Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgerichtshof München Beschluss vom 10.01.2019 - 10 C 17.350 - Beweiswürdigung und polizeilicher Tatsachenvortrag

VGH München v. 10.01.2019: Beweiswürdigung und polizeilicher Tatsachenvortrag


Der Verwaltungsgerichtshof München (Beschluss vom 10.01.2019 - 10 C 17.350) hat entschieden:

   Das bloße, pauschale Bestreiten konkreter ihm vorgehaltener Vorfälle durch den Betroffenen reicht nicht aus, den einen polizeilichen Tatsachenvortrag in Zweifel zu ziehen, und macht weitere Ermittlungen der Behörde nicht nötig. Ebenso trifft zu, dass die Einstellung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 StPO nicht vornherein bedeutet, dass sich der fragliche Vorfall nicht ereignet hat.


Siehe auch
Beweisführung und Beweiswürdigung
und
Stichwörter zum Thema Verwaltungsverfahrensrecht


Gründe:


Mit seinen Beschwerden verfolgt der Kläger und Antragsteller (im Folgenden: Kläger) seine in erster Instanz erfolglosen Anträge weiter,

   ihm für eine Klage und einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beim Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe zu gewähren und seinen Rechtsanwalt beizuordnen.

Gegenstand der Klage (M 22 K 15.5865) und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 22 S 15.5866) war der Bescheid der Beklagten und Antragsgegnerin (im Folgenden: Beklagten) vom 2. Dezember 2015, mit dem gegen den Kläger – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung – ein auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG gestütztes bayernweites Mitführ- und Transportverbot für (jeweils näher beschriebene) Messer aller Art und gefährliche Werkzeuge sowie für Tierabwehrsprays verhängt und ein Zwangsgeld angedroht wurde. Der Kläger beantragte für die Klage und den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jeweils Prozesskostenhilfe, was das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. November 2016 mangels hinreichender Erfolgsaussichten ablehnte. Die Klage wurde mit Urteil vom 15. Dezember 2016 abgewiesen, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 15. Dezember 2016 abgelehnt; Rechtsmittel wurden in beiden Fällen nicht eingelegt.




Die gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden sind zulässig (§ 146 Abs. 1 VwGO), jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat in beiden Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorlagen.

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife hatten sowohl die Klage wie auch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Als Zeitpunkt der Entscheidungsreife ist dabei der 8. März 2016 anzusehen, denn an diesem Tag ging die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit den erforderlichen Unterlagen bei Gericht ein; die Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die Akten vorgelegt und sich zu den Verfahren geäußert, so dass die Entscheidung über die gestellten Prozesskostenhilfeanträge ergehen konnte.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Sachverhaltsfeststellungen durch die Beklagte die streitgegenständliche Verfügung gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG rechtfertigen. Diese hat die entsprechenden Mitteilungen der Polizei nicht lediglich unkritisch übernommen, sondern auf der Grundlage der mitgeteilten Tatsachen eine eigene Beurteilung der Gefahrenlage mit einer nachvollziehbaren Prognose erstellt und eine sachgerechte Ermessensentscheidung getroffen (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2008 – 10 C 08.817 – juris Rn. 17 f.). Insbesondere wurde die Stellungnahme des Klägers vom 13. September 2015 auf das Anhörungsschreiben vom 25. August 2015 wiederum der Polizei zugeleitet, die sodann auf dessen Ausführungen – soweit sie ausreichend substantiiert waren – eingegangen ist. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass das bloße, pauschale Bestreiten konkreter ihm vorgehaltener Vorfälle durch den Kläger nicht ausreicht, den polizeilichen Tatsachenvortrag in Zweifel zu ziehen; weitere Ermittlungen der Beklagten zur Sachverhaltsaufklärung waren daher nicht mehr notwendig. Ebenso trifft seine Aussage zu, dass die Einstellung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen nach § 170 Abs. 2 StPO nicht vornherein bedeutet, dass sich der fragliche Vorfall nicht ereignet hat. Die streitgegenständliche Anordnung beruhte daher im Gegensatz zur Meinung des Klägers durchaus auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage.




Dies gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte in der Begründung des Bescheids vom 27. November 2015 auch zwei Vorfälle herangezogen hat, die sich erst nach dem Anhörungsschreiben vom 25. August 2015 ereignet hatten und zu denen der Kläger somit nicht mehr angehört worden ist. Die Behörde muss im Rahmen einer Anhörung im Sinn des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ankündigen, dass der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt sei, und dem Betroffenen Gelegenheit geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Entscheidungserheblich sind diejenigen Tatsachen, die nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Entscheidung eine andere wäre (Herrmann in Bader/ Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand 1.10.2018, § 28 Rn. 15 f., m.w.N.). Diesen Anforderungen hat die Anhörung des Klägers durch die Beklagte genügt. Die von ihr vorgenommene Gefahrenprognose beruht auf einer Abwägung und Gesamtwürdigung einer Mehrzahl von Tatsachen, insbesondere auf der erheblichen Anzahl der beim Kläger aufgefundenen Waffen und gefährlichen Gegenstände („Affinität zu Waffen aller Art“). Dabei ist nicht ersichtlich, dass die Entscheidung anders ausgefallen oder gar unterblieben wäre, wenn die beiden Vorfälle vom 19. Oktober und 3. November 2015 in dem Bescheid keine Berücksichtigung gefunden hätten; sie waren somit für den Erlass und den Inhalt des Bescheids nicht (mehr) entscheidungserheblich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

- nach oben -







Datenschutz    Impressum