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Landgericht Bonn Urteil vom 16.01.2019 - 1 O 131/18 - Sittenwidrigkeit und KBA

LG Bonn v. 16.01.2019: Sittenwidrigkeit und Haltung des Kraftfahrtbundesamts


Das Landgericht Bonn (Urteil vom 16.01.2019 - 1 O 131/18) hat entschieden:

   Die Entscheidung des Kraftfahrtbundesamtes, von der Möglichkeit des § 25 Abs. 3 EG-FGV keinen Gebrauch zu machen und stattdessen nach § 25 Abs. 2 EG-FGV den von der Beklagten vorgelegten Zeit- und Maßnahmenplan im Wege einer nachträglichen Nebenbestimmung für verbindlich zu erklären, beruht offenkundig auch auf politischen Erwägungen und der großen Zahl der Betroffenen. Ein Fahrverbot für Millionen von Autos im Privatbesitz und die damit einhergehende wirtschaftliche Entwertung dieser Fahrzeuge wollte das Kraftfahrbundesamt offenbar nicht anordnen. Hinzu kam die wirtschaftliche Bedeutung der Beklagten und ihrer Tochterunternehmen als Arbeitgeberin und Steuerzahlerin. Allein die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Beklagten und die damit einhergehende weite Verbreitung der eingesetzten Umschaltlogik vermögen das sittliche Unwerturteil über das Verhalten der Beklagten jedoch nicht abzumildern.


In gleichem Sinn hinsichtlich der Sittenwidrigkeit Landgericht Bonn (Urteil vom 16.01.2019 - 1 O 138/18)

Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Tatbestand:


Der Kläger schloss am 01.12.2012 - so der Beklagtenvortrag (S.2 der Klageerwiderung = Bl. ... d.A.) - oder am 16.04.2013 - so der Klägervortrag (S.4 der Klageschrift; Rechnung Anlage K1, ebenda) - mit der Autozentrum B GmbH einen Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Neuwagen vom Typ D 2.0 $$$ P zum Kaufpreis von 24.322,80 EUR.

Herstellerin des Fahrzeuges ist die D Auto a.s., eine Tochtergesellschaft der Beklagten. Der Motor des Fahrzeuges wurde von der Beklagten entwickelt, gebaut und an die D Auto a.s. geliefert.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs ... ausgestattet und mit der Abgasnorm EURO 5 zertifiziert. Die verbaute Software der Motorsteuergeräte verfügt über eine Umschaltlogik, die erkennt, wenn das Fahrzeug den sogenannten Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt.

Bei dem NEFZ handelt es sich um einen gesetzlich vorgegebenen Testlauf, der aus fünf synthetischen Fahrkurven besteht. Im NEFZ werden bei Testfahrzeugen unter Laborbedingungen die für die Erlangung einer Typengenehmigung maßgeblichen Abgaswerte gemessen. Denn Hersteller von Fahrzeugen müssen nach der VO (EG) Nr.715/2007 (Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.06.2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge nachweisen, dass die von ihnen produzierten (Neu-​) Fahrzeuge über eine Typengenehmigung verfügen. Zur Erlangung dieser Typengenehmigung müssen die Fahrzeuge bestimmte, unter diesen Laborbedingungen gemessene, Emissionsgrenzwerte einhalten.




Erkennt die im streitgegenständlichen Fahrzeug ursprünglich installierte Software diese Testbedingungen des NEFZ, so wird die Abgasrückführung des Fahrzeuges so gesteuert, dass möglichst wenig Stickoxide (NOx) ausgestoßen werden ("NOx-​optimierter Modus 1"). Im normalen Fahrbetrieb und Straßenverkehr ist hingegen der "Abgasrückführungs-​Modus 0" aktiv, weshalb die NOx-​Emissionen dann höher sind. Die Beklagte oder die K A.S. informierten weder den Kläger noch die zuständigen Genehmigungsbehörden über das Vorhandensein einer solchen Motorsteuerung.

Das Kraftfahrt-​Bundesamt ordnete zunächst den Rückruf aller mit dem Motortyp ... EU5 und der beschrieben Umschaltlogik versehenen Fahrzeuge an und genehmigte später ein von der Beklagten für diesen Motortyp entwickeltes Softwareupdate. Dieses wurde am Fahrzeug des Klägers am 05.12.2016 aufgespielt.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 09.02.2018 (Anlage K36 zur Klageschrift) forderte der Kläger die Beklagte zur Abholung des Fahrzeuges Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises unter Fristsetzung zum 23.02.2018 auf. Ferner forderte er die Beklagte binnen gleicher Frist zur Freistellung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.899,24 EUR auf.

Am 08.06.2018 wies das streitgegenständliche Fahrzeug eine Laufleistung von circa 160.000 Kilometern auf (S.1 der Klageerwiderung = Bl. ... d.A.).

Der Kläger behauptet, dem Fahrzeug wohne auch nach dem Software-​Update ein merkantiler Minderwert inne. Dieser betrage mindestens 20% des ursprünglichen Kaufpreises.

Mit der Beklagten am 27.04.2018 zugestellter Klageschrift hat der Kläger angekündigt zu beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.322,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.02.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges zu zahlen, und den Verzug der Beklagten mit der Annahme dieses Fahrzeuges festzustellen. Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zur (Rück-​)Zahlung des Kaufpreises ohne Abzug einer Nutzungsentschädigung verpflichtet. Dies ergebe sich aus dem europarechtlichen Effektivitätsgrundsatz, so dass die entscheidungserheblichen Fragestellungen gemäß Art.267 AEUV dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen seien.

Mit der Beklagten am 16.07.2018 zugestelltem Schriftsatz vom 10.07.2018 hat der Kläger sein Klagebegehren umgestellt auf den Ersatz einer merkantilen Wertminderung, die dem Grunde und der Höhe nach zwischen den Parteien streitig ist.

Der Kläger beantragt,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte merkantile Wertminderung von mindestens 4.864,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

  2.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.899,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.02.2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Rechtsansicht, die Umstellung des Klagebegehrens in der Replik vom 10.07.2018 stelle eine Klageänderung dar, zu der sie die Einwilligung verweigert. Sie ist ferner der Auffassung, bei der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware handele es sich nicht um eine verbotene Abschalteinrichtung, da diese Software nicht auf das Emissionskontrollsystem einwirke und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems zudem nicht im Laufe des realen Fahrzeugbetriebes reduziere. Ohnehin komme es für die Typgenehmigung allein auf die Emissionen auf dem Prüfstand an. Zudem sei die Annahme eines Schadens auch durch die Durchführung des Software-​Updates ausgeschlossen. Durch die Abstimmung und Überprüfung der technischen Maßnahmen mit dem Kraftfahrt-​Bundesamt sei sichergestellt, dass sich die technischen Maßnahmen nicht negativ auf den Kraftstoffverbrauch, die Leistung, die Lebensdauer und die CO²-​Emissionen des Fahrzeugs auswirken würden. Gehe man von einem Ersatzanspruch des Klägers aus, sei von dem Kaufpreis bei Zugrundelegung einer voraussichtlichen Gesamtlaufleistung von 250.000 km und unterstellter Richtigkeit der von dem Kläger mitgeteilten Fahrleistung von circa 160.000 Kilometern ein Nutzungsersatz von 15.566,59 EUR abzuziehen (S.173 der Klageerwiderung = Bl. ... d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich des Klageantrages zu 2. begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus den §§ 826, 31, 249 Abs.1 BGB einen  Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 808,01 EUR wegen vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

1.  Dadurch, dass die Beklagte die D Auto a.s. mit dem von ihr hergestellten Diesel-​Motor der Baureihe ... und der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware beliefert hat, hat die Beklagte gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB verstoßen, denn ihr war bekannt, dass diese technischen Komponenten in das streitgegenständliche Fahrzeug verbaut, dieses dann Fahrzeug verkauft und damit in den Verkehr gebracht werden würde.

Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15 = NJW 2017, 250, juris Rd.16; BGH, Urteil vom 20.11.2012 - VI ZR 268/11 = NJW-​RR 2013, 550 = juris Rd.25 jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Gesamtcharakter des Verhaltens der Beklagten war mit den guten Sitten nicht vereinbar.

Die Beklagte hat durch ihr Verhalten dazu beigetragen, die Vorschriften zur Abgasmessung und Einstufung in Schadstoffklassen im Rahmen der Erlangung einer EG-​Typgenehmigung weitgehend zu umgehen. Sie hat das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem von ihr hergestellten Motor ausstatten lassen, auf dem die mit der beschriebenen Umschaltlogik versehene Software installiert war. Dies führte dazu, dass die tatsächlichen NOx-​Emissionen des Fahrzeugs im täglichen Betrieb nicht mit den auf dem Prüfstand ermittelten NOx-​Emissionen korrelierten. Vielmehr entkoppelte die eingesetzte Motorsteuerungssoftware das tatsächliche Emissions-​Verhalten von dem Emissions-​Verhalten im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), das Grundlage der Erlangung der EG-​Typengenehmigung war.

Dem kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegen halten, dass aufgrund der vom NEFZ abweichenden Realität des alltäglichen Straßenverkehrs ohnehin in der Fahrpraxis mit abweichenden Emissionen als auf dem Prüfstand zu rechnen sei. Dies trifft zwar zweifellos zu. Sinn und Zweck des NEFZ und der Schadstoffklassen im Allgemeinen ist es jedoch - wie der Beklagten bekannt sein musste - unter vergleichbaren Bedingungen das Emissionsverhalten von Kraftfahrzeugen zu messen und zu begrenzen, um so deren Emissionsverhalten in der Praxis zu beschränken. Anders als von der Beklagten angenommen ist das praktische Emissionsverhalten daher nicht rechtlich irrelevant. Dessen Begrenzung ist gerade das Ziel sämtlicher Emissionsregulierungen.

Den Zusammenhang zwischen dem Emissionsverhalten auf dem Prüfstand im NEFZ und dem Emissionsverhalten im Fahralltag hat die Beklagte durch den Einsatz der Umschaltlogik aufgehoben, denn sie hat dafür gesorgt, dass die für die Reduzierung der NOx-​Emissionen notwendige erhöhte Abgasrückführung in der Praxis nicht erfolgt. Damit hat sie die Schadstoffprüfung und die Einstufung der mit ihren Motoren ausgestatteten Kraftfahrzeuge in Schadstoffklassen ad absurdum geführt. Dies und die damit verbundene Umweltbeeinträchtigung sprechen schon für sich genommen, für die Annahme von Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten.


Hinzu kommt, dass die Beklagte durch ihr Verhalten die Käufer derart ausgestatteter Fahrzeuge der Gefahr ausgesetzt hat, die Möglichkeit der Nutzung ihres Fahrzeugs dauerhaft oder vorübergehend zu verlieren. Durch den Einsatz der Umschaltlogik bestand von Anfang an die Gefahr, dass die zuständigen Behörden in der faktischen Umgehung der Abgasprüfung einen Verstoßes gegen VO (EG) Nr. 715/2007 sehen würden, mit einhergehender fehlenden Genehmigungsfähigkeit des Fahrzeugs. Damit hat die Beklagte die Käufer der mit von ihr derart entwickelten Motoren ausgestatteten Fahrzeuge der Gefahr ausgesetzt, dass das Kraftfahrtbundesamt nach Bekanntwerden des Einsatzes der Umschaltlogik die Typgenehmigung nach § 25 Abs. 3 EG-​FGV aufheben würde. Dies hätte zur Folge gehabt, dass allen mit dem streitgegenständlichen Motortyp ausgestatteten Fahrzeugen die Zulassung entzogen worden wäre.

Dass es hierzu letztlich nicht gekommen ist, vermag die Beklagte nicht zu entlasten. Die Entscheidung des Kraftfahrtbundesamtes, von der Möglichkeit des § 25 Abs. 3 EG-​FGV keinen Gebrauch zu machen und stattdessen nach § 25 Abs. 2 EG-​FGV den von der Beklagten vorgelegten Zeit- und Maßnahmenplan im Wege einer nachträglichen Nebenbestimmung für verbindlich zu erklären, beruht offenkundig auch auf politischen Erwägungen und der großen Zahl der Betroffenen. Ein Fahrverbot für Millionen von Autos im Privatbesitz und die damit einhergehende wirtschaftliche Entwertung dieser Fahrzeuge wollte das Kraftfahrbundesamt offenbar nicht anordnen. Hinzu kam die wirtschaftliche Bedeutung der Beklagten und ihrer Tochterunternehmen als Arbeitgeberin und Steuerzahlerin. Allein die Größe und wirtschaftliche Bedeutung der Beklagten und die damit einhergehende weite Verbreitung der eingesetzten Umschaltlogik vermögen das sittliche Unwerturteil über das Verhalten der Beklagten jedoch nicht abzumildern. Zudem konnte die Beklagte zu dem Zeitpunkt, als sie den Motor für das streitgegenständliche Fahrzeug in den Verkehr brachte, auch nicht wissen, dass sich das Kraftfahrtbundesamt mit einer Nebenbestimmung und der Anordnung von Software-​Updates nach Aufdeckung der Umschaltlogik zufrieden geben werde.

Zu berücksichtigen ist ferner im Rahmen der Beurteilung des Verhaltens der Beklagten, dass das Eigentum an einem Pkw für den Normalbürger im Regelfall eine bedeutende Vermögensposition darstellt. Nach dem möglicherweise vorhandenen Eigenheim macht das eigene Fahrzeug häufig den größten Einzelposten im Gesamtvermögen einer Person oder Familie aus. Auch vor diesem Hintergrund muss es als besonders verwerflich angesehen werden, dass die Beklagte die Käufer und Eigentümer von Fahrzeugen, die mit Motoren der Baureihe ... und der dazugehörigen Umschaltlogik ausgestattet wurden, der Gefahr einer drastischen Entwertung dieser Vermögensposition ausgesetzt hat. Schließlich ist im Rahmen der sittlichen Beurteilung des Verhaltens der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch den Einsatz der Umschaltlogik kein anerkennenswertes Ziel verfolgte. Auch die Beklagte trägt selbst keinen nachvollziehbaren Grund für den Einsatz der streitgegenständlichen Motorsteuerungssoftware vor, welcher geeignet wäre, die Umgehung der zur Emissionsbegrenzung und die damit einhergehende Gefährdung des Vermögens der Käufer von entsprechend ausgestatteten Fahrzeugen in milderem Licht erscheinen zu lassen. Vor diesem Hintergrund bleibt nur die Annahme, die Beklagte habe sich entsprechend verhalten, um die geltenden Abgasvorschriften nicht auf einwandfreiem, teurerem Weg einhalten zu müssen, was gegebenenfalls den wirtschaftlichen Erfolg der Beklagten eingeschränkt hätte. Dies allein vermag die Beklagte jedoch gerade nicht zu entlasten.




2.  Durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten wurde dem Kläger ein Schaden zugefügt.

a)   Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 77.Aufl. 2018, Vorb. v. § 249 Rd.10ff. m.w.N.). Vielmehr ist auch dann, wenn die Differenzhypothese vordergründig nicht zu einem rechnerischen Schaden führt, die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Differenzhypothese muss stets einer normativen Kontrolle unterzogen werden, weil sie eine wertneutrale Rechenoperation darstellt. Dabei ist einerseits das konkrete haftungsbegründende Ereignis als Haftungsgrundlage zu berücksichtigen. Andererseits ist die darauf beruhende Vermögensminderung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände sowie der Verkehrsauffassung in die Betrachtung einzubeziehen. Erforderlich ist also eine wertende Überprüfung des anhand der Differenzhypothese gewonnenen Ergebnisses gemessen am Schutzzweck der Haftung und an der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes. Da der Schadensersatz dazu dient, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen, ist der Schadensbegriff im Ansatz subjektbezogen. Deshalb kann jemand auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass er durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrags gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14 = NJW-​RR 2015, 275 = juris Rd.17 - 19 m.w.N.).

Daraus folgt, dass durch § 826 BGB nicht nur das Vermögen als ökonomischer Wert, sondern zugleich auch die auf das Vermögen bezogene Dispositionsfreiheit des jeweiligen Rechtssubjekts, normativ geschützt wird (vgl. MüKo/Wagner, BGB, 7.Aufl. 2017, § 826 Rd.42).

Ein dem Kläger zu ersetzender Schaden liegt danach bereits wegen des Abschlusses des das streitgegenständliche Fahrzeug betreffenden Kaufvertrages vor. Denn dem Kläger wurde die Möglichkeit genommen, über sein Vermögen unter Einbeziehung aller entscheidungsrelevanten Umstände frei zu entscheiden. In Konsequenz kam es zu einer so nicht gewollten vertraglichen Verpflichtung, deren Rückgängigmachung er mit vorgerichtlichem Schreiben vom 09.02.2018 und seinem ursprünglichen Klageantrag zu 1. in der Fassung der Klageschrift vom 26.03.2018 begehrt hat und die als Schaden vom Schutzzweck des § 826 BGB umfasst ist.

b)   Das sittenwidrige Verhalten der Beklagten war für den Eintritt dieses Schadens auch kausal. Es spricht bereits eine tatsächliche Vermutung dafür, dass ein privater Käufer kein Kraftfahrzeug erwerben möchte, dessen dauerhafter Betrieb rechtlichen Bedenken unterliegt. Insofern überzeugt der Vortrag des Klägers, dass er den streitgegenständlichen Pkw bei Kenntnis des "Abgasskandals" nicht gekauft hätte.  Diesem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegen getreten. Denn es liegt auf der Hand und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein verständiger End- oder Zwischenabnehmer einen Kaufvertrag über ein mit einer Umschaltlogik versehenes und potentiell mit rechtlichen und technischen Folgeproblemen behaftetes Fahrzeug bei nur ansatzweiser Kenntnis des Sachverhalts jedenfalls nicht ohne erheblichen Kaufpreisabschlag abgeschlossen hätte. Das folgt bereits daraus, dass ein Fahrzeugkauf für den Endabnehmer üblicherweise eine verhältnismäßig teure, nicht alltägliche Anschaffung darstellt, bei der der Abwägungs- und Entscheidungsprozess besonders sorgfältig durchgeführt und als besonders wichtig wahrgenommen wird. Dabei rechnet der Durchschnittskäufer eines mit der Abgasnorm EU5 zertifizierten Fahrzeuges regelmäßig damit, dass die nach den Voraussetzungen dieser Norm zu erfüllenden Grenzwerte auch im normalen Fahrbetrieb eingehalten werden und geht insbesondere nicht davon aus, dass die für den Betrieb notwendigen Zulassungen, Erlaubnisse und Genehmigungen durch den Einsatz einer für das Kraftfahrt-​Bundesamt so nicht akzeptablen Software erwirkt wurden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 16.07.2018 - 5 U 82/17 = juris Rd.8f. und Rd.11ff.; OLG Köln, Beschluss vom  20.12.2017 - 18 U 112/17 = NZV 2018, 72 = juris Rd.38f.; LG Bonn, Urteil vom 25.05.2018 - 1 O 148/17 = juris Rd.55 jeweils m.w.N.).

c)  Ein derartiger Schaden wird auch von dem Schutzzweckzusammenhang des § 826 BGB erfasst. Der Kläger ist nämlich von dem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten nicht nur reflexartig betroffen. Sein Schaden ist vielmehr eine typische Folge davon, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Motor mit der fraglichen Umschaltlogik an die D a.s. ausgeliefert und damit in den Verkehr gebracht hat.

Die von der Beklagten verletzte Verhaltensnorm, keine hochwertigen Wirtschaftsgüter in den Verkehr zu bringen, die den rechtlichen Rahmenbedingungen nicht entsprechen beziehungsweise die für die Nutzung notwendige rechtliche Zulassung nur durch Umgehung von Prüf- und Zulassungsverfahren erhalten haben und die nachfolgenden Eigentümer damit der Gefahr behördlicher Maßnahmen bis hin zu einer Nutzungsuntersagung aussetzt, umfasst auch den Schutz derjenigen, die das fragliche Wirtschaftsgut erst nach technischer Weiterverarbeitung in Form einer Endmontage auf dem Fahrzeugmarkt und insbesondere, wie im vorliegenden Fall, bei einem Fahrzeughändler erwerben.

3.   Der Einsatz der Umschaltlogik erfolgte mit rechtswidrigem Schädigungsvorsatz, den sich die Beklagte gemäß § 31 BGB zurechnen lassen muss.

a)   Für den Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB genügt Eventualvorsatz. Dabei braucht der Täter nicht im Einzelnen zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden. Er muss die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens, vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen haben (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 - II ZR 402/02 = BGHZ 160, 149 = juris Rd.47). Auch nach zum Teil vertretener einschränkender Ansicht reicht es aus, wenn der Täter jedenfalls einen bestimmten Personenkreis als Geschädigte vor Augen hatte (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 13.04.2006 - 8 U 29/05 = NJW 2007, 609 = juris Rd.21f.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18.04.2005 - 8 U 3720/04 = DAR 2005, 630; OLG Hamm, Urteil vom 17.12.1996 = NJW 1997, 2121 = juris Rd.18).

Nach diesen Kriterien ist von einem Schädigungsvorsatz auszugehen.




aa)  Mit dem Einsatz der Umschaltlogik war klar, dass potentielle Käufer tatsächlichen und rechtlichen Risiken ausgesetzt werden würden, die diese im Regelfall vom Abschluss eines Kaufvertrages abhalten würden. Die damit einhergehende Einschränkung der Dispositionsfreiheit war ersichtlich und für alle, die Kenntnis von der eingesetzten Software hatten, klar vorauszusehen (kognitives Element). Dass die mit der Umschaltlogik versehenen Fahrzeuge und Motoren trotzdem ohne jegliche Aufklärung in den Verkehr gebracht wurden, bedingt die billigende Inkaufnahme des bereits dargestellten Schadens durch Eingehung eines so nicht gewollten Vertrages (voluntatives Element). Insoweit kann der Beklagten auch nicht ein etwaiges Hoffen auf Nichtentdeckung der Umschaltlogik zu Gute gehalten werden. Denn die sich später realisierten Risiken waren bereits mit dem Inverkehrbringen der mit den von ihr hergestellten Motoren versehenen Fahrzeuge in vollem Umfang gegeben und hätten bei ihrer Offenlegung den von der Beklagten gewollten Vertragsschlüssen bereits zum damaligen Zeitpunkt entgegengestanden.

bb)  Dabei war der als Geschädigte in Betracht kommende Personenkreis auch genügend abgrenzbar. Denn nach der Auslieferung des streitgegenständlichen Motors samt Software entsprach es dem natürlichen und so auch beabsichtigten Geschehensablauf, dass das Fahrzeug zunächst von der D a.s. montiert und dann über entsprechende Fahrzeughändler an die letztlich geschädigten Käufer veräußert werden würde. Genau das war der Zweck der Herstellung und letztlich auch des Einsatzes der Umschaltlogik. Mit diesen (Weiterver-​) Käufen war konkret zu rechnen. Kreis und Anzahl der potentiell in Betracht kommenden Fahrzeugkäufer waren von Anfang an ausreichend bestimmbar, der tatsächlich eingetretene Kausalverlauf war damit vom damaligen Schädigungsvorsatz umfasst.

c)   Das festgestellte vorsätzliche sittenwidrige Verhalten muss sich die Beklagte auch über § 31 BGB zurechnen lassen.

Nach § 31 BGB ist eine juristische Person für den Schaden verantwortlich, den ein verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zugefügt hat. Der Begriff der verfassungsgemäßen Vertreter in diesem Sinne wird in ständiger Rechtsprechung weit ausgelegt (vgl. nur Palandt/Ellenberger, BGB, 77.Aufl. 2018, § 31 Rd.6 m.w.N.). Umfasst sind alle Personen, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind (BGH, Urteil vom 30.10.1967 - VII ZR 82/65 = BGHZ 49, 19).

aa)   Die Kammer hält es bereits für naheliegend, dass die Entwicklung und der Einsatz der Umschaltlogik nicht ohne Kenntnis und nicht ohne Billigung von produktionsverantwortlichen Personen vollzogen werden konnte. Denn die Entwicklung der mit der Umschaltlogik versehenen Software, die in einer Vielzahl von Fahrzeugmodellen zum Einsatz kam, erfordert ein systematisches, koordiniertes und im Ergebnis planvolles Vorgehen im Hause der Beklagten. Die Annahme, dass das Wissen darüber keine verfassungsgemäßen Vertreter im Sinne obigen Definition erreicht haben soll, ist lebensfremd (vgl. LG Bonn, Urteil vom 09.05.2018 - 2 O 224/17 -).

bb)   Entscheidend ist aber, dass die Beklagte dem Vortrag des Klägers zur Kenntnis ihrer Organe vom Einsatz der Umschaltlogik nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten ist und damit die ihr insoweit obliegende Pflicht zum qualifizierten Bestreiten nicht erfüllt hat.

Denn mangels Einblicks in die Organisationsstruktur und Entscheidungsabläufe der Beklagten, war dem Kläger ein näherer Vortrag dazu, wie die Entscheidung für die Entwicklung und den Einsatz der Umschaltlogik innerhalb der Beklagten getroffen wurden, nicht möglich. Zu einer abschließenden namentlichen Benennung der verantwortlichen verfassungsgemäßen Vertreter war der Kläger deshalb weder in der Lage, noch konnte dies von ihm verlangt werden. Es reichte damit auf Darlegungsebene aus, dass der Kläger nachvollziehbar dazu vorgetragen hat, dass Entscheidungsträger der Beklagten Kenntnis von der verwendeten Umschaltlogik hatten beziehungsweise gehabt haben müssen.

Diesem Vortrag ist die Beklagte nicht hinreichend entgegen getreten. Die Beklagte hätte im Rahmen des ihr obliegenden qualifizierten Bestreitens substantiiert zur fehlenden Kenntnis und zum fehlenden Vorsatz ihrer Organe und verfassungsgemäßen Vertreter  im Sinne des § 31 BGB und damit insbesondere dazu vortragen müssen, wer die entsprechenden Entscheidungen auf Grund welcher Befugnisse getroffen hat. Ein Verweis auf noch nicht abgeschlossene interne Ermittlungen und dort (bisher) fehlende Hinweise für eine Kenntnis des Vorstands, genügt dafür nicht.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem hier diskutierten Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28.06.2016 - VI ZR 536/15 (NJW 2017, 250). In diesem Urteil hat der 6. Zivilsenat zwar formuliert, dass die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraussetzt, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Der 6. Zivilsenat hat jedoch gleichzeitig auf die oben bereits zitierte weite Auslegung dieses Begriffes (vgl. BGH, Urteil vom 30.10.1967 - VII ZR 82/65 = BGHZ 49, 19) ausdrücklich Bezug genommen. Verfassungsmäßige Vertreter der Beklagten sind daher nicht nur die Vorstandsmitglieder, sondern jeder dem durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der Beklagten zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind.

Die Beklagte muss sich daher den Einsatz der Umschaltsoftware zur Umgehung der Abgasprüfung bereits dann zurechnen lassen, wenn ein leitender Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene sich zum Einsatz der Umschaltlogik entschlossen hat. Hiervon ist nach dem Sach- und Streitstand auszugehen, denn anders ist der Einsatz der Software in Hunderttausenden von Fahrzeugen der Beklagten und den Motoren, welche die Beklagte der D a.s. und ihren  anderen Tochtergesellschaften zugeliefert hat, nicht zu erklären.

4.   In der Rechtsfolge ist die Beklagte dem Kläger zu der aus dem Tenor ersichtlichen Zahlung von 808,01 EUR verpflichtet. Weitergehende Ansprüche bestehen insoweit nicht.

a)   Aus der hier maßgeblichen Sicht des Klägers war die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe im Zeitpunkt der Mandatierung seiner Prozessbevollmächtigten zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in Form seines Schadensersatzbegehrens gegen die Beklagte mit vorgerichtlichem Schreiben vom 09.02.2018 erforderlich (vgl. BGH NJW 2012, 2194 Rd.8; BGH NJW 1986, 2243, 2245 unter B.IV.; OLG Saarbrücken NJW-​RR 2018, 1516ff. Rd.46; Palandt/Grüneberg, BGB, 77.Aufl. 2018, § 249 Rd.56f.).

Dies folgt im Anschluss an die Ausführungen unter 2.a) bis c) daraus, dass die von dem Kläger seinerzeit begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrages im Grundsatz der Rechtsfolge des ihm zustehenden deliktischen Schadensersatzanspruches entspricht. Denn der zum Schadensersatz Verpflichtete hat nach § 249 Abs.1 BGB den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Damit kann der Geschädigte zwar nicht die Herstellung des gleichen Zustandes verlangen, wie er vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hat. Es kommt vielmehr darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014 - VI ZR 15/14 = NJW-​RR 2015, 275 = juris Rd.25 m.w.N.). Deshalb musste die Beklagte die wirtschaftlichen Folgen des Kaufs dadurch ungeschehen machen, dass sie den Kaufpreis gegen Herausgabe des Pkw erstattet.

b)   Der Höhe nach war der Anspruch allerdings auf 808,01 EUR zu beschränken. Dieser Betrag errechnet sich in Anlehnung an das Mahnschreiben vom 09.02.2018 (vgl. Seite 3 der Anlage K36 zur Klageschrift) ausgehend von dem Gegenstandwert einer damals begründeten Hauptforderung von 8.756,21 EUR (vgl. zu dieser Begrenzung auch OLG Saarbrücken NJW-​RR 2018, 1516ff. Rd.24 und Rd.46; MüKo/Oetker, BGB, 8.Aufl. 2019, § 249 Rd.180) aus einer 1,3-​Geschäftsgebühr (659,00 EUR) zuzüglich 20,00 EUR Pauschale und 19% Umsatzsteuer.

aa)   Die Reduzierung der seinerzeit begründeten Hauptforderung von 24.322,80 EUR - dem Kaufpreis - auf 8.756,21 EUR resultiert aus dem schadensrechtlichen Grundsatz der Vorteilsausgleichung, wonach sich der Kläger auch im Rahmen der §§ 249, 251 BGB die von ihm gezogenen Nutzungen des streitgegenständlichen Fahrzeuges anrechnen lassen muss.

Diese Vorteile sind in Anlehnung an die zu § 346 Abs.2 Ziffer 1. BGB für den Fall des Rücktritts von einem Kaufvertrag über ein Fahrzeug entwickelten Grundsätze nach § 287 ZPO auf 15.566,59 EUR zu schätzen. Hierbei ist die Kammer von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Pkw in Höhe von 250.000 km ausgegangen, weil sich der Kläger zu dieser Frage überhaupt nicht erklärt und diese beklagtenseits bezifferte Gesamtlaufleistung damit unstreitig gestellt hat (§ 138 Abs.3 ZPO). Gleiches gilt für den beklagtenseits vorgetragenen Kilometerstand von circa 160.000 km, den die Kammer in Ermangelung abweichenden Vorbringens deshalb auch für den Zeitpunkt der anwaltlichen Mandatierung zugrunde legt.

Unter Berücksichtigung des Kaufpreises und des Kilometerstandes von 0 km beim Kauf des Fahrzeugs durch den Kläger folgt daraus eine Nutzungsentschädigung von 0,09729 EUR/km, mithin in Höhe von 15.566,59 EUR, die von dem Kaufpreis in Höhe von 24.322,80 EUR abzuziehen war.

bb)   Der Berechnung einer höheren als der aus § 14 RVG und Ziffern 2300, 1008 des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zum RVG folgenden Regelgebühr von 1,3 bedurfte es zur Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruches nach Auffassung der Kammer nicht. Denn die ursprünglich unter dem 26.03.2018 eingeklagten Ansprüche werden von den Prozessbevollmächtigten des Klägers in einer Vielzahl von Verfahren unter Verwendung entsprechend angefertigter Textbausteine geltend gemacht. Schon dieser Umstand spricht gegen den Ansatz einer höheren als der Regelgebühr, so dass eine 2,0 Geschäftsgebühr keine für die außergerichtliche Rechtsverfolgung notwendig gewordenen Kosten im schadensrechtlichen Sinne darstellt. Dies gilt erst Recht in Anbetracht der eher knappen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen in dem vorgerichtlichen Mahnschreiben vom 09.02.2018.

c)   Der Zinsanspruch ergibt sich infolge der Mahnung vom 09.02.2018 aus den §§ 286 Abs.1, 288 Abs.1 BGB und war wegen der dort gesetzten Frist nur ab dem 24.02.2018 zuzusprechen.

II.

Der Kläger hat indes gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Wertminderung von 4.864,56 EUR. Denn dieses gemäß § 264 Ziffer 3. ZPO in formeller Hinsicht unbedenklich geänderte Klagebegehren wird von dem hier allein in Betracht kommenden Schadensersatzanspruch aus den §§ 826, 31, 249 Abs.1 BGB nicht erfasst.


1.   Anknüpfend an die schadensrechtlichen Erwägungen unter I.2.a) bis c) und 4.a) kommt eine derartige Rechtsfolge hier schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger selbst nicht geltend macht, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug nur zu einem um mindestens 20% geminderten Kaufpreis erworben hätte. Vielmehr beruft sich der Kläger nach wie vor und wie bereits in der Klageschrift darauf, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis der den "Abgasskandal" begründenden Umstände überhaupt nicht erworben hätte (S.122 der Replik = Bl... d.A.). Gerade dieser Aspekt der Motivation des Vertragsschlusses liegt indes dem normativen Ansatz einer Schadensberechnung (oben unter I.2a) und b)) zugrunde. Die nunmehr begehrte Zahlung einer Wertminderung stellt demgegenüber keinen in seiner haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Ursächlichkeit schlüssig vorgetragenen Schaden des Klägers im Sinne der §§ 249f. BGB dar.

2.   Ungeachtet dessen hat der Kläger auch nicht schlüssig dargetan, dass der Wert des streitgegenständlichen Fahrzeuges nach dem Software-​Update vom 05.12.2016 in seinem Wert gemindert ist und dass diese Wertminderung auf das hier zur Diskussion stehende Verhalten der Beklagten haftungsrechtlich zurückzuführen ist.

Soweit der Kläger technisch nachteilige Folgen des Software-​Updates behauptet (S.113ff. der Replik = Bl.... d.A.), erschließt sich nicht, auf welcher Grundlage und bezogen auf welche konkreten Fahrzeugmodelle diese Stellungnahmen Dritter beruhen. Es ist nicht ersichtlich, auf welche aktuellen technischen Maßnahmen sich diese Überlegungen beziehen, die zudem jedenfalls nicht den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp betreffen.

Aus Sicht eines verständigen Kunden ergeben sich allein hieraus keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Folgemängeln (vgl. OLG Dresden NZV 2018, 269, 271 Rd.29ff.; abweichend zu diesem Beurteilungsmaßstab: LG Bückeburg, Urteil vom 11.01.2017 - 2 O 39/16 - unter B.I.b.aa) = BeckRS 2017, 102958; LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016 - 2 O 83/16 = NJW-​RR 2016, 1397, 1398; LG Dortmund, Urteil vom 29.09.2016 - 25 O 49/16 = zusammenfassend Lempp NZV 2017, 48; Heintz jM 2017, aaO., 356f.). Es fehlt deshalb an einer tatsächlichen Grundlage für die (berechtigte) Befürchtung, dass das Fahrzeug wegen der streitgegenständlichen Softwareinstallation einschließlich des Software-​Updates nie frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird (vgl. BGH NJW 2013, 1523ff. = juris Rd.28 - zu einem sogenannten "Montagsauto"; OLG Dresden, aaO., Rd.33). Denn es fehlt nach alledem gerade an einer im vorliegenden Fall zutage getretenen besonderen Fehleranfälligkeit des Fahrzeuges und/oder der Nachbesserungsmaßnahmen, auf die diese Befürchtung gestützt werden könnte (vgl. BGH NJW 2013, 1523ff. = juris Rd.28; OLG Dresden, aaO., Rd.35ff.; Palandt/Weidenkaff, BGB, 77.Aufl. 2018, § 440 Rd.8 jeweils m.w.N.).

Besteht aber keine Grundlage für die (berechtigte) Vermutung, dass die Softwareinstallationen - möglicherweise unerkannt - zu nachteiligen Folgen für die Nutzbarkeit und Lebensdauer des betroffenen Fahrzeuges führen können (so etwa bei reparierten Unfallfahrzeugen, vgl. nur OLG Dresden, aaO., Rd.34f.; Palandt/Grüneberg, aaO., § 251 Rd.14 m.w.N.), so kann ein Minderwert des Fahrzeuges hierauf gerade nicht zurückgeführt werden (zutreffend LG Braunschweig, Urteil vom 15.11.2017 - 3 O 271/17 = juris Rd.35f.). Dies gilt erst Recht in Anbetracht der unterschiedlichen Gründe für Preisschwankungen und Wertverluste auf dem Fahrzeugmarkt, die insbesondere für Dieselfahrzeuge auch auf die zunehmende umweltpolitische Diskussion zurückgeführt werden können und die deshalb nicht in den Schutzbereich der hier zur Diskussion stehenden deliktischen Haftung der Beklagten fallen. Die von dem Kläger dargestellten - streitigen - "Preisstürze" bei Dieselfahrzeugen unterstreichen in Anbetracht der sich hier aufdrängenden Ursachenfaktoren der Medienberichterstattung, der vielfältigen Reaktionen in der Bevölkerung, der Rabattaktionen der Händler sowie nicht zuletzt der Diskussion um ein Diesel-​Fahrverbot in Städten nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.02.2018 diese Würdigung.

3.   Auf Ansprüche aus einem Auskunfts- oder Garantievertrag kann dieser Anspruch schon deshalb nicht gestützt werden, da vertragliche Beziehungen der Parteien nicht bestehen. Die Beklagte ist auch nicht Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeuges.




4.   Der Aspekt der effektiven Umsetzung einer europäischen Richtlinie durch den nationalen Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber (vgl. Harke, VuR 2017, 83, 84f. sowie ferner - zur Frage der Eigenschaft von EU-​Recht als Gesetz im Sinne von § 823 Abs.2 BGB - Palandt/Sprau, BGB, 77.Aufl. 2018, § 823 Rd.57 jeweils m.w.N.) rechtfertigt schon deshalb keine abweichende Beurteilung, weil der Kläger nicht darlegt, aus welchen konkreten europarechtlichen Regelungen sich die Unzulässigkeit der hier aufgezeigten Schadensbetrachtung ergeben soll (vgl. auch zu der zweifelhaften Frage der Gewährung von individuellem Rechtsschutz in Form von Schadensersatz aufgrund der VO (EG) Nr.715/2007, der zu ihrer Durchführung verfassten VO (EG) Nr.692/2008 sowie der EG-​Fahrzeuggenehmigungsverordnung vom 03.02.2011: einerseits LG Bonn, Urteil vom 02.02.2018 - 1 O 140/17 -; Reichhold in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, juris-​PK BGB, 8.Auf. 2017, § 826 Rd.59.1; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13.Aufl. 2017, Rd.1897; Riehm DAR 2016, 12, 13; andererseits LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017 - 3 O 252/126 = juris;  Harke VuR 2017, 83 - 93; Heintz jM - juris Monatszeitschrift - 2017, 354, 358 jeweils m.w.N. zum Streitstand). Vor diesem Hintergrund besteht auch für die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 10.07.2018 (Bl. ... - ... d.A.) beantragte Vorlage zur Vorabentscheidung in Ermangelung näheren Sachvortrages zu etwaigen entscheidungserheblichen Fragestellungen im Sinne von Art.267 AEUV kein Anlass.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs.1, 92 Abs.2 Ziffer 1. ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO einerseits und den §§ 708 Ziffer 11., 711 ZPO andererseits.

Streitwert:  24.322,80 EUR.

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