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Landgericht Tübingen Urteil vom 17.05.2019 - 3 O 108/18 - Höhe der Hinterbliebenengelder

LG Tübingen v. 17.05.2019: Zur Höhe der Hinterbliebenengelder


Das Landgericht Tübingen (Urteil vom 17.05.2019 - 3 O 108/18) hat entschieden:

Festsetzung der Höhe der Hinterbliebenengelder nach einem tödlichen Verkehrsunfall:

Witwe: 12.000,00 €
jedes Kind: 7.500,00 €
Bruder: 5.000,00 €


Siehe auch
Hinterbliebenengeld
und
Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung


Tatbestand:


Die Kläger machen Hinterbliebenengeld und Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang geltend.

Am 30. Juli 2017 ereignete sich gegen 13 Uhr auf der B 470 zwischen N. und H. ein Verkehrsunfall, an dem der Beklagte Ziffer 2 als Führer eines PKW Volkswagen Passat, amtliches Kennzeichen NEA-​XXX sowie R. K. als Führer eines Motorrads Yamaha XH 1100, amtliches Kennzeichen RT-​XXX, beteiligt waren. R. K. fuhr auf der bevorrechtigten Bundesstraße 470 etwa 8 Meter vor seinem Bruder No., dem 1968 geborenen Kläger Ziff. 6, als der entgegen kommende Beklagte Ziff. 2 mit seinem Fahrzeug an der Einmündung R. nach links abbog und die Fahrlinie des R. K. kreuzte. Es kam zum Zusammenstoß beider Fahrzeuge. R. K. verstarb noch am Unfalltag.

Das Fahrzeug des Beklagten Ziff. 2 wird vom Beklagten Ziff. 3 gehalten und ist bei der Beklagten Ziff. 1 haftpflichtversichert.

Der Verstorbene, Jahrgang 1957, hinterlässt seine Ehefrau, die 1958 geborene Klägerin Ziff. 1, zwei volljährige Töchter, die Klägerinnen zwei und drei, sowie zwei ebenfalls volljährige Söhne, die Kläger vier und fünf. Am 21. August 2017 erteilte ihnen das Notariat M. einen gemeinschaftlichen Erbschein.

Die Klägerin Ziff. 1 begab sich, nachdem sie vom Tod ihres Ehemanns erfahren hatte, in ärztliche Behandlung bei Dr. G. in M. Diese stellte am 2. Oktober 2017 eine „Abnorme Trauerreaktion Gesichert, F43.2 G“ fest und stellte am 6. November 2017 ein Attest über eine „schwere Trauerreaktion“ aus (Anl. B 6 und B 7). Für dieses Attest zahlte die Klägerin Ziff. 1 am 9. November 2017 18,- Euro.




Der Beklagte Ziff. 2 wurde am 24. April 2018 vom Amtsgericht N. der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden. Das Gericht stellte ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten Ziff. 2 fest und verhängte gegen ihn mehrere Auflagen nach Jugendstrafrecht. Unter anderem sollte der Beklagte Ziff. 2 2.000,- Euro an die Klägerin Ziff. 1 „als Vorschuss auf ein noch zu vereinbarendes oder festzusetzendes Schmerzensgeld“ leisten.

Mit der Klage begehren die Kläger ein „Angehörigenschmerzensgeld“ sowie materiellen Schadensersatz.

Als materieller Schade machte die Klägerin Ziff. 1^für die Erbengemeinschaft den Fahrzeugschaden in Höhe von 3.979,34 Euro, Bestattungskosten von 6.666,70 Euro und Stillegungskosten von 50,- Euro geltend. Außerdem macht sie Arztkosten von 18,- Euro geltend. Weiter macht die Klägerin Unterhaltsansprüche geltend. In den letzten 17 Monaten verdiente der Verstorbene als gelernter Bäcker:

Januar 2016 2.009,- Euro    Februar 2016 1.656,- Euro   
März 2016 1.588,- Euro    April 2016 2.014,- Euro   
Mai 2016 2.189,- Euro    Juni 2016 2.427,- Euro   
Juli 2016 1.962,- Euro    August 2016 1.820,- Euro   
September 2016 2.014,- Euro    Oktober 2016 2.096,- Euro   
November 2016 2.557,- Euro    Dezember 2016 1.934,- Euro   
Januar 2017 1.715,- Euro    Februar 2017 1.642,- Euro   
März 2017 2.056,- Euro    April 2017 2.021,- Euro   
Mai 2017 2.311,- Euro    Juni 2017 2.253,- Euro   
Juli 2017 2.311,- Euro   


Die Klägerin Ziff. 1 bezieht rückwirkend ab 30. Juli 2017 eine „große Witwenrente“ in Höhe von 716,55 Euro abzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag, somit netto 638,80 Euro, von der Deutschen Rentenversicherung Bund.




Die Klägerin Ziff. 1 wandte sich an einen Rechtsanwalt, für den sie außergerichtlich 4.897,15 Euro aufwandte (1,5-​Geschäftsgebühr und Erhöhungsgebühr). Dieser machte mit Schreiben vom 15. August 2017 zunächst den Fahrzeugschaden gegenüber der Beklagten Ziff. 1 geltend. Am 30. August 2017 zahlte die Beklagte Ziff. 1 10.000,- Euro ohne Tilgungsbestimmung. Am 13. November 2017 bezifferte der Rechtsanwalt den weiteren Schaden und forderte die Beklagte Ziff. 1 auf, diesen bis 24. November 2017 zu begleichen. Die 10.000,- Euro verrechnete der Klägervertreter zunächst auf die materiellen Schadenspositionen. Am 30. Mai 2018 zahlte die Beklagte weitere 3.979,34 Euro und 6.716,70 Euro, zusammen 10.696,04 Euro. Als Tilgungsbestimmung gab sie „Fahrzeugschaden“ und „Beerdigungskosten“ an. Der Klägervertreter verrechnete dagegen die Beträge auf die Ansprüche der Kläger Ziff. 2 bis Ziff. 5. Im November 2018 zahlte die Beklagte Ziff. 1 weitere 1.236,11 Euro an die Klägerin Ziff. 1 ohne Tilgungsbestimmung.

Die Klägerin Ziff. 1 begehrt für sich ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 5.000,- Euro. Sie behauptet, seit dem Unfall an Depressionen zu leiden und deshalb nach wie vor in ärztlicher Behandlung bei Dr. G. in M. zu stehen. Die Arztkosten seien bei Dr. G. entstanden und für Krankschreibungen. Sie habe 36 Jahre mit dem Getöteten in häuslicher Gemeinschaft gelegt. Als gemeinsames Hobby seien sie gemeinsam Motorrad gefahren. Dieses Hobby habe sie nach der Geburt der vier gemeinsamen Kinder aufgegeben. Sie habe sich der Erziehung gewidmet, ihr Ehemann sei Alleinverdiener gewesen. Sie gehe lediglich einem Aushilfsjob nach. Sie und ihr Ehemann hätten ein gemeinsames Konto gehabt. Darauf habe sie zugegriffen. Ihr Mann habe ihr Geld gegeben, wenn sie welches gebraucht hätte. Es hätte keine fixen monatlichen Zahlungen gegeben. Nach dem Tod müsse sie nun alle Zahlungen des Getöteten übernehmen, insbesondere die Finanzierung des Eigenheims.

Die Kläger Ziff. 2 bis 6 begehren ein „Schmerzensgeld“ jeweils in Höhe von 2.500,- Euro. Der Kläger Ziff. 6 habe den Unfall hautnah miterlebt. Er habe etwa einmal die Woche Kontakt zum Bruder gehabt, über Telefon oder Kurznachrichten. Sie hätten mehrfach gemeinsame Motorradfahrten unternommen, nach Bayern oder auch einmal bis nach Ungarn. Insgesamt seien sie sieben Geschwister, der Getötete sei aber sein „Lieblingsbruder“ gewesen. Zu ihm hätte er am meisten Kontakt gehalten.

Bei den Klägern sei noch nicht abzusehen, ob weiterer gesundheitlicher Schaden eintrete.

Die Kläger Ziff. 1, 3 und 5 tragen vor, in gemeinsamem Hausstand zu leben. Die Kläger 3 und 5 befänden sich noch in Ausbildung.

Die Klägerin Ziff. 1 berechnet ihre Unterhaltsansprüche wie folgt:

Einkommen Klägerin Ziff. 1: 285,89 Euro
Abzüglich 5 % Aufwendungen -14,29 Euro
Relevantes Einkommen Klägerin 271,60 Euro
Einkommen Getöteter 2.030,- Euro
Bedarf des Klägers Ziff. 5 402,- Euro
Korrektur wegen Leistungsfähigkeit 376,- Euro.


Dieser Betrag sei wegen mangelnder Leistungsfähigkeit nicht vom Ehegattenunterhalt abzusetzen, so dass dieser wie folgt zu berechnen sei:

Einkommen Getöteter: 2.030,- Euro
Erwerbstätigenbonus des Getöteten -203,- Euro
Bereinigtes Einkommen des Getöteten 1.827 Euro
Voller Unterhalt Klägerin Ziff. 1 791,28 Euro
Altersvorsorgeunterhalt nach Bremer Tab 167,21 Euro


Da die Summe des Unterhalts und des Altersvorsorgeunterhalts den Selbstbehalt von 1.300,- Euro überstiege, entfiele der Unterhaltsanspruch des volljährigen Sohnes. Die Klägerin Ziff. 1 könne Unterhalt in Höhe von 831,- Euro monatlich verlangen, davon 168,- Euro Altersvorsorge.




Die Witwenrente sei nicht anzurechnen, da dem Schädiger hieraus kein Vorteil erwachsen dürfe.

Weiter könne die Klägerin Ziff. 1 die monatliche Belastung für Zins und Tilgung betreffend das gemeinschaftliche Grundeigentum in Höhe von 875,- Euro als Rente ersetzt verlangen. Hieran habe sich die Klägerin Ziff. 1 vor dem Tod mit ihrem geringen Einkommen nicht beteiligt. Die geschuldete Rente betrage daher 831 + 875 = 1.706,- Euro monatlich.

Die Klägerin könne außerdem Ersatz folgender Fixkosten verlangen:

Rundfunkbeitrag 17,50 Euro    Eigenheimversicherungen 47,50 Euro   
Tierkrankenvers. 9,70 Euro    Grundsteuer 40,75 Euro   
Telefonfixkosten 34,95 Euro    Verbraucherkredit 183,71 Euro   
Kaminkehrer 76,35 Euro    Fernsehzeitschrift 3,- Euro   
Abfallgebühren 13,90 Euro    ADAC-Schutzbrief 6,45 Euro   
Hundesteuer 8,- Euro    Brennstoff Gas 57,64 Euro   
Wasserverbrauch 10,- Euro    Abwassergebühren 10,- Euro   
Familienunfallvers. 4,70 Euro    Hundehalterhaftpfl. 17,- Euro   
Pauschale 100,- Euro   


Die Kosten für Wasser und Abwasser seien geschätzt. Beim Verbraucherkredit sei kein Gegenwert vorhanden. Es ergebe sich eine Gesamtsumme von 641,15 Euro, die die Klägerin Ziff. 1 zur Hälfte (320,58 Euro) von den Beklagten ersetzt verlangen könne. Hinzu kämen eheliche Zuwendungen in Höhe von 50,- Euro monatlich, zusammen 370,58 Euro monatlich.

Die Vorauszahlung von 10.000,- Euro rechne die Klägerin auf den materiellen Schaden an, so dass hier noch 714,04 Euro offen stünden. Zur Geltendmachung des materiellen Schadens hätten die Kläger Ziff. 2 bis 5 die Klägerin Ziff. 1 legitimiert.

Die Klägerin beantragt:

  1.  Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an jeden Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30. August 2017 zu zahlen.

  2.  Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin Ziff. 1 714,04 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Mai 2018 zu zahlen.

  3.  Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin Ziff.1 ab dem 1. Mai 2018 eine monatlich im voraus zum jeweils Monatsersten fällige Unterhaltsrente in Höhe von 1.706,- Euro zu zahlen.

  4.  Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin Ziff. 1 ab dem 1. Mai 2018 eine monatlich im voraus zum jeweils Monatsersten fällige Zahlung auf fixe Lebensunterhaltskosten in Höhe von 370,58 Euro zu zahlen

  5.  Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin Ziff. 1 rückständigen Unterhalt in Höhe von 15.354,- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 1.706,- Euro seit

1. August 2017
1. September 2017
1. Oktober 2017
1. November 2017
1. Oktober 2017
1. November 2017
1. Dezember 2017
1. Januar 2018
1. Februar 2018
1. März 2018 und
1. April 2018 zu zahlen.

 6.  Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin Ziff. 1 rückständigen Unterhalt auf Fixkosten in Höhe von 3.335,22 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus je 370,58 Euro seit

1. August 2017
1. September 2017
1. Oktober 2017
1. November 2017
1. Oktober 2017
1. November 2017
1. Dezember 2017
1. Januar 2018
1. Februar 2018
1. März 2018 und
1. April 2018 zu zahlen.

 7.  Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner den Klägern sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden aus dem Schadensereignis vom 30. Juli 2017 zu zahlen.

 8.  Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 4.897,15 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 30. August 2017 zu zahlen, hilfsweise die Klägerin Ziff. 1 von diesen Kosten freizustellen.

Am 13. Juni 2018 erklärte die Klägerin den Rechtsstreit in Höhe von 10.696,04 Euro für erledigt.

Die Beklagten schlossen sich der Erledigterklärung an und beantragen,

   die Klage abzuweisen.

Sie meinen insbesondere, die Klägerin könne keinen Rentenanspruch von insgesamt 2.452,58 Euro verlangen, wenn der Verstorbene nur 2.030,- Euro verdient habe.

Die Klägerin Ziff. 1 habe ihre Krankheitssymptome nicht hinreichend beschrieben. Sie könne daher nur auf ein Angehörigengeld verwiesen werden. Dasselbe gelte für die weiteren Kläger, die kein „vorläufiges Schmerzensgeld“ beanspruchen könnten. Beim Kläger Ziff. 6 fehle es an einem besonderen Näheverhältnis zum Getöteten.

Bei den Unterhaltsansprüchen sei nicht deutlich genug vorgetragen, ob und inwieweit die Kläger Sozialleistungen oder andere Einkommen erzielten. Zumindest erhielten die Klägerin eine Witwenrente und der Beklagte Ziff. 5 eine Waisenrente. Insoweit bestehende Ansprüche seien auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übergegangen.

Die Fixkosten seien zunächst vom Nettoeinkommen abzusetzen und dann dem Anteil der Hinterbliebenen wieder zuzuschlagen. Tierkrankenversicherung, Telefon über die Grundgebühr hinaus, die Kosten für den ADAC-Schutzbrief, Hundesteuer, Hundehalterhaftpflichtversicherung, Familienunfallversicherung und Kreditkosten seien nicht berücksichtigungsfähig, ebenso könne keine Pauschale zusätzlich begehrt werden.

Das notwendige Feststellungsinteresse sei nicht dargelegt. Ein Anspruch auf Erstattung der Gebühren des Rechtsanwalts sei auf die Rechtsschutzversicherung übergegangen.

Das Gericht hat am 28. September 2018 und am 15. Februar 2019 verhandelt und dabei die Kläger Ziff. 1 und 6 persönlich angehört. Das Gericht hat die Strafakte ... des Landgerichts N. beigezogen.


Entscheidungsgründe:


A.

1.) Die Klage ist vor dem Landgericht Tübingen zulässig, weil sich die Beklagten rügelos am Wohnort der Verletzten auf die Klage eingelassen haben, § 39 ZPO. Das Gericht hatte zuvor auf die Unzuständigkeit hingewiesen.

Sachlich ist das Landgericht nach §§ 23, 71 GVG zuständig.

2.) Der Feststellungsantrag ist zulässig.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. BGH, Urteile vom 20. März 2001 - VI ZR 325/99 - VersR 2001, 876; vom 16. Januar 2001 - VI ZR 381/99 - VersR 2001, 874, 875; Beschluss vom 09. Januar 2007 – VI ZR 133/06 –, VersR 2007, 708).

Die Kläger Ziff. 1 und 6 haben jedenfalls in Grundzügen einen möglichen Gesundheitsschaden dargelegt. Die Klägerin Ziff. 1 musste sich in ärztliche Behandlung ergeben, nachdem sie von dem Tod ihres Ehemanns erfuhr. Im Attest vom 6. November 2017 ist eine „schwere Trauerreaktion“ diagnostiziert. Die Klägerin gibt weiter an, dass sie noch in Behandlung sei. Der Kläger Ziff. 6 erlebte den Unfall seines Bruders hautnah mit. Das Erleben dieses Ereignisses ist zumindest geeignet, einen Schockschaden oder andere psychische Reaktionen hervorzurufen. Deshalb reicht dem Gericht der Vortrag der Kläger 1 und 6 aus, um ein Feststellungsinteresse zu erkennen.


B.

Die Klage ist nur zu einem Teil begründet.

I.

Die Kläger können jeweils ein Hinterbliebenengeld verlangen. Nach §§ 10 Abs. 3 StVG, 844 Abs. 3 BGB hat ein Ersatzpflichtiger im Falle der Tötung im Straßenverkehr einem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.

1.) Die Kläger können Ansprüche nach § 18 StVG gegen den Beklagten Ziff. 2 als Fahrzeugführer, nach § 7 StVG gegen den Beklagten Ziff. 3 als Fahrzeughalter und nach §§ 7 StVG, 1 PflVersG, 115 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG gegen die Beklagte Ziff. 1 als Haftpflichtversicherungsunternehmen geltend machen. Die Beklagten Ziff. 1 bis 3 haften als Gesamtschuldner, §§ 115 Abs. 1 Satz 4 VVG, 426 Abs. 1 BGB.

Gleichgerichtete Ansprüche bestehen gegen die Beklagten Ziff. 1 und 2 auch aus § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 222 StGB. Dies steht für das Gericht durch das Strafurteil des Amtsgerichts N. vom 24. April 2018 fest. Danach hat der Beklagte Ziff. 2 den verstorbenen Vorfahrtberechtigten übersehen und erfasste ihn mit seinem Fahrzeug. Dies hatte für den Beklagten Ziff. 2 vorhersehbar und vermeidbar zur Folge, das der Motorradfahrer verletzt wurde und an den Folgen seiner Verletzungen verstarb. Aufgrund der Vorfahrtsverletzung ist dem Beklagten Ziff. 2 eine fahrlässige und damit schuldhafte Verletzung des Lebens eines Anderen vorzuwerfen.

2.) Die Klägerin Ziff. 1 kann ein Hinterbliebenengeld von 12.000,- Euro verlangen.

a) Die Klägerin Ziff. 1 ist als Ehefrau des Getöteten Hinterbliebene. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird gesetzlich vermutet, §§ 844 Abs. 3 Satz 2 BGB, 10 Abs. 3 Satz 2 StVG. Die Beklagte hat die Vermutung nicht widerlegt.

b) Der Anspruch auf Hinterbliebenengeld besteht nur, wenn der Hinterbliebene keinen eigenen Schmerzensgeldanspruch hat. Der Gesetzgeber ist offensichtlich davon ausgegangen, dass der Schmerzensgeldanspruch nach §§ 823, 253 Abs. 2 BGB den Schaden für das zugefügte Leid mit umfasst und diesen konsumiert (vgl. BT-​Drs. 18/11397, S. 12; Wagner NJW 2017, 2641, 2645). Das Gericht kann, wenn der Hinterbliebene als Geschädigter einen Schmerzensgeldanspruch hat, das durch die Tötung hervorgerufene seelische Leid bei der Bemessung des Schmerzensgeldanspruchs berücksichtigen.

Die Klägerin hat allerdings einen Schockschaden nicht nachgewiesen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können psychische Beeinträchtigungen wie Trauer und Schmerz beim Tod oder bei schweren Verletzungen naher Angehöriger, mögen sie auch für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant sein, nur dann als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung von dem Unfall eines nahen Angehörigen oder dem Miterleben eines solchen Unfalls erfahrungsgemäß ausgesetzt sind (vgl. BGH, Urteile vom 13. Januar 1976 - VI ZR 58/74, VersR 1976, 539, 540; vom 31. Januar 1984 - VI ZR 56/82, VersR 1984, 439; vom 4. April 1989 - VI ZR 97/88, VersR 1989, 853, 854; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 55/06, VersR 2007, 803 Rn. 6, 10; vom 20. März 2012 - VI ZR 114/11, VersR 2012, 634 Rn. 8; vom 27. Januar 2015 - VI ZR 548/12, VersR 2015, 501; vom 10. Februar 2015 – VI ZR 8/14 –, Rn. 9, NJW 2015, 2246). Diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des Hinterbliebenengelds trotz der teilweise geäußerten Kritik (etwa Staudinger/Schiemann (2017) BGB § 249, Rn 46) nicht ändern. Vielmehr schließt sich der Anspruch an die Rechtsprechung zum Schockschaden an, was das Gericht als Zeichen deutet, dass das Hinterbliebenengeld die Rechtsprechung zum Schockschaden ergänzen, aber nicht ersetzen soll (Burmann/Jahnke NZV 2017, 401, 407).

Die Klägerin hat durch ärztliches Attest eine abnorme Trauerreaktion nachgewiesen (Anl. K 17). Dies reicht nicht aus, um einen Schockschaden nachzuweisen.

Dabei berücksichtigt das Gericht zunächst, dass die Klägerin Ziff. 1 nach eigenen Angaben immer noch in ärztlicher Behandlung ist, um die Folgen des Todes des Ehemanns aufzuarbeiten. Dabei kann das Gericht den Angaben der Kläger in der mündlichen Verhandlung folgen. Die Klägerin Ziff. 1 hinterließ einen glaubhaften Eindruck, beantwortete alle Fragen ohne Ausweichungen und brachte persönliche Erlebnisse in ihre Aussage ein.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin Ziff. 1 den Unfalltod nicht hautnah miterlebt. Sie hat durch die Polizei und Seelsorger von dem Unfall erfahren. Diesem Umstand ist grundsätzlich Bedeutung beizumessen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2015 - VI ZR 548/12, VersR 2015, 501).

Im Attest sind innere Unruhe und Atemnot festgestellt. Die Klägerin Ziff. 1 gab aber in der mündlichen Verhandlung an, schon vor dem Unfall unter Herzrhythmusstörungen gelitten zu haben. Es könne sein, dass diese sich durch die Nachricht vom Unfalltod verstärkt hätten.

Die Klägerin Ziff. 1 gab weiter an, dass sie nach dem Unfall nach einer kurzen Pause wieder ihrer geringfügigen Tätigkeit nachgeht. Vor allem führte sie aus, dass sich ihr Freizeitverhalten nicht geändert habe. Sie betreibe nach wie vor viel Sport.

Nach diesen Angaben kann das Gericht bei der Klägerin Ziff. 1 keine Beeinträchtigungen feststellen, die über eine typische, zu erwartende Reaktion eines Menschen hinausgehen, der mit dem plötzlichen und unerwarteten Unfalltod eines nahen Angehörigen konfrontiert wird. Das Gericht kann deshalb keinen eigenen Gesundheitsschaden bei der Klägerin Ziff. 1 feststellen.

c) Damit steht der Klägerin ein Hinterbliebenengeld nach §§ 844 Abs. 3 BGB, 10 Abs. 3 StVG zu.

Das Gericht bemisst dieses Hinterbliebenengeld für die Ehefrau des Getöteten mit 12.000,- Euro.

α) Das Gesetz selbst billigt dem Hinterbliebenen eine „angemessene“ Entschädigung zu. Das bedeutet, dass das Gericht das Hinterbliebenengeld nach eigenem Ermessen, das es unter Billigkeitsgesichtspunkten ausübt, festsetzt.

Konkrete Vorgaben enthält die Gesetzesbegründung nicht. Nur in der Kostenabschätzung lässt der Gesetzgeber erkennen, dass er mit 240.000.000,- Euro bei 24.000 Haftungsfällen ausgeht oder von 10.000 Euro je Getötetem (BT-​Drucks. 18/11397, S. 11). Dabei nimmt der Gesetzgeber die Rechtsprechung zu Schockschäden als „Anker“. Nach der Gesetzesbegründung bemessen die Gerichte den pathologisch nachgewiesenen Schockschaden mit 10.000,- Euro, so dass das Hinterbliebenengeld für das nicht pathologisch festgestellte Leid wohl mit einem geringeren Betrag bemessen werden soll (so jedenfalls Burmann/Jahnke NZV 2017, 401, 410). Tatsächlich hat zuletzt etwa das Oberlandesgericht Koblenz einen Schockschaden mit 10.000,- Euro bemessen (Beschluss vom 25. September 2017 - 5 U 427/17 - GesR 2017, 784). Es gibt aber auch aktuelle Entscheidungen, in denen das Schmerzensgeld auf 100.000,- Euro bemessen wurde (OLG Frankfurt, Urteil vom 6. September 2017 - 6 U 216/16 - VersR 2018, 560).

β) Wagner vertritt, dass mit der Einführung des Hinterbliebenengeldes insgesamt psychische Beeinträchtigungen als Verletzung immaterieller Rechtsgüter (der Seele, der Psyche) rechtlich aufgewertet werden sollen, was sich auch auf die Entschädigungen auswirken soll. Deswegen sieht er bei nächsten Angehörigen 10.000,- Euro als Untergrenze an (NJW 2017, 2641, 2645).

Nugel orientiert sich stärker an der Schockschadensrechtsprechung und meint, das Hinterbliebenengeld müsse darunter liegen. Er schlägt eine Bandbreite von 3.000 bis 5.000,- Euro für Regelfälle und in Ausnahmen bis zu 10.000,- Euro vor (ZfSch 2018, 72, 77).

Müller betont das Risiko einer Kommerzialisierung persönlicher Schicksalsschläge und meint, dass moderate Beträge in einer Grössenordnung von 10.000,- Euro angemessen seien (VersR 2017, 321, 325).

Burmann/Jahnke geben keine Größenordnung vor. Sie verweisen auf die Funktion des Anspruchs und sehen im Vordergrund die Betroffenheit der Hinterbliebenen, für die entsprechend der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes ein Ausgleich angestrebt werden müsse (NZV 2017, 401, 410).

Huber zieht Parallelen zur Bemessung des Schmerzensgeldes. Er meint, der Verlust der engsten Bezugsperson und die damit verbundene Trauer sei in etwa so zu taxieren wie ein folgenlos verheilender Beinbruch und schlägt eine Bandbreite von 10.000 bis 20.000,- Euro vor (Huber/Kadner Graziano/Luckey, Hinterbliebenengeld, Baden-​Baden 2018, Teil 1 § 1 Rn 112).

γ) Der Gesetzgeber beruft sich für die Einführung des Hinterbliebenengeldes auch auf eine Entscheidung des EGMR, wonach Hinterbliebenen für einen Todesfall infolge staatlicher Verantwortung ein entsprechendes Hinterbliebenengeld zuzusprechen sei (BT-​Drucks. 18/11397, S. 8). Auch in anderen europäischen Staaten ist ein Hinterbliebenengeld nicht unbekannt. Im vereinigten Königreich ist der Betrag gesetzlich auf 12.980 Pfund für alle Angehörigen festgeschrieben (Wagner a. a. O., S. 2645). In Österreich hat Huber Beträge in einer Größenordnung von 4.500,- bis 35.000 Euro aus Entscheidungen des OGH zwischen 2001 und 2016, indiziert von 5.700,- bis 42.000,- Euro (a. a. O., Teil 2 Länderbericht Österreich, Tabelle Rn 45) ermittelt, falls der Angehörige den Tod durch Nachricht erhalten hat. Hat der Angehörige den Tod persönlich miterlebt, liegen die Beträge zwischen 10.000,- und 37.000,- Euro (indiziert: 10.200 bis 42.900 Euro, Huber a. a. O. Rn 46). Bei der Entscheidung des OGH vom 30. Oktober 2003 (2 Ob 186/03x) liegt der zuerkannte Betrag zwar noch höher, hier hat der Kläger aber sowohl Frau als auch zwei Kinder verloren. Ansonsten erklären sich die Schwankungen jeweils mit den besonderen Umständen des Einzelfalls. In der Schweiz bewegen sich die Entschädigungssummen vielfach in einem Bereich zwischen 20.000 und 40.000 sFr (BG, Urteil vom 1. April 2009 - 1 C 284/2008; Urteil vom 12. November 2008 - 4 A 423/2008; BVG, Urteil vom 17. Februar 2010 - A-​862/07 - BVGE 2011/55, 1116 - Flugzeugabsturz). In Italien sieht die Mailänder Tabelle für Ehegatten und Kinder Beträge zwischen 165.960 und 331.920,- Euro, für Geschwister zwischen 24.020,- und 144.130,- Euro vor (https://www.altalex.com /~ /media /Alta lex /allezeit /2018 /allezeit%20free /Tabelle%20milanesi%20danno%20non%20patrimoniale%202018.pdf).

δ) Das Gericht entnimmt aus diesen wissenschaftlichen Ausarbeitungen des Problems den Hinweis, dass jedenfalls ein Betrag von 10.000,- Euro eine Richtschnur für die Bemessung des Hinterbliebenengeldes ist. Rechts vergleichend fällt der Betrag eher noch niedrig aus. Dabei fallen allerdings die in Italien zuerkannten Beträge sehr hoch aus, während in den weiteren, in die Untersuchung von Huber einbezogenen Rechtsordnungen fünfstellige Beträge die Regel darstellen. Bei der vergleichenden Betrachtung ist allerdings immer auch das sozial staatliche Fürsorge system zu sehen. Auch enthält die Abgrenzung zwischen materiellem und immateriellem Schaden Wertungen, so dass die Erkenntnisse aus der Rechtsvergleichung auch nur ein Anhaltspunkt sein können.

Bezogen auf das deutsche Recht geht das Gericht zunächst von § 253 BGB aus, wonach immaterielle Schäden nur im Ausnahmefall mit Geld aufzuwiegen sind. Ein weit über 10.000,- Euro hinausreichender Betrag würde der Rechtsprechung zu den „Schockschäden“ widersprechen und das gewachsene Gefüge der Schmerzensgeldzuerkennung strapazieren. Es kann nicht sein, dass Schockschäden als unmittelbare Beeinträchtigung einen geringeren Ersatzanspruch auslösen als die hier zu erörternde Reflexbeeinträchtigung. Auf der anderen Seite sind die Beeinträchtigungen durchaus anerkannt und vom Gesetzgeber ein Ersatzbedürfnis gesehen worden.

ε) Bei der Bemessung geht das Gericht weiter davon aus, dass es sich um einen Anspruch wegen einer immateriellen Einbuße handelt. Es bestehen deutliche Parallelen zum Schmerzensgeld in § 253 Abs. 2 BGB. Hinsichtlich des Schmerzensgeldes hat der Bundesgerichtshof dem Anspruch eine doppelte Funktion zuerkannt - eine Ausgleichs- und eine Genugtuungsfunktion (BGHZ 18, 145). Diese Funktionen werden auch in der wissenschaftlichen Doktrin erörtert (Huber/ Kadner Graziano/Luckey a. a. O., Teil 1 § 1, Rn 32). Dem erkennenden Gericht erscheint es auch sachgerecht, diese beiden Funktionen (sowie im Einzelfall auch weitere Funktionen wie den Präventionsgedanken) bei der Bemessung zu berücksichtigen. Wie das Schmerzensgeld ist auch das Hinterbliebenengeld auf eine „billige“ oder, im modernen Sprachgebrauch, „angemessene“ Entschädigung gerichtet. Dieser Begriff eröffnet dem Gericht jedoch eine Wertungsmöglichkeit. Darin ist der Auftrag enthalten, alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Hätte der Gesetzgeber eine gleichförmige Entschädigung gewollt, wäre es ihm unbenommen gewesen, einen konkreten Betrag festzusetzen, wie es in anderen Rechtsordnungen teilweise geschehen ist. Indem der Gesetzgeber dem Gericht aber die Bemessung nach Billigkeit anvertraut, erscheint es konsequent, die hierzu ergangenen Entscheidungen zum Schmerzensgeld analog auf das Hinterbliebenengeld anzuwenden. Dabei mag die Genugtuungsfunktion bei einer verschuldensunabhängigen Haftung oder leichter Fahrlässigkeit in den Hintergrund treten. Das heißt aber nicht, dass diese Funktion nicht in anderen Fällen in die Bemessung des Hinterbliebenengelds einfließen kann.

ζ) Im konkreten Fall nun ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin Ziff. 1 über dreißig Jahre mit dem Verstorbenen verheiratet war. Die gemeinsamen Kinder sind seit 1989 geboren. Weiter ergibt sich aus den Einkommensverhältnissen, dass die Klägerin Ziff. 1 mit dem Verstorbenen in einer Ehe lebte, in der der Verstorbene den Großteil des Haushaltseinkommens erwirtschaftete, während die Klägerin Ziff. 1 überwiegend für den Haushalt zuständig war. Zuletzt vor dem Tod ihres Ehemanns ging sie einer geringfügigen Tätigkeit nach. Die Klägerin Ziff. 1 und ihr Ehemann leben in einem Eigenheim. Aus diesen Daten ergibt sich für das Gericht das Bild einer langjährigen Ehe mit geregelter Aufgabenteilung. Hieraus entspringt gegenseitiges Vertrauen und wohl auch eine finanzielle Abhängigkeit. Infolge dessen erleidet die Klägerin Ziff. 1 durch den Tod ihres Mannes durchaus eine substantielle Einbuße. Sie verliert ihren langjährigen Lebensgefährten. All dies wirkt sich eher erhöhend aus.

Weiter berücksichtigt das Gericht, dass die Klägerin Zif. 1 den Tod nicht miterlebt hat, sondern ihr die Nachricht überbracht wurde. Das gemeinsame Hobby Motorradfahren haben die Ehegatten allerdings schon seit der Geburt der Kinder nicht oder kam mehr ausgeübt. Als gemeinsame familiäre Aktionen konnte die Klägerin Ziff. 1 Urlaub an der Nordsee angeben. Diese Faktoren wirken sich eher mindernd auf die Ersatzsumme aus.

Beim Beklagten Ziff. 2 berücksichtigt das Gericht erhöhend, dass ihm im Strafurteil grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird. Er hat sich aber einsichtig gezeigt und war zuvor verkehrsrechtlich und strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten, was zu seinen Gunsten schlägt. Er war zur Tatzeit in der Ausbildung zum Metzger, seine Biografie war durch ADS gekennzeichnet. Ihm ist zur Auflage gemacht worden, an die Klägerin Ziff. 1 einen Betrag von 2.000,- Euro zu zahlen, um damit in die Wiedergutmachung einzutreten. Auch dies wirkt sich eher zu seinen Gunsten aus.


Bei der Gesamtabwägung fallen allerdings die Faktoren bei der Klägerin Ziff. 1 als Geschädigte stärker ins Gewicht als die Faktoren beim Beklagten Ziff. 2.

Die Einbußen bei der Klägerin Ziff. 1 und die persönlichen Verhältnisse des Beklagten Ziff. 2 rechtfertigen ein Hinterbliebenengeld von 12.000,- Euro. Die Geldauflage hat das Gericht dabei als einen das Hinterbliebenengeld nach unten beeinflussenden Faktor berücksichtigt.

Dieser Betrag wird nach der vorangegangenen Analyse den Vorstellungen des Gesetzgebers gerecht, liegt international im unteren, aber noch vertretbaren Bereich und fügt sich in die Rechtsprechung zum Schockschaden ein.

η) Das Gericht setzt sich damit nicht in Widerspruch zu § 308 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht nicht mehr zusprechen darf als beantragt wurde. Der Antrag ist auf ein „angemessenes“ Schmerzensgeld gerichtet und damit unbeziffert. Der Klägervertreter hat lediglich eine Größenordnung (5.000,- Euro) genannt, die das Gericht - auch erheblich - überschreiten kann (BGH, Urteil vom 15. Mai 2007 - VI ZR 150/06 - NJW 2007, 2475). Insofern bestehen zwischen dem Hinterbliebenengeld und dem Schmerzensgeld keine Unterschiede, da auch das Hinterbliebenengeld eine immaterielle Einbuße ersetzt (vgl. Luckey, Huber/Kadner Graziano/Luckey a. a. O., Teil 1 § 2 Rn 16).

3.) Für die Kinder, die Kläger Ziffer 2 bis 5, ist nach diesen Maßstäben ein Hinterbliebenengeld von jeweils 7.500,- Euro angemessen.

a) Auch hinsichtlich der Kinder wird gemäß §§ 844 Abs. 3 Satz 2 BGB, 10 Abs. 3 Satz 2 StVG vermutet, dass ein besonderes persönliches Näheverhältnis zwischen ihnen und dem Getöteten bestand. Dieses haben die Beklagten nicht widerlegt. Auch haben sich aus der mündlichen Verhandlung keine anderen Anhaltspunkte ergeben.

b) Weitere Verletzungen, die ein Schmerzensgeld rechtfertigen würden, werden nicht behauptet, Anhaltspunkte hierfür haben sich in der Gerichtsverhandlung nicht ergeben.

c) Das Gericht bemisst das Hinterbliebenengeld für alle Kinder einheitlich mit jeweils 7.500,- Euro.

Das Gericht hat erwogen, ob das Hinterbliebenengeld für Kinder in derselben Höhe ausfällt wie für die Ehefrau, höher oder niedriger.

α) In die Erwägung fließt ein, dass die Kinder, da jünger, nicht genauso lange mit dem Getöteten zusammengelebt haben wie der Ehegatte. Außerdem sind die Kinder sämtlich über 20 Jahre alt. Die Zeit, in der die Kinder auf die Fürsorge des Vaters angewiesen waren und mit ihm üblicherweise in einem gemeinsamen Haushalt leben, sind vorbei. Tatsächlich lebten auch die Kläger Ziff. 2 und 4 auch schon vor dem Tod in eigenem Haushalt. Aus diesen Umständen kommt das Gericht zur Auffassung, das Hinterbliebenengeld für die volljährigen Kinder niedriger zu bewerten als für die Ehefrau.

β) Das Gericht hat weiter erwogen, zwischen den Kindern zu differieren. Hierbei könnte ihr Lebensalter berücksichtigt werden. Insbesondere hat das Gericht auch erwogen, den Klägern Ziff. 3 und 5 ein gegenüber den Klägern Ziff. 2 und 4 erhöhtes Hinterbliebenengeld zuzusprechen, weil diese noch mit dem Verstorbenen im gemeinsamen Haushalt wohnten. Das Gericht konnte jedoch nicht feststellen, dass diese Entscheidung auf einem besonderen Näheverhältnis gerade dieser beiden Geschwister zum Getöteten beruht. Vielmehr hat die Klägerin Ziff. 3 in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, sie sei arbeitssuchend und ihr Bruder, der Kläger Ziff. 5, Student. Die anderen Geschwister seien berufstätig. Damit kann die Entscheidung der Kläger Ziff. 3 und 5, noch im elterlichen Haushalt zu wohnen, auch finanziell bedingt sein.

Auf der anderen Seite wäre es zur Überzeugung des Gerichts den Klägern Ziff. 2 und 4 kaum zu vermitteln, dass sie allein aufgrund der Tatsache, aus dem elterlichen Haushalt ausgezogen zu sein, ein niedrigeres Hinterbliebenengeld zugesprochen bekommen als die (noch) im elterlichen Haushalt lebenden Geschwister. Vielmehr sind die Geschwister in etwa dreijährigem Abstand geboren (der Kläger Ziff. 5 als jüngstes Geschwister nur ein Jahr nach seinem Bruder) und sind dementsprechend über weitgehend denselben Zeitraum bei ihren Eltern aufgezogen worden. Alle Kinder sind mittlerweile volljährig, so dass sie nach der allgemeinen Lebenserfahrung in eine Phase eingetreten sind, die durch die allmähliche Lösung vom Elternhaus gekennzeichnet ist. Es haben sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass ein Kind aus einem besonderen Grund ein besonderes persönliches Verhältnis zum Verstorbenen entwickelt hat, das es rechtfertigen würde, ihm gegenüber ein höheres Hinterbliebenengeld zuzusprechen als den anderen Geschwistern. Vielmehr hält es das Gericht auch wegen des familiären Zusammenhalts geboten, die vier Geschwister gleich zu behandeln.

γ) Bei Abwägung dieser Faktoren spricht das Gericht ein Hinterbliebenengeld zu, das niedriger ausfällt als bei der Klägerin Ziff. 1 und dennoch den weiteren rechtlichen Rahmen, wie zuvor dargestellt, wahrt.

4.) Der Kläger Ziff. 6 kann ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 5.000,- Euro beanspruchen.

a) Der Kläger Ziff. 6 war zwar unmittelbar am Unfall beteiligt, hat aber zu einem Schockschaden nicht hinreichend vorgetragen. Es gibt weder ärztliche Atteste noch macht der Kläger Ziff. 6 persönliche Einschränkungen seit dem Unfalltod des Bruders geltend. Der Anwendungsbereich für ein Hinterbliebenengeld ist daher eröffnet.

b) Der Kläger Ziff. 6 ist Bruder des Getöteten. Es streitet keine gesetzliche Vermutung für ein besonderes persönliches Näheverhältnis.

Der Gesetzgeber beschreibt das Näheverhältnis mit einer Intensität einer Beziehung, wie sie in den in Satz 2 aufgeführten Fällen typischerweise besteht (BT-​Drucks. 18/11397, S. 13). Ein solches Näheverhältnis soll im Regelfall dadurch gekennzeichnet sein, dass die Beteiligten sich kennen, gegenseitig vertrauen und wertschätzen (Nugel ZfSch 2018, 72, 73).

Das Gericht sieht, dass der Gesetzgeber bewusst eine enge Grenze gezogen hat, um eine uferlose Ausdehnung des Hinterbliebenengeldes zu verhindern. Deshalb verlangt Wagner (a. A. O., S. 2644), dass das Näheverhältnis über die Tiefe und Intensität freundschaftlicher Beziehungen in der Sozialsphäre hinausreichen muss.

Der Kläger Ziff. 6 wohnt im Landkreis C. und lebt räumlich von der übrigen Familie des Getöteten im Raum M. entfernt.

Der Kläger Ziff. 6 hielt aber zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung Kontakt zu seinem Bruder. Er war mit dem Getöteten gemeinsam unterwegs und musste den Tod seines Bruders an der Unfallstelle miterleben.

Gegenüber der Polizei hat der Kläger Ziff. 6 angegeben, mit seinem Bruder eine Jubiläumsveranstaltung eines Motorradclubs besucht zu haben. In der mündlichen Verhandlung erklärte er, regelmäßig mit seinem Bruder Motorradausflüge, auch bis nach Ungarn, gemacht zu haben. Angesichts des Unfallgeschehens kann das Gericht dieser Behauptung auch inhaltlich folgen. Der Kläger Ziff. 6 gab weiter an, wöchentlich in Kontakt mit dem Verstorbenen gestanden zu haben und ihn regelmäßig auf Familienfeiern gesehen zu haben. Insgesamt seien sie sieben Geschwister gewesen, der Verstorbene aber der „Lieblingsbruder“.

Das Gericht kann insoweit auch den Angaben des Klägers Ziff. 6 folgen. Sie waren erlebnisgetragen und authentisch.

Damit ist das Gericht davon überzeugt, dass zwischen dem Kläger Ziff. 6 und dem Getöteten ebenfalls ein Verhältnis bestand, das über ein bloßes Freundschaftsverhältnis hinausreicht und durch die gemeinsame Abstammung und gemeinsame Unternehmungen (und seien es auch „nur“ Ausflüge mit dem Motorrad) gekennzeichnet ist.

Geschwister des Verstorbenen werden ausdrücklich in der Gesetzesbegründung als mögliche Anspruchsberechtigte benannt. Damit geht das Gericht von einem anspruchsbegründenden Näheverhältnis aus.

c) Bei der Bemessung des Hinterbliebenengeldes für den Kläger Ziff. 6 berücksichtigt das Gericht, dass sein Verhältnis zum Getöteten auf einer niedrigern Stufe steht als der Kläger Ziff. 1 bis 5. Dies ergibt sich schon aus der räumlichen Entfernung der Lebensmittelpunkte. Während die Kläger Ziff. 1 bis 5 mit dem Getöteten in einem Haushalt zusammen lebten oder doch in räumlicher Nähe, ist dies beim Kläger Ziff. 6 nicht der Fall. Deshalb setzt das Gericht den Betrag beim Kläger Ziff. 6 niedriger an. Erhöhend wirkt sich beim Kläger Ziff. 6 aus, dass er den Tod des Bruders unmittelbar miterlebt hat und direkt hinter ihm auf dem Motorrad unterwegs war. Dies rechtfertigt das zuerkannte Hinterbliebenengeld.

II.

1.) Die Klägerin Ziff. 1 kann namens der Erbengemeinschaft Zahlung des materiellen Schadens nach § 18 StVG und § 823 Abs. 1 BGB vom Beklagten Ziff. 2, nach § 7 StVG vom Beklagten Ziff. 3 und nach §§ 7 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 1 PflVersG, 115 Abs. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG von der Beklagten Ziff. 1 Schadensersatz verlangen. Die Beklagten Ziff. 1 bis 3 haften als Gesamtschuldner, §§ 115 Abs. 1 Satz 4 VVG, 426 Abs. 1 BGB.

2.) Die Klägerin Ziff. 1 hat unbestritten vorgetragen, zur Geltendmachung der Ansprüche der Erbengemeinschaft legitimiert zu sein.

Der Erblasser wurde beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs getötet. Damit liegt ein Haftungsgrund nach den genannten Vorschriften vor. Die Beklagten haften voll. Mitverschulden ist nicht eingewendet.

3.) a) Der Fahrzeugschaden ist in Höhe von 3.979,34 Euro unstrittig. Dasselbe gilt für die Stillegungskosten in Höhe von 50,- Euro.

Die Klägerin Ziff. 1 kann gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 StVG auch die Beerdigungskosten verlangen. Diese sind mit 6.666,70 Euro ebenfalls unstrittig.

b) Die Klägerin Ziff. 1 kann nicht die Kosten für das ärztliche Attest verlangen.

Es handelt sich hierbei um einen eigenen Schaden der Klägerin Ziff. 1. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass die Klägerin Ziff. 1 diesen Schaden gerade als unmittelbare Folge des Unfallgeschehens erlitten hat. Ein Schockschaden liegt gerade nicht vor.

Damit kann die Klägerin Ziff. 1 die Kosten für das Attest nicht ersetzt verlangen.

c) Insgesamt steht der Klägerin Ziff. 1 ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden in Höhe von 10.696,04 Euro zu, den die Beklagte Ziff. 1 bereits reguliert hat.
III.

Die Klägerin Ziff. 1 kann eine Rente nach § 10 Abs. 2 StVG verlangen. Nach dieser Vorschrift kann die Klägerin Ziff. 1 Schadensersatz verlangen, wenn der Getötete zur Zeit der Verletzung zur Klägerin Ziff. 1 in einem Verhältnis stand, vermöge dessen der Getötete der Klägerin Ziff. 1 gegenüber unterhaltspflichtig war und der Klägerin Ziff. 1. infolge der Tötung das Recht auf Unterhalt entzogen ist.

1.) Ehegatten untereinander sind grundsätzlich zu gegenseitigem Familienunterhalt verpflichtet, § 1360 BGB. Die Klägerin Ziff. 1 trägt letztlich auch von den Beklagten nicht bestritten vor, dass der Getötete für das finanzielle Familieneinkommen allein oder zumindest weit überwiegend verantwortlich war („Alleinverdienerehe“). Die Klägerin Ziff. 1 selbst hat in der mündlichen Verhandlung monatliche Einkünfte von 270,- bis 450,- Euro behauptet. Dem steht das Verdienst des Getöteten von durchschnittlich 2.030,- Euro monatlich entgegen. 2.)

Die Klägerin Ziff. 1 ist auch grundsätzlich bedürftig. Mit ihrem eigenen Einkommen ist sie außer Stande, sich selbst zu unterhalten, § 1602 Abs. 1 BGB. Ihr steht aus eigenem Einkommen ein Betrag von 450,- Euro zu. Für die Ehezeit prägend war aber das Gesamteinkommen der Klägerin Ziff. 1 und des Getöteten. Dieser verdiente netto durchschnittlich 2.030,- Euro.

3.) Nach § 10 Abs. 2 StVG hat bei der Tötung eines gesetzlich zum Unterhalt Verpflichteten die unterhaltsberechtigte Person Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr durch Entzug des Unterhaltsrechts entsteht (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rn. 319). Der Ersatz ist grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten. Dabei hat nach § 10 Abs. 2 StVG der Schädiger dem Geschädigten insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wäre. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt hätten. Er muss daher gemäß § 287 ZPO eine vorausschauende Betrachtung vornehmen, in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Dabei hat der Tatrichter bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bezugszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 1990 - VI ZR 183/89, VersR 1990, 907; vom 4. November 2003 - VI ZR 346/02, VersR 2004, 75, 77 mwN; vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02, VersR 2004, 653; vom 25. April 2006 - VI ZR 114/05, VersR 2006, 1081 Rn. 8; und vom 05. Juni 2012 – VI ZR 122/11 –, Rn. 4, NJW 2012, 2887).

a) Die Klägerin Ziff. 1 hat aus dem Nettoeinkommen des Getöteten einen Durchschnittsbetrag von 2.030,- Euro ermittelt. Dabei ist es unbeachtlich, dass die Klägerin Ziff. 1 nicht ein Jahreseinkommen zugrunde legt, sondern 19 Monatseinkommen. Je größer der Zeitraum ist, auf den sich die Einkünfte verteilen, desto besser werden einzelne monatliche Schwankungen ausgeglichen.

Dieses Nettoeinkommen ist nicht zu bereinigen. Der Unterhaltsanspruch selbst ist zwar nicht schadensersatzrechtlich zu ermitteln, sondern unterhaltsrechtlich (vgl. Staudinger/Röthel, BGB Kommentar, Bearbeitung 2015, § 844, Rn 106). Im Unterhaltsrecht wird grundsätzlich eine Pauschale von fünf Prozent vorweg abgezogen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2000 - XII ZR 161/98 - FamRZ 2000, 1492). Allerdings können bei Getöteten solche Kosten nicht abgezogen werden, die personengebunden sind und allein von seiner Person abhängen (Staudinger a. a. O., Rn 118; BGH, Urteil vom 2. Dezember 1997 - VI ZR 142/96 - BGHZ 137, 237).

b) Besondere Umstände, die eine wesentliche Veränderung der Lebensumstände erwarten würden, hat die mündliche Verhandlung nicht ergeben. Die Klägerin Ziff. 1 gab an, dass der Getötete bei einer Bäckerei in Festanstellung tätig war und dies auch bis zum Eintritt ins Rentenalter so beibehalten wollte. Der Verstorbene, 1957 geboren, hätte im Jahr 2024 die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 SGB VI erreicht, also noch ein Arbeitsleben von sieben Jahren. Konkrete Veränderungen standen nicht in Aussicht und wären in den nächsten sieben Jahren auch nicht zu erwarten. Das Gericht geht daher von 2.030,- Euro Einkommen beim Getöteten aus.

Auch bei der Klägerin Ziff. 1 erwartet das Gericht keine großen Veränderungen. Sie hat vor dem Todesereignis in geringfügigem Umfang gearbeitet und hat diese Tätigkeit nach dem Tod mit zeitlicher Verzögerung wieder aufgenommen. Weder erkennt das Gericht eine deutliche Zunahme ihrer Arbeitstätigkeit, noch eine inhaltliche Veränderung oder eine dauerhafte Abnahme. Soweit die Klägerin Ziff. 1 infolge des Unfalltodes ihres Ehemanns vorübergehend nicht oder in geringerem Umfang gearbeitet hat, bezieht sich diese Veränderung auf das Unfallereignis selbst, ohne dass sich hierdurch jedoch dauerhafte Auswirkungen auf die finanzielle Situation der Klägerin Ziff. 1 ergeben. Das Gericht schätzt das monatliche Einkommen der Klägerin Ziff. 1 aufgrund der Schwankungen, die sich aus ihrer Schilderung ergeben und auch teilweise aus den Zahlungsbelegen nachzuvollziehen sind, auf 270,- Euro.

4.) Vom Einkommen des Ehemanns sind die Fixkosten abzuziehen.

a) Zur Berechnung des Barunterhaltsschadens sind nach der Ermittlung des für Unterhaltszwecke verfügbaren fiktiven Nettoeinkommens des Getöteten in einem zweiten Schritt die „fixen Kosten" vorweg abzusetzen und - nach quotenmäßiger Verteilung des verbleibenden Einkommens auf den Getöteten und seine unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen - in voller Höhe den einzelnen Unterhaltsgeschädigten anteilig zuzurechnen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1985 - VI ZR 36/84, VersR 1986, 39, 40). Unter „fixen Kosten" sind jene Ausgaben zu verstehen, die weitgehend unabhängig vom Wegfall eines Familienmitgliedes als feste Kosten des Haushalts weiterlaufen und deren Finanzierung der Getötete familienrechtlich geschuldet hätte (BGH, Urteile vom 11. Oktober 1983 - VI ZR 251/81, VersR 1984, 79, 81 und vom 31. Mai 1988 - VI ZR 116/87, aaO S. 955; vom 05. Juni 2012 – VI ZR 122/11 –, Rn. 7, NJW 2012, 2887; OLG Koblenz NJW-​RR 2008, 10). Hierzu zählen Kosten für Miete, Heizung, Telefon, Licht und Gas, Wasser, Zeitungen, den Kindergartenbesuch der Kinder, die Anschaffung und Erhaltung der Wohnungseinrichtung, für Hausrat-​, Haftpflicht- und Rechtsschutzversicherungen, das Halten eines Familienfahrzeugs usw., also unterhaltsrechtlich geschuldete Aufwendungen, die sich durch den Tod eines Ehepartners nicht oder nur unwesentlich und oft auch nicht prozentual nach dem Anteil des Getöteten am verfügbaren Familieneinkommen verändern (vgl. BGH NJW 1988, 2365, 2367; 1998, 985, 986 mwN; Geigel/Münkel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. München 2015, Kapitel 8 Rn 53).

b) Die Klägerin Ziff. 1 hat verschiedene Fixkosten behauptet. Das Gericht hat aufgrund des Bestreitens durch die Beklagten die Klägerin Ziff. 1 aufgefordert, Belege für die Fixkosten vorzulegen. Dem ist die Klägerin Ziff. 1 mit Schriftsatz vom 10. Januar 2019 nachgekommen. Die Beklagte hat die Beträge nicht substantiiert bestritten.

Danach sind folgende Fixkosten substantiiert behauptet:

Art Nachweis Betrag
Rundfunk­ge­bühren K 16.2 17,50
Gebäudebrandversicherung,
Haftpflichtversicherung,
Hausrat
Anl. 1 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 167) 586,46/12 = 48,87
Tierkrankenversicherung und Hundehalterhaftpflicht-
versicherung
Anl. 2 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 169) 79,94/2 = 38,68
Grundsteuer Anl. 3 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 170) 163,76/12= 13,65
Telefonfixkosten Anl. 4 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 171) 39,99
Hauskredit Anl. Zum Protokoll v. 15. Februar 2019, Anl. K 16 876,24 Euro, davon 215,- Euro Zins und Kosten
Schornsteinfeger K 16.8 76,35/12 = 6,36
Fernsehzeitschriftsabo „storniert“  
Abfall Anl. 6 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 175/6) 181,50/12 = 15,12
ADAC-Schutzbrief Anl. 7 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 177) 89,50/12 = 7,46
Hundesteuer K 16.10 96/12 = 8,-
Heizgas K 16.4 128,-
Wasserverbrauch K 16.3 144,-
Stromkosten Bl. 197 ff. 133,-
Familienunfallversicherung Anl. 8 zum Schriftsatz vom 10. Januar 2019 (Bl. 179) 60,10
Gesamtbetrag der berücksichtigungsfähigen Kosten   17,50 + 48,87 + 38,68 + 13,65 + 39,99 + 215 + 6,36 + 15,12 + 8 + 128 + 144 + 133 = 808,17 Euro

c) Die behaupteten Fixkosten sind rechtlich nur zum Teil als solche zu werten.

α) Die Unfallversicherung kann das Gericht nicht bei den Fixkosten berücksichtigen. Es ist nicht dargetan, dass der verstorbene Ehemann unterhaltsrechtlich zu deren Zahlung verpflichtet gewesen wäre (BGH, Urteil vom 5. Juni 2012 - VI ZR 122/11 - NJW 2012, 2887). Das gleiche gilt für den ADAC-​Schutzbrief.

β) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind der Vermögensbildung dienende Ausgaben wie Eigenleistungen zum Erwerb eines Eigenheims nicht in die Gesamtberechnung einzustellen (vgl. BGH, Urteile vom 23. September 1966 - VI ZR 9/65 - NJW 1966, 2401; vom 3. Juli 1984 - VI ZR 42/83 - VersR 1984, 961; vom 22. Juni 2004 – VI ZR 112/03 –, NJW 2004, 2894). Dagegen können Instandsetzungs- und Erhaltungskosten, die ebenso wie Nebenkosten oder Zinsen für ein zum Erwerb des Eigenheims aufgenommenes Darlehen der Finanzierung des Wohnbedarfs dienen, bis zur Höhe der fiktiven Miete für eine angemessene Wohnung ebenso wie Rücklagen für die Anschaffung und Reparatur von Wohnungseinrichtung und Hausrat in der Gesamtrechnung Berücksichtigung finden (vgl. BGHZ 137, 237, 241; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1986 - VI ZR 192/85 - VersR 1987, 507 f.; vom 31. Mai 1988 - VI ZR 116/87 - VersR 1988, 954 ff.; vom 5. Dezember 1989 - VI ZR 276/88 - VersR 1990, 317 f. und vom 22. Juni 2004 – VI ZR 112/03 –, NJW 2004, 2894).

Die Klägerin hat in der zweiten mündlichen Verhandlung einen Darlehensvertrag der L-​Bank aus dem Jahre 1996 vorgelegt. Die Klägerin behauptet weiter monatliche Zahlungen in Höhe von 76,70 + 89,48 + 710,06 Euro, zusammen 876,24 Euro monatlich. Diese sind durch Anlage K 16 auch belegt. Aus Anlage K 16 ergibt sich weiter, dass in diesen Beträgen Zinsen und Kosten in Höhe von 15,34, 17,90 und 174,85 Euro, zusammen 208,09 Euro, enthalten sind. Da es sich um ein Annuitätendarlehen handelt, bei dem der Zinsbetrag monatlich steigt, schätzt das Gericht den Betrag gemäß § 287 ZPO nicht auf 208,09 Euro, sondern auf 215,- Euro.

ɣ) Das Gericht kann einen weiteren „Verbraucherkredit“, der außerdem nach den eigenen Unterlagen der Kläger 2017 abgelöst wurde, nicht berücksichtigen.

δ) Die Kosten für den Hund berücksichtigt das Gericht. Die Klägerin Ziff. 1 hat in der zweiten mündlichen Verhandlung angegeben, dass der Hund schon seit 14 Jahren im Haushalt lebe. Die Halterversicherung und die Hundesteuer sind Pflichtversicherungen. Deshalb zählt das Gericht diese Beiträge zu den Fixkosten.

Danach sind vom Einkommen des Getöteten 808,17 Euro abzuziehen. Es verbleiben 2.030 - 808,17 = 1.221,83 Euro.

5.) Sodann ist der Eigenverbrauch des Verstorbenen abzuziehen (Geigel/Münkel, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl. München 2015, Kapitel 8 Rn 66). Diesen bemisst das Gericht ähnlich wie beim Unterhaltsrecht mit einem Abzug von 10 Prozent für den alleinverdienenden Ehegatten. Konkretere Schätzgrundlagen hat die Hauptverhandlung nicht ergeben.

Es verbleiben 1.221,83 - 122,18 = 1.099,65 Euro.

6.) Dieses Einkommen ist prozentual auf die Witwe und die Kinder zu verteilen.

Bei den Kindern berücksichtigt das Gericht, dass zwei Kinder zwar noch im elterlichen Haushalt leben, aber alle vier gemeinsamen Kinder volljährig sind. Daher bestehen grundsätzlich keine Unterhaltsansprüche. Lediglich im Rahmen üblicher Anstandsschenkungen ist ein Betrag für die Kinder zu erwarten. Dabei geht das Gericht auch davon aus, dass der Verstorbene alle Kinder gleich behandelt. Unter diesen Gegebenheiten schätzt das Gericht den Betrag, den der Verstorbene jedem Kind monatlich zur Verfügung gestellt hat, gemäß § 287 ZPO auf 75,- Euro. Das sind 4 x 75,- = 300,- Euro. Der Restbetrag von 1.099,65 - 300 = 799,65 Euro ist auf den Verstorbenen und die Witwe zu verteilen. Bei dieser Verteilung berücksichtigt das Gericht nun das eigene Einkommen der Witwe von 270,- Euro. Es sind daher 1.069,65 Euro auf den Verstorbenen und die Witwe zu verteilen. Das Gericht geht nach den Schilderungen der Klägerin Ziff. 1 von hälftiger Verteilung aus, also 534,83 Euro je Ehegatte. Davon befriedigt die Klägerin Ziff. 1 allerdings 270,- Euro selbst, so dass noch ein Unterhaltsbetrag von 264,83 Euro verbleibt.

7.) In Höhe von 264,83 Euro wäre der Verstorbene auch leistungsfähig, § 1603 Abs. 1 BGB. Vom Nettoeinkommen (2.030 Euro) blieben nach Abzug des Unterhalts noch 1.765,17 Euro übrig, der Selbstbehalt wäre gewahrt. Vorrangige Kindsunterhaltsansprüche bestehen nicht, da die Kinder volljährig sind, § 1609 Nr. 2 (langjährig verheiratete Ehefrau) und Nr. 4 BGB (volljährige Kinder).

8.) Die Fixkosten sind nach quotenmäßiger Verteilung des verbleibenden Einkommens auf den Getöteten und seine unterhaltsberechtigten Hinterbliebenen in voller Höhe den einzelnen Unterhaltsgeschädigten anteilig zuzurechnen (BGH, Urteil vom 01. Oktober 1985, VI ZR 36/84; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-​Anhalt, Urteil vom 26. Juli 2018 – 4 U 16/17 –, Rn. 81, juris). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Kinder an den Fixkosten nicht beteiligt sind. Dies hat die Klägerin in der zweiten mündlichen Verhandlung bestätigt. Sie geben zuhause nichts ab.

Das Gericht hat erwogen, ob es unbillig ist, die gesamten Fixkosten bei der Klägerin Ziff. 1 zu berücksichtigen. Das Gericht meint aber, dass die von ihr beschriebene Verteilung der Realität entspricht. Der Schadensersatzanspruch, den die Klägerin Ziff. 1 geltend macht, ist auf den Ausgleich des tatsächlichen Vermögensschadens gerichtet, § 249 BGB. Der Schädiger kann nicht dadurch entlastet werden, dass der Geschädigte Leistungen im familiären Umfeld übernimmt, zu denen er rein rechtlich nicht verpflichtet ist. Die interne Familienorganisation ist nicht geeignet, den Schädiger zu belasten oder entlasten. Die Fixkosten sind daher vollständig bei der Klägerin Ziff. 1 zu berücksichtigen.

Wollte man diesem Ansatz nicht folgen, hätten die Kinder eigene Ansprüche gegen die Beklagten auf ihren Anteil der Fixkosten, den sie allerdings an die Klägerin Ziff. 1 zur Geltendmachung abgetreten haben. Auch in diesem Fall kann also die Klägerin Ziff. 1 die gesamten Fixkosten verlangen. Der Rentenanspruch beläuft sich daher auf 264,83 + 808,17 = 1.073,- Euro.

9.) In Höhe von 716,55 Euro ist die Klägerin allerdings nicht aktiv legitimiert (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2009 - VI ZR 221/08 - NJW-​RR 201, 839; OLG Frankfurt, Urteil vom 4. Dezember 2018 - 16 U 3/18 - Juris). Denn die Klägerin Ziff. 1 hat nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI Anspruch auf große Witwenrente. Diese wurde ihr rückwirkend ab dem 30. Juli 2017, dem Todestag, gewährt. Das führt dazu, dass die Ansprüche der Klägerin in der Höhe der Witwenrente gemäß § 116 SGB X auf den Rentenversicherungsträger, hier die Deutsche Rentenversicherung Bund, übergehen. Die Schädiger werden dadurch nicht unbillig entlastet. Es handelt sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang, d. h. die Beklagten müssen gegenüber dem Rentenversicherungsträger leisten.

Die Rente, die die Klägerin Ziff. 1 einklagen kann, beläuft sich daher nur auf 1.073,- - 716,55 = 356,45 Euro.

10.) Für den rückständigen Zeitraum von 1. August 2017 bis 30. April 2018 (neun Monate) besteht entsprechend ein Anspruch auf 9 x 356,45 Euro = 3.208,05 Euro. Danach besteht ein Anspruch auf weitere 356,45 Euro monatlich. Die Rente ist monatlich im Voraus zu entrichten, §§ 844 Abs. 2 Satz 1, 843 Abs. 2 Satz 1, 760 Abs. 1 BGB.

11.) Die Klägerin Ziff. 1 obsiegt beim materiellen Schaden mit 10.714,04 - 18 = 10.696,04 Euro. Der Rentenrückstand beträgt 3.208,05 Euro. Beim immateriellen Schaden obsiegt die Klägerin Ziff. 1 mit 12.000,- Euro.

Die Beklagte Ziff. 1 hat an die Kläger 10.000 + 10.696,04 + 1.236,11 Euro = 22.932,15 Euro gezahlt. Die Beträge sind zunächst gemäß der Tilgungsbestimmung der Beklagten Ziff. 1 auf den materiellen Schaden von 10.696,04 Euro anzurechnen. Den Betrag von 1.236,11 Euro rechnet das Gericht auf den rückständigen Unterhalt an, so dass das Gericht hier noch einen Betrag von 3.208,05 - 1.236,11 = 1.971,94 Euro tituliert. Zusätzlich ist bei der Klägerin das Hinterbliebenengeld von 12.000,- Euro zu titulieren, so dass der Titel über 13.971,94 Euro lautet. Daneben ist die laufende Rente zu titulieren.

Den Betrag von 10.000 Euro, der zur freien Verfügung steht, rechnet das Gericht entsprechend der Erklärung des Klägervertreters im Schriftsatz vom 13. Juni 2018 auf die Hinterbliebenengelder der Kinder an. Allerdings reicht die Summe nicht aus und der Klägervertreter hat nicht erklärt, welchem Kind dann das Geld zukommen soll. Das Gericht würdigt aber die Tilgungsbestimmung dahin, dass alle Kinder gleich bedacht werden sollen. Je Kind rechnet das Gericht daher 2.500,- Euro auf den Anspruch an. Zu tenorieren sind daher je Kind noch 7.500,- - 2.500,- = 5.000,- Euro je Kind. Beim Kläger Ziff. 6 ist der volle Betrag von 5.000,- Euro zu titulieren. Die darüber hinausreichende Klage unterliegt der Abweisung, soweit sie nicht durch die Zahlungen erledigt ist.

IV.

1.) Der Feststellungsantrag ist unbegründet.

Das Hinterbliebenengeld kann mit der Einmalzahlung vollständig abgebildet werden. Der Verlust eines nahen Angehörigen ist ein einmaliger Vorgang (vgl. Luckey, Huber/Kadner Graziano/ Luckey a. a. O., Teil 1 § 2 Rn 5). Dieser ist abgeschlossen. Aus dem Verlust des Angehörigen als solchem kann kein weiterer Anspruch entstehen.

Schmerzensgeld können die Kläger nicht verlangen. Das Gericht hat keine gesundheitliche Beeinträchtigung festgestellt, die einen entsprechenden Anspruch rechtfertigen würde. Das Gericht kann auch nicht erkennen, dass sich in Zukunft noch ein Gesundheitsschaden zeigt. Zwar ist die Klägerin Ziff. 1 nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Sie gab aber in der mündlichen Verhandlung auch an, dass die Hauptarbeit beim Seelsorger liege und nicht in der ärztlichen Betreuung. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht keine körperliche oder psychische Schädigung, die noch einen Schmerzensgeldanspruch in der Zukunft wird begründen können.

2.) Die Klägerin Ziff. 1 kann Ersatz ihrer außergerichtlichen Gebühren verlangen.

a) Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten sind nach § 249 Abs. 1 BGB als Schaden ersatzfähig, wenn die Beauftragung eines Rechtsanwalts aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - IX ZR 197/14 - NJW 2015, 3447; Urteil vom 23. Januar 2014 – III ZR 37/13 –, BGHZ 200, 20-38, Rn. 48; vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5 und vom 8 Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 70, jeweils mwN).

Hiervon geht das Gericht bei einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang aus. Auch der neu eingeführte Anspruch auf Hinterbliebenengeld lässt es als zweckmäßig erscheinen, einen Rechtsanwalt einzuschalten.

b) Bei der Höhe der Verfahrensgebühr billigt das Gesetz dem Rechtsanwalt ein Ausübungsermessen zu. Die Gebühr ist in einer Spanne von 0,5 bis 2,5 festzusetzen, wobei der Regelbetrag bei 1,3 liegt.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Toleranzrechtsprechung bis zu einer Überschreitung von 20% der gerichtlichen Überprüfung entzogen (BGH, Urteil vom 05. Februar 2013 – VI ZR 195/12 – NJW-​RR 2013, 1020; vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813 Rn. 8 ff. mwN). Zwar steht dem Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG bei Rahmengebühren wie der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-​RVG ein Ermessensspielraum zu, so dass, solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte Gebühr innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % bewegt, die Gebühr nicht unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ist. Allerdings ist die Bestimmung insgesamt gerichtlich zu überprüfen.

Hierzu halten die Kläger jedoch keinen Vortrag. Das Gericht kann daher nur eine Gebühr auf der Grundlage von 1,3 bei einem Wert bis 80.000,- Euro berechnen.

1,3-Geschäftsgebühr 1,3 VV 2300 RVG 1.732,90 Euro
5 x 0,3-Erhöhungsgebühr für fünf weitere Auftraggeber VV 1008 RVG 1.999,50 Euro
Postpauschale VV 7002 RVG 20,- Euro
Akteneinsichtsgebühr 12,- Euro
Nettosumme 3.764,40 Euro
Brutto 4.479,64 Euro


Die Dokumentengebühr kann das Gericht nicht berücksichtigen, da sie nicht begründet ist. Die Strafakte hat etwa 200 Seiten und rechtfertigt daher keine Dokumente von 445 Seiten.

3.) Die Ansprüche sind zum Teil verzinslich.

a) Das Hinterbliebenengeld ist erst nach Mahnung gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 BGB verzinslich. § 849 BGB gilt für das Hinterbliebenengeld nicht. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die nur bei Sachen einen Zinsanspruch gewährt.

Andererseits hält das Gericht den Anspruch auf Hinterbliebenengeld ebenso wie den Anspruch auf Schmerzensgeld für verzinslich, denn es handelt sich um eine Geldschuld (Palandt, BGB Kommentar, § 288, Rn 6). Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass das Hinterbliebenengeld hinsichtlich der Verzinsung anders zu behandeln wäre als das Schmerzensgeld.

Für die Kläger Ziff. 1 bis 4 und 6 hat der Klägervertreter im Schreiben vom 13. November 2017 (K 22) der Beklagten Ziff. 1 einen Betrag genannt und Frist bis 24. November 2017 gesetzt. Nach deren Ablauf gerieten die Beklagten in Verzug, so dass ab dem Folgetag (§ 187 Abs. 1 BGB) eine Zinspflicht besteht.

b) Dasselbe gilt für die Rentenansprüche. Auch diese sind nicht ab dem Unfalltag verzinslich, sondern erst ab Verzug, also ab 25. November 2017.

c) Auch die weiteren Schadenspositionen (Beerdigungskosten, rückständiger Unterhalt) unterfallen nicht der Regelung des § 849 BGB, so dass auch für diese Verzug erst ab 25. November 2017 eingetreten ist.

d) Die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten wurden vor Klageerhebung nicht geltend gemacht, so dass sie erst ab Klageerhebung verzinst werden können, § 291 BGB. Rechtshängigkeit trat mit der Klagezustellung am 15. Mai 2018 ein, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO, wobei dieser Tag nicht mitzählt, § 187 Abs. 1 BGB.


C.

1.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO und richtet sich nach dem Obsiegen und Unterliegen.

a) Der Streitwert der Klägerin Ziff. 1 im Verhältnis zu den Beklagten liegt bei 57.322,22 Euro. Hiervon entfallen 10.714,04 Euro auf den materiellen Schaden. Den Rückstand für Unterhalt und Fixkosten beziffert die Klägerin Ziff. 1 mit 15.354,- + 3.335,22 = 18.689,22 Euro. Der immaterielle Anspruch wird mit einem Wert von 12.000,- Euro eingestellt. Hinzu kommt die eingeklagte Rente von 2.076,58 Euro, die mit dem Jahresbetrag einzustellen ist, §§ 48 Abs. 1 GKG, 9 Satz 1 ZPO, folglich mit 12 x 2.076,58 = 24.918,96 Euro. Hinzu kommt der Feststellungsantrag, den das Gericht gemäß §§ 48 GKG, 3 ZPO mit 1.000,- Euro bemisst.



Die Klägerin Ziff. 1 obsiegt beim materiellen Schaden mit 10.714,04 - 18 = 10.696,04 Euro. Soweit die Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, war die Forderung ursprünglich begründet, was gemäß § 91a Abs 1 ZPO gleich einem Obsiegen zu werten ist. Der Rentenrückstand beträgt 3.208,05 Euro. Beim immateriellen Schaden obsiegt die Klägerin Ziff. 1 mit 12.000,- Euro. Bei der Rente obsiegt die Klägerin Ziff. 1 mit dem zwölffachen Monatsbetrag, also 12 x 356,45 = 4.277,40 Euro. Die Addition ergibt ein Obsiegen von 30.181,49 Euro, was im Verhältnis zu den Beklagten der Hälfte entspricht und für die Verteilung ihrer außergerichtlichen Kosten bestimmend ist.

b) Bei den Klägern Ziff. 2 bis 6 beträgt der Streitwert nach der Klage jeweils 2.500,- Euro für den Leistungsantrag und 800,- Euro für den Feststellungsantrag. Gerichtlich ist der Streitwert allerdings auf jeweils 7.500 Euro für die Kläger Ziff. 2 bis 5 festzusetzen und auf 5.000,- Euro für den Kläger Ziff. 6. Obwohl der Feststellungsantrag abzuweisen ist, obsiegen die Kläger Ziff. 2 bis 6 jeweils in voller Höhe, da das Gericht über den geltend gemachten Anspruch hinausgegangen ist. Der gestellte Antrag kann den Klägern Ziff. 2 bis 6 daher kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen. Die Kläger Ziff. 2 bis 6 sind von Gesetzes wegen weder an den Gerichtskosten noch an den außergerichtlichen Kosten zu beteiligen. Die insoweit angefallenen Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Kläger Ziff. 2 bis 6 tragen die Beklagten gemäß §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO als Gesamtschuldner.

c) Um die Kostenquote der insgesamt sechs Kläger zu den drei Beklagten zu ermitteln, bildet das Gericht einen Streitwert aus allen Einzelklagen. Dieser beträgt

57.322,22 Euro (Klägerin Ziff. 1)
+ 7.500,- Euro (Klägerin Ziff. 2)
+ 7.500,- Euro (Klägerin Ziff. 3)
+ 7.500,- Euro (Kläger Ziff. 4)
+ 7.500,- Euro (Kläger Ziff. 5)
+ 5.000,- Euro (Kläger Ziff. 6)
92.322,22 Euro.

Die Kläger Ziff. 2 bis 6 haben hiervon keine Kosten zu tragen, die Kosten sind zwischen den Beklagten als einer gemeinsamen Kostengruppe (§ 100 Abs. 4 ZPO) und der Klägerin Ziff. 1 aufzuteilen. Die Beklagten unterliegen mit 30.181,49 Euro hinsichtlich der Klägerin Ziff. 1 und mit weiteren 4 x 7.500 = 30.000,- Euro hinsichtlich den Klägern Ziff. 2 bis 5 und weiteren 5.000,- Euro hinsichtlich des Klägers Ziff. 6. Beim fiktiven Gesamtstreitwert von 92.322,22 Euro unterliegen die Beklagten also mit 30.181,49 + 35.000,- = 65.181,49 Euro. Dies entspricht einer Quote von 7/10. Diese Quote ist für die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten bestimmend.

2.) Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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