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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss vom 18.01.2019 - 1 L 1587/18.NW - Konsum der Droge Amphetamin bzw. Ecstasy

VG Neustadt v. 18.01.2019: Entziehung der Fahrerlaubnis bei Konsum der Droge Amphetamin bzw. Ecstasy


Das Verwaltungsgericht Neustadt (Beschluss vom 18.01.2019 - 1 L 1587/18.NW) hat entschieden:

   Die Fahrerlaubnis ist - ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen und ohne, dass es auf einie Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ankommt - zu entziehen, wenn der Betroffene Amphetamin bzw. Ecstasy bewusst konsumiert hat, wobei bereits die einmalige Einnahme solcher sogenannten harten Drogen für den Wegfall der Fahreignung genügt.


Siehe auch
Ecstasy (MDMA) im Fahrerlaubnisrecht
und
Stichwörter zum Thema Drogen


Gründe:


Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Dezember 2018 hat keinen Erfolg.

Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag ist unbegründet. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus. Denn der angefochtene Bescheid erweist sich bei der im Eilverfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung als rechtmäßig, und es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an seinem sofortigen Vollzug.

Der Bescheid, mit dem die Fahrerlaubnis des Antragstellers entzogen, ein Zwangsgeld angedroht und eine Verwaltungsgebühr festgesetzt wurden, ist formell rechtmäßig.

Die gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG, § 28 Abs. 1 VwVfG gebotene Anhörung des Antragstellers ist erfolgt.




Der Antragsgegner hat den von ihm angeordneten Sofortvollzug der Ziffern 1 bis 4 des Bescheids gemäß § 80 Abs. 3 VwGO schriftlich und auf den Einzelfall des Antragstellers bezogen begründet. Er verweist in der – textlich zur Begründung des Bescheids abgesetzten – besonderen Begründung der Vollzugsanordnung im Einzelnen auf die Wirkungsweise der konkret vom Antragsteller konsumierten Substanzen Amphetamin/Ecstasy und die Gefahren atypischer Rauschverläufe sowie mögliche Nachhalleffekte und die daraus resultierende besondere Gefährlichkeit des Drogenkonsums. Dass diese Begründung inhaltlich auch in anderen Fällen einer Fahrerlaubnisentziehung wegen des Konsums harter Drogen so oder ähnlich im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO herangezogen werden könnte, macht die Ausführungen nicht "formelhaft". Ob die Begründung des Antragsgegners den Sofortvollzug inhaltlich trägt, ist im Rahmen der formellen Begründungsanforderungen unerheblich. Dazu nimmt das Gericht nämlich eine eigenständige Interessenabwägung vor.

Der Bescheid vom 4. Dezember 2018 ist auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die darin verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers sind §§ 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG –, 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – i. V. m. Ziff. 9.1 der Anlage 4 zur FeV. Nach diesen Vorschriften hat die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Der Nachweis der fehlenden Fahreignung ist im Regelfall erfüllt, wenn der Betroffene Betäubungsmittel i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes (mit Ausnahme von Cannabis) eingenommen hat. Dabei genügt bereits die einmalige Einnahme solcher sogenannten harten Drogen nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte für den Wegfall der Fahreignung. Das alles hat der Antragsgegner unter zutreffender Heranziehung der einschlägigen Rechtsprechung in der Begründung des Bescheids im Einzelnen dargelegt, auf die das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug nimmt. Auch der Antragsteller hat diese Rechtslage im Eilverfahren nicht in Zweifel gezogen. Er hat sich danach durch den von ihm eingeräumten, bewussten Konsum der Droge Amphetamin bzw. Ecstasy anlässlich des Festivalbesuchs am ersten Septemberwochenende 2018 als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen. Das gilt in gleicher Weise für die Nutzung fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr, die ihm vom Antragsgegner ebenfalls untersagt wurde.




Die vom Antragsteller vorgebrachten Umstände vermögen keine Ausnahme von dem in Ziff. 9.1 der Anlage 4 zur FeV normierten Regelfall des Fahreignungsausschlusses zu begründen.

Gemäß der hier in Betracht zu ziehenden Ziffer 3 der Vorbemerkungen zur Anlage 4 FeV gelten die in den einzelnen Ziffern der Anlage vorgenommenen Bewertungen für den Regelfall. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich. Ergeben sich im Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, kann eine medizinisch-​psychologische Begutachtung angezeigt sein. Im vorliegenden Fall beruft sich der Antragsteller der Sache nach auf eine besondere Einstellung und Verhaltenssteuerung, indem er nämlich Vorkehrungen dafür getroffen habe, den Drogenkonsum anlässlich des von ihm besuchten Festivals und eine Teilnahme am Straßenverkehr pflichtgemäß und zuverlässig zu trennen. So habe er an den fraglichen Tagen ausschließlich öffentliche Verkehrsmittel genutzt und zudem im Anschluss an das Festivalwochenende noch zwei Tage Urlaub genommen, um nach einem etwaigen Drogenkonsum auszunüchtern. Darin liegen aber keine in Bezug auf den Konsum harter Drogen beachtlichen Umstände, die ein Absehen vom Regelfall der Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV rechtfertigen könnten.


Dabei ist nämlich zu sehen, dass es auf die von ihm geltend gemachte Trennung zwischen Drogenkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr im Rahmen der Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV überhaupt nicht ankommt. Im Unterschied zu einem Alkohol- und Cannabiskonsum folgt der Eignungsausschluss beim Konsum anderer Betäubungsmitteln, die dem Betäubungsmittelgesetz unterfallen, ohne Rücksicht auf eine Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss – und mithin im Umkehrschluss auch unerachtet eines diesbezüglichen Trennungsvermögens des Betroffenen – allein aufgrund der Tatsache der Drogeneinnahme selbst. Dies wird begründet mit der erheblichen Gefährlichkeit und unberechenbaren Wirkung dieser Drogen, die für den Konsumenten insbesondere auch in ihrer zeitlichen Dimension nicht ausreichend vorhersehbar und kontrollierbar sind. So ist es für den Konsumenten nur sehr eingeschränkt möglich, den Verlauf und die Intensität der Wirkung u.a. von der aktuellen Empfindung abhängig zu steuern und die Konsummengen der eigenen Verträglichkeit anzupassen. Zudem tritt die Wirkung abhängig von der Konsumform in unterschiedlichen zeitlichen Abständen zur Drogenaufnahme ein. Das Auftreten atypischer Rauschverläufe, ungewünschter und oft auch unerwarteter Nachhalleffekte in der Nachrauschphase, Abklingsyndrome und Entzugserscheinungen erschweren die Wirkungskontrolle zusätzlich. Bei welcher Person mit welchem Konsumverhalten zu welchem Zeitpunkt solche Effekte auftreten, lässt sich nicht zuverlässig einschätzen. Der Drogenkonsument, der zudem nicht die Möglichkeit hat, Art, Inhalt und Qualität eines ihm überlassenen oder von ihm erworbenen Drogenpräparats genügend zu kennen, muss mithin bei oder nach dem Drogenkonsum stets mit für ihn unerwarteten und ihm bisher unbekannten Wirkungsweisen und Folgen rechnen (vgl. zum Ganzen Schubert u.a. Hrsg, Kommentar zu den Begutachtungs-​Leitlinien zur Kraftfahreignung, 2. Auflage, Ziffer 3.12, Seite 169 f.).

Aus diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen ergibt sich unmittelbar, dass die Vorkehrungen des Antragstellers gegen eine Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss am Wochenende des Konsums und für nur weitere zwei Tage keine besondere Einstellung oder Verhaltenssteuerung gewährleisten und folglich keine Ausnahme vom Eignungsausschluss gemäß Ziff. 9.1 Anlage 4 zur FeV begründen können. Das beschriebene hohe Risiko nach der Einnahme sogenannter harter Drogen, das den Wegfall der Fahreignung schon bei einmaliger Einnahme rechtfertigt, kann dadurch nicht – ausnahmsweise – beherrscht werden. Das gilt insbesondere für die von ihm zur "Ausnüchterung" vorgesehene, sehr begrenzte Zeit von nur zwei Tagen.

Beim feststehenden Wegfall der Fahreignung unterbleibt die Anordnung weiterer Aufklärungsmaßnahmen durch die Fahrerlaubnisbehörde (vgl. auch § 11 Abs. 7 FeV). Nachweise zur aktuellen Drogenfreiheit, wie die vom Antragsteller im Verwaltungsverfahren angebotenen Urin-​Screenings, können allein im Wiedererteilungsverfahren berücksichtigt werden, in dem die Wiederherstellung der Eignung gemäß Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV zu prüfen ist.



In der vorliegenden Situation besteht auch nach Überzeugung des Gerichts ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Fahrerlaubnisentziehung sowie des Verbots, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Insoweit verweist die Kammer erneut und zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Ausführungen des Antragsgegners zum Sofortvollzug, § 117 Abs. 5 VwGO. Der Antragsteller kann demgegenüber kein überwiegendes privates Interesse am vorläufigen Erhalt seiner Fahrerlaubnis geltend machen. Insbesondere müssen etwaige berufliche Nachteile gegenüber dem Interesse an der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und der anderen Verkehrsteilnehmer zurücktreten.

Aus den gleichen Gründen kann schließlich auch der Eilantrag gegen die im Bescheid enthaltenen Maßnahmen der Zwangsmittelandrohung und der Gebührenerhebung, gegen die der Antragsteller keine spezifischen Einwände erhoben hat, keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Wert des Verfahrensgegenstands wird gemäß §§ 52, 53 GKG i. V. m. Ziff. 46.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169 ff.) auf die Hälfte des für die Fahrerlaubnis Klasse B samt Einschlussklassen einschlägigen Regelstreitwerts festgesetzt.

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