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Oberlandesgericht Brandenburg Urteil vom 18.08.2016 - 12 U 134/15 - Familienprivileg bei einem vom Kindesvater verursachten Unfall

OLG Brandenburg v. 18.08.2016: Einwand des Familienprivilegs bei Verletzung eines Kleinkindes bei einem vom Kindesvater verursachten Unfall


Das Oberlandesgericht Brandenburg (Urteil vom 18.08.2016 - 12 U 134/15) hat entschieden:

   Ist bei einem Verkehrsunfall eines Kindesvaters dessen im Fahrzeug befindliches und mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebendes (2-jähriges) Kind verletzt worden und hat die gesetzliche Unfallversicherung für das verunfallte Kind Kosten für Heilbehandlungen etc. gezahlt, steht dem Übergang der Ersatzansprüche aus § 7 Abs. 1 StVG, §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 229 StGB i.V.m. § 116 Abs. 1 SGB X gegen den Kindesvater/Schädiger und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung das sog. Familienprivileg aus § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X entgegen.



Siehe auch
Familienprivileg - Forderungsübergang - nichteheliche Lebensgemeinschaft
und
Forderungsübergang im Schadensfall


Gründe:


I.

Die Klägerin verfolgt als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung Regressansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 ff BGB i. V. m. § 116 SGB X in Höhe von 43.209,35 € aus einem Verkehrsunfall vom 01.12.1995 betreffend den Auszubildenden D… S…. Die Beklagte macht - zweitinstanzlich im Wege der Hauptaufrechnung -Rückforderungsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Klägerin geltend, weil sie aufgrund eines am 06.12.2000 durch ihren Versicherungsnehmer T… Gl… verursachten Verkehrsunfalls - Kollision mit einem Straßenbaum - für die bei dem Unfall schwer verletzte, damals zweijährige V… G… an die Klägerin als der Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung insgesamt Zahlungen von 55.943,42 € erbracht hat. Bei der V… G… handelt es sich um die Tochter des bei dem Unfall getöteten Versicherungsnehmers der Beklagten. Die Parteien streiten darüber, ob es infolge des Familienprivilegs in § 116 Abs. 6 SGB X nicht zu einem Forderungsübergang auf die Klägerin hinsichtlich der von ihr für die Versicherte V… G… erbrachten Leistungen gekommen ist. In diesem Zusammenhang besteht insbesondere Streit, ob zwischen T… Gl… und V… G… im Zeitpunkt des Schadensereignisses eine häusliche Gemeinschaft bestanden hat. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit am 02.06.2015 verkündetem Urteil hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 43.209,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2013 zu zahlen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, in dieser Höhe bestehe ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823 ff BGB i. V. m. § 116 SGB X. Die Aufrechnung der Beklagten mit Forderungen aus dem Verkehrsunfall vom 06.12.2000 bezüglich der Geschädigten V… G… habe indes keinen Erfolg. Das Familienprivileg finde keine Anwendung. Daher stehe der Beklagten eine Forderung gegen die Klägerin nicht zu. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme sei von einer häuslichen Gemeinschaft zwischen T… Gl… und seiner Tochter V… G… nicht auszugehen. So habe der Kindesvater nicht im gleichen Haushalt gelebt, sondern seinen Lebensmittelpunkt auf seinem Grundstück in W… gehabt, wo er auch gemeldet gewesen sei. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.




Die Beklagte hat gegen das ihr am 24.06.2015 zugestellte Urteil mit am 24.07.2015 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenem chriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung bis zum 24.09.2015 mit an diesem Tage eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisangeboten und vertieft diesen. Sie ist weiterhin der Auffassung, aus den vorgetragenen Umständen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ergebe sich, dass das Familienprivileg des § 116 Abs. 6 SGB X anwendbar sei und somit von ihr Leistungen an die Klägerin für deren Versicherte V… G… ohne Rechtsgrund erbracht worden seien. Der Schädiger T… Gl… sei Vater und damit Familienangehöriger der Versicherten V… G…. Er habe zum Unfallzeitpunkt auch mit der Versicherten in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Das Landgericht habe sich bei der Feststellung einer häuslichen Gemeinschaft zu sehr auf die Voraussetzung eines gemeinsamen Wirtschaftens beschränkt und die persönliche Komponente der häuslichen Gemeinschaft vollständig ausgeblendet. Tatsächlich habe hier eine solche Situation vorgelegen.

Die Beklagte beantragt,

   das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 02.06.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil. Eine häusliche Gemeinschaft zwischen dem Kindesvater und seiner Tochter i. S. v. § 116 SGB X habe am Unfalltage nicht bestanden. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kindesvater seiner Unterhaltspflicht trotz eines vorliegenden vollstreckbaren Unterhaltstitels nur sporadisch nachgekommen sei. Auch habe eine gemeinsame Hauswirtschaft nicht vorgelegen. Unerheblich sei für die Beurteilung, warum die Kindesmutter eine Vollstreckung der Unterhaltsschulden nicht vorgenommen habe. Allerdings habe die Kindesmutter darauf verwiesen, es seien keinerlei Vermögenswerte zum Vollstrecken vorhanden gewesen. Im Hinblick auf das Grundstück habe sie wegen des Wohnrechts der Großmutter und ihres Mitleids mit dem Kindesvater von einer Vollstreckung abgesehen.





II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Beklagte stützt ihr Rechtsmittel darauf, das Landgericht habe eine fehlerhafte Auslegung des § 116 Abs. 6 SGB X vorgenommen und deshalb zu Unrecht die Anwendbarkeit dieser Vorschrift und damit das Bestehen von Rückforderungsansprüchen ihrerseits und das Durchgreifen ihrer Aufrechnung verneint. Die Beklagte macht damit einen Rechtsfehler geltend, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann, §§ 513, 546 ZPO.

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 43.209,35 € aus § 7 Abs. 1 StVG, §§ 823 ff BGB i. V. m. § 116 SGB X aufgrund des Verkehrsunfalls des Versicherten D… S… der Klägerin am 01.12.1995, der unstreitig vom Fahrer des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … verursacht wurde, ist durch die von der Beklagten erklärte Hauptaufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB wegen der von der Beklagten an die Klägerin infolge der Verletzung der Versicherten der Klägerin V… G… bei dem Verkehrsunfall vom 06.12.2000 erbrachten Leistungen erloschen, § 389 BGB. Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin an ihren Versicherten für Internatskosten im Zeitraum vom 01.01.1999 bis zum 27.01.2000 einen Betrag von 23.614,55 € geleistet hat sowie einen am 28.09.2000 gezahlten Zuschuss zur Teilhabe am Arbeitsleben in Höhe von 3.988,08 €, weiterhin einen Betrag von 13.501,08 € für Kosten von Heilbehandlungen, Arzneien und Physiotherapien gem. Ziffer 72 - 101 der als K2 zur Klageschrift eingereichten Aufstellung im Zeitraum vom 31.03.2005 bis zum 05.06.2013 und einen Betrag von 2.105,64 € für Behandlungskosten entsprechend der Rechnung des Städtischen Krankenhauses … vom 02.09.2013. Insgesamt ergibt sich hieraus ein Betrag von 43.209.35 €.

Der Beklagten steht indessen ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB wegen der von ihr an die Klägerin geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 55.943,42 € aufgrund der Verletzung der Versicherten der Klägerin V… G… bei dem Verkehrsunfall vom 06.12.2000 zu, wobei die Aufrechnung einen erststelligen Teilbetrag in Höhe der Klageforderung des auf die Anforderung der Klägerin im Schreiben vom 11.12.2001 gezahlten Betrages von 55.203,33 € erfasst.

Die von der Klägerin an ihre Versicherte V… G… aufgrund des Unfalls vom 06.12.2000 erbrachten Zahlungen haben nicht zu einem Übergang der Ersatzansprüche der V… G… aus § 7 Abs. 1 StVG, §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB, § 229 StGB i. V. m. § 116 Abs. 1 SGB X gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten und die Beklagte als dessen Haftpflichtversicherung auf die Klägerin geführt. Vorliegend steht einem Anspruchsübergang das sogenannte Familienprivileg in § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X entgegen. Nach dieser Vorschrift findet ein Forderungsübergang nicht statt, wenn der Schädiger nicht vorsätzlich gehandelt hat und ein Familienangehöriger des Geschädigten ist, der mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebt. Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass der Kindesvater T… Gl… bei der Herbeiführung des Verkehrsunfalls nicht vorsätzlich gehandelt hat. Auch ist er als Vater der Versicherten V… G… der Klägerin deren Familienangehöriger. Zudem hat er im Zeitpunkt des Unfalls in einer häuslichen Gemeinschaft mit seiner Tochter gelebt.

Eine häusliche Gemeinschaft liegt vor, wenn die Lebens- und Wirtschaftsführung auf Dauer in einem gemeinsamen Haushalt praktiziert wird, auch hebt eine nur zeitweise räumliche Trennung die Gemeinschaft nicht auf (BGH VersR 1980, S. 644; zu § 67 Abs. 2 VVG a. F.; OLG Frankfurt VersR 1984, S. 254; Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar, 8. Aufl., § 116, Rn. 36; Kater in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 116, SGB X, Rn. 247; Breitkreutz in Diering/Timme/Wascholl, SGB X, Kommentar, 3. Aufl., § 116, Rn. 21; Nehls in Hauck/Noftz, SGB X, Kommentar, § 116, Rn. 47; Greger/Zwickel in Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 32, Rn. 75). Erforderlich ist, dass in einer gemeinsamen Wohnung bzw. einem gemeinsamen Haus gelebt und ein Haushalt gemeinsam geführt wird und die genutzten Räume den Mittelpunkt des Lebens bilden, wozu neben den tatsächlichen Verhältnissen ein entsprechender Wille der Beteiligten vorliegen muss (BGH VersR 2011, S. 1204; VersR 1980, S. 644; Hauck/Noftz, a. a. O.; Kater, a. a. O.). Eine finanzielle Beteiligung in irgendeiner Form an der gemeinsamen Wirtschaftsführung ist hingegen nicht unbedingte Voraussetzung für die Begründung einer häuslichen Gemeinschaft; das Fehlen einer solchen Beteiligung ist allerdings als Indiz gegen das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft anzusehen, auch wird je ferner der Verwandtschaftsgrad ist, umso strenger zu prüfen sein, ob wirklich eine Gemeinschaft zur Wirtschaftsführung gewollt und vollzogen ist (BGH VersR 1980, S. 644; weitergehend wohl Kater, a. a. O.). Hintergrund des Familienprivilegs des § 116 Abs. 6 SGB X ist, dass bei einem Rückgriff gegen ein in häuslicher Gemeinschaft mit dem Geschädigten lebenden Familienangehörigen der Geschädigte selbst in Mitleidenschaft gezogen wird, da davon auszugehen ist, dass die in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Familienangehörigen meist eine gewisse wirtschaftliche Einheit bilden und dass bei der Durchführung des Rückgriffs des Versicherers der Geschädigte dasjenige, was er mit der einen Hand erhalten hat, mit der anderen wieder herausgeben müsste; auch soll im Interesse der Erhaltung des häuslichen Familienfriedens verhindert werden, dass Streitigkeiten über die Verantwortung von Schadenszufügungen gegen Familienangehörige ausgetragen werden (BGH VersR 1980, a. a. O.; 1964, S. 391; VersR 2013, S. 520). Darüber hinaus ist eine häusliche Gemeinschaft und die Anwendung des Familienprivilegs des § 116 Abs. 6 SGB X auch dann anzunehmen, wenn Kind und Elternteil zwar grundsätzlich getrennt leben, der getrenntlebende Elternteil seiner Verantwortung für das Kind in dem ihm rechtlich möglichen Maße jedoch tatsächlich nachkommt und regelmäßig längeren Umgang mit seinem Kind pflegt, so dass das Kind zeitweise auch in seinem Haushalt integriert ist und damit bei ihm ein Zuhause hat (BVerfG MDR 2010, S. 1452; LG Memmingen, Urt. v. 03.05.2011, Az.: 2 O 2548/05; zitiert nach Juris; Bieresborn, a. a. O.; Nehls, a. a. O.; Greger/Zwickel, a. a. O.). Dabei rechtfertigt sich diese erweiternde Auslegung des Familienprivilegs damit, dass es auch dem unterhaltspflichtigen Elternteil, das grundsätzlich getrennt vom Kind lebt, kaum mehr möglich sein wird, über seine Zahlungsverpflichtung hinaus dem Kind Zuwendungen zukommen zu lassen, wenn er in Regress genommen wird; eine Beeinträchtigung des geschädigten Kindes durch die Inanspruchnahme des schädigenden Elternteils scheidet indes dann aus, wenn der Elternteil bereits zuvor keinen Kindesunterhalt gezahlt hat (BVerfG, a. a. O.).


Im Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats entgegen den Würdigungen des Landgerichts fest, dass eine häusliche Gemeinschaft des Versicherungsnehmers der Beklagten und der Versicherten der Klägerin im Unfallzeitpunkt am 06.12.2000 bestand. Der Senat folgt insoweit den glaubhaften und detailreichen Schilderungen der Zeugin A… G… - der Mutter der V… G… -, die auch das Landgericht seiner Beurteilung der Rechtslage zugrunde gelegt hat und deren Richtigkeit auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird. Danach haben die Zeugin, der Versicherungsnehmer der Beklagten und die gemeinsame Tochter und Versicherte der Klägerin V… G… eine Wohnung in K… gemeinsam bewohnt und auch einen Haushalt gemeinsam geführt. Auch stellten diese Räume im Unfallzeitpunkt (noch) den Mittelpunkt des Lebens des Versicherungsnehmers des Beklagten dar, wenngleich dieser nicht dort, sondern auf seinem Grundstück in … gemeldet war.

Der Versicherungsnehmer der Beklagten bewahrte zwar seine Möbel und auch anderes Eigentum in … auf, weiteres Eigentum befand sich indes in der Wohnung in K… sowie zum Teil auch im Fahrzeug des Versicherungsnehmers der Beklagten. Die Wohnung in … war allerdings nicht in einem bewohnbaren Zustand. Der Aufenthalt des Versicherungsnehmers der Beklagten dort diente dementsprechend im Wesentlichen der Durchführung von Instandsetzungsarbeiten. Dabei konnte der Versicherungsnehmer der Beklagten zudem noch die auf dem gleichen Grundstück gelegene Wohnung seiner Mutter nutzen. Nach der Aussage der Zeugin G… hat der Versicherungsnehmer der Beklagten hingegen grundsätzlich in der Wohnung in K… geschlafen. Er hat in der Woche auch regelmäßig in K… zu Abend gegessen, nachdem er seine Tochter dort nach Hause gebracht hatte und ist in der Wohnung eine Zeitlang geblieben – die Zeugin spricht von einer halben Stunde -, bevor er sich nach … begeben hat, auch um die dort vorhandenen Tiere zu versorgen. Weiterhin hat der Versicherungsnehmer der Beklagten morgens seine Tochter zur Kindertagesstätte gefahren und sich dann zur Arbeit begeben. Soweit sich der Versicherungsnehmer der Beklagten regelmäßig abends und auch an den Wochenenden in … aufgehalten hat, diente seine Anwesenheit auf dem Grundstück den Instandsetzungsarbeiten. Die Zeugin G… hat angegeben, er habe sich darüber hinaus auch viel in … aufgehalten, um dort eine Gaststätte aufzusuchen. Nach allem war der räumliche Lebensmittelpunkt des Versicherungsnehmers der Beklagten schon mangels Alternative in K…, da die Wohnung in … als solche noch nicht nutzbar war bzw. jedenfalls von ihm als Wohnung nicht genutzt wurde. Aus den Angaben der Zeugin G… ergibt sich auch, dass sie mit dem Versicherungsnehmer der Beklagten und der gemeinsamen Tochter einen gemeinsamen Haushalt geführt hat. Der Versicherungsnehmer der Beklagten lebte nicht einfach nur in der Wohnung der Zeugin G…, vielmehr bestand zwischen ihm und der Zeugin G… eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die Zeugin hat ausgesagt, dass sie in einer Beziehung mit dem Versicherungsnehmer der Beklagten lebte. Diese Beziehung habe sich zwar im Laufe der Zeit verändert, sie habe diese aber dem Kind zuliebe aufrechterhalten wollen. Der Versicherungsnehmer der Beklagten war auch in das Familienleben jedenfalls insoweit eingebunden, als er die gemeinsame Tochter zur Kindertagesstätte brachte und wieder abholte und dann gemeinsam mit der Familie zu Abend aß. Daneben nahm er sich manchmal sonntags Zeit für die Familie, so dass auch insoweit ein Familienleben stattfand. Auch die Zeugin G… selbst schildert das Fortbestehen der Beziehung schon durch ihre Wortwahl, indem sie etwa von der Schwiegermutter in … gesprochen hat. Unerheblich ist insoweit, dass die Zeugin G… nicht mit dem Wunsch des Versicherungsnehmers der Beklagten übereinstimmte, mit ihm und dem Kind nach Fertigstellung der Wohnung in … dort hinzuziehen. Jedenfalls im Zeitpunkt des Unfalls war die Beziehung aus diesem Grunde nicht beendet.

Zutreffend hat die Klägerin zwar ausgeführt, es stelle ein Indiz gegen eine gemeinsame Haushaltsführung dar, dass nach den Angaben der Zeugin G… diese sämtliche Unkosten für den Wohnsitz und auch für den Lebensunterhalt zu tragen hatte, mit Ausnahme der sporadischen Unterhaltszahlungen des Versicherungsnehmers der Beklagten für seine Tochter. Allein dieser Aspekt reicht indes nicht aus, das gefundene Ergebnis in Frage zu stellen. Nach den Angaben der Zeugin G… befand sich der Versicherungsnehmer der Beklagten in Geldschwierigkeiten, weil er zum einen sein Geld wie auch seine Arbeitskraft in die Sanierung des Grundstücks in … gesteckt hatte. Zudem war eine zuvor vom Versicherungsnehmer der Beklagten mit einem Partner betriebene GbR von diesem Mitgesellschafter beendet worden. Jedenfalls stellt der Umstand, dass die Zeugin G… den gesamten Lebensunterhalt bestritten hat, nicht in Frage, dass sie selbst von einer zu dieser Zeit noch bestehenden Lebensgemeinschaft ausging und ein Zusammenleben - in den geschilderten Grenzen - im Haushalt in K… stattfand. Unerheblich ist auch, dass der Versicherungsnehmer der Beklagten seinen Unterhaltsverpflichtungen nur sporadisch nachgekommen ist. Auch dies lässt sich durch dessen finanzielle Schwierigkeiten erklären und ändert nichts an der Bewertung des geschilderten Zusammenlebens der Beteiligten. Ebenso kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund die Zeugin G… davon abgesehen hat, Unterhaltsforderungen gegen den Versicherungsnehmer der Beklagten zu vollstrecken. Neben der fehlenden Erfolgsaussicht von Vollstreckungsmaßnahmen und der Rücksichtnahme auf die Mutter des Versicherungsnehmers der Beklagten hat die Zeugin G… insoweit angegeben, dass er schließlich der Vater ihres Kindes gewesen sei und sie ihn ja auch gern gehabt habe. Auch diese Angaben sprechen für das Fortbestehen einer Lebensgemeinschaft und eines gemeinsamen Haushalts im Unfallzeitpunkt.

Nach allem kommt es auf die zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene Anwendung des Familienprivilegs im Rahmen von dessen verfassungskonformer erweiternder Auslegung auf die Fälle, in denen der - getrennt lebende - Elternteil im Rahmen des ihm rechtlich möglichen Maßes tatsächlich Verantwortung für sein Kind übernimmt und häufigen Umgang mit ihm hat, nicht an. Der Senat weist lediglich ergänzend darauf hin, dass die Voraussetzungen dieser Fallgruppe nicht erfüllt wären. So war V… G… bereits nicht zeitweise in einen Haushalt des Versicherungsnehmers der Beklagten in … integriert, da ein solcher an diesem Ort nicht existierte. Auch wurde sie nach den Bekundungen der Zeugin G… bei ihren Besuchen auf dem Grundstück von ihrer dort in einem eigenen Haushalt lebenden Großmutter und nicht von ihrem Vater betreut. Zudem ist der Versicherungsnehmer der Beklagten seinen Unterhaltsverpflichtungen unstreitig nicht regelmäßig nachgekommen. Bei Getrenntleben des Kindesvaters war eine Anwendung des Familienprivilegs indes schon deshalb nicht veranlasst, weil eine Schmälerung der Zahlungen an die Versicherte der Klägerin durch die Regressforderung jedenfalls nicht feststellbar ist.



Im Hinblick auf § 215 BGB bleibt schließlich die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung ohne Erfolg. Die Klägerin hat zudem nicht dargetan, dass die Forderung der Beklagten überhaupt verjährt ist. Die Beklagte hat unbestritten vorgetragen, dass die für sie tätige Sachbearbeiterin der Leistungsabteilung erstmals am 29.04.2004 erfahren hat, dass es sich bei der Geschädigten V… G… um die Tochter ihres Versicherungsnehmers gehandelt hat. Selbst wenn auf die Kenntnis der Mitarbeiterin der Leistungsabteilung abzustellen sein sollte (vgl. aber BGH NJW-​RR 2009, S. 1471, NJW 2000, S. 1411: Kenntnis des Mitarbeiters der Regressabteilung maßgeblich), begann der Lauf der gem. § 195 BGB dreijährigen Verjährungsfrist am 01.01.2005, § 199 Abs. 1 BGB. Die danach am 31.12.2007 um 24.00 Uhr ablaufende Verjährungsfrist ist indes gem. § 203 BGB bereits im Jahre 2005 gehemmt worden, da nach dem unstreitigen Vortrag der Beklagten seit ihrem Forderungsschreiben vom 17.05.2005 in der Folgezeit in Sammelbesprechungen der Parteien über wechselseitige Ansprüche regelmäßig auch über den Rückforderungsanspruch der Beklagten und seine Verrechnung mit Forderungen der Klägerin verhandelt wurde.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, Satz 2 ZPO.

Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 43.209,35 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG.

Wert der Beschwer für die Klägerin: 43.209,35 €.

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