Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgericht Oldenburg Beschluss vom 16.07.2019 - 7 B 1553/19 - Fahrtenbuch-Auflage - fehlende Mitwirkung des Halters

VG Oldenburg v. 16.07.2019: Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches bei fehlender Mitwirkung des Fahrzeughalters


Das Verwaltungsgericht Oldenburg (Beschluss vom 16.07.2019 - 7 B 1553/19) hat entschieden:

  1.  Halter des Fahrzeugs i.S.d. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist grundsätzlich unabhängig von der Eigentümerstellung derjenige, der den Pkw für eigene Rechnung in Gebrauch hat (d.h. die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten für Unterhaltung und laufenden Betrieb trägt) und die tatsächliche Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (d.h. Anlass, Zeit, Dauer und Ziel der Fahrten selbst bestimmen kann).

  2.  Ist der von einer Fahrtenbuchauflage Betroffene nicht mehr Halter des Tatfahrzeugs, so kann sich die Anordnung auf das seither angeschaffte Nachfolgefahrzeug beziehen. Ebenso lässt es der Sicherungszweck des § 31a StVZO zu und wird es regelmäßig sogar erfordern, die Maßnahme auf das oder die Fahrzeuge zu erstrecken, die vor Ablauf der Zeit, für die das Fahrtenbuch geführt werden muss, an die Stelle des oder der in der Verfügung bezeichneten Kraftfahrzeuge treten.


Siehe auch
Fahrzeughalter
und
Stichwörter zum Thema Fahrtenbuch


Gründe:


Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers vom 31. Mai 2019 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Mai 2019, mit dem dieser den Antragsteller zum Führen eines Fahrtenbuchs für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B. (oder Ersatz) für die Dauer von zwölf Monaten verpflichtet, ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 1 VwGO hat eine Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt jedoch, wenn die Behörde - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der angefochtenen Verfügung im öffentlichen Interesse angeordnet hat.

Die schriftliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung auf Seite 3 des angegriffenen Bescheids genügt hier den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hiernach reichen pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen grundsätzlich nicht aus. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings gleiche oder typisierte Begründungen genügen (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehbarkeit der Fahrtenbuchauflage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in ausreichendem Umfang schriftlich begründet. Er hat das erforderliche besondere öffentliche Interesse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung darin gesehen, dass im Falle der Nichtvollziehbarkeit der Anordnung bis zu deren Unanfechtbarkeit die Möglichkeit bestehe, dass weitere Verkehrsverstöße begangen werden, die ungeahndet blieben, weil der Fahrzeugführer nicht ermittelt werden könne. Auch wenn die angeführten Gründe, die aus Sicht des Antragsgegners die sofortige Vollziehung der Fahrtenbuchauflage rechtfertigen, auf eine Vielzahl von Fällen übertragbar sind, wird hierdurch die Richtigkeit dieser Erwägungen nicht berührt.

Für den Erfolg eines Antrages nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist in materieller Hinsicht entscheidend, ob das private Interesse eines Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage höher als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes zu bewerten ist. Bei einer offensichtlich Erfolg versprechenden Klage überwiegt das Suspensivinteresse des Betroffenen regelmäßig das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, insbesondere wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist.

Die Verfügung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Der Antragsgegner hat den Antragsteller mit Schreiben vom 12. Februar 2019 ordnungsgemäß zu der beabsichtigten Maßnahme i.S.v. § 28 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG angehört (Bl. 120 d. BA 001).

Auch in materieller Hinsicht ist die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 StVZO sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Der Antragsteller war im Zeitpunkt der beiden Verkehrsverstöße der Fahrzeughalter. Halter des Fahrzeugs i.S.d. § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist grundsätzlich unabhängig von der Eigentümerstellung derjenige, der den Pkw für eigene Rechnung in Gebrauch hat (d.h. die Nutzungen aus der Verwendung zieht und die Kosten für Unterhaltung und laufenden Betrieb trägt) und die tatsächliche Verfügungsgewalt innehat, die ein solcher Gebrauch voraussetzt (d.h. Anlass, Zeit, Dauer und Ziel der Fahrten selbst bestimmen kann) (Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. Januar 2014 – 12 ME 243/13 – juris, Rn. 7). Für die Haltereigenschaft

   „kommt es weniger auf die rechtlichen Bezüge des Fahrzeugs, sondern vielmehr auf die Intensität der tatsächlichen Beziehungen an. Dies schließt es allerdings nicht aus, dass im Einzelfall von ausschlaggebender Bedeutung sein kann, auf wen das Fahrzeug zugelassen ist. Weil das Straßenverkehrsrecht im weitesten Sinne nahezu alle aus der Zulassung und dem Betrieb folgenden Pflichten dem Halter auferlegt, liegt die Annahme nahe, dass der Fahrzeughalter regelmäßig mit dem Zulassungsinhaber identisch ist. Für diese Deutung sprechen bereits die Vorschriften über das Fahrzeugregister, namentlich § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 StVG, der Daten über denjenigen, dem ein Kennzeichen für das Fahrzeug zugeteilt oder ausgegeben oder an den ein Fahrzeug mit einem amtlichen Kennzeichen veräußert wurde, als „Halterdaten“ legaldefiniert und § 32 Abs. 2 Nr. 1 StVG, nach welchem im Fahrzeugregister Daten über Personen „in ihrer Eigenschaft als Halter von Fahrzeugen“ gespeichert werden. Wird ein Fahrzeug veräußert, für das ein amtliches Kennzeichen zugeteilt ist, so hat gem. § 34 Abs. 3 Satz 1 StVG der Veräußerer der Zulassungsbehörde, die dieses Kennzeichen zugeteilt hat, die in § 33 Abs. 1 Satz 2 StVG aufgeführten Daten des Erwerbers (Halterdaten) mitzuteilen. Die Mitteilung ist nur dann nicht erforderlich, wenn der neue Eigentümer bereits seiner Meldepflicht nach § 34 Abs. 4 StVG nachgekommen ist (§ 34 Abs. 3 Satz 2 StVG). Nicht zuletzt wegen der Zielrichtung des Fahrzeugregisters, schnell und zuverlässig Auskunft über das Fahrzeug und seinen Halter zu geben (§ 32 Abs. 2 StVG), und im Interesse einer einheitlichen Bestimmung des Halterbegriffs im Straßenverkehrsrecht – das heißt im Geltungsbereich des StVG und der auf ihm beruhenden Rechtsverordnungen wie der StVZO – kommt der Erfassung im Fahrzeugregister als objektivem Gesichtspunkt im Außenverhältnis zu anderen Verkehrsteilnehmern und der Allgemeinheit sowie zu Behörden eine ausschlaggebende Rolle zu.“
(Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. Mai 2016 – 12 LA 103/15 –)

Neben der Eintragung als Halter im Fahrzeugregister war der Antragsteller zum Zeitpunkt der beiden Verkehrsverstöße am 29. März 2018 und am 2. Juni 2018 aber auch Versicherungsnehmer für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B. Dies lässt sich dem Versicherungsnachweis entnehmen, der dem Gericht vom Antragsteller mit Schreiben vom 9. Juli 2019 übersandt worden ist. In diesem Dokument, ausgestellt am 21. Februar 2018 (S. 3 d. Schr.), wird im Hinblick auf die Vertragsdauer angegeben:

   „bis 01.01.2019, 0 Uhr“.

Diese Eigenschaft als Versicherungsnehmer begründet ein weiteres Indiz für seine Haltereigenschaft (Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. Januar 2014 – 12 ME 243/13 – juris, Rn. 7 m.w.N.).

Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es keinen Anlass gesehen hat, dem Antrag des Antragstellers auf eine Verlängerung der Frist zur Beibringung aussagekräftiger Versicherungsunterlagen zu entsprechen. Das Gericht hat dem Antragsteller durch die Aufklärungsverfügung vom 3. Juli 2019 bereits die Möglichkeit gegeben, das Nichtvorliegen der Haltereigenschaft substantiiert vorzutragen. Dass ihm dies innerhalb der Wochenfrist nicht gelungen ist, kann nun keinen weiteren Aufschub in der Sache rechtfertigen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsteller es schon in den gegen ihn eingeleiteten Bußgeldverfahren, die nun schon 15 bzw. 13 Monate zurückliegen, jedenfalls aber im Zuge des gerichtlichen Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz hätte unternehmen müssen, den seine Rechtsauffassung stützenden Dokumenten habhaft zu werden und diese unaufgefordert vorzulegen. Ein Prozessbeteiligter, der seine sich aus dem Fahrzeugregister ergebende Haltereigenschaft zu entkräften versucht,

   “hat den betreffenden Prozessstoff umfassend vorzutragen. Die für und gegen eine Haltereigenschaft streitenden Umstände liegen in der Sphäre des im Fahrzeugregister eingetragenen Fahrzeughalters. Ihn trifft eine Prozessförderungspflicht, unter Angabe von Einzelheiten lückenlos einen stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich ergibt, dass die Verfügungsbefugnis über das betreffende Kraftfahrzeug einem anderen zusteht. Kommt der Prozessbeteiligte dieser Pflicht nicht nach, obwohl ihm dies ohne Weiteres möglich und zumutbar ist, verringert dies die Anforderungen an die gerichtliche Aufklärungspflicht.“
(Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. Mai 2016 – 12 LA 103/15 – juris, Rn. 12 m.w.N.).

Auch die Einschätzung des Antragsgegners, dass die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt vor, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalles nicht in der Lage gewesen ist, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Der notwendige Umfang der Ermittlungspflichten der Behörde bemisst sich danach, inwieweit der Halter seinerseits an der Ermittlung des Fahrzeugführers mitwirkt. Lehnt beispielsweise ein Fahrzeughalter erkennbar die Mitwirkung an den Ermittlungen ab, so muss die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts und der Kammer in der Regel überhaupt keine weiteren Ermittlungen mehr durchführen, weil diese zeitraubend wären und kaum Aussicht auf Erfolg böten. An einer solchen Mitwirkung fehlt es bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungs- oder Zeugenfragebogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet bzw. weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht (vgl. Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 2. November 2006 – 2 LA 177/06 – juris, Rn. 22).

So liegt der Fall hier. Die Angaben, die der Antragsteller anlässlich seiner Anhörungen zu den Verkehrsverstößen am 29. März 2018 und am 2. Juni 2018 machte, erfüllen die Anforderungen an eine tatsächliche Mitwirkung an der Aufklärung nicht. Auf das Anhörungsschreiben anlässlich des Verkehrsverstoßes vom 29. März 2018 erklärte der Antragsteller zwar, sich äußern zu wollen, ließ anschließend aber über seinen Prozessbevollmächtigten erklären, sich nicht daran erinnern zu können, zum Vorfallszeitpunkt das Fahrzeug gefahren zu sein und sich auch selbst auf dem Lichtbild nicht wiedererkennen zu können. Angaben zu dem Kreis möglicher Fahrzeugnutzer machte er nicht. Im Rahmen eines ergänzend durchgeführten Besuches des Antragstellers am 24. Mai 2019 zum Zwecke der Fahrerermittlung machte der Antragsteller keine Angaben (Bl. 27 d. BA 001). Auch im Anhörungsbogen anlässlich des Verkehrsverstoßes vom 2. Juni 2018 erfolgte von Seiten des Antragstellers keine Mitwirkung bei der Fahrerermittlung. Er machte keinerlei Angaben und erklärte lediglich, nicht selbst der verantwortliche Fahrzeugführer gewesen zu sein und den Verstoß nicht zuzugeben (Bl. 5a d. BA). Im Rahmen eines auch in diesem Fall erfolgten Besuchs erklärte der Antragsteller ebenfalls, keine Angaben machen zu wollen (Bl. 15a/16a d. BA).

Danach muss sich der Antragsteller eine mangelnde Mitwirkung an der Fahrerfeststellung entgegenhalten lassen, da er keine konkreten Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer gemacht hat. Die zuständige Ordnungswidrigkeitenbehörde hat indes unter Berücksichtigung der Mitwirkung des Antragstellers alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers ergriffen, ohne dass dies zum Erfolg führte.

Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches ist auch nicht ermessensfehlerhaft im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO. Hiernach ist das Gericht darauf beschränkt, die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin darauf zu prüfen, ob die Fahrtenbuchauflage deshalb rechtswidrig ist, weil sie die gesetzlichen Grenzen des ihr eingeräumten Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Hierfür ist nichts ersichtlich.

Der Antragsgegner hat von seinem Entschließungsermessen in ordnungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht. In diesem Zusammenhang ist allgemein anerkannt, dass nicht jeder Verkehrsverstoß ausreichend ist, um die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der einzelne Verkehrsverstoß auch als „erheblich“ genug für die Fahrtenbuchanordnung, d.h. nicht als geringfügig darstellt (VG Oldenburg, Urt. v. 6. Juli 2011 – 7 A 3283/09 – juris, Rn. 21; VG Oldenburg, Beschl. v. 30. März 2009 – 7 B 1004/09 – juris, Rn. 8). Als Maßstab für das Gewicht einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO ist das Punktsystem nach Anlage 13 zu § 40 FeV heranzuziehen. Ein Verkehrsverstoß von hinreichendem Gewicht ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Verkehrszuwiderhandlung darin mit mindestens einem Punkt bewertet wird. Dies gilt selbst dann, wenn durch den Verkehrsverstoß eine konkrete Gefährdung nicht eingetreten ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 8. Juli 2005 – 12 ME 185/05 – juris, Rn. 5).

Die Erheblichkeit des Verkehrsverstoßes ist vor diesem Hintergrund zutreffend festgestellt worden. Bei den Verkehrsverstößen handelt es sich um Geschwindigkeitsüberschreitungen außerhalb geschlossener Ortschaften in Höhe von 34 km/h (29. März 2018) bzw. innerhalb geschlossener Ortschaften in Höhe von 26 km/h (2. Juni 2018). Für einen Geschwindigkeitsverstoß in Höhe von 34 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften sehen Ziffer 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV sowie Ziffer 11.3.6 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage BKat i.V.m. § 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs. 1 Nr. 3, 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 lit. c StVO einen Punkt im Fahreignungsregister und eine Geldbuße in Höhe von 120 € vor. Eine innerorts begangene Geschwindigkeitsüberschreitung von 26 km/h ist nach Ziffer 3.2.2 der Anlage 13 zu § 40 FeV sowie Ziffer 11.3.5 des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage BKat i.V.m. § 24 Abs. 1 StVG, 49 Abs. 1 Nr. 3, 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVO mit einem Punkt im Fahreignungsregister und einer Geldbuße in Höhe von 100 € zu ahnden. Diese vom Verordnungsgeber vorgenommene Bewertung rechtfertigt es, den Verstoß gegen die Verkehrsvorschrift als so gewichtig einzustufen, dass auch ohne zusätzliche Umstände die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches verhältnismäßig ist (BVerwG, Urt. v. 17. Mai 1995 – 11 C 12/94 – juris, Rn. 10; Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 8. Juli 2005 – 12 ME 185/05 – juris, Rn. 5).

Keine Ermessensfehler sind ebenfalls im Hinblick auf die Erstreckung der Fahrtenbuchanordnung auf Ersatz- oder Nachfolgefahrzeuge gemäß § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO zu erkennen. Ist der von einer Fahrtenbuchauflage Betroffene nicht mehr Halter des Tatfahrzeugs,

   „so kann sich die Anordnung auf das seither angeschaffte Nachfolgefahrzeug beziehen (…). Ebenso lässt es der Sicherungszweck des § 31a StVZO zu und wird es regelmäßig sogar erfordern, die Maßnahme auf das oder die Fahrzeuge zu erstrecken, die vor Ablauf der Zeit, für die das Fahrtenbuch geführt werden muss, an die Stelle des oder der in der Verfügung bezeichneten Kraftfahrzeuge treten. Das hat seinen Grund darin, dass die Gefährdung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, der die Fahrtenbuchauflage begegnen will, mit dem Fortfall eines bestimmten Fahrzeugs nicht ebenfalls fortfällt. Aus diesem Grund ist der Begriff „Ersatzfahrzeug“ in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO weit auszulegen. Er erfasst nicht nur das - vor oder während der Geltung der Fahrtenbuchauflage anstelle des veräußerten - neu angeschaffte Fahrzeug, sondern vielmehr auch alle anderen Fahrzeuge des Halters, die im Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs, für das die Fahrtenbuchanordnung gilt, von ihm betrieben werden und demselben Nutzungszweck zu dienen bestimmt sind.“
(Nds. OVG Lüneburg, Beschl. v. 30. April 2015 – 12 LA 156/14 –)

Bei der Entscheidung, auf welche Fahrzeuge sich die Anordnung beziehen soll, steht dem Antragsgegner ein Ermessenspielraum zu, bei dessen Ausfüllung er eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, mit welchem Fahrzeug des Halters voraussichtlich künftig Verkehrszuwiderhandlungen begangen werden könnten (Dauer in Hentschel/König/ders., Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 58). Von einem Ersatzfahrzeug ist dabei immer schon dann auszugehen, wenn der Betroffene die Verfügungsbefugnis und Kontrolle über dieses Fahrzeug in dem Sinne hat, dass er es selbst nutzen oder anderen zur Nutzung überlassen kann (VGH München, Beschl. v. 13. August 2008 – 11 ZB 08.1390 – juris, Rn. 9).

Die Erstreckung der Fahrtenbuchanordnung auf das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen F. erscheint vor diesem Hintergrund nicht ermessensfehlerhaft. Der Antragsteller hat (auch) über das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen F. die alleinige Verfügungsbefugnis und kann es demnach auch anderen zur Nutzung überlassen. Das Vorbringen des Antragstellers, dass dieses Fahrzeug einer rein privaten Nutzung unterliege und weitere Fahrzeugführer somit nicht in Betracht kämen, vermag an der rechtlichen Würdigung nichts zu ändern: Ungeachtet der Tatsache, dass diese Behauptung vom Antragsteller nicht weiter substantiiert wird, begründet doch gerade die Tatsache, dass der Antragsteller sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen B. zuvor einem großen – und ihm offenbar unüberschaubaren – Kreis von Fahrzeugnutzern überlassen hat, den Grund für die Fahrtenbuchanordnung. Dieser Anordnung kann er sich nun aber nicht schon durch das pauschale Vorbringen entziehen, dass das Ersatzfahrzeug einem völlig anderen Nutzungszweck unterliegt und dadurch keinem größeren Nutzerkreis zugänglich ist. An dieser Stelle kommt der prognostische Charakter der behördlichen Entscheidung über die Bestimmung eines Ersatzfahrzeugs zum Tragen: Es stellt sich insbesondere die Frage, mit welchem Fahrzeug der Antragsteller nun, da er sein (angeblich) ausschließlich zu Firmenzwecken genutztes Fahrzeug verkauft hat, gewerblich veranlasste Fahrten durchführt. Hierzu wird nichts vorgetragen, stattdessen nur allgemein auf den Charakter des Ersatzfahrzeugs als „reines Privatfahrzeug“ verwiesen und im Übrigen ausgeführt, zu weiteren Auskünften nicht verpflichtet zu sein. Dass der Antragsteller mit dem Ersatzfahrzeug – wie von ihm behauptet – keine Verkehrsordnungswidrigkeiten begehen wird, gilt es im Übrigen durch die Anordnung eines Fahrtenbuches gerade nachweisbar zu dokumentieren. Es erscheint auch zur hinreichenden Überzeugung des Gerichts nicht ausgeschlossen, dass es auch mit dem neu zugelassenen Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen F. zu wiederholten Verkehrsverstößen kommt, weshalb die Prognoseentscheidung des Antragsgegners nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen ist. Eine Erledigung der Anordnung gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG ist durch den Verkauf des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen B. somit nicht gegeben, entfaltet sie doch nunmehr rechtliche Wirksamkeit für das Ersatzfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen F.

Auch die Ausübung des Auswahlermessens durch den Antragsgegner begegnet vorliegend keinen rechtlichen Bedenken. Der Beklagte ordnete die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von zwölf Monaten an. Diese Dauer verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchauflage ist insbesondere das Gewicht des festgestellten Verkehrsverstoßes – bzw. in diesem Fall der festgestellten Verkehrsverstöße – zu berücksichtigen. Zudem durfte der Antragsgegner das Verhalten des Fahrzeughalters bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes sowie etwaige Maßnahmen, die für die Zukunft weitere Verstöße verhindern sollen, unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr würdigen (vgl. Nds. OVG Lüneburg, Urt. v. 10. Februar 2011 – 12 LB 318/08 – juris, Rn. 21). Durch die Reform des Fahreignungsbewertungssystems werden im Wesentlichen nur noch unmittelbar verkehrssicherheitsrelevante Verstöße eingetragen und mit Punkten bewertet. Vor diesem Hintergrund werden in der Rechtsprechung keine Bedenken gesehen, die Dauer einer Fahrtenbuchanordnung bereits bei mit einem (neuen) Punkt bewerteten Verstößen regelhaft mit zwölf Monaten zu bemessen, wenn es sich um einen Erstverstoß handelt (OVG Münster, Beschl. v. 13. Januar 2016 – 8 A 1030/15 – juris, Rn. 15) und im Wiederholungsfall mit 24 Monaten (OVG Münster, Beschl. v. 13. Januar 2016 – 8 A 1217/15 – juris, Rn. 13; zu Vorstehendem Dauer in Hentschel/König/ders., Straßenverkehrsrecht, 45 Aufl. 2019, § 31a StVZO Rn. 53).

Dem Antragsteller sind vorliegend zwei mit seinem Fahrzeug begangene Verkehrsverstöße vorzuhalten, die beide mit einem Punkt im Fahreignungsregister zu ahnden wären. Bereits der Erstverstoß am 29. März 2018 rechtfertigt demnach schon eine Fahrtenbuchanordnung für die Dauer von zwölf Monaten. Durch das Hinzutreten eines wiederholten Geschwindigkeitsverstoßes, der ebenfalls mit einem Punkt im Fahreignungsregister zu ahnden wäre, besteht an der Verhältnismäßigkeit der Anordnungsdauer kein ernstlicher Zweifel.

Zuletzt bemerkt die Kammer mit Blick auf das Hauptsacheverfahren, dass auch die Kostenfestsetzung durch den Antragsgegner keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Sie beruht auf § 6a Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Abs. 2 Satz 1 StVG, §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) i.V.m. Ziffer 252 der Anlage 1 zu § 1 GebOSt und erscheint mit Verwaltungsgebühren in Höhe von 100 Euro und Auslagen in Höhe von 3,50 Euro als mit dem entstandenen Verwaltungsaufwand vereinbar. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und orientiert sich an Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Wert ist abhängig von der Dauer der Fahrtenbuchauflage und beträgt 400,00 Euro je Monat, so dass bei einer Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten im Hauptsacheverfahren ein Wert von 4.800,00 Euro anzusetzen ist. Da im vorliegenden Eilverfahren lediglich eine vorläufige Regelung getroffen wird, ist der Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren (2.400.00 Euro).

- nach oben -







Datenschutz    Impressum