Das Verkehrslexikon

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Landgericht Leipzig Urteil vom 10.01.2019 - 4 O 2474/17 - Spurwechsel und unklare Verkehrslage

LG Leipzig v. 10.01.2019: Unklare Verkehrslage beim Ansetzen zum Spurwechsel


Das Landgericht Leipzig (Urteil vom 10.01.2019 - 4 O 2474/17) hat entschieden:

  1.  Verlässt ein Kfz-Führer auf der Autobahn die ganz linke von drei Fahrspuren teilweise, zieht dann aber sein Fahrzeug noch vor dem kompletten Spurwechsel wieder in die ursprüngliche Position zurück, und kommt es dabei zu einer Kollision mit einem auf dem ganz linken Fahrstreifen in Überholabsicht herannahenden Kfz, liegt für den Überholenden eine unklare Verkehrslage vor (Haftungsanteil 60% : 40% zu Lasten des Überholenden).

  2.  Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht.


Siehe auch
Unklare Verkehrslage
und
Unabwendbares Ereignis / höhere Gewalt - Gefährdungshaftung


Tatbestand:


Der Kläger begehrt von den Beklagten die Bezahlung von Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall.

Am 25.05.2017 gegen 13.20 Uhr befuhr der Kläger mit seinem PKW VW Passat die BAB 9 in Fahrtrichtung München auf der linken von drei Fahrspuren in Höhe des Rastplatzes Kappellenberg bei Kilometer 109,8. Hinter dem Kläger auf der linken Fahrstreifen fuhr zunächst ein grünes Fahrzeug, dann der Beklagte zu 1) mit dem bei der Beklagten zu 2) versicherten PKW Skoda. Es kam zur Kollision zwischen dem Fahrzeug des Klägers und dem des Beklagten zu 1), wodurch Sachschaden an beiden Fahrzeugen sowie an der Leitplanke entstand. Das grüne Fahrzeug war nach dem Verkehrsunfall verschwunden. Die Reparaturkosten am klägerischen Fahrzeug sind im vom Kläger eingeholten Sachverständigengutachten mit 7.933,85 € netto ermittelt worden, die Sachverständigengebühren betrugen 1.092,66 € brutto. Am klägerischen Fahrzeug ist eine Wertminderung von 300,00 € durch den Sachverständigen festgestellt worden. Pauschal sind dem Kläger Unkosten in Höhe von 20,00 € entstanden.

Der Kläger behauptet, er sei mit etwa 150 km/h gefahren. Hinter ihm sei ein grünes Fahrzeug dicht aufgefahren, durch das er sich bedrängt gefühlt habe. Er habe deshalb auf die mittlere freie Spur wechseln wollen. Er sei bis an den rechten Rand der linken Spur gefahren, ohne diese zu verlassen und habe gerade rechtzeitig bemerkt, dass nunmehr das grüne Fahrzeug ihn auf der mittleren Spur überholt habe und habe sein Fahrzeug wieder vollständig auf die linke Spur zurückgezogen. Der Beklagte zu 1) habe nach dem Spurwechsel des grünen Kfz sein Fahrzeug stark beschleunigt und sei dem Kläger hinten schwerpunktmäßig in die linke Seite gefahren. Der Beklagte zu 1) habe zum Unfallzeitpunkt die Richtgeschwindigkeit erheblich überschritten gehabt.




Der Kläger beantragt,

  1.  die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 9.346,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2017 zu zahlen.

  2.  Die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, das vor dem Beklagten zu 1) zunächst auf der linken Fahrbahn fahrende grüne Fahrzeug und der Kläger hätten sich bereits vollständig auf der mittleren Fahrspur eingeordnet. Der Beklagte zu 1) habe weiter geradeaus fahrend auf der linken Fahrbahn beschleunigt, um zu überholen. Als sich das Fahrzeug des Beklagten zu 1) dann auf der Höhe des klägerischen Fahrzeug befunden habe, sei dieses von der mittleren Spur kommend nach links auf die linke Fahrspur gewechselt und kollidierte dort mit der rechten Seite des Fahrzeugs des Beklagten zu 1). Das Fahrzeug des Beklagten zu 1) sei dadurch nach links gedrückt worden und kollidierte auf der linken Seite mit der Mittelleitplanke.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes und für die Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst derer Anlagen Bezug genommen.

Die Verkehrsunfallakte der PD Leipzig APRev/SD, Vorgangsnummer 3402/17/144310 wurde beigezogen.

Es wurde Beweis erhoben durch die Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 1) sowie der uneidlichen Vernehmung der Zeuginnen Frau ... und Frau .... Hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2018 Bezug genommen. Dann wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten zum Unfallhergang eingeholt. Für das Ergebnis des Gutachtens wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 25.09.2018 verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf die Bezahlung von 40 % seines durch den Verkehrs Unfall am 25.05.2017 erlittenen Schadens in Höhe von 3.738,60 €, § 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 115 VVG, weil die gemäß § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile dazu führt, dass den Beklagten eine 40 %ige Haftung an dem Unfall trifft.

Für keine Partei ist die Haftung aufgrund höherer Gewalt ausgeschlossen, § 7 Abs. 2 StVG. Höhere Gewalt ist ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 44. Aufl. 2017, § 7 StVG Rn. 32, m.w.N). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.

Die in Ermangelung eines für beide Beteiligte - Kläger und Beklagter zu 1) - unabwendbaren Ereignisses (vgl. § 17 Abs. 3 StVO) gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile führt vorliegend zu einer Quote von 60 % für den Kläger und 40 % für den Beklagten zu 1).

Gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG hängt in dem Verhältnis der Unfallbeteiligten zueinander die Verpflichtung zum Schadenersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Die danach gebotene Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge ist aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben; in erster Linie ist dabei das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 133/11, NJW 2012, 1953; Senat, Urteil vom 19. Mai 2009 - 4 U 347/08-​109, OLGR 2009, 636).

Unstreitig sind die Parteien vor der Kollision zunächst auf der linken Fahrbahn auf der Autobahn gefahren. Nach Angaben des Klägers betrug die Geschwindigkeit dabei etwa 150 km/h, nach Angabe des Beklagten zu 1) ca 100 - 120 km/h. Sowohl nach den Aussagen des Beklagten zu 1), als auch nach den Erläuterungen des Klägers ist das zwischen den Parteien fahrende grüne Fahrzeug auf die mittlere Fahrbahn gewechselt. Sowohl der Kläger als auch der Beklagte zu 1) erklären, dass der Kläger kurz vor der Kollision nach links gelenkt hat und die Kollision auf dem linken Fahrstreifen auf der BAB 9 passierte. Unstreitig ist auch, dass der Beklagte zu 1) den Kläger zum Zeitpunkt der Kollision links überholen wollte.

Durch die durchgeführte Beweisaufnahme ist die Unfallschilderung des Klägers in der Klageschrift, er habe die linke Fahrbahn zu keinem Zeitpunkt verlassen, widerlegt. Der Kläger selbst schildert in seiner Anhörung bereits, er sei nie vollständig auf der mittleren Spur gewesen. "also es fehlte vermutlich nicht mehr viel, aber ich war nie vollständig auf der mittleren Spur". In der Anhörung hat der Kläger damit selber geschildert, dass er nicht mehr vollständig auf der linken Fahrbahn gewesen ist. Diese Behauptung steht allein in der Klageschrift. Die Schilderung des Unfallverlaufs durch den Kläger selbst war nicht nur widersprüchlich zu der Behauptung in der Klageschrift, sondern auch zu der schriftlichen Schilderung des Unfallhergangs durch den Kläger in der beigezogenen Ermittlungsakte der Autobahnpolizei. Denn dort schreibt der Kläger, er sei auf "halber Strecke zwischen den Spuren gewesen, als er bemerkte, dass das grüne Fahrzeug ihn nunmehr rechts überholen wollte". Insgesamt räumt der Kläger nach Nachfragen durch das Gericht und dem Beklagtenvertreter aber glaubhaft ein, dass er vor der Kollision zumindest dabei war die linke Fahrbahn zu verlassen und diese auch bereits zumindest teilweise verlassen habe. Auch die Zeugin Frau ..., die Frau des Klägers erklärte glaubhaft, sie seien etwa zur Hälfte auf die mittlere Spur gefahren. Die Zeugin ... versuchte sich an die Situation des Unfalls zu erinnern, auch an die Details und diese zu erläutern. Dadurch hat das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Schilderungen, die die Zeugin vor Gericht machte. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass sie die Ehefrau des Klägers ist und gegebenenfalls ein Interesse an dem Ausgang des Verfahrens hat. Nach der Aussage des Klägers und der Zeugin ... steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger mit einem Spurwechsel von der linken auf die mittlere Spur begonnen hat und dabei bereits zumindest mit einem Teil seines Fahrzeugs auf der mittleren Spur gefahren ist.


Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme, insbesondere aufgrund des schriftlichen Sachverständigengutachtens steht darüber hinaus zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Erstkontakt der Kollision zwischen dem vorderen rechten Kotflügel, Stoßfänger und Vorderrad des Fahrzeugs des Beklagten zu 1) und dem vorderen linken Kotflügel, Stoßfänger und Vorderrad des klägerischen PKW VW erfolgte. Dies steht aufgrund der schriftlichen Ausführungen des fachkundigen Sachverständigen von der ... im Gutachten zu dem diesem zur Verfügung stehenden und ermittelten Anknüpfungstatsachen fest, aus denen er plausibel und nachvollziehbar dargelegt, wie die Anstoßsituation der Fahrzeuge bei der Kollision gewesen ist. Das Gericht hat keine Zweifel an der Richtigkeit der schriftlichen sachverständigen Feststellungen. Denn diese sind ausführlich begründet und damit nachvollziehbar. Zweifel werden auch von den Parteivertretern an diesen Feststellungen nicht geäußert. Der Sachverständige führt auf Seite 16 im mittleren Absatz aus, im Ergebnis der zuordenbaren Spuren beider Fahrzeuge ergibt sich ein technisch-​plausibel nachvollziehbarer Unfallablauf, bei dem sich das Beklagtenfahrzeug vom Typ Skoda zum Zeitpunkt der Erstkontaktierung bereits auf Höhe des Klägerfahrzeuges vom Typ VW Passat befand. Die Winkelstellung zwischen beiden Fahrzeugen muss zum Zeitpunkt der Erstkontaktierung ca 3 bis 6 Grad betragen haben.

Damit ist auch die Behauptung des Klägers widerlegt, es habe sich bei der Kollision um einen Auffahrunfall gehandelt. Denn bei der sich aus den Kollisionsbeschädigungen vom Sachverständigen ermittelten Erstkontaktierung müssen die Fahrzeuge nebeneinander gefahren sein und der Beklagte zu 1) das schnellere Fahrzeug gelenkt haben. Zur Plausibilität eines Auffahrunfalls führt der Sachverständige im Gutachten auf Seite 18 im unteren Absatz überzeugend aus, wenn der Beklagte zu 1) mit einem Geschwindigkeitsüberschuss zunächst gegen das Fahrzeug des Klägers VW gestoßen wäre, so wäre durch die nach links gerichtete Lenkbewegung des Klägerfahrzeugs eine durchgehende Kontaktsituation mit der vorderen rechten Ecke des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) entstanden und der PKW Skoda des Beklagten würde nach links in die Leitplanke abgewiesen worden sein. Aufgrund der geringen Restfahrbahnbreite wäre ein Anstoß des PKW Skoda mit der Fahrzeugfront gegen die Leitplanke zu erwarten gewesen.

Weiter ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger vor der Kollision sein Fahrzeug nach links gelenkt hat. Auf der Seite 17 im mittleren Absatz führt der Sachverständige zur Überzeugung des Gerichts hierzu aus, dass sich die Beschädigungsbilder an beiden Fahrzeugen prinzipiell plausibel mit einem Spurwechselvorgang bzw. einer instinktiven Lenkbewegung des Klägerfahrzeuges nach links in Übereinstimmung bringen, bei der das Beklagtenfahrzeug nachfolgend zur Mittelleitplanke abgewiesen wurde. Eine Lenkbewegung nach links des Klägers ist auch unstreitig. D.h., der Kläger hat vor der Kollision eine Lenkbewegung nach links gemacht, zu einem Zeitpunkt als er im Begriff war, die von ihm befahrene linke Spur nicht nur zu verlassen, sondern bereits begonnen hat, auf die mittlere Spur zu fahren. Er hat einen Spurwechsel bereits eingeleitet und ist über die Fahrspurmarkierung Richtung mittlere Fahrspur gefahren. Nach § 7 Abs. 5 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. § 7 Abs. 5 StVO schreibt vor, dass in allen Fällen ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Äußerste Sorgfalt fordert jeder Fahrstreifenwechsel, auch wenn er nur teilweise vollzogen wird (König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 7 StVO Rdnr. 17). Es kann zwar durch den Sachverständigen ohne objektive Anknüpfungstatsachen (Unfallspuren) nicht weiter eingegrenzt werden, wo sich beide Fahrzeuge in Bezug auf die Breite des linken Fahrstreifens zum Kollisionszeitpunkt befanden, aber dies kann auch dahinstehen, denn der Kläger begann mit seinem Fahrzeug einen Spurwechsel. Er hat dann nach links zurück gelenkt und damit den Beklagten zu 1) gefährdet. Der Kläger ist beim zurück lenken gegen das Fahrzeug des Beklagten zu 1) gefahren, den bereits neben ihm fahrenden PKW hat er wohl erst im Zeitpunkt der Kollision bemerkt hat. Damit hat er gegen § 7 Abs. 5 StVO verstoßen.

Es steht nach der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung fest, dass der Kläger den Fahrspurwechsel bereits vollständig abgeschlossen hat. Der Sachverständige schreibt auf Seite 20 im vorletzten Absatz seines Gutachtens, dass durch ihn nicht mehr aufgeklärt werden kann, ob das Klägerfahrzeug den linken Fahrstreifen vor dem Beginn des Überholvorganges durch das Beklagtenfahrzeug bereits vollständig verlassen, d.h. die Fahrstreifenmarkierung vollständig mit der linkseitigen Bereifung überfahren hatte. Darüber hinaus steht die Aussage des Klägers und der Zeugin ... sie seine noch nicht vollständig auf den mittleren Fahrstreifen gewechselt, als sie nach links zurück lenkten, gegen die Aussage des Beklagten zu 1) und der Zeugin ..., dass beide Fahrzeuge, dass grüne und das des Klägers parallel auf die mittlere Fahrspur gewechselt hätten. Ein abgeschlossener Spurwechsel durch den Kläger ist nicht beweisen.




Damit haben aber die Beklagten nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1) das Fahrzeug des Klägers entsprechend § 5 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 StVO zulässig überholen durften.

Zum Zeitpunkt der Kollision war der Beklagte zu 1) im Begriff, den Kläger links zu überholen. Er fuhr mit einem, bei der Kollision durch den Sachverständigen festgestellten "Geschwindigkeitsüberschuss". Der Beklagte zu 1) schilderte, er habe beschleunigt nachdem beide Fahrzeuge vor ihm parallel auf die mittlere Fahrspur gewechselt sind. Nach seinen Angaben hat er auf ca. 150 km/h erhöht, was bedeutet, dass er mit 20 km/h über der Richtgeschwindigkeit gefahren ist. Er fuhr zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls schneller als der Kläger auf der linken Fahrspur.

Der Beklagte zu 1) und auch die Zeugin ... behaupten, beide vor ihnen fahrende Fahrzeuge seien parallel auf den mittleren Fahrstreifen gewechselt. Dann habe der Beklagte zu 1) beschleunigt. Sie konnten beide keine Angaben dazu machen, ob das grüne Fahrzeug den Kläger bedrängt habe, oder wie dieses gefahren sei. Beide sagten auch nichts dazu, ob das grüne Fahrzeug den Kläger rechts überholt habe. Der Beklagte zu 1) will erst das grüne Fahrzeug überholt haben und erst als er auf der Höhe des klägerischen Fahrzeugs gewesen sei, sei dieser immer weiter "Rübergekommen" Als er auf der Höhe des klägerischen Fahrzeugs gewesen sei, habe seine Frau etwas gesagt, wie, der kommt rüber oder so. Genau dies erklärte auch die Zeugin .... Sie habe noch etwas gesagt, dann sei es bereits zur Kollision gekommen. Diese Unfallschilderung widerspricht der Schilderung des Klägers und dessen Frau insoweit, dass der Kläger nach Beginn des Spurwechsels bereits vor vollständigem Spurwechsel gesagt hat, oh jetzt überholt uns der Grüne ja von rechts und dann bereits zurück lenkte. Es kann durchaus sein, dass das klägerische Fahrzeug gleichzeitig mit dem grünen Fahrzeug auf die mittlere Spur begonnen hat zu wechseln. Nicht fest steht aber, ob der Kläger den Spurwechsel von der linken auf die mittlere Spur vollständig abgeschlossen habe. Dort solange gefahren sei, bis der Beklagte zu 1) beschleunigt habe, das grüne Fahrzeug überholt habe und erst als der Beklagte zu 1) dann auf der linken Fahrspur neben dem auf der mittleren Fahrspur fahrenden Kläger sich befand, dann dieser einen Spurwechsel von der mittleren auf die linke Fahrspur ausgeführt habe.



Jedes Überholen ist aber bei einer unklaren Verkehrslage, gleichgültig aus welchem Grund, nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO unzulässig. Da der Beklagte zu 1) direkt nach dem gleichzeitigen eingeleiteten Spurwechsel von zwei vor ihm fahrenden Fahrzeugen beschleunigte, um diese zu überholen und nicht beweisen konnte, dass tatsächlich beide Fahrzeuge den Spurwechsel abgeschlossen haben, ist davon auszugehen, dass er bei einer noch unklaren Verkehrslage entgegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO überholt hat. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge zur Kollision von Kläger und Beklagten zu 1) führt zu einer Quote von 60 % zu 40 % zu Lasten des Klägers, da er bei dem erst nach rechts eingeleiteten Spurwechsel ohne weiter Beachtung des nachfolgenden Verkehrs, insbesondere des Beklagten zu 1), wieder nach links fuhr, er musste damit rechnen, dass nach dem von ihm eingeleiteten Spurwechsel der ihm nachfolgende Verkehr ihn beabsichtigt zu überholen.

Der Kläger hat einen Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert bis 4000,00 € entsprechend §§ 13, 14 RVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

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