt habe. Er habe im Rahmen des ihm Möglichen dargelegt, dass der damalige Leiter der Motorenentwicklung ... [A] den Einbau der Software in einer Sitzung mit dem damaligen Abteilungsleiter für Niedrigstemissionsmotoren und Abgasnachbehandlung ...[B] und leitenden Mitarbeitern bereits im November 2006 gebilligt und der Leiter der Motorenentwicklung ...[C] den Abteilungsleiter ...[B] und dessen Team 2007 autorisiert habe, mit dem Projekt fortzufahren. Der damalige Entwicklungschef habe 2008 den Einsatz einer Modifikation in Auftrag gegeben und gebilligt und der Chef der Motorenentwicklung sei im Jahr 2011, ebenso wie der Verantwortliche für Qualitätsmanagement und Produktsicherheit im Jahr 2012, von einem Motorentechniker vor illegalen Praktiken mit den Abgaswerten gewarnt worden, woraufhin letzterer Geheimhaltung angeordnet habe. Der damalige Vorstandsvorsitzende … habe ebenfalls Kenntnis von der Software gehabt und die Ausstellung von Übereinstimmungsbescheinigungen bewusst nicht verhindert. Der Beklagten sei es möglich und zumutbar, auf diesen Vortrag zu erwidern, weshalb der Hinweis, es lägen derzeit keine Erkenntnisse vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien, diese nicht in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten, nicht zulässig sei. Die Beklagte hafte zudem nach den Grundsätzen des Organisationsverschuldens. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 5. Dezember 2018 (Bl. 528ff GA) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

  1.  unter Abänderung des am 5. Oktober 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Bad Kreuznach die Berufungsbeklagte zu verurteilen, an ihn 31.490,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Oktober 2017 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Sharan 2,0 l TDI mit der Fahrzeug-​Identifizierungsnummer … zu zahlen,

  2.  unter Abänderung des am 5. Oktober 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Bad Kreuznach festzustellen, dass sich die Berufungsbeklagte mit der Annahme des VW Sharan 2,0 l TDI mit der Fahrzeug-​Identifizierungsnummer … in Annahmeverzug befindet,

  3.  unter Abänderung des am 5. Oktober 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Bad Kreuznach die Berufungsbeklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.680,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihres Vorbringens. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 17. Januar 2019 (Bl. 554ff GA) sowie die weiteren Schriftsätze im Berufungsverfahren verwiesen.





II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache – unter Berücksichtigung eines Vorteilsausgleiches durch die fortgesetzte Nutzung des Fahrzeuges – weitgehend Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 826 Abs. 2 i.V.m. § 31 BGB analog wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zu. Nach Anrechnung der von ihm gezogene Nutzungen ergibt sich ein Anspruch auf Zahlung von 25.616,10 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Dem Kläger ist in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt worden. Dies ist der Beklagten zuzurechnen.

1. Anspruchskonkurrenz

Der Anspruch gemäß § 826 BGB ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil dem Kläger möglicherweise kaufrechtliche Ansprüche gegen den Verkäufer des Fahrzeugs zustehen (a.A. LG Ellwangen, Urteil vom 10. Juni 2016 - 5 O 385/15 -, Rn. 24, juris). § 826 BGB steht grundsätzlich in freier Anspruchskonkurrenz zu anderen Schadensersatzvorschriften (Förster in: BeckOK, BGB, 49. Edition, Stand 1. Februar 2019, § 826 Rn. 5). Ein Grund, die vorsätzlich-​sittenwidrige Schädigung durch Anerkennung des Vorrangs anderer Rechtsinstitute zu privilegieren, ist nicht ersichtlich (Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 826 Rn. 61).

2. Tathandlung

Das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik unter bewusstem Verschweigen der (gesetzwidrigen) Softwareprogrammierung stellt eine konkludente Täuschung dar, da der Hersteller mit dem Inverkehrbringen konkludent die Erklärung abgibt, der Einsatz des Fahrzeugs sei im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05. März 2019 – 13 U 142/18 –, Rn. 8, juris). Es stellt sich für den Senat die Frage, warum die Klägerin die Softwareprogrammierung verschwiegen hat, wenn sie aus ihrer Sicht ohne rechtliche Bedenken sein soll.

Wie noch zu zeigen sein wird, ist der Senat davon überzeugt, dass die verantwortlichen Personen im Sinne des § 31 BGB den Einsatz der gesetzwidrigen Software und das Inverkehrbringen der hiermit ausgestatteten Fahrzeuge aktiv unterstützt oder jedenfalls bewusst nicht unterbunden haben.

Ein Hersteller, der ein Kraftfahrzeug in Verkehr bringt, gibt konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist. Der Hersteller bringt insoweit zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck nicht nur im Straßenverkehr eingesetzt werden kann, sondern auch eingesetzt werden darf, d.h. über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist. Das setzt voraus, das nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-​Typengenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrbundesamts erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 11).

a) Unzulässige Abschalteinrichtung

Ausweislich des bestandskräftigen Bescheids des KBA liegt bei dem Motor des Typs EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) 715/2017 (im Folgenden: VO 715/2007/EG) vor. Schon dies genügt dem Senat, um von einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen. Der dies negierende Vortrag der Beklagten bleibt damit unerheblich.

Ungeachtet dessen liegt auch nach eigener Prüfung des Senates eine unzulässige Abschalteinrichtung und nicht nur eine rein innermotorische Maßnahme vor.

Auch der Bundesgerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt (BGH Hinweisbeschluss vom 08. Januar 2019, VIII ZR 225/17). Dem schließt sich der Senat an.

Nach Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG hat der Hersteller von ihm gefertigte Neufahrzeuge dergestalt auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen den Vorgaben der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die vorgegebenen Emissionsgrenzwerte auf das tatsächliche Verhalten der Fahrzeuge bei ihrer Verwendung beziehen (vgl. Erwägungsgrund 12 der VO 715/2007/EG) und dass die zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte erforderliche erhebliche Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen (vgl. Erwägungsgrund 6 der VO 715/2007/EG) erreicht wird (vgl. BGH, a.a.O., Rn.10ff).

Folgerichtig sieht die Verordnung die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, strikt als unzulässig an (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG), sofern nicht die ausdrücklich normierten Ausnahmetatbestände (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG) greifen. Eine „Abschalteinrichtung“ ist nach Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG jedes Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.

Ausgehend von diesen weitgefassten Bestimmungen handelt es sich auch bei der im Fahrzeug des Klägers installierten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG (vgl. auch OLG Koblenz – 2. Zivilsenat – Beschluss vom 27. September 2017, 2 U 4/17, NJW-​RR 2018, 376). Denn eine solche Software erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet und schaltet in diesem Fall in den Modus 1, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurückgelangen und sich so der Ausstoß an NOx verringert. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktiviert die Software den Modus 0, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfindet; sie ermittelt also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeugs - Prüfstandlauf oder Echtbetrieb - und aktiviert oder deaktiviert dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigt.

Soweit Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO 715/2007/EG in bestimmten Fällen die Verwendung von Abschalteinrichtungen gestattet, liegen die hierfür erforderlichen (engen) Voraussetzungen nicht vor. Die vorgesehenen Ausnahmen kommen – nicht zuletzt aufgrund des in Art. 5 Abs. 1 VO 715/2007/EG ausdrücklich benannten Regelungszwecks dieser Vorschrift – von vornherein nicht in Betracht, wenn die betreffende Abschalteinrichtung gerade dazu dient, bei erkanntem Prüfbetrieb ein vom Echtbetrieb abweichendes Emissionsverhalten des Fahrzeugs herbeizuführen, um auf diese Weise die Einhaltung der (andernfalls nicht erreichten) Emissionsgrenzwerte sicherzustellen.

Aufgrund der beschriebenen Wirkungsweise der Software handelt es sich weder um eine Abschalteinrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor einer Beschädigung oder einem Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VO 715/2007/EG), noch um eine Abschalteinrichtung, die nicht länger arbeitet, als dies zum Anlassen des Motors erforderlich ist (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b VO 715/2007/EG).

b) Keine rein innermotorische Maßnahme

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt sich bei der von ihr eingesetzten Software nicht um eine rein innermotorische Maßnahme. Funktionen im Emissionskontrollsystem werden durch den Einsatz der Software verändert. Befindet sich das Fahrzeug im Prüfstand, wird der Abgasrückführungs-​Modus 1 verwendet, in dem eine erhöhte Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß stattfindet. Dadurch werden mehr Stickoxide in den Motor zurückgeführt als im Abgasrückführung-​Modus 0, der im normalen Fahrbetrieb eingeschaltet ist. Durch den veränderten Modus wird erreicht, dass der Stickoxidausstoß, der das Emissionskontrollsystem erreicht, geringer ist als im normalen Fahrbetrieb. Stickoxide werden also der Messung entzogen. Dadurch wird die Funktion des Emissionskontrollsystems verändert, da die dort ermittelten Messwerte nicht denen im normalen Fahrbetrieb entsprechen. Dies ergibt sich bereits aus der eigenen Beschreibung der Funktionsweise der Softwaresteuerung seitens der Beklagten.

c) Keine Unerheblichkeit der Grenzwerte im Echtbetrieb

Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, auf die Grenzwerte im tatsächlichen Fahrbetrieb komme es gar nicht an, da sich der Gesetzgeber dafür entschieden habe, die Grenzwerte unter Laborbedingungen zu erheben.

Dieses Vorbringen könnte erheblich sein, wenn die unterschiedlichen Bedingungen des Fahrbetriebs alleiniger Faktor für die Unterschiede beim NOx-​Ausstoß wären. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Über die unterschiedlichen Bedingungen des Fahrbetriebs hinaus kommt – schon nach dem eigenen Vortrag der Beklagten – bei den betroffenen Fahrzeugen der – rechtswidrige – zusätzliche Faktor der verwendeten Software hinzu, der durch die Änderung des verwendeten Modus Einfluss auf den NOx-​Ausstoß nimmt. Die Beklagte hat mit dem Einsatz der Software den Boden der rechtlich Erlaubten verlassen.

3. Getäuschte

Das täuschende Vorgehen der Beklagten zielte in verschiedene Richtungen. Einerseits richtete sich die Täuschung gegen die Genehmigungsbehörde. Dieser wurde vorgespiegelt, das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen. Deren Interessen vermag der Kläger aber nicht wahrzunehmen.

Darüber hinaus resultiert aus den Täuschungen ein Eingriff in den freien Wettbewerb. Die Beklagte verschaffte sich dadurch, dass sie Fahrzeuge anbot, die die Voraussetzung für den Erhalt der Typengenehmigung aufgrund des Vorhandenseins der Abschalteinrichtung nicht erfüllten, eine Stellung am Markt, die sie ohne das planmäßige Vorgehen nicht oder nur mit einem erheblichen Aufwand und nur zu anderen Preisen hätte erreichen können. Auch wenn der Kläger kein Wettbewerber ist, so ist aber doch zu sehen, dass die Beklagte damit nicht nur auf die Position von Wettbewerbern am Markt, die sich einem Konkurrenten gegenüber sahen, der sich ohne die Täuschung nicht oder nur zu anderen Konditionen hätte betätigen können, Einfluss genommen hat, sondern durch Einflussnahme auf den Wettbewerb, nämlich des Angebots eines Fahrzeugs, das sonst nicht oder nur zu einem erheblich höheren Preis zur Verfügung gestanden hätte, auch auf die Kaufentscheidung des Endverbrauchers.

Letztlich wurden also zwangsläufig auch die Kunden der Beklagten getäuscht, die keinerlei Möglichkeiten hatten, die Täuschung zu erkennen. Nach Auffassung des Senates ist es nicht erforderlich, dass sich der Kunde bewusst mit der Frage auseinandersetzt, welche genauen Kriterien für die Erteilung der Typengenehmigung erfüllt sein müssen. Wer ein Fahrzeug erwirbt, um dieses im Straßenverkehr zu verwenden, vertraut darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden, wovon die erteilte Typengenehmigung zeugt. Der Kunde weiß, dass der Konstrukteur bzw. Hersteller eines Fahrzeugs kraft seiner Fachkenntnis ihm gegenüber zwangsläufig über einen Wissensvorsprung verfügt. Da der Kunde einen Einblick in die technischen Vorgänge nicht haben kann, bringt er denjenigen, die für die Entwicklung und Zulassung der Fahrzeuge verantwortlich sind, ein besonderes Vertrauen entgegen, das sich auch in der Markenauswahl beim Erwerb eines Fahrzeugs niederschlägt. Dies hat die Beklagte zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil ausgenutzt.




Unerheblich bleibt im konkreten Einzelfall, dass die Beklagte an dem Erwerb des hier streitgegenständlichen Fahrzeuges weder unmittelbar noch über einen Händler beteiligt war. Gleichwohl wurde der Kläger von der Beklagten getäuscht. Auch bei Gebrauchtwagenkäufen bilden die allgemeinen Herstellerangaben und die Typengenehmigung die Grundlage des Erwerbsgeschäftes. Insoweit täuscht die Beklagte auch in diesem Kontext die Beteiligten eines Gebrauchtwagenkaufs im vorgenannten Sinne. Dem hat die Beklagte nicht Substantielles entgegengesetzt. Das Inverkehrbringen des Fahrzeuges und das Verschweigen der unzulässigen Abgasabschalteinrichtung hat eine Kausalkette in Gang gesetzt, die bis zur Stilllegung des Fahrzeuges fortwirkt (so auch OLG Karlsruhe, a.a.O.). Die Täuschung wirkt damit auch innerhalb von Käuferketten außerhalb des Herrschaftsbereiches der Beklagten fort.

4. Sittenwidrigkeit

Das Verhalten der Klägerin ist auch sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB. Objektiv sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, d.h. mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH NJW 2014, 383, 384; BGH NJW 2017, 250, 251; st. Rspr.). Daran gemessen erweist sich das Handeln der Beklagten als objektiv sittenwidrig.

Der Beweggrund für die Verwendung der Software ist (auch) in einer von der Beklagten angestrebte Profitmaximierung zu sehen. Ziel für die Handlung der Beklagten war es, die Höchstgrenzen des NOx-​Ausstoßes einzuhalten und so die Typengenehmigung für die Fahrzeuge zu erhalten. Auf diese Weise sollte auf kostengünstigem Weg die Einhaltung der im multikausalen Interesse festgesetzten gesetzlichen Abgasgrenzwerte vorgetäuscht werden. Eine Einhaltung der Werte ohne die Steuerungssoftware war zum Zeitpunkt von deren Einbau entweder gar nicht möglich, mit großen Kosten oder technischen Schwierigkeiten verbunden. Einen anderen Grund für die Verwendung der Software hat die Beklagten weder vorgetragen noch ist ein solcher ersichtlich.

Die technische Lösung musste zudem nach dem Bekanntwerden der Abschalteinrichtung zunächst entwickelt, vom KBA freigegeben und dann auf diverse Fahrzeugvarianten angepasst werden. Wenn dies zum Zeitpunkt der Fahrzeugfabrikation schon problemlos und ohne großen Kostenaufwand möglich gewesen wäre, ist nicht ersichtlich, warum die Beklagte den Weg der Abschalteinrichtung überhaupt gewählt hat.

Zu berücksichtigen ist auch, dass sich die Täuschung gegen staatliche Behörden, Wettbewerber und Endverbraucher richtete und damit auf unterschiedliche Art eine große Zahl getäuschter Personen als Ziel hatte. Dabei hat sich die Beklagte auch das Vertrauen der Verbraucher in das bei einer unabhängigen Behörde, dem KBA, zu durchlaufende Genehmigungsverfahren zunutze gemacht.

Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass das Vorgehen der Beklagten systematisch erfolgte. Über Jahre hinweg wurde die Abschalteinrichtung bei mehreren Tochterunternehmen des Konzerns in diversen Fahrzeugvarianten eingesetzt. Beim Oberlandesgericht Koblenz und dabei insbesondere beim erkennenden Senat sind und waren eine Vielzahl von Verfahren anhängig, die sich mit derselben Problematik befassen wie das vorliegende Verfahren und bei denen die Funktionsweise der Motorsteuerung im Hinblick auf den NOx-​Ausstoß jeweils unstreitig ist. Daher ist bekannt, dass neben Fahrzeugen der Marke VW auch Fahrzeuge der Marken Audi, Skoda und Seat betroffen sind, in denen der Motor des Typ EA 189 mit der Motorsteuerungssoftware zum Einsatz kam. Betroffen war entsprechend ein großer Kundenkreis, der ein Fahrzeug mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 erworben hat und dessen Arglosigkeit seitens der Beklagten planmäßig ausgenutzt wurde. Die unstreitige Gesamtzahl der betroffenen Fahrzeuge zeigt die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten, das sich nicht auf ein Fehlverhalten in einer Nischentätigkeit beschränkt, sondern den Kernbereich ihres Handelns betroffen hat.

Das Verhalten der Beklagten ging auch zu Lasten der Umwelt, da der tatsächliche NOx-​Ausstoß der Fahrzeuge aufgrund der verwendeten Abschalteinrichtung oberhalb der Werte lag, die im Typengenehmigungsverfahren ermittelt worden sind. Dies verletzt in besonders verwerflicher Weise nicht nur Allgemeininteressen, sondern auch elementare Individualinteressen. Die Beklagte kann insoweit nicht für sich in Anspruch nehmen, dass der Schutz der Umwelt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, so dass der Kläger sich individuell hierauf nicht berufen könne. Soweit die Beeinträchtigung der Umwelt ohne jeden Zweifel eine gesamtgesellschaftliche Betroffenheit auslöst und sich hieraus deren Schutz als gemeinsame Aufgabe entwickelt, besteht die Erfüllung der Aufgabe doch in der Summe des Verhaltens Einzelner. Der Gesetzgeber steuert, etwa über Grenzwerte, das Verhalten Einzelner, was nicht ausschließt, dass sich jeder Verbraucher noch ambitionierter verhält. Der Einzelne kann gerade dadurch einen Beitrag zum Umweltschutz leisten, indem er möglichst umweltschonende Produkte erwirbt. Genau hierauf hat sich der Kläger für den Senat nachvollziehbar berufen. Es stellt sich als Element der Sittenwidrigkeit in der Gesamtschau dar, dieses Bestreben des Einzelnen durch eine gezielte Täuschung zu unterlaufen. Es ist besonders verwerflich, den Einzelnen in dem Glauben zu lassen positiver als andere einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, während genau das Gegenteil der Fall ist.

Zur Sittenwidrigkeit trägt weiter bei, dass die Täuschung über Jahre hinweg aufrecht erhalten wurde und die Aufklärung nicht etwa aus dem Unternehmen der Beklagten heraus betrieben wurde, sondern erst Raum griff, als die Beweislage erdrückend wurde. Die Entwicklung des Software-​Updates erfolgte erst nach dem Bescheid des KBA. Es wurde die Arglosigkeit des Verbrauchers in besonders verwerflicher Weise ausgenutzt und sein Vertrauen auf die hohe Qualität gerade deutscher Fahrzeuge und gerade solcher Fahrzeuge, die die Beklagte hergestellt hat, missbraucht.

Zu Bedenken sind des Weiteren die Folgen der verwendeten Software für den Kunden. Aufgrund der vom KBA angeordneten Rückrufaktion muss an den Fahrzeugen ein Software-​Update durchgeführt werden, dessen Folgen höchst umstritten sind. Ohne Durchführung des Updates droht ein Entzug der Betriebserlaubnis und damit die Stilllegung des Fahrzeugs. Die Verwendung der Abschalteinrichtung gefährdet damit den ureigenen Zweck des Fahrzeugs, die Nutzung im öffentlichen Straßenverkehr. Das verwendete Mittel ist daher nicht akzeptabel, um den angestrebten Zweck, den Erhalt der Typengenehmigung zu erreichen. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte das bestehende Zulassungssystem ausgenutzt hat, das besonderes Vertrauen für sich an Anspruch nehmen kann. Die Erteilung der Typengenehmigung erfolgt in einem standardisierten Verfahren durch eine staatliche Stelle. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Verbraucher als technischer Laie selbst nicht nachprüfen kann, ob ein Kraftfahrzeug gesetzlichen Vorgaben entspricht. Er hat daher die berechtigte Erwartung, dass der Zulassungsprozess ordnungsgemäß durchlaufen wurde.

Soweit der 1. Senat des Oberlandesgerichts Koblenz – dort nicht entscheidungserheblich – die Annahme eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens in Zweifel zieht (1 U 1552/18, Urteil vom 6. Juni 2019), da die Motorsteuerung dazu gedient habe, eine Beeinträchtigung des Motors durch eine dauerhafte Abgasrückführung zu verhindern, überzeugt dies den Senat nicht. Dies lässt außer Acht, dass die Maßnahme um den Preis eines drohenden Stilllegungsrisikos erfolgte, das den ureigensten Zweck des Fahrzeugerwerbs, die Teilnahme am Straßenverkehr, gefährdet hat.

Es liegt mithin ein rechtlich nicht erlaubtes, in großem Stil angelegtes Vorgehen der Beklagten aus reinem Gewinnstreben vor. Die Verwerflichkeit wird durch das systematische Vorgehen und den großen betroffenen Personenkreis vertieft. Dass die Beklagte bis heute den Schaden für die Umwelt und die hierauf bezogene Individualbetroffenheit bagatellisiert, verstärkt die Sittenwidrigkeit. Gleiches gilt für die erheblichen Auswirkungen in der Aufarbeitung der Manipulation für den einzelnen Kunden. Im Element der Profitgier wie des Unterlaufens umweltbewusster Verhaltensweisen sieht der Senat schon für sich ein sittenwidriges Verhalten, das sich mit den weiteren Faktoren in einer Gesamtschau als in besonderer Weise verwerflich darstellt. Im Rahmen einer zusammenfassenden Würdigung kommt der Senat deshalb zu dem Ergebnis, dass das Inverkehrbringen der manipulierten Fahrzeuge und das Verschweigen der Softwaremanipulation gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Als Teil der abstrakt betroffenen Gruppe der Verbraucher kann der Senat dies aufgrund eigener tatrichterlicher Würdigung feststellen.

5. Vorsatz und Zurechnung

a) Vorsatz

Die Verwendung der Software einschließlich der der Sittenwidrigkeit zugrundeliegenden Tatsachen erfolgte auch vorsätzlich. In subjektiver Hinsicht setzt der Schädigungsvorsatz gem. § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Es genügt bedingter Vorsatz hinsichtlich der für möglich gehaltenen Schadensfolgen, wobei jener nicht den konkreten Kausalverlauf und den genauen Umfang des Schadens, sondern nur Art und Richtung des Schadens umfassen muss (BGH, Urteil vom 13. September 2004 – II ZR 276/02 –, Rn. 38, juris).

Für den Vorsatz genügen das Bewusstsein, dass die Schädigung im Bereich des Möglichen liegt, sowie die billigende Inkaufnahme des Schädigungsrisikos. Nicht erforderlich ist, dass der Handelnde die Schädigung eines anderen anstrebt oder als sichere Folge des eigenen Handelns akzeptiert (Wagner in: Münchener Kommentar zu BGB, a.a.O., § 826 Rn. 27).

Die Software wurde bewusst in die Motorsteuerung eingebaut, um die Abgasrückführung beeinflussen zu können und so die Typengenehmigung zu erhalten. Einen anderen Zweck hatte ihre Verwendung nicht. Dabei wurde bewusst in Kauf genommen, dass eine Entdeckung der verwendeten Software dazu führen würde, dass die Betriebserlaubnis der betroffenen Fahrzeuge würde erlöschen können. Die Beklagte hat dabei das Risiko der darin liegenden Schädigung der Kunden als möglich erkannt und dennoch billigend in Kauf genommen. Das ergibt sich auch aus dem Umstand, dass der feststellende Bescheid des KBA hingenommen wurde. Da die Beklagte wusste, dass sie die Typengenehmigung erhalten hatte, obwohl deren Voraussetzungen nicht erfüllt waren, musste sie ein Entdeckungsrisiko fürchten. Dabei ist nicht erklärlich, warum die Beklagte die Vorgänge überhaupt geheim gehalten hat, wenn sie ihr Vorgehen als rechtmäßig eingeordnet hätte. Im Gegenteil begründet gerade dies eine Vermutung für ein vorsätzliches Vorgehen.

Die Beklagte hat auch die Folgen ihres Handelns jedenfalls billigend in Kauf genommen. Da die Behörden bei der Erteilung der Typengenehmigung getäuscht worden waren, konnten die Kunden davon ausgehen ein Fahrzeug zu erhalten, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dass im Falle der Entdeckung der Täuschung seitens des KBA Maßnahmen ergriffen werden muss​ten, musste der Beklagten klar sein und es war ihr klar. Anders ist ihr Verhalten nach der Entdeckung nicht zu verstehen. Das KBA als zuständige Behörde konnte ein gegen die gesetzlichen Regelungen verstoßendes Verhalten, das noch dazu einen Kernbereich seiner Aufgabe betrifft, nicht einfach hinnehmen. Die Beklagte musste davon ausgehen, dass das KBA in diesem Falle entweder die Typengenehmigung widerrufen oder aber Maßnahmen anordnen würde, um einen gesetzmäßigen Zustand der Fahrzeuge zu erreichen. Damit musste sie zwangsläufig davon ausgehen, dass dem Fahrzeug eine Betriebsuntersagung drohte, wenn dem nicht nachgekommen werden würde, so dass auch diese Schädigungsfolgen vom Vorsatz der Beklagten erfasst waren.

b) Zurechnung

Die Beklagte muss sich dabei das Handeln ihrer Mitarbeiter gem. § 31 BGB analog zurechnen lassen. Die Repräsentantenhaftung erstreckt sich für die juristischen Personen über den Vorstand, die Vorstandsmitglieder und die verfassungsmäßig berufenen besonderen Vertreter hinaus auf alle sonstigen Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (Arnold in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 31 Rn. 14, BGH NJW 1968, 391, 392). Da es der juristischen Person nicht freisteht, selbst darüber zu entscheiden, für wen sie ohne Entlastungsmöglichkeit haften will, kommt es nicht entscheidend auf die Frage an, ob die Stellung des „Vertreters” in der Satzung der Körperschaft vorgesehen ist oder ob er über eine entsprechende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht verfügt. Hierzu gehört auch der Personenkreis der leitenden Angestellten (BGH NJW 1998, 1854, 1856).

Der gemäß § 826 BGB erforderliche Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen, jedenfalls aber für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben. Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 – Rn. 25, juris).

Zur Überzeugung des Senates steht schon fest, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung der Beklagten von der Entwicklung und Verwendung der Software zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis hatte und dies gebilligt und, wenn nicht angeordnet, so zumindest nicht unterbunden hat. § 286 ZPO verlangt dabei zur Überzeugungsbildung ein Maß an persönlicher Gewissheit, welches Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH NJW 1970, 946; BGH NJW, 1973, 1925; BGH NJW 1993, 935, 937; BGH NJW 2012, 392; BGH NJW 2014, 71 Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 286 Rn. 19).

Die Programmierung der Software setzt denknotwendig eine aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware voraus und schließt die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustands aus (LG Krefeld ZIP 2017, 1671). Angesichts der Dimension der manipulierten Fahrzeuge in Zahl und Qualität hält der Senat es für ausgeschlossen, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung keine Kenntnis von den Manipulationen hatte. Das gilt umso mehr, als – unstreitig – bei allen Motoren der Serie EA 189 ausnahmslos die Manipulation festzustellen ist. Die Bestimmung gesetzlicher Grenzwerte war in ständiger öffentlicher, politischer, umwelttechnischer und wirtschaftlicher Diskussion. Insoweit liegt die Frage auf der Hand, welche Grenzwerte von einem Autobauer technisch zu beherrschen sind und wie dies geschieht. Auch mussten die technischen und wirtschaftlichen Grenzen gegenüber der nationalen wie europäischen Politik kommuniziert werden. Insoweit wird der Leiter der Entwicklungsabteilung einerseits entsprechenden Fragestellungen aus dem Vorstand ausgesetzt gewesen sein, wie er andererseits genau diese Fragen beantworten und dazu sachkundig sein musste. Es erscheint dem Senat dabei undenkbar, dass dem Leiter der Entwicklungsabteilung von seinen Mitarbeitern die technische Umsetzung in Form einer Abgasabschalteinrichtung verschwiegen wurde. Zu Recht weist das Oberlandesgericht Karlsruhe darauf hin, dass es sich in der Sache um eine Strategieentscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den gesamten Konzern und auch massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen handelt, dem bei den untergeordneten Konstrukteuren kein in Anbetracht der arbeits- und strafrechtlichen Risiken annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht (OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 55). Das sieht der Senat nicht anders. Aufgrund der Zahl der betroffenen Fahrzeuge handelte es sich auch nicht nur um eine Nischenfrage.

Unabhängig von der Überzeugung des Senates ergibt sich aber auch kein anderes Ergebnis aus Darlegungs- und Beweislastgesichtspunkten. Grundsätzlich hat jede Partei die ihr günstigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen. Insoweit geht auch der Senat von der grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast beim Kläger aus. Der Kläger als Verbraucher hat allerdings keine tieferen Einblicke in die Entscheidungsstrukturen der Beklagten. Die Beklagte hat ihr Bestreiten allein damit begründet, „nach derzeitigem Kenntnisstand“ sei nicht erwiesen, dass der Leiter der Entwicklungsabteilung im August 2011 von der Software und deren Einsatz gewusst habe. Dies ist als gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen zu qualifizieren.

Der Kläger hat umfangreich dazu vorgetragen, wer nach seinem Wissensstand zu welchem Zeitpunkt Kenntnis von den Entscheidungen bei der Beklagten gehabt und diese gebilligt bzw. angeordnet hat. Auch hat er vorgetragen, dass dies im Bewusstsein erfolgte, über die Zulassungsfähigkeit der Fahrzeuge zu täuschen. Dabei standen ihm allein öffentlich zugängliche Quellen zur Verfügung. Eine weitergehende Darlegung ist ihm daher nicht möglich. Vor diesem Hintergrund verletzt der Verweis auf den derzeitigen Kenntnisstand die der Beklagten obliegenden Erkundigungs- und Informationsobliegenheiten. Sie muss im eigenen Unternehmensbereich entsprechende Erkundigungen einholen. Sie ist verpflichtet, die ihr zugänglichen Informationen in ihrem Unternehmen und von denjenigen Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (BGH, Urteil vom 19. April 2011, BeckRS, 2001, 8009). Weshalb der Beklagten entsprechender Vortrag nicht möglich sein soll und welche Aktivitäten sie entfaltet hat, um ihrer Informationspflicht nachzukommen, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr als auch nach der Aufforderung des Senates nach der Anklageerhebung gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden … den Vortrag zu aktualisieren, keine weiteren Erkenntnisse vorgetragen wurden.

Der Beklagten ist es darüber hinaus auch verwehrt sich darauf zurückzuziehen, es sei ihr unzumutbar dazu vorzutragen, welche Personen von der Entwicklung der Umschaltlogik und ihrer Verwendung Kenntnis gehabt hätten. Dass in dem Unternehmen zu einem gewissen Zeitpunkt die Entscheidung zum Einsatz der Software getroffen wurde, ist unstreitig. Ein Unternehmen wie das der Beklagten muss eine Arbeitsorganisation vorhalten, in der wesentliche Entscheidungen dokumentiert und Kommunikationsflüsse nachvollziehbar sind. Dies schreibt sich die Beklagte auch unter Compliance-​Gesichtspunkten öffentlich zu. So heißt es im öffentlichen Compliance-​Bericht von Volkswagen aus dem Jahre 2014 (https://geschaeftsbericht2014.volkswagenag.com/konzernlagebericht/corporate-​governance-​bericht/compliance.html):

   „Compliance ist im Volkswagen Konzern ein wesentlicher Teil der Governance, Risk & Compliance (GRC)-​Organisation (siehe auch Risiko- und Chancenbericht). Dabei verfolgt Volkswagen einen präventiven Compliance-​Ansatz und strebt eine Unternehmenskultur an, die die Belegschaft sensibilisiert und aufklärt und so potenzielle Regelverstöße bereits im Vorfeld ausschließt. Konzern-​Revision und Konzern-​Sicherheit führen die notwendigen investigativen Tätigkeiten regelmäßig aus, überprüfen systematisch die Regeleinhaltung und führen verdachtsunabhängige, stichprobenartige Kontrollen sowie Sachverhaltsermittlungen bei konkreten Verdachtsfällen durch. Das Personalwesen und das Konzern-​Rechtswesen setzen die reaktiven Maßnahmen um. Im Sinne eines ganzheitlichen Compliance-​Managementsystems sind diese Prozesse eng miteinander verzahnt.“

Ohne strukturierende Arbeits- und Verhaltensanweisungen, die Dokumentation der Arbeitsausführung und ein hierauf bezogenes Kontrollsystem wäre ein Unternehmen wie das der Beklagten nicht zu führen. Wollte man annehmen, dass durch einen Verzicht auf diese Mechanismen bewusst Entscheidungsfindungen verschleiert werden, wäre darin seinerseits ein Anhaltspunkt für eine sittenwidrige Verfahrensweise zu sehen. Das Unternehmen könnte sich allzu einfach auf das Versagen Einzelner berufen und sich von der eigenen Haftung freizeichnen.

Es erschließt sich daher nicht, warum die Beklagte nicht dazu vortragen kann, wer wann welche Entscheidung getroffen und an wen kommuniziert hat. Wenn Vorstand und leitende Angestellte tatsächlich nicht informiert gewesen sein sollten – was der Senat bei einer Entscheidung dieser Tragweite für ausgeschlossen hält – müsste die Beklagte im Stande sein, dies anhand der tatsächlich getroffenen Entscheidungen und der versagenden Kontrollmechanismen darzulegen. Das Bestreiten unter Bezugnahme auf den derzeitigen Kenntnisstand ist daher unbeachtlich, so dass von der Kenntnis des Entwicklungschefs seit 2011 auszugehen ist. Die Kenntnis der leitenden Angestellten genügt für eine Zurechnung nach § 31 BGB (s.o.)

Darüber hinaus ist der Beklagten auch die Kenntnis von Vorstandsmitgliedern zuzurechnen. Die Beklagte kann sich nicht darauf zurückziehen, nach derzeitigem Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass eines ihrer Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen sei oder die Entwicklung oder Verwendung der Software in Auftrag gegeben bzw. davon gewusst habe. Insoweit gelten zunächst die gleichen Erwägungen für die Kenntnis der einzelnen Vorstandsmitglieder wie für den Leiter der Entwicklungsabteilung. Dies gilt umso mehr, als der Vorstand der Beklagten nicht nur mit Juristen und Betriebswirten, sondern auch mit Ingenieuren bis hin zum damaligen Vorstandsvorsitzenden besetzt war. Ausweislich der öffentlichen Geschäftsberichte der Beklagten aus den Jahren 2010 bis 2014 war der damalige Vorstandsvorsitzende … zugleich für die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Beklagten verantwortlich. Eine Unkenntnis des Vorstandes könnte sich der Senat nur mit einem bewussten Verschließen der Augen vor den Realitäten erklären, was im subjektiven Unwertgehalt des § 826 BGB der positiven Kenntnis gleichzusetzen wäre.

Die Beklagte trifft allerdings insoweit auch eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht genügt hat. Der Senat muss die Frage der tatsächlichen Kenntnis also gar nicht abschließend entscheiden. Es besteht eine Vermutung für die Kenntnis des Vorstands, die sich aus den Indizien für eine Kenntnis speist. Die strategische und wirtschaftliche Bedeutung der Frage nach der Einhaltung der Abgaswerte gekoppelt mit der Zahl der betroffenen Fahrzeuge und der mangelnden Transparenz sind hier ebenso führend wie der Umstand, dass die Vorstandsmitglieder nicht nur fachlich in der Lage waren die Problemlage zu erfassen und die Lösungswege zu erkennen, sondern dies auch in deren Zuständigkeit fiel. Die Beklagte hätte diese Vermutung im Wege der sekundären Darlegung entkräften können. Dies ist ihr jedoch nicht gelungen. Grundsätzlich muss zwar der Kläger alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach §138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Eine solche sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH NJW-​RR 2015, 1279, 1280 m.w.N). So liegt der Fall hier.


Der Kläger hat unter Auswertung und Darlegung der ihm zugänglichen öffentlichen Quellen dargelegt, woraus er seinen Vortrag, Vorstandsmitglieder der Beklagten hätten von der Verwendung der Software gewusst, herleitet. Nach ihrem eigenen Vorbringen weiß die Beklagte selbst nicht, wer wann Kenntnis hatte. Sie zieht sich vielmehr auf den Standpunkt zurück, nach dem derzeitigen Sachstand sei von Unkenntnis auszugehen; dies obwohl es sich um Vorgänge handelt, die in ihre eigene Unternehmensverantwortung fallen. Dies zeigt, dass der Kläger das ihm Mögliche vorgetragen hat. Demgegenüber ist es der Beklagten zumutbar, nähere Angaben zu machen. Ihr Vortrag impliziert, die Entscheidung über die Verwendung der Software sei von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene, mithin auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden. Damit macht sie deutlich, diesbezügliche Kenntnisse zu haben, da sie anderenfalls einen entsprechenden Vortrag nicht hätte halten könnte. Wenn sie aber weiß und auch wissen muss, wer unterhalb der Vorstandsebene wann welche Kenntnis gehabt hat, ist es ihr auch möglich nachzuvollziehen, ob entsprechende Kenntnis an den Vorstand weitergegeben wurde oder nicht. So oder so muss eine entsprechende Entscheidung von jemandem getroffen worden sein. Warum es ihr nicht möglich sein soll, dies in Erfahrung zu bringen und vorzutragen, ist nicht plausibel. Die Beklagte hat nach ihren öffentlichen Bekundungen eigene Untersuchungen veranlasst. Zudem hat sie sich unterschiedlichen staatsanwaltschaftlichen und behördlichen Untersuchungen ausgesetzt gesehen. Obwohl mithin mehrere Erkenntnisquellen zur Verfügung standen, hat sie – trotz des Ablaufs mehrerer Jahre – nichts zu den hieraus gewonnenen Erkenntnissen mitgeteilt und dies auch nicht nachgeholt, als der Senat ihr nochmals ausdrücklich die Gelegenheit hierzu gegeben hat.

Der Beklagten – und allein ihr – ist es möglich die Entscheidungsprozesse, die zur Verwendung der Software geführt haben, darzulegen. Insoweit ist auch nicht nachvollziehbar – und von ihr auch nicht dargelegt –, dass ihr dies trotz des Ablaufs von mehreren Jahren nicht möglich sein soll. Es fehlt mithin an dem erforderlichen substantiierten Vortrag zur (Nicht-​)Kenntnis der Vorstandsmitglieder durch die Beklagte. Trotz Hinweises des Senates und Verweis auf die zwischenzeitliche Anklage gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden, hat die Beklagte keine weitergehenden Erklärungen abgegeben. Sie hat nicht erläutert, welche Erkenntnisse zu den Entscheidungsstrukturen sich hieraus ergeben und inwieweit diese Erkenntnisse unstreitig gestellt werden können oder – aus welchen Gründen – in Zweifel zu ziehen sind.

Ungeachtet dessen ließe es eine Haftung der Beklagten nicht entfallen, wenn es der Beklagten gelungen wäre nachzuweisen, dass die Entscheidung zu dem Vorgehen allein auf der nachgeordneten Arbeitsebene gefallen wäre. In diesem Fall würde sich nämlich die Frage stellen, warum es der Beklagten nicht gelungen ist, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger, organschaftlicher Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Überlässt ein Unternehmen wie die Beklagte es Mitarbeitern, die für die Zulassung von Fahrzeugen essentiellen Voraussetzungen für den Erhalt von Typengenehmigungen zu schaffen, ohne dass den Mitarbeitern durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, kann sie sich nicht von ihrer Haftung für deren Handeln freizeichnen. Dann nimmt sie es jedenfalls bedingt vorsätzlich in Kauf, dass dort Entscheidungen von haftungsrechtlicher Relevanz getrof-​fen werden, die aufgrund mangelhafter Organisation zu ihren Lasten gingen. Anderenfalls könnte die Beklagte Manipulationen Tür und Tor öffnen, indem sie bewusst Verantwortungslücken ent- bzw. bestehen lässt.

Insoweit begründet nach der Auffassung des Senates auch das bewusste Organisieren des Nichtwissens eine Zurechnung im Sinne des § 31 BGB. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass es eine solche lückenhafte Organisation gab. Sie hätte dann nämlich darlegen müssen, in welcher Art und Weise sie sicherstellt, dass solche wesentlichen Unternehmensentscheidungen bis auf die Ebene des Vorstandes getragen werden, warum dies im konkreten Fall nicht geschehen ist und welche weiteren Qualitätssicherungsmaßnahmen aus welchen Gründen ebenfalls versagt haben, d.h. welchen Mitarbeitern welche Pflichtverstöße vorzuwerfen sind.

6. Schaden

Der Kläger hat auch einen Schaden erlitten. Der Schaden liegt in dem Erwerb eines mit der Steuerungssoftware ausgerüsteten Fahrzeugs (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18 –, juris).

§ 826 BGB erfasst auch reine Vermögensschäden, da er nicht auf die Verletzung bestimmter absoluter Rechtsgüter wie § 823 Abs. 1 BGB abzielt. Unter einem Schaden im Sinne des § 826 BGB ist allerdings auch nicht nur die negative Einwirkung auf die Vermögenslage zu verstehen, sondern die nachteilige Beeinträchtigung jedes rechtlich anerkannten Interesses. Der Schaden kann deshalb auch in der Eingehung einer „ungewollten“ Verbindlichkeit bestehen, selbst wenn dieser einer Forderung auf eine objektiv gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht (BGH ZIP 2004, 1593; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, VI ZR 15/14, Rz. 19, –juris; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 17f). Dies ist der Fall, wenn die Leistung für die Zwecke des Erwerbers nicht brauchbar ist (BGH, Urteil vom 26. September 1997 – V ZR 29/96 –, juris BGH, VersR 2005, 418). Nach Ansicht des Senates ist es für die Annahme eines Schadens nicht erforderlich, dass im Rahmen einer Mehrzahl verfolgter Zwecke keiner der Zwecke erreicht wurde. Vielmehr genügt es, dass ein nicht völlig nebensächlicher Zweck nicht erreicht wurde. Es kommt also im Ergebnis nicht zwingend auf einen geringeren Marktwert oder sonstige unmittelbaren wirtschaftlichen Nachteile an, wenngleich auch diese nach der Auffassung des Senates zu verzeichnen sind. Neben etwaigen wirtschaftlichen Nachteilen sind auch die enttäuschte Erwartung und die Zweckverfehlung als Schaden anzusehen. Ausgehend hiervon liegt ein Schaden vor.

Insoweit kann zunächst auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 8. Januar 2019 (VIII ZR 225/17) verwiesen werden. Aufgrund der rechtswidrig verbauten Abgasabschalteinrichtung drohte die Stilllegung des Fahrzeuges, was für sich genommen schon als Schaden zu betrachten ist. Damit ist die Nutzwerterwartung enttäuscht. Diese wird auch nicht durch eine nachträgliche Maßnahme – das Angebot eines Software-​Updates – wieder erfüllt. Der Schaden ist einmal eingetreten. Mag im Kauf- und Gewährleistungsrecht der Kunden auf eine Nachbesserung verwiesen werden, fehlt es an dieser Option für das Recht der unerlaubten Handlung. Die Frage des Software-​Updates ist eine solche der Schadensbeseitigung, nicht aber der Schadensbegründung.

Der Kläger hat ein Fahrzeug erworbenen, das zwar primär seinem Erfordernis, am Straßenverkehr teilzunehmen, genügt. Es hat mithin den gewollten Nutzwert im engeren Sinne. Es verfügte aber über eine Einrichtung, bei deren Bekanntwerden die Typengenehmigung für das Fahrzeug nicht erteilt worden wäre. Aufgrund der Einrichtung unterlag es einer Rückrufaktion. Ohne Durchführung weiterer Maßnahmen – nämlich eines Software-​Updates – drohte, was unstreitig ist, eine Betriebsuntersagung. Zweck des Erwerbs war aber die uneingeschränkte Teilnahme am Straßenverkehr, ohne dass durch weitere Maßnahmen eine drohende Betriebsuntersagung abzuwehren gewesen wäre. Der Nutzwert ist also eingeschränkt. Dies gilt auch für die weiteren verfolgten Zwecke wie das Bestreben einen individuellen Beitrag zum kollektiven Umweltschutz zu leisten.

Entgegen der Auffassung der Beklagten im Schriftsatz vom 5. Juni 2019 stützt der Senat seine Annahme eines Schadens nicht auf eine Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, was zu einem „voraussetzungslosen Reuerecht“ führen würde. Die Argumentation der Beklagten verkennt, dass der Senat einen Schaden nicht allein in der Auswirkung für die Umwelt sieht, sondern maßgeblich auch in dem Umstand, dass dem Käufer des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs die Stilllegung des Fahrzeugs drohte. Vor dem Hintergrund dieses Risikos kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich – wie die Beklagte meint – Käufer auch in Kenntnis der Steuerungssoftware für ein solches Fahrzeug entschieden hätten und es sich bei dem Einbau der Software nicht um einen Umstand von derart elementarer Bedeutung handele, dass er den Eintritt des Kaufvertragszwecks vereitelt hätte. Die drohende Stilllegung war genau solch ein Umstand. Angesichts der öffentlichen Diskussionen um Schadstoffgrenzwerte, konkret drohender Fahrverbote in den Kommunen und der hierauf bezogenen Gerichtsverfahren sowie der glaubhaften Bekundungen des Klägers zu seinen Motivationen beim Fahrzeugkauf und nicht zuletzt vor dem Hintergrund der streitgegenständlichen sittenwidrigen Handlungen der Beklagten kann aber auch nicht von einem „voraussetzungslosen“ Reuerecht gesprochen werden. Die Beklagte kann in diesem Kontext auch nicht damit durchdringen, der Kläger habe sich im Vorfeld seiner Kaufentscheidung selbst die für ihn maßgeblichen Informationen beschaffen müssen. Mit einer durch rechtswidriges Verhalten erlangten Typengenehmigung sowie dem Verschweigen wesentlicher Umstände durch die Beklagte musste kein Käufer, auch nicht der Kläger, rechnen.

Der Schaden des Klägers beschränkt sich auch nicht auf den reinen Nutzwert. Vielmehr muss auch der Vermögenswert, der sich insbesondere im Wiederverkaufspreis niederschlägt, gesehen werden. Es kann als offenkundig, weil allgemein- und gerichtsbekannt angesehen werden, dass der Wiederverkaufswert von betroffenen Dieselmodellen der Beklagten seit dem Bekanntwerden der Handlungsweise der Beklagten gesunken ist. Auch in diesem Vermögensverlust ist ein Schaden zu sehen. Darauf kommt es aber letztlich gar nicht an. Maßgeblich ist, dass der Kläger ein für die Nutzung im Straßenverkehr bestimmtes Fahrzeug erworben hat, das hinsicht-​lich der Frage der Typengenehmigung und der Betriebszulassung mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten belegt war, was sich zwangsläufig auch auf den Wert des Fahrzeugs auswirkt, da die Nachfrage nach solchen Fahrzeugen gegenüber vergleichbaren Fahrzeugen, die nicht mit diesem Mangel behaftet sind, geringer ausfällt. Auch aus diesem Grund vermag sich der Senat dem OLG Braunschweig nicht anzuschließen, das in der drohenden Betriebsuntersagung keinen wertbildenden Faktor sieht (Urteil vom 19. Februar 2019, - 7 U 134/17 – Rn. 171, juris). Der Senat erachtet dies als lebensfremd und durch offenkundige Tatsachen widerlegt. Ungeachtet der von den Beklagten angeführten Untersuchungen zeigen andere zu recherchierende Untersuchungen, sogar das „Dieselbarometer“ des Branchenverbandes Deutsche Automobil Treuhand (www.dat.de), einen Wertverfall der betroffenen Dieselfahrzeuge der Beklagten.

Letztlich liegt ein Schaden in Form der ungewollten Eingehung einer Verbindlichkeit vor. Neben der Frage der drohenden Stilllegung hat der Kläger für den Senat nachvollziehbar dargelegt, dass für ihn auch die Umweltstandards deutscher Fahrzeuge, speziell derjenigen der Beklagten, ein ausschlaggebender Punkt im Rahmen der Kaufentscheidung waren. Insoweit ist der Kläger auch bei der Kaufentscheidung aufgrund der verschwiegenen unzulässigen Abschalteinrichtung eine von ihm so nicht gewollte Verbindlichkeit eingegangen. Das Fahrzeug hat damit letztlich nicht seinen Erwartungen entsprochen und war für einen weiteren von mehreren denkbaren Zwecken – einen individuellen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten – nicht geeignet. Auch das begründet einen Schaden.

Die Beklagte hat dem Kläger den Schaden auch vorsätzlich zugefügt. Sie hat zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass die Abschalteinrichtung im Falle ihres Entdeckens Auswirkungen auf die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs haben würde und Erwartungen des Fahrzeugeigentümers enttäuscht werden. Dies folgt zwangsläufig aus der Verwendung der Software. Anderenfalls ist ihr heimliches Vorgehen nicht erklärlich. Damit war für sie vorhersehbar, dass es zu einer Stilllegung des Fahrzeugs kommen kann.

7. Kausalität

Für die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Täuschung und Abgabe der Willenserklärung genügt es, dass der Getäuschte Umstände dargetan hat, die für seinen Entschluss von Bedeutung sein konnten, und dass die arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung bei der Art des zu beurteilenden Rechtsgeschäfts Einfluss auf die Entschließung hat (BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 – V ZR 34/94 –, juris). Der getäuschte Käufer darf keine Kenntnis von den maßgeblichen Tatsachen haben und seine Verfügung – der Abschluss des Kaufvertrages – muss auf dieser Unkenntnis beruhen. Es muss ein auf der Täuschung beruhender Irrtum vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senates vor. Da es sich um innere Tatsachen handelt kann der Nachweis nur auf der Grundlage von Indizien geführt werden, die hinreichend und nachvollziehbar dargelegt sind.

Nach der Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäftes ist auszuschließen, dass ein Käufer ein Fahrzeug erwirbt, dem eine Betriebsuntersagung droht und bei dem im Zeitpunkt des Erwerbs in keiner Weise absehbar ist, ob dieses Problem überhaupt behoben werden kann. Dies gilt erst recht, wenn ihn der Hersteller oder der Verkäufer hierauf hinweisen würde. Diese Einwirkung auf die Entschließung des Klägers als Käufer genügt für den Kausalzusammenhang zwischen dem Irrtum und der Kaufentscheidung (BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 – V ZR 34/94 –, juris). Daneben sind die Aspekte der Umweltverträglichkeit und mit einem erhöhten NOx-​Ausstoß einhergehender Gesundheitsgefahren oder auch Nutzungseinschränkungen im Sinne einer uneingeschränkten Mobilität (Fahrverbote in Gegenwart und Zukunft) Argumente, die bei einem Kaufentschluss für ein Fahrzeug plausibel eine Rolle spielen und so Einfluss auf die Dispositionsfreiheit eines Kunden haben können. Insofern ist auch die Besorgnis des Klägers nachvollziehbar, dass diese Aspekte eine Wiederverkäuflichkeit des Fahrzeugs erschweren können und sich deshalb auch in vermögensrelevanten Folgerungen auswirken. Für den Senat ist all dies glaubhaft und lebensnah vorgetragen und Grundlage einer eigenen tatrichterlichen Überzeugungsbildung. Es hätte der Beklagten oblegen, im Einzelnen darzulegen, warum gerade bei dem Kläger dieses Maß an lebensnaher Betrachtung nicht eingreifen soll und so Zweifel zu begründen. Daran fehlt es.

Dies gilt auch dann, wenn sich der Kläger – wie die Beklagte behauptet – um diese Frage überhaupt keine bewussten Gedanken gemacht hat. Der Käufer unterstellt aufgrund der erteilten Typengenehmigung bestimmte Eigenschaften und setzt diese selbstverständlich voraus. Hätte die Beklagte das Fahrzeug weder in Verkehr gebracht noch die unzulässige Abgasabschalteinrichtung verschwiegen, wäre es zu einer reflektierten Entscheidung zu diesen Faktoren gekommen und – sachgerechtes Verhalten unterstellend – ein Kauf unterblieben.

8. Schutzzweck

Der von dem Kläger geltend gemachte Schaden ist auch vom Schutzzweck des § 826 BGB umfasst. Entgegen der Auffassung des Landgerichts bestimmt sich der Schutzzweck der Norm nicht danach, dass im Falle der Haftung die Gefahr einer exorbitanten Kumulation von Schadensersatzansprüchen droht, wenn ein vorsätzlich-​sittenwidriges Verhalten erst einmal festgestellt ist (Bl. 484 GA). Bei dieser Argumentation wird aus der Schadensfolge ein unzulässiger Rückschluss auf das Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen gezogen. Die Höhe des drohenden Schadens bestimmt sich im vorliegenden Fall aus der großen Anzahl der getäuschten Kunden. Nach der Argumentation des Landgerichts würde der Schädiger je eher entlastet, je größer die Anzahl der Geschädigten ist und je größer der Schaden ist, den er verursacht hat.

Ungeachtet dessen ist nicht einmal zu sehen, dass eine „exorbitante Kumulation von Schadensersatzansprüchen“ droht. Sowohl die bundesweite Zahl der Individualklagen wie die Zahl der Personen, die sich der Musterfeststellungsklage angeschlossen haben, liegen weit unter der Zahl der potentiell betroffenen Fahrzeuge.

Allerdings gilt für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen allgemein, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (BGH, Urteil vom 11. November 1985 – II ZR 109/84, Rn. 15, juris,). Der Schaden des Klägers liegt innerhalb des Schutzzwecks von § 826 BGB. Der Senat vermag sich nicht dem OLG Braunschweig anzuschließen, wonach im Zusammenhang mit dem Gefahrenbereich „Übereinstimmungsbescheinigung“ entstandene Schäden aus der Haftung des § 826 BGB auszunehmen seien, da der Schutzzweck der verletzten Normen keine individualschützende Wirkung habe (a.a.O., Rn. 188 i.V.m. Rn. 141ff). Dies lässt außer Acht, dass das Vorgehen der Beklagte eben nicht nur Vorschriften verletzt hat, die Gemeinschaftsinteressen dienen, sondern ganz konkret dazu geführt hat, dass Tausende von Kunden Fahrzeuge erworben haben, die mit dem Risiko einer Betriebsuntersagung behaftet waren und die damit höchst individuell betroffen waren. Genau dies war auch das Ziel der Beklagten, die über das Inverkehrbringen der Fahrzeuge ihre Umsätze generiert. Auf die Betrachtung der weiter dargelegten Vertragserwartungen kommt es damit nicht mehr an.

9. Keine Schadensbeseitigung

Der dem Kläger entstandene Schaden ist auch nicht durch die Durchführung des Software-​Updates entfallen. Unabhängig von der Frage, ob dieses im Hinblick auf seine höchst umstrittenen Folgen überhaupt geeignet ist, den Schaden zu beseitigen, kommt es auf dessen Wirkung nicht an. Maßgeblich für die Frage des Schadens ist der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs. Der Schadenseintritt war zu diesem Zeitpunkt erfolgt. Dem Deliktsrecht ist eine Nacherfüllungsverpflichtung, wie sie das Kaufrecht vorsieht, fremd. Hinzu kommt, dass der Kläger das Software-​Update nicht aus Gründen der Schadensbeseitigung hat durchführen lassen, sondern weil das Fahrzeug von der vom KBA angeordneten Rückrufaktion betroffen war und anderenfalls eine Betriebsuntersagung gedroht hätte. In der Durchführung des Updates kann daher kein Verzicht auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gesehen werden.

10. Negatives Interesse

Der Ersatzanspruch richtet sich bei § 826 BGB auf das negative Interesse. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde.

Ohne die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung – das Inverkehrbringen des manipulierten Fahrzeuges und das Verschweigen des Einbaus der Abgasabschalteinrichtung – hätte der Kläger den Vertrag nicht geschlossen. In diesem Fall hätte der Kläger das Fahrzeug nicht erhalten und den Kaufpreis nicht gezahlt. Die Beklagte hat die Kläger daher den Kaufpreis zurückzuerstatten, Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges.

11. Vorteilsausgleich

Entgegen der Auffassung des Klägers muss der gezogene Nutzungsvorteil berücksichtigt wer-​den. Der Kläger muss sich im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Er hat das Fahrzeug über einen mehrjährigen Zeitraum genutzt und auf diese Weise einen geldwerten Vorteil erlangt.

Auch in Anbetracht einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung ist dies nicht unbillig, da der Kläger das Fahrzeug tatsächlich genutzt hat und der Verweigerung des Vorteilsausgleiches keine kompensierende Wirkung zukommt.

Entgegen der Auffassung des Klägers führt dies nicht zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers. Es ist nicht Aufgabe des Schadensrechts das Verhalten des Schädigers in einer über die faktische Rückabwicklung des Vertrages hinausgehenden Weise zu sanktionieren. Der von dem Kläger gezogene Nutzungsvorteil ist keiner, der ohne das schädigende Ereignis bei diesem verblieben wäre. Denn auch ohne das schädigende Ereignis hätte der Kläger ein Kraftfahrzeug geführt und somit die daraus resultierenden Nutzungsvorteile für sich in Anspruch genommen. In diesem Punkt steht er durch das Verhalten der Beklagten nicht schlechter da.

Dem Anspruch auf Erstattung des Nutzungsvorteils stehen die Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs nicht entgegen. Zwar erfolgt im vorliegenden Fall nicht die Rückabwicklung eines vertraglichen Schuldverhältnisses, sondern es besteht ein deliktsrechtlicher Anspruch. Der auf das negative Interesse gerichtete Schadensersatzanspruch hat aber die faktischen Wirkungen einer Rückabwicklung. Gem. §§ 475 Abs. 3 Satz 1 BGB ist beim Verbrauchsgüterkauf § 349 Abs. 5 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind. Erfasst sind Fälle, in denen der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache liefert und deshalb vom Käufer die Rückgewähr der mangelhaften Sache verlangen kann. Dieser Rechtsgedanke kann jedoch nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Dieser liegt parallel zum Rücktritt von einem Kaufvertrag, nicht zur Lieferung einer mangelfreien Sache. Den Fall des Rücktritts eines Käufers vom Kaufvertrag und mithin die Durchführung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses erfasst diese Regelung jedoch nicht. Der in Abzug zu bringende Nutzungsvorteil beschränkt sich auch nicht auf die Zeit bis zum Eintritt des Verzuges. Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es sonst in der Hand, den Rückabwicklungsanspruch zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen, indem sie die berechtigten Ansprüche des Klägers nicht befriedige, mag im Ergebnis zwar zutreffen. Diese Argumentation verkennt jedoch, dass im Falle der Nichtbefriedigung von Ansprüchen in einem Rechtsstaat zeitnah der Rechtsweg beschritten werden kann und zu beschreiten ist, wovon der Kläger auch Gebrauch gemacht hat. Es ist daher legitim, wenn eine Partei das Bestehen von Ansprüchen verneint und sich in einem Prozess entsprechend verteidigt. Es kann nicht die Aufgabe des Schadensersatzrechts sein, ein legitimes Verhalten zu sanktionieren. Im Übrigen hatte und hat der Kläger es selbst in der Hand sein Fahrzeug durch Stilllegung einem weiteren Anstieg der Nutzungsvorteils zu entziehen und etwaige daraus resultierende Folgen im Wege des Verzugsschadens geltend zu machen.

Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gem. § 287 ZPO zu ermitteln (BGH NJW 1995, 2159). Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeugs verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bis zur Rückgabe des Fahrzeugs (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2017, Rn. 1186).

Die erwartete Gesamtlaufleistung schätzt der Senat gem. § 287 BGB auf 300.000 km (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17. Januar 2017 – 3 O 139/16 –, Rn. 73, juris für einen Skoda Yeti). Dabei war zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst eine hervorgehobene Qualität ihrer Fahrzeuge für sich in Anspruch nimmt, was sich auch in gegenüber vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller höheren Kaufpreisen wiederspiegelt. Weiterhin ist bei der Schätzung einzubeziehen, dass es sich um ein Fahrzeug mit dem Baujahr 2012 handelt, bei dem aufgrund fortschreitender technischer Entwicklung von einer höheren Haltbarkeit ausgegangen werden muss, als das bei älteren Fahrzeugen der Fall ist. Dabei kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass im heutigen Straßenbild eine Vielzahl von Fahrzeugen der Marke VW zu sehen sind, die ohne weiteres älter als zehn Jahre sind. Der im vorliegenden Fall betroffene Fahrzeugtyp VW Sharan wurden ab 2010 in den Markt eingeführt und gehört als Großraum-​Van zu den Fahrzeugen, die auf eine umfangreiche und robuste Nutzung ausgelegt sind.

Die Laufleistung zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung betrug 72.229 km.

Die abzuziehende Nutzungsentschädigung errechnet sich dann nach der Formel

  Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer
Gebrauchsvorteil =  
  erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt


Der Bruttokaufpreis betrug 31.490,- €. Die gefahrenen Kilometer belaufen sich auf 52.229 (72.229 km in der mündlichen Verhandlung abzüglich 20.000 km im Erwerbszeitpunkt). Die erwartete Restlaufleistung beträgt 280.000 km (300.000 km abzüglich 20.000 km) im Erwerbszeitpunkt. Dies ergibt eine zu berücksichtigende Nutzungsentschädigung von 5.873,90 €. Da der Kläger den Vorteilsausgleich in seinem Klageantrag nicht in Abzug gebracht hat, unterliegt die Klage in diesem Umfang der Abweisung.

Der Zinsausspruch folgt aus § 288 Abs. 1 ZPO.

12. Feststellungsantrag zum Annahmeverzug

Auch der Feststellungsantrag ist begründet. Die Beklagte befindet sich gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug. Der Kläger hat mit Schreiben vom 15. September 2017 (Anlage K36) die faktische Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend gemacht und die Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises angeboten. Leistungsort für die Rückgewähr des Fahrzeugs ist der Wohnsitz des Klägers. Eine ausdrückliche oder stillschweigend getroffene Vereinbarung zwischen den Parteien liegt nicht vor. Der Leistungsort bestimmt sich gem. § 269 Abs. 1 BGB in einem solchen Fall aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses. Da das ursprüngliche Schuldverhältnis, der Kaufvertrag, nicht zwischen den Parteien bestand, kann dieser nicht zur Bestimmung des Leistungsortes herangezogen werden. Das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis beruht auf einer Haftung der Beklagten gem. § 826 BGB. Der Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung spricht dafür, den Geschädigten nicht damit zu belasten, das Fahrzeug zu der Beklagten als Schädigerin transportieren zu müssen.



13. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Dem Kläger steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten nach § 826 BGB zu. Sein Schadensersatzanspruch hat sich als begründet erwiesen.

Allerdings vermag der Senat keine Gründe für ein Überschreiten der Schwellengebühr nach der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG zu sehen. Die Sache ist weder mit besonderen Schwierigkeiten versehen oder – trotz der umfangreichen Schriftsätze – besonders umfangreich. Wie dem Senat aus einer Vielzahl von Parallelverfahren bekannt ist, vertreten die Bevollmächtigten des Klägers eine Vielzahl von Klägern. In allen Verfahren werden nahezu wortgleiche Ausführungen zur Haftung der Beklagten gemacht.

Der Senat sieht deshalb nur eine 1,3-​Geschäftsgebühr als notwendig und damit erstattungsfähig an. Ausgehend von einer berechtigten Forderung von 25.616,10 € ergibt sich damit der ausgeurteilte Wert von 1.474,89 €. Im Übrigen unterliegt die Klage auch insoweit der Abweisung.

Der Zinsausspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 ZPO.

14. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert war in Höhe der verfolgten Ansprüche festzusetzen.

15. Zulassung der Revision

Die Revision wird zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Streitfrage ist vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden und wird von Oberlandesgerichten (vgl. OLG Braunschweig (Beschluss vom 19. Februar 2019, 7 U 134/17) einerseits und OLG Karlsruhe (Beschluss vom 5. März 2019, 13 U 142/18) bzw. OLG Köln (Beschluss vom 2. Januar 2019, 18 U 70/18) andererseits unterschiedlich beantwortet (vgl. zu den Anforderungen an die rechts-​grundsätzliche Bedeutung aktuell BGH vom 18. Oktober 2018, V ZA 22/18, Rn. 6 – zitiert nach juris).

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