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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss vom 13.01.2019 - 22 W 43/18 - Hauptsache Erledigung nach Anhängigkeit

OLG Frankfurt am Main v. 13.01.2019: Erledigungserklärung und Kostenantrag


Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 13.01.2019 - 22 W 43/18) hat entschieden:

   Auch nach der Neufassung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ist es im Fall der Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der Klage zulässig, die Klage auf Feststellung der Kostentragung zu ändern.


Siehe auch
Erledigungserklärung und Kostenentscheidung
und
Stichwörter zum Thema Verfahrenskosten / Prozesskosten


Gründe:


I.

Die Klägerin hat mit der Klage Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom ... in Stadt1 geltend gemacht. Nach Anhängigkeit, aber vor Rechtshängigkeit der Klage hat der Beklagte die Klageforderung weitgehend gezahlt.

Die Klägerin hat daraufhin ihren Klageantrag umgestellt und hinsichtlich des gezahlten Betrags beantragt, festzustellen, dass der Beklagte insoweit die Kosten des Rechtsstreits zu tragen habe. Die Klägerin hat dabei deutlich gemacht, dass sie nicht von der Möglichkeit der Teilklagerücknahme mit Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO Gebrauch machen wolle, sondern eine streitige Entscheidung wünsche. Auf Vorschlag des Gerichts haben sich die Parteien in der Hauptsache geeinigt und im Vergleich eine Kostenentscheidung des Gerichts gemäß § 91a ZPO gewünscht.

Dem hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss entsprochen und die Kosten überwiegend, und zwar in Bezug auf die Höhe des durch den Beklagten gezahlten Betrags, der Klägerin auferlegt. Es hat sich dabei auf die Anwendungsnotwendigkeit des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO berufen; die Klägerin habe unzulässig die Erledigung der Hauptsache festgestellt haben wollen.

Dagegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.




II.

Der angefochtene Beschluss ist auf die zulässige Beschwerde aufzuheben, da er rechtlichen Bedenken unterliegt.

Dem Landgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass es bei einer Erfüllung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der Klage an einem Prozessrechtsverhältnis fehlt, so dass eine streitige Feststellung der Erledigung der Hauptsache nicht in Betracht kommt.

Wie dieser Fall befriedigend zu lösen ist, war bis zur Reform der ZPO 2001 umstritten. Der Reformgesetzgeber hat zur Lösung dieser Frage in der ZPO-Reform § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO eingeführt und sich mithin für die Lösung der Klagerücknahme mit einer Kostenentscheidung nach Billigkeitserwägungen ähnlich wie § 91a ZPO entschieden.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist dadurch anderen Lösungswegen, insbesondere der Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs aus Verzugsgesichtspunkten, keineswegs der Boden entzogen worden.

Es steht jedem Kläger frei, die Klage mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zurückzunehmen und die dann entstandenen Kosten vom Beklagten in einem gesonderten Verfahren als Schadensersatz zu verlangen (BGH NJW 2013, 2201 ). Sind diese Kosten noch nicht bezifferbar, steht dem Kläger nach allgemeinen Grundsätzen die Feststellungsklage zur Verfügung.

Vorliegend ist die Klägerin einen dritten Weg gegangen und hat die Klage in der Weise geändert, als sie die Feststellung der Kostentragungspflicht des Beklagten verlangt. Dies entspricht der Handhabung, die viele Gerichte vor der Einführung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO angewandt haben.

Ob dies - quasi als Umgehung des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO - zulässig ist, ist höchstrichterlich bisher ersichtlich noch nicht entschieden, folgt aber zwingend aus der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.), der § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO nicht als abschließend hinsichtlich der Kostenverteilung nach Erledigung zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit ansieht.

In diesem Fall muss es dann auch zulässig sein, im Wege der Klageänderung zur Vermeidung eines weiteren Prozesses den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, der sich aus der Haftung des Klägers als Kostenschuldner für die bisher angefallenen Gerichts- und außergerichtlichen Kosten ergibt, im selben Prozess gerichtlich geltend zu machen (vgl. nur Becker-Eberhardt Münchner Kommentar 2016 § 269 ZPO Rz. 67 m.w.N.).

In der entsprechenden Klageänderung ist zugleich die (ggf. Teil-)Rücknahme der bisherigen Klage zu sehen, so dass die Kosten auch entsprechend eingrenzbar sind, ohne dass es wegen des Charakters der Feststellungsklage auf die genauen Beträge ankäme (vgl. zur Zulässigkeit der Klageänderung auch Musielak/Voit 15. Aufl. 2018, § 91a ZPO Rz. 38).




Mangelndes Rechtsschutzbedürfnis kann dagegen nicht eingewandt werden; auf dem Wege über die summarische Billigkeitsentscheidung über die Kosten gemäß § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO erreicht der Kläger das Ziel der Erstattung seiner Kosten nicht mit derselben Zuverlässigkeit wie mit der Kostenklage aus materiellem Recht. Der Weg des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist weder notwendig einfacher und billiger noch vergleichbar sicher und wirkungsvoll (Zöller-Greger § 269 ZPO 31. Aufl. 2016, Rz. 18e). Eine Verdrängung der materiellen Kostenklage durch Abs. 3 S. 3 kraft prozessualer Spezialität lässt sich hier ebenso wenig bejahen wie sonst im Verhältnis zwischen materiell-rechtlicher Kostenklage und prozessualer Kostenentscheidung (Münchner Kommentar a.a.O. m.w.N.).

War mithin der Antrag der Klägerin zulässig, hätte das Landgericht - aller Voraussicht nach positiv - darüber entscheiden müssen. Die getroffene Kostenentscheidung stellt sich deshalb als rechtsfehlerhaft dar und muss neu in eigener Zuständigkeit getroffen werden.

Die Kostenentscheidung für die Beschwerdeinstanz beruht auf den §§ 21 GKG, 572, 91 ZPO.

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