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Oberlandesgericht Hamburg Beschluss vom 10.04.2018 - 14 U 106/17 - Unterlassene Reparatur des Zündschlosses

OLG Hamburg v. 10.04.2018: Leistungsausschluss in der Kfz-Teilkaskoversicherung bei unterlassener Reparatur des Zündschlosses


Das Oberlandesgericht Hamburg (Beschluss vom 10.04.2018 - 14 U 106/17) hat entschieden:

   Der Versicherer, der sich auf eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls beruft, weil der Versicherungsnehmer ein defektes Zündschloss nicht hat reparieren lassen, trägt die Beweislast dafür, dass die gefahrerhöhende unterlassene Reparatur für den Versicherungsfall zumindest mitursächlich war. - Die Frage, ob das Unterlassen der gebotenen Reparatur des Zündschlosses eine bewusste subjektive Gefahrerhöhung darstellt und deshalb zur Leistungsfreiheit führt, kann unentschieden bleiben, wenn der Versicherer in Kenntnis des gefahrerhöhenden Umstandes (infolge eines von veranlassten Gutachtens zu einem vorangegangenen Vollkaskoschaden) eine rechtzeitige Vertragskündigung unterlassen hat.


Siehe auch
Gefahrerhöhung in der Kfz-Versicherung
und
Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Gründe:


I.

Hinweis

Der Berufung ist darin Recht zu geben, dass das Landgericht die für das Abstellen des Fahrzeugs benannte Zeugin hätte vernehmen müssen. Soweit Zeugen vorhanden sind, kann die erforderliche Vernehmung nicht durch die bloße Anhörung der Partei ersetzt werden, weil sie sich insoweit gerade nicht in Beweisnot befindet. Im Übrigen sind die Berufungsangriffe aber nicht begründet:

1. Die Berufung macht geltend, der Kläger habe hinsichtlich des Haftpflichtschadens aus dem Jahr 2012/2013, nämlich der Delle auf der Fahrerseite, im Schadensformular arglistig falsch behauptet, der Schaden sei behoben worden. Das ist nicht überzeugend, weil damit die Fragen zu Ziffer 4 der Schadenanzeige BLD 6 und die dazu vom Kläger gemachten Angaben nicht zutreffend erfasst werden. Der Kläger hatte sowohl den „1. Blechschaden Fahrerseite links 2012/2013" als auch den „2. Frontschaden, Rechnung wird nachgereicht, 13.12.15" angegeben. Bei der anschließenden Frage: „Wurden alle Unfallschäden sach- und fachgerecht behoben? (Bitte Reparaturbelege beifügen)" war ein „Ja" oder ein „Nein" anzukreuzen. Der Kläger hat das Kästchen „Ja" angekreuzt, darauf stützt die Berufung ihre Überlegungen. Raum für eine differenzierte Darstellung war in dem Formular allerdings nicht vorhanden, insbesondere nicht für die Darstellung der Schadensbehebung nach den jeweiligen Unfällen. Handschriftlich hat der Kläger hinzugefügt, „Schaden 2, Schaden 14.000 Euro reguliert". Etwas weiter unten zu Ziffer 4 ist nach sonstigen Schäden und Mängeln gefragt sowie danach, ob diese Schädigungen/Mängel fachgerecht beseitigt seien. Der Kläger hat hier allerdings nicht zu sonstigen Schäden Ausführungen gemacht, sondern nähere Erklärungen zu dem Unfallschaden vom 13.12.2015 : „Schaden 2. behoben liegt bereits vor". Damit ergibt sich schon aus dem Gesamtkontext hinreichend, dass der Kläger erklären wollte, der Schaden 2 sei behoben, der Schaden 1 (lediglich) mit einer Zahlung reguliert. Sollte der Beklagten sich dieser Zusammenhang nicht erschlossen haben (der sich im Übrigen auch aus den Gutachten ergibt), hätte sie nachfragen müssen und dazu auch hinreichend Anlass gehabt.




2. Hinsichtlich des Zündschlosses teilt der Senat die Wertung des Landgerichts, das den Kläger persönlich gehört und den dabei gewonnenen glaubwürdigen Eindruck im Urteil wiedergegeben hat. Fehler oder sonstige Gründe, weshalb die getroffenen Feststellungen zweifelhaft sein könnten, vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit die Berufung in zweiter Instanz Feststellungsnachteile geltend macht, die durch die unterlassene Angabe im Formular entstanden sein sollen, folgt der Senat den diesbezüglichen Erwägungen nicht. Die Berufung rügt, mangels Angabe des Defekts des Zündschlosses durch den Kläger seien ihr, der Beklagten, keine verlässlichen Feststellungen im Hinblick auf die Behauptung des Klägers möglich gewesen, das Fahrzeug habe sich mit einem Schraubendreher starten lassen. Die Rüge beachtet nicht hinreichend, dass für eine Überprüfung der Behauptung des Klägers eine Untersuchung des Fahrzeugs nötig wäre, das allerdings nicht zur Verfügung steht, weil es gestohlen wurde. Die Unterlassung hat also im Hinblick auf die vom Kläger bezüglich des Startens aufgestellte Behauptung die Beweissituation der Beklagten nicht verschlechtert.




3. Bezüglich des Vorwurfs der Herbeiführung des Versicherungsfalls (§ 81 VVG) rügt die Berufung, das Landgericht habe die Anforderungen an die Kausalität verkannt. Richtig ist sicherlich, dass Mitursächlichkeit ausreicht, um den Versicherungsschutz je nach Schwere des Verschuldensvorwurfs ganz oder zumindest teilweise entfallen zu lassen. Allerdings bleibt es dabei, dass diese Mitursächlichkeit von der Beklagten nachgewiesen werden muss. Das ist ihr auch mit den Erwägungen der Berufungsbegründung nicht gelungen. Es reicht nicht aus, dass ein defektes Zündschloss, bei dem der Defekt im Wesentlichen darin besteht, dass das Fahrzeug nunmehr mit einem Schraubendreher gestartet werden kann, im Einzelfall zu einer Erleichterung des Diebstahls führen kann. Es müssen vielmehr im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich dieser Defekt im konkreten Fall auch tatsächlich ausgewirkt hat. Solche Anhaltspunkte können sich durchaus aus der Natur der Sache ergeben. So liegt der Fall aber hier nicht. Wie das Fahrzeug beim Diebstahl tatsächlich gestartet wurde, ist ungeklärt. Ob der Täter den Schaden am Zündschloss überhaupt erkannt und ihn sich zunutze gemacht hat, ist völlig offen. Erst recht lassen sich keine Feststellungen dazu treffen, ob der Diebstahlsentschluss des Täters und seine Umsetzung in irgendeiner Weise von dem Defekt des Zündschlosses abhingen. Dagegen spricht schon die einfache Überlegung, dass derjenige Täter, der erkennt, dass das Zündschloss defekt ist und sich das Fahrzeug aufgrund dieses Defektes nunmehr mit einem Schraubendreher starten lässt, über ein hinreichendes Wissen darüber verfügen dürfte, wie man ein nicht defektes Zündschloss überwinden kann.

4. Hinsichtlich des Einwands der Gefahrerhöhung rügt die Berufung, das Landgericht habe zu Unrecht die Kenntnis des Versicherers von dem gefahrerhöhenden Umstand, dem defekten Zündschloss, festgestellt und damit dann die Versäumung einer rechtzeitigen Kündigung begründet. Kenntnis habe die Beklagte nicht bereits mit dem Gutachten zum Vollkaskoschaden vom 13.12.2015 erlangt, sondern erst dann, als bei der Prüfung des streitgegenständlichen Diebstahls die Fahrzeughistorie habe genauer untersucht werden müssen. Vorher sei es nur auf die Gegenüberstellung von Reparaturkosten und Wiederbeschaffungswert angekommen. Erst nach dem Diebstahl habe sich eine Relevanz für den im Vorgutachten erwähnten Altschaden ergeben.


Diese Erwägungen sind nicht zutreffend. Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte ein Gutachten liest, bevor sie reguliert. Auf Seite 4 des Vorgutachtens (BLD 4) ist das „ausgerissene Zündschloss“ ausdrücklich aufgeführt. Anders als die Berufung dem Senat jetzt nahebringen will, hatte sie auch bei der Regulierung des Kaskoschadens vom 13.12.2015 Anlass, die im Gutachten aufgeführten Vorschäden zur Kenntnis zu nehmen. Gerade weil für die Beklagte die Ermittlung des Wiederbeschaffungswertes bei der Regulierung ein wesentlicher Punkt war und dafür etwaige Vorschäden des Fahrzeugs einen ganz entscheidenden Anknüpfungspunkt darstellen, spricht alles dafür, dass der in dem Gutachten benannte Vorschaden von der Beklagten auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde. Sie hat daraus lediglich keine Konsequenzen gezogen, etwa indem sie auf das Erfordernis einer umgehenden Reparatur gedrungen oder aber den Vertrag gekündigt hätte. Dies geht allerdings nicht zu Lasten des Klägers.



5. Der Senat wird, wenn die Beklagte dies wünscht, die Zeugin für das Abstellen des Fahrzeugs vernehmen. Die Beklagte hat Ausführungen zu dem mutmaßlichen Inhalt der Aussage der Zeugin gemacht, die sich durchaus mit den Erfahrungen des Senats decken. Selbst wenn sich aber Feststellungen auf die Angaben dieser Zeugin nicht stützen ließen, bliebe anschließend immer noch der dann zulässige Rückgriff auf die Anhörung des Klägers zu diesem Punkt. Die übrigen Einwendungen der Berufung hält der Senat aus den dargelegten Gründen nicht für überzeugend. Vor diesem Hintergrund mag die Beklagte erwägen, ob die Berufung tatsächlich durchgeführt werden soll. Die Beklagte mag sich innerhalb der nächsten 2 Wochen insoweit erklären. Wird das Verfahren fortgeführt, kann der Kläger binnen 2 weiterer Wochen kurz auf die Berufung erwidern.

II.

Der Rechtsstreit wird dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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