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Landgericht Darmstadt Urteil vom 02.03.2018 - 28 O 127/17 - Rückabwicklung eines vom Dieselskandal betroffenen Autokaufs

LG Darmstadt v. 02.03.2018: Rückabwicklung eines vom Dieselskandal betroffenen Autokaufs


Das Landgericht Darmstadt (Urteil vom 02.03.2018 - 28 O 127/17) hat entschieden:

   Der Käufer eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Kfz kann auf Grund des damit verbundenen - erheblichen - Mangels ohne Fristsetzung vom Kaufvertrag zurücktreten und die Rückabwicklung unter Anrechnung der genossenen Gebrauchsvorteile verlangen.


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Tatbestand:


Der Kläger verfolgt gegenüber der Beklagten zu 1. als Vertragshändlerin und gegenüber der Beklagten zu 2. als Herstellerin Ansprüche nach einem Fahrzeugkauf im Zusammenhang mit dem so genannten "Abgasskandal".

Im August 2010 bestellte der Kläger bei der Beklagten zu 1. das streitgegenständliche Neufahrzeug [...] zu einem Kaufpreis von 38.200 € brutto. Höchsten zwei Tage später übergab die Beklagte zu 1. dem Kläger das Fahrzeug. Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis.

Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5 ausgestattet. Die Motorsteuerungssoftware verfügt über eine Fahrzykluserkennung. Diese erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den sogenannten neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Die Software verfügt über zwei verschiedene Modi, die die Abgasrückführung steuern. In dem optimierten Modus, der im NEFZ aktiv ist, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate als in dem Modus, der unter Fahrbedingungen, die im normalen Straßenverkehr vorzufinden sind, aktiv ist. Damit optimiert die Software den Stickoxidausstoß im Prüfstand.

Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde bei der Erstzulassung aufgrund der EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeugmodell in die Abgasnorm EU 5 eingestuft.

Mit Bescheid vom 15.10.2015 ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) gegenüber der Beklagten zu 2. den Rückruf der Fahrzeuge mit dem Motor EA 189 EU 5 an. Das Kraftfahrt-Bundesamt nahm dabei an, dass es sich bei der in diesen Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele. Es gab der Beklagten zu 2. auf, die entsprechende Software aus allen betroffenen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Betroffen waren von dem Rückruf 2,4 Millionen Fahrzeuge der Marke [...]. Gleichzeitig bestätigte das Kraftfahrt-Bundesamt, dass die Fahrzeuge verkehrssicher sind und bis zum Austausch der Komponenten weitergefahren werden können.




Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.7.2016 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1. die Anfechtung des Kaufvertrages, hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag, ohne der Beklagten zu 1. dabei eine Nachfrist zu setzen. Gleichzeitig erklärte der Kläger, dass das streitgegenständliche Fahrzeug ab sofort zur Abholung bei ihm bereit stehe, und bat innerhalb einer Frist bis zum 2.8.2016 um Mitteilung, wann die Beklagte zu 1. das Fahrzeug abholen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 19.7.2016 verwiesen (Bl. 75, Anl. K2).

In ihrem Antwortschreiben vom 25.7.2016 lehnte die Beklagte zu 1. die Rückabwicklung des Kaufvertrages ab. Sie verwies darauf, dass das Kraftfahrt-Bundesamt nach intensiver Begutachtung die von der Beklagten zu 2. vorgeschlagenen Maßnahmen bestätigt habe. Durch diese würde der Ausstoß an Stickoxiden soweit reduziert, dass die einschlägigen Grenzwerte eingehalten würden. Es sei dabei das "Ziel, dass die Maßnahmen keinen nachhaltigen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung haben werden". Die Beklagte zu 2. arbeite mit Hochdruck daran, dass sämtliche Maßnahmen für alle Motorvarianten "so schnell wie möglich abgeschlossen werden". Die Beklagte zu 2. werde den Kläger "sobald wie möglich näher über den Zeitplan und [...] über die für sein Fahrzeug konkret vorgesehenen Maßnahmen informieren". Die Beklagte zu 1. bat in diesem Schreiben den Kläger bis zur konkreten Durchführung der Maßnahmen um "Geduld" und sein "Verständnis". In dem Schreiben erklärte die Beklagte zu 1. außerdem einen Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung im Hinblick auf etwaige Ansprüche, die im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit dem Motor Typ IA 189 eingebauten Software bestehen, bis zum 31.12.2017. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 24.7.2016 verwiesen (Bl. 79 ff., Anl. K3).

Die von der Beklagten zu 2. für den Motortyp des klägerischen Fahrzeugs angebotene Maßnahme besteht in einem Update für die Motorsteuerungssoftware. Zur Durchführung dieses Updates sind alle Servicepartner der Beklagten zu 2. autorisiert, die die Überarbeitung auf Kosten der Beklagten zu 2. vornehmen.

Mit Schreiben vom 14.10.2016 sowie nochmals vom 28.3.2017 wurde der Kläger von der Beklagten zu 2. darüber informiert, dass die Softwarelösung für sein Fahrzeug zur Verfügung stehe.

Die EG-Typgenehmigung für den Fahrzeugtyp des Klägers wurde nicht aufgehoben.

Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist eine Klage gegen das Kraftfahrt-Bundesamt rechtshängig, mit der die Kläger die Absicht verfolgen, die Betriebsstilllegung sämtlicher vom Abgasskandal betroffener Fahrzeuge zu erreichen.

Der Kläger ließ das Softwareupdate bislang an seinem Fahrzeug nicht durchführen.

Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 22.1.2018 betrug die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs 137.615 km.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, das streitgegenständliche Fahrzeug sei aufgrund der verbauten Motorsteuerungssoftware mangelhaft. Der Schadstoffausstoß als Merkmal für die Einstufung in die Abgasnorm sei Gegenstand von Prospekten und Werbeaussagen der Beklagten zu 2.. Die Schadstoffklasse sei auch immer Gegenstand einer Kaufentscheidung. Das von der Beklagten zu 2. angebotene Software-Update sei für den Kläger undurchschaubar. Die Angaben der Beklagten zu 2. zu den durch das Update bewirkten Veränderungen des Motors und der Software bestreitet der Kläger mit Nichtwissen. Die Beseitigung dieser Software durch das von der Beklagten zu 2. angebotene Software-Update sei jedenfalls ohne nachteilige technische Folgen für sein Fahrzeug nicht möglich. Die bloße Deaktivierung der vorhandenen Software führe zu einem Mehrverbrauch von ca. 10 % sowie zu einer Reduzierung der Leistung. Als weitere durch die Nachbesserung herbeigeführte Nachteile verweist er insbesondere auf Verkürzung der Lebenszeit des Dieselpartikelfilters, höhere Geräuschentwicklung und Lebenszeitverkürzung durch sonstige Umstände. Die Emissionsgrenzwerte würden auch nach der Nachbesserung nicht eingehalten. Zudem müsse der Kläger auch nach Durchführung des Updates damit rechnen, dass die Zulassung für sein Fahrzeug entzogen wird. Bei dem von der Beklagten zu 2. angeboten Software-Update werde mindestens eine neue illegale Abschalteinrichtung verbaut. Zudem behauptet der Kläger, dass selbst ohne Nachteile in technischer Hinsicht doch das Fahrzeug des Klägers für immer mit einem "Makel" behaftet sei, der zu einem merkantilen Minderwert von mindestens 10 % führe. Auch bestehe die begründete Befürchtung, dass das Fahrzeug auch nach dem Update weiterhin mangelhaft sei. Er wisse zudem nicht, ob er von den Beklagten nicht erneut getäuscht werde. Zur Beklagten zu 2. habe er keinerlei Vertrauen mehr.




Der Kläger behauptet zudem, die Beklagte zu 2. habe ihn getäuscht. Dass die Beklagte zu 1. vor September 2015 keine Kenntnis von der verbauten Motorsteuerungssoftware gehabt habe, bestreitet er. Er sei auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen. Wichtig sei für ihn gewesen, dass das Fahrzeug die Voraussetzungen für eine grüne Plakette erfüllt. Gerade der Umweltaspekt sei für ihn ein wichtiges Kaufargument gewesen, auch im Hinblick auf den Wiederverkaufswert. Auch der Spritverbrauch habe für ihn eine große Bedeutung gehabt. Aufgrund öffentlicher Anpreisungen habe er das Fahrzeug erworben. In der Broschüre, in Schulungen und sonstigen Informationen erwähne die Beklagte zu 2., dass die Euro 5-Norm eingehalten werde. Durch den Verkauf des Fahrzeugs habe die Beklagte zu 2. erklärt, dass das Fahrzeug umweltschonende Technik vorweisen könne und damit den gesetzlichen Vorgaben entspreche. Der Kläger behauptet, er hätte den Kaufvertrag nicht geschlossen, wenn er von der Existenz der Motorsteuerungssoftware gewusst hätte. Der Kläger behauptet zudem, die Beklagte zu 2. habe den Spritverbrauch und damit den CO2-Ausstoß falsch angegeben. Bei dem streitgegenständlichen PKW liege der Spritverbrauch und damit der CO2-Ausstoß im NEFZ mehr als 10% höher als angegeben.

Der Kläger behauptet, er gehe davon aus, dass der streitgegenständliche Motor eine Regellaufleistung von 400.000 km habe.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte zu 1. habe sich eine arglistige Täuschung des Klägers durch die Beklagte zu 2. zurechnen zu lassen. Die Beklagte zu 2. sei nicht Dritte im Sinn von § 123 Abs. 2 BGB im Verhältnis zu ihrem Vertragshändler. Zudem liege bezüglich der Einordnung in die Schadstoffklasse EU 5 eine Beschaffenheitsvereinbarung vor. Konkludent vereinbarte Beschaffenheit eines Neufahrzeugs sei zudem auch dessen Zulassungs- und Genehmigungsfähigkeit. Außerdem sei die vorausgesetzte Verwendung des uneingeschränkten Betriebs des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet, da das Fahrzeug nicht den geltenden Zulassungsvoraussetzungen entspreche. Jedenfalls fehle dem Fahrzeug schon wegen des Einbaus der rechtswidrigen Motorsteuerungssoftware die übliche Beschaffenheit. Eine Fristsetzung sei hier entbehrlich gewesen. Eine Nacherfüllung in Form des Software-Updates sei unmöglich, jedenfalls aber für den Kläger unzumutbar. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Nachbesserung durch die Beklagte zu 2. angeboten werde und dass das Verhalten der Beklagten zu 2. der Beklagten zu 1. zuzurechnen sei. Die Zeit, die der Kläger bis zur Umrüstung hätte abwarten müssen, sei im Zeitpunkt des Rücktritts unzumutbar lange gewesen. Auch hätten die Beklagten die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert, indem sie vehement bestreiten, dass ein Mangel vorliege, und behaupten, dass die Nachbesserung nur aus Kulanz erfolge. Der Mangel sei schließlich wegen der Arglist der Beklagten zu 2. auch nicht unerheblich.

Einen Feststellungsantrag gegen die Beklagte zu 2. hält der Kläger für zulässig. Er trägt dazu insbesondere vor, seinen Schaden noch nicht beziffern zu können. Der Schaden befinde sich noch in Entwicklung. Es drohten ihm steuerliche Schäden. Er müsse sich zwar im Rahmen der Vorteilsausgleichung Nutzungsentschädigung anrechnen lassen, die hier aber von einer Schätzung des Gerichts abhänge. Vorwiegend, begehre er auch gegenüber der Beklagten zu 2. Rückabwicklung, doch komme auch Schadensersatz in Betracht. Es stehe derzeit noch nicht fest, was der Kläger geltend machen möchte. Es stehe ihm ein Wahlrecht zu zwischen den Alternativen, den Vertrag im Wege des Schadensersatzes rückabzuwickeln, oder an ihm festzuhalten und zusätzlich Schadensersatz zu verlangen. Es drohe ein Entzug der Typenzulassung. Dem Kläger sei aber nicht zuzumuten, das Update durchführen zu lassen, insbesondere auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit, in Gerichtsverfahren eine Begutachtung vornehmen zu lassen. Zudem sei davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2. als großes Unternehmen bereits aufgrund eines Feststellungsurteils leisten werde.

Der Kläger beantragt zuletzt,

  1.  die Beklagte zu 1. zu verurteilen, an den Kläger € 38.200,00 abzüglich einer in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.7.2016 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW [...];

  2.  festzustellen, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, dem Kläger Schadenersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs [...] durch die Beklagte zu 2. resultieren;

  3.  festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1. mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet;

  4.  die Beklagten jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 2.434,74 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen übereinstimmend,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1. erhebt ausdrücklich die Einrede der Verjährung.

Die Beklagte zu 1. behauptet, erst im Rahmen der medialen Berichterstattung im September 2015 von der Stickoxidethematik Kenntnis erlangt zu haben. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen sei und gerade der Umweltaspekt, insbesondere die Schadstoffklasse, für ihn ein wichtiges Kaufargument dargestellt habe. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er Kenntnis von der in seinem Fahrzeug verborgenen Steuerungssoftware gehabt hätte. Das Fahrzeug des Klägers sei technisch sicher und uneingeschränkt gebrauchstauglich. Bei der Durchführung des Updates werde nicht nur die vorhandene Software deaktiviert, vielmehr werde die Konfiguration des Abgasrückführung-Systems verändert und auch die Motorsteuerung neu eingestellt. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe mit Wirkung vom 1. Juni 2016 die technische Lösung für das Modell des Klägers freigegeben. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe außerdem bestätigt, dass die Umsetzung der technischen Maßnahmen zu keinerlei negativen Auswirkungen auf Kraftstoffverbrauchswerte, CO2-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschimmissionen führe. Die Durchführung der Softwareupdates werde etwa eine halbe Stunde dauern und die Kosten dafür würden sich auf weniger als 100 € belaufen. Die angebliche Benachteiligung des Klägers durch die Software liege damit im Bagatellbereich. Die Beklagte zu 1. trägt vor, dass bei der Beklagten zu 2. zum Stichtag 1.2.2017 Kosten für die Entwicklung der technischen Lösung in Höhe von 58,07 Millionen Euro erfasst seien. Die Ausführungen des Klägers zur angeblichen negativen Folgen des Updates seien unzutreffend. Ein merkantiler Minderwert sei nicht zu erwarten. Aus der Durchführung der technischen Maßnahmen könne auch nicht zwingend geschlossen werden, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die vorgeschriebenen Grenzwerte ohne die eingebaute Software nicht habe einhalten können. Die Beklagten hätten keinen Mangel eingeräumt. Das Update könne für eine Begutachtung noch einmal rückgängig gemacht werden.

Die Beklagte zu 1. ist der Auffassung, es handele sich bei ihr und der Beklagten zu 2. um rechtlich selbständige Unternehmen, die keine gleichgerichteten Interessen verfolgten. Die Beklagte zu 2. sei Dritte im Sinn von § 123 Abs. 2 BGB im Verhältnis zu ihr. Eine Nachfristsetzung vor Ausübung eines Rücktrittsrechts sei nicht entbehrlich gewesen. Ein Rücktritt sei jedenfalls wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen. Eine Zurechnung von bestrittenem arglistigem Verschweigen seitens der Beklagten zu 2. zu ihr komme nicht in Betracht. Bei der hier in Rede stehenden Software handele es sich auch nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Abgasrückführung sei schon nicht Teil des Emissionskontrollsystems, sondern eine hiervon zu trennende innermotorische Maßnahme. Gase, die durch eine Abgasrückführung zurück in den Motor geleitet werden, seien keine Emissionen, denn sie würden gerade nicht in die Umwelt hinaus, sondern in den Motor zurückgeleitet. Zudem erfolge eine für die Legaldefinition der Abschalteinrichtung erforderliche "Einwirkung" während des normalen Fahrzeugbetriebs nicht. Die Software bewirke nicht, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems während des normalen Fahrbetriebs verringert werde. Denn der Motor des Fahrzeugs werde während des normalen Fahrbetriebs praktisch immer im nichtoptimierten Modus 0 betrieben. Damit wirke das verbaute Abgasrückführungssystem im normalen Fahrzeugbetrieb nicht auf das Emissionskontrollsystem ein, so dass dessen Wirksamkeit im normalen Fahrzeugbetrieb auch nicht verringert werde.


Die Beklagte zu 2. behauptet zudem, sie habe gegenüber dem Kläger keine unwahren Angaben gemacht. Nach derzeitigem Ermittlungsstand sei die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden. Es lägen ihr keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Software des Dieselmotors EA189 EU 5 seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten. Sie behauptet, die Lohnkosten eines [...]-Servicepartners für die Umsetzung der technischen Überarbeitung betrügen ca. 35 € netto. Die Fahrzeuge würden nach der technischen Überarbeitung die Immissionsgrenzwerte nach der Abgasnorm EU 5 einhalten. Sie trägt vor, dass nach ihren Hochrechnungen die gesamten Entwicklungskosten für die technische Lösungen für die in Europa und dem Rest der Welt außerhalb der USA und Kanada betroffenen Fahrzeuge am Ende einen Gesamtbetrag von ca. 70 Millionen € nicht überschreiten werden. Selbst unter Berücksichtigung der Entwicklungskosten beliefen sich die Kosten für die technische Maßnahme im Durchschnitt für ein Fahrzeug im deutschen Markt letztlich auf weniger als 100 € brutto pro Fahrzeug.

In einem Schriftsatz vom 15.2.2018 behauptet die Beklagte zu 1., der Kläger habe das streitgegenständliche Fahrzeug als Kaufmann erworben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 22.1.2018 (Bl. 959 ff. d.A.) verwiesen.


Entscheidungsgründe:


Gegenüber der Beklagten zu 1. ist die Klage insgesamt zulässig, aber nur im tenorierten Umfang bezüglich der Anträge zu 1. und 2. begründet.

Der Antrag zu 1. ist in seiner nunmehr gestellten Form zulässig. Er ist hinreichend bestimmt gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, da der Kläger die Zug-um-Zug-Einschränkung für den Nutzungsersatz in das Ermessen des Gerichts stellt und gleichzeitig anknüpfungsfähige Parameter zur Schätzung durch das Gericht vorträgt.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 1. ein Anspruch auf Zahlung von 11.915,53 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeuges zu.

Dieser Anspruch ist allerdings nicht begründet gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Der Kaufvertrag wurde nicht wirksam angefochten. Ein Anfechtungsrecht des Klägers gemäß § 123 Abs. 1 BGB bestand nicht. Der diesbezüglich darlegungs- und beweisbelastete Kläger kann nicht darlegen und beweisen, dass die Beklagte zu 1. ihn getäuscht hat. So trägt die Beklagte zu 1. insbesondere vor, vor September 2015 von der Stickoxidproblematik keine Kenntnis gehabt zu haben. Zwar bestreitet dies der Kläger. Er hätte eine solche Kenntnis aber positiv darzulegen und ggf. zu beweisen. Die Beklagte zu 1. müsste sich auch eine eventuelle arglistige Täuschung der Beklagten zu 2. nicht zurechnen lassen (LG Frankenthal, Urteil vom 12.5.2016, 8 O 208/15, BeckRS 2016, 08996). Der Umstand, dass es sich bei der Beklagten zu 1. um eine Vertragshändlerin der Beklagten zu 2. handelt, ändert nichts daran, dass es sich bei der Beklagten zu 1. um eine selbstständige juristische Person handelt, die als Händlerin von Produkten auftritt, die die Beklagte zu 2. als Herstellerin produziert hat. Der Hersteller ist jedoch im Verhältnis zum Händler als Dritter im Sinn von § 123 Abs. 2 BGB anzusehen (OLG München, Urteil vom 3.7.2017, 21 U 4818/16, NJW-RR 2017, 1238 Rn. 15). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2. auf den konkreten Kaufvertragsschluss zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. Einfluss über ihre Position als Herstellerin des verkauften Produkts hinaus genommen hätte, sind nicht ersichtlich.

Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1. ergibt sich aber wegen wirksamen Rücktritts vom Kaufvertrag gemäß §§ 346 Abs. 1, 348, 434, 437 BGB.

Der Kläger hat mit Anwaltsschreiben vom 19.7.2016 gegenüber der Beklagten zu 1. gemäß § 349 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Dem Kläger stand dabei auch ein Rücktrittsrecht zu.

Das streitgegenständliche Fahrzeug war mangelhaft im Sinn von § 434 BGB. Das verkaufte Fahrzeug war im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Variante 2 BGB. Denn es wies jedenfalls nicht die Beschaffenheit auf, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Das gilt schon unabhängig von der Frage des konkreten Schadstoffausstoßes oder der angeblichen Erklärungen der Beklagten zu 2. dazu. Denn ein Durchschnittskäufer eines Neufahrzeugs kann berechtigterweise erwarten, dass in seinem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut ist, die bei ihrer Entdeckung dazu Anlass gibt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt einen Rückruf bezüglich dieser Fahrzeuge veranlasst, aufgrund dessen diese Fahrzeuge jedenfalls einer Umrüstung unterzogen werden müssen (vgl. etwa LG Saarbrücken, Urteil vom 14.6.2017, 12 O 104/16, BeckRS 2017, 120408). Zwar vertreten die Beklagten die Auffassung, bei der eingebauten Motorsteuerungssoftware handele es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung 715/2007/EG. Diese Rechtsauffassung ist allerdings nicht nachvollziehbar (besonders deutlich LG Heidelberg, Urteil vom 9.11.2017, 4 O 123/16, juris Rn. 43). Auch das Kraftfahrt-Bundesamt, an dessen Rechtsauffassung die Kammer hier allerdings nicht gebunden ist, ist bei seinem Rückruf der Auffassung, dass es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Das ist auch überzeugend. Abschalteinrichtungen im Sinn der o.g. Norm sind solche Einrichtungen, "die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern". Dies steht im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung, der dem Hersteller auferlegt, das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen der Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Eine Software, die erkennt, dass sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand befindet, und dabei in einen bestimmten Modus schaltet, der die Stickoxidemission optimiert, während die Software gleichzeitig dafür sorgt, dass das Fahrzeug im üblichen Fahrbetrieb in einem anderen, nicht emissionsoptimierten Modus fährt, ist offensichtlich eine solche Abschalteinrichtung. Denn sie sorgt dafür, dass das Fahrzeug im normalen Betrieb praktisch niemals im für den Prüfstand optimierten Emissionsmodus betrieben wird, so dass das entsprechende Emissionskontrollsystem im normalen Fahrbetrieb letztlich dauerhaft abgeschaltet ist.




Eine Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 1 BGB war entbehrlich.

Es kann dahinstehen, ob die Nacherfüllung durch Nachbesserung unmöglich gemäß § 275 Abs. 1 BGB und damit eine Fristsetzung gemäß § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich sein könnte, weil das angebotene Update nicht geeignet wäre, das Fahrzeug jedenfalls ohne Verursachung neuer Mängel nachzubessern.

Denn jedenfalls war eine Fristsetzung gemäß § 440 BGB wegen Unzumutbarkeit für den Kläger entbehrlich.

Gegen eine solche Zumutbarkeit spricht zunächst schon, dass dieses Update eben von der Beklagten zu 2. zu Verfügung gestellt wird, bei der der Kläger zu Recht darauf verweisen kann, dass sein Vertrauen in deren Redlichkeit erheblich erschüttert ist. Dabei spielt hier auch keine Rolle, dass der Beklagten zu 1. das Verhalten der Beklagten zu 2. nicht zugerechnet werden kann. Denn die Beurteilung der Zumutbarkeit des § 440 BGB erfolgt allein aus Sicht des Klägers. Dass das Update von der Beklagten zu 2. zur Verfügung gestellt wird, hat mit Zurechnungsfragen nichts zu tun.

Darüber hinaus war aber auch wegen der übrigen Umstände des vorliegenden Falls jedenfalls im konkreten Zeitpunkt der Rücktrittserklärung im Juli 2016 für den Kläger eine Fristsetzung wegen Unzumutbarkeit entbehrlich. Denn wie sich aus dem Antwortschreiben der Beklagten zu 1. ergibt, war die Beklagte zu 1. im Juli 2016 jedenfalls nicht in der Lage, dem Kläger einen konkreten Termin für das Update für seinen Wagen anzubieten. Unbeachtlich ist dabei auch, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung das Kraftfahrt-Bundesamt die konkrete Maßnahme für den Fahrzeugtyp des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2. bereits freigegeben haben mag. Denn wie aus dem o.g. Schreiben weiter hervorgeht, konnte die Beklagte zu 1. dem Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht konkret mitteilen, wann das Update für seinen Wagen zur Verfügung stehen würde. Unbeachtlich ist dabei, dass schließlich bereits nach etwa 3 Monaten der Kläger zur Durchführung des Updates von der Beklagten zu 2. aufgefordert wurde. Auf die Frage wie lange eine zumutbare Frist für die Umsetzung des Updates zu bemessen wäre, kommt es daher nicht an. Denn abzustellen ist allein auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. In dem Schreiben der Beklagten zu 1. an den Kläger im Juli 2016 verwies diese ihn aber noch allgemein darauf, weiter abzuwarten, bis die Beklagte zu 2. in der Lage wäre, die technische Maßnahme an seinem Wagen durchzuführen, ohne einen konkreten Zeitpunkt für das Update zu nennen. Es ist dabei auch ausdrücklich lediglich als "Ziel" formuliert, dass durch diese beabsichtigte Maßnahme keine negativen Auswirkungen für das Fahrzeug des Klägers entstehen sollten. Nachdem der sog. "Abgasskandal" aber spätestens seit Oktober 2015 öffentlich bekannt war, musste es der Kläger jedenfalls im Juli 2016 nicht mehr hinnehmen, auf einen noch ungewissen Zeitpunkt einer selbst von den Beklagten als nicht zweifellos ohne weitere Nachteile dargestellte Nachbesserung vertröstet zu werden.

Unerheblich ist dabei auch, dass es nachvollziehbarer Weise bei einer so komplexen Aufgabe des Umrüstens so vieler Fahrzeuge zu zeitlichen Verzögerungen der Umsetzung kommen mag. Die Unzumutbarkeit im Rahmen von § 440 BGB bestimmt sich allein aus Sicht des Käufers. Die Schwierigkeiten, die in den Verantwortungsbereich der Beklagten zu 1. bzw. deren Herstellerin, der Beklagten zu 2., fallen, sind hier nicht zulasten des Käufers zu berücksichtigen.

Das Rücktrittsrecht ist auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen.

Es überzeugt dabei nicht, allein auf die auf ein einzelnes Fahrzeug heruntergebrochenen Kosten abzustellen und dann zu schließen, dass die Kosten für das Aufspielen der neuen Software nicht einmal ein Prozent des Kaufpreises erreichen würden und deshalb der Mangel unerheblich sei (so aber etwa OLG München, Urteil vom 3.7.2017, 21 U 4818/16, NJW-RR 2017, 1238). Die Unerheblichkeit eines Mangels stellt nach der gesetzlichen Konzeption ausweislich der Formulierung von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB die Ausnahme dar. Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinn des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 28.5.2014, VIII ZR 94/13, NJW 2014, 3229). Dabei trifft es zwar zu, dass dann, wenn auf die Kosten der Mangelbeseitigung zur Bestimmung der Frage der Erheblichkeit abzustellen ist, bei einem Mangelbeseitigungssaufwand von unter einem Prozent des Kaufpreises nicht mehr von Erheblichkeit ausgegangen werden kann (BGH, Urteil vom 14.9.2005, VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490). Es ist jedoch nicht überzeugend, dass zur Bestimmung der Unerheblichkeit oder Erheblichkeit eines behebbaren Mangels stets auf die Kosten der Mangelbeseitigung allein abzustellen wäre (offengelassen von BGH, Urteil vom 14.9.2005, VIII ZR 363/04, NJW 2005, 3490). Bei einer prozentualen Grenze in Bezug auf den Kaufpreis zur Bestimmung der Unerheblichkeit eines Mangels kann es sich bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung nicht um einen starren Richtwert handeln, sondern bloß um eine Regelfallbetrachtung (vgl. LG Siegen, Urteil vom 14.11.2017, 1 O 118/17, BeckRS 2017, 135395).

Im vorliegenden Einzelfall ist es aber geboten, auch die von den Beklagten selbst vorgetragenen ganz erheblichen Gesamtentwicklungskosten im Millionenbereich zu berücksichtigen (vgl. LG Hamburg, Urteil vom 16.11.2016, 301 O 96/16, ZfSch 2017, 441). Es handelt sich hier auch nicht etwa um reine "Sowiesokosten". Die Entwicklung des Updates erfolgte allein für die Behebung des singulären Mangels in Form der unzulässigen Abschalteinrichtung und war nicht etwa Teil des regelmäßigen Geschäftsbetriebs der Beklagten zu 2.. In die Bewertung miteinzubeziehen ist auch der offenbar erforderliche ganz erhebliche Koordinierungssaufwand für die praktische Umsetzung an den einzelnen Fahrzeugen. Auch der Umstand, dass es sich hier um einen Mangel handelt, der einer behördlichen Prüfung und der Genehmigung der Beseitigungsmaßnahmen bedarf, spricht schließlich für eine Erheblichkeit dieses Mangels (LG Paderborn, Urteil vom 21.6.2017, 4 O 415/16, BeckRS 2017, 15478 Rn. 64 ff.). Demnach erscheint bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der vorhandene Mangel nicht als unerheblich.

Das Rücktrittsrecht des Klägers ist auch nicht gemäß § 218 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam. Die Beklagte zu 1. ist hier gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich auf die eingetretene Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs zu berufen. Sie ist an der Erhebung dieser Einrede durch ihren Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede bis zum 31.12.2017 im bereits mit der Klageschrift vorgelegten Schreiben vom 25.7.2016 gehindert. Die Klage wurde hier vor dem Ablauf dieses Verzichtszeitraums rechtshängig gemacht.

Das Rücktrittsrecht des Klägers ist auch nicht gemäß § 377 Abs. 3 HGB ausgeschlossen. Der Vortrag der Beklagten zu 1. in ihrem Schriftsatz vom 15.2.2018 dazu, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag für den Kläger um ein Handelsgeschäft im Rahmen seines Handelsgewerbes gehandelt habe, ist wegen Verspätung gemäß § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Der Beklagten zu 1. war in der mündlichen Verhandlung vom 22.1.2018 lediglich nachgelassen worden, zu den Erläuterungen des Gerichts im Hinblick auf den Bestellvorgang und zu der Übereinstimmungsbescheinigung weitergehend vorzutragen.

Der Rückzahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 1. beträgt 11.915,53 €. Gemäß § 346 Abs. 1 BGB kann der Kläger nach wirksam erklärtem Rücktritt Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges von der Beklagten zu 1. verlangen. Dabei hat er bei dem Rückzahlungsanspruch die von ihm gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen, für deren Berechnung eine kilometeranteilige lineare Wertminderung gemäß § 287 ZPO zu bestimmen ist (Laufleistung / Laufzeiterwartung x Bruttopreis). Die Kammer bestimmt hier demnach bei einer geschätzten zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 200.000 km den von dem Kaufpreis abzuziehenden Nutzungswertersatz auf 26.284,47 €.

Ein Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gegenüber der Beklagten zu 1. folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Der Zinsanspruch ist ab dem 29.7.2016 begründet. Mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 25.7.2016 bei dem Kläger befand sich die Beklagte zu 1. mit dem Rückzahlungsanspruch wegen der Verweigerung des Rücktritts in Verzug. Dabei sind als Postlaufzeit volle 3 Tage zugrunde gelegt.

Der Antrag zu 3. ist ebenfalls zulässig und begründet. Das Feststellungsinteresse des Klägers für den Antrag zu 3. ergibt sich aus den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften § 756 Abs. 1, 765 ZPO. Die Beklagte zu 1. befindet sich wegen der Verweigerung der im Schreiben des Klägers vom 19.7.2016 angebotenen Rückgabe des streitgegenständlichen PKW gemäß §§ 293, 295 BGB im Verzug der Annahme. Ein wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB war hier ausreichend. Denn bei der Rückgewährpflicht des Käufers gemäß § 346 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Holschuld, da Erfüllungsort für das Rückabwicklungsverhältnis der Belegenheitsort der Kaufsache und damit der Wohnsitz des Klägers ist (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 4.9.2012, 3 U 99/11, NJOZ 2013, 1255).

Der Antrag zu 4. ist gegenüber der Beklagten zu 1. zwar zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1. keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Denn vor dem Anwaltsschreiben vom 19.07.2016 ist kein verzugsbegründendes Ereignis ersichtlich. Eine andere Anspruchsgrundlage als Verzugsschadensersatz gemäß §§ 437 Nr. 2, 280 Abs. 1, 286 BGB - insbesondere deliktsrechtlicher Art - ist nicht ersichtlich, da nicht festgestellt ist, dass die Beklagte zu 1. bei dem Verkauf des Fahrzeugs Kenntnis von dem Mangel hatte.

Gegenüber der Beklagten zu 2. ist die Klage im Antrag zu 2. bereits unzulässig, im Antrag zu 4. zwar zulässig aber unbegründet.

Für die Klage gegen die Beklagte zu 2. ist das Landgericht Darmstadt zuständig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 32 ZPO, denn der Kläger stützt seine Klage ihr gegenüber auch auf deliktische Schadensersatzansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB wegen Betrugs. Dabei ist im Rahmen von § 826 BGB Erfolgsort jedenfalls auch da, wo der Vermögensschaden eingetreten ist, da der Schaden zum Tatbestand von § 826 BGB gehört. Das ist im vorliegenden Fall der Wohnsitz des Klägers. Im Übrigen hat sich die Beklagte zu 2. gemäß § 39 ZPO rügelos eingelassen.


Die Klage gegen die Beklagte zu 2. ist jedoch im Antrag zu 2. unzulässig.

Dem Kläger fehlt ein berechtigtes Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Ein Feststellungsinteresse fehlt dann, wenn die Erhebung einer Leistungsklage ohne weiteres möglich und zumutbar ist, so dass die Rechtsstreitigkeit zwischen den Parteien in einem Prozess endgültig geklärt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.1.2014, III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 54). So liegt es hier.

Eine Feststellungsklage ist nicht etwa deshalb zulässig, weil nur ein Teil des geltend gemachten Schadens schon entstanden wäre (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 1.6.2017, 11 O 3683/16, juris Rn. 22).

Schadenersatz gegenüber der Beklagten zu 2. kommt nach dem eigenen Vortrag des Klägers ebenso wie gegenüber der Beklagten zu 1. primär als Zahlung in Höhe des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen PKW in Betracht.

Sonstige möglicherweise darüber hinausgehende zukünftig entstehende Schadensposten sind von dem Kläger nicht hinreichend substantiiert dargetan. Bei reinen Vermögensschäden, wie sie hier gegenüber der Beklagten zu 2. in Rede stehen, ist aber eine Wahrscheinlichkeit künftiger Schadenentstehung substantiiert darzulegen (BGH, Beschluss vom 4.3.2015, IV ZR 36/14, NJW 2015, 1683 Rn. 15). Dies hat der Kläger nicht getan. So hat er insbesondere nicht konkretisiert, welche steuerlichen Nachteile er befürchtet. Solche sind auch nicht ohne weiteres ersichtlich. Gerade angesichts des zwischenzeitlichen Zeitablaufs bei dem sog. "Abgasskandal" wäre der Kläger aber gehalten, seine allgemein gehaltenen Befürchtungen zu konkretisieren. Zwar trägt der Kläger zudem vor, durch die Klage vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestehe die Gefahr, dass das Kraftfahrtbundesamt zukünftig seinen Wagen stilllegen werde. Unabhängig davon, ob nach der Umrüstung mit dem Update der Beklagten zu 2. noch eine realistische Gefahr dafür bestünde, ist dies für das Schadensersatzinteresse des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2. aber auch unbeachtlich. Denn bei Rückgabe des Wagens ist es für ihn ersichtlich unerheblich, ob in Zukunft ein Fahrzeug, das er zurückgegeben haben wird, stillgelegt wird. Dass eine Stilllegung ohne jede vorangehende Fristsetzung erfolgen könnte, ist aber auch nicht ersichtlich. Zudem ist zu beachten, dass der Kläger nicht in Abrede stellt, dass er jederzeit das Update für das streitgegenständliche Fahrzeug durchführen könnte. Bei Durchführung dieses Updates erscheint eine Stilllegung nicht wahrscheinlich. Es ist nicht nachvollziehbar, wenn der Kläger meint, die Durchführung des Updates sei für ihn unzumutbar, weil möglicherweise in einem Gerichtsverfahren ein Gutachten eingeholt werden müsse. Im vorliegenden Gerichtsverfahren muss jedenfalls kein Gutachten eingeholt werden. Zudem hat auch die Beklagte zu 1. vorgetragen, dass das Update für eine Begutachtung noch einmal rückgängig gemacht werden könne. Es ist auch nicht ersichtlich, warum dem nicht so sein sollte. Mögliche Folgen, die den Kläger deshalb treffen, weil er das Update nicht aufspielt, würden daher auf seinem eigenen Willensentschluss beruhen und wären nicht kausal der Beklagten zu 2. zuzurechnen. Schließlich legt der Kläger auch nicht substantiiert dar, dass ein Schadensersatzanspruch wegen eventuell falscher Angaben zu Spritverbrauch oder CO2-Werten wahrscheinlich ist. Der Kläger gibt noch nicht einmal an, welche Werte die Beklagte zu 2. hier fälschlicherweise angegeben haben soll.

Ein Feststellungsinteresse besteht auch nicht deshalb, weil der Kläger sich berechtigterweise ein Wahlrecht zwischen den Alternativen offen halten möchte, ob er entweder den Vertrag rückabwickeln möchte oder an dem Vertrag festhalten möchte, um dann Ersatz der durch eine unerlaubte Handlung der Beklagten zu 2. entstandenen Nachteile zu verlangen. Ein solches Wahlrecht ist im vorliegenden Fall nach dem eigenen Vortrag des Klägers ausgeschlossen. Zwar ist in der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt, dass ein Schadenersatzanspruch auf das negative Interesse aufgrund fehlerhafter Information vor einem Vertragsschluss in Bezug sowohl in der Form durchgesetzt werden kann, dass der Vertrag rückabwickelt wird, als auch dadurch, dass der Geschädigte an dem Vertrag festhält und zusätzlichen Schadensersatzanspruch verlangen kann, was insbesondere auf den Betrag geht, um den das Vertragsentgelt zu hoch bemessen war (vgl. BGH, Urteil vom 14.03.1991, VII ZR 342/89, NJW 1991, 1819). Diese zweite Alternative des Festhaltens am Vertrag ist im vorliegenden Fall aber schon nach dem Vortrag des Klägers ausgeschlossen.

Die grundsätzliche Anerkennung dieser Durchführung des Schadensersatzanspruchs beruht auf der Überlegung, dass der Geschädigte verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er bei Offenbarung der für seinen Kaufentschluss maßgeblichen Umstände stünde. Daher kann er, wenn er an dem Vertrag festhalten will, grundsätzlich verlangen, so behandelt zu werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Kaufvertrag zu einem günstigeren Preis abzuschließen (BGH, Urteil vom 06.04.2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875).

Dabei muss der Geschädigte nicht beweisen, dass sein Vertragspartner sich auf einen abweichenden Vertragsschluss eingelassen hätte, sondern entscheidend ist allein, wie sich der Getäuschte bei Kenntnis der ihm verheimlichten Umstände verhalten hätte (BGH, Urteil vom 6.4.2001, V ZR 394/99, NJW 2001, 2875; BGH, Urteil vom 14.03.1991, VII ZR 342/89, NJW 1991, 1819).

Im vorliegenden Fall könnten aber diese Voraussetzungen nach dem Vortrag des Klägers nicht erfüllt werden. Er trägt vehement vor, dass er den Kaufvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er von der Beklagten zu 2. zutreffend informiert worden. So behauptet er etwa auch, dass es ihm insbesondere bei dem Kauf auch auf Umweltaspekte angekommen sei und er bringt den Betrieb des streitgegenständlichen Fahrzeugs sogar in direkte Beziehung zu Körperverletzung in Bezug auf andere Menschen (Bl. 172 der Akte). Der Kläger setzt sich damit in Widerspruch zu seinem eigenen übrigen Vortrag, wenn er im Rahmen des Feststellungsinteresses dennoch vortragen will, er hätte den Kaufvertrag vielleicht doch auch in Kenntnis der eingebauten Motorsteuerungssoftware geschlossen. Der Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu 2. kann sich demnach nur auf eine Rückgängigmachung der Folgen des Kaufvertrags richten. Der Kläger könnte von der Beklagten zu 2. nur verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht abgeschlossen (vgl. LG Paderborn, Urteil vom 5.5.2017, 4 O 454/16, BeckRS 2017,124928 Rn. 12).



Verbleibt damit von den berechtigten Rechtsschutzzielen des Klägers auch gegenüber der Beklagten zu 2. letztlich nur Zahlung in Höhe des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, so ist die Leistungsklage vorrangig. Denn die Höhe des Kaufpreises abzüglich etwaiger Nutzungsentschädigung im Rahmen der Vorteilsausgleichung ist bezifferbar.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Kläger einen Nutzungsersatz als Abzugsposten im schadensrechtlichen Vorteilsausgleich noch nicht beziffern könnte. Für die Nutzungsentschädigung hat der Kläger ebenso wie bei dem Antrag zu 1. die Pflicht, eine Schätzgrundlage für den Nutzungsersatz anzugeben (LG Braunschweig, Urteil vom 1.6.2017, 11 O 3683/16, juris Rn. 21; LG Augsburg, Urteil vom 14.7.2017, 103 O 1997/16, juris Rn. 17). Zwar hat das OLG Braunschweig einmal ausgesprochen, dass in dem Fall, in dem sich die Höhe der Nutzungsentschädigung nach dem Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs richtet und daher zum Zeitpunkt des Erlasses der gerichtlichen Entscheidung noch nicht feststeht, ein Feststellungsantrag zulässig sei (OLG Braunschweig, Urteil vom 6.11.2014, 8 U 163/13, BeckRS 2015, 00155 Rn. 104). Dies erscheint jedoch kaum praktikabel, da dann letztlich niemals ein Leistungsurteil über solche Konstellationen ergehen müsste. Auch hat der Kläger kein berechtigtes Interesse, zunächst noch kein Leistungsurteil zu erwirken, weil sich der Schadensersatzbetrag noch in der Entwicklung befindet. Denn hier besteht bezogen auf die Nutzungsentschädigung die Entwicklung des Schadensersatzanspruches gerade darin, dass dieser im Betrag sinkt. Der Kläger könnte diese Verringerung seines Anspruchs im Rahmen seiner Vollstreckung berücksichtigen, indem er neu angefallene Nutzungsentschädigung von einem zu vollstreckenden Betrag abzieht. Ein berechtigtes Interesse daran, zunächst noch nicht die Leistungsklage zu erheben, hat der Kläger daher nicht.

Ein Feststellungsinteresse besteht schließlich auch nicht ausnahmsweise deshalb, weil die Beklagte zu 2. mit einer Behörde oder einer Versicherung im Sinn der Rechtsprechung verglichen werden könnte, die aufgrund eines Feststellungsurteils leisten würde (LG Braunschweig, Urteil vom 1.6.2017, 11 O 3683/16, juris Rn. 23; LG Augsburg, Urteil vom 14.7.2017, 103 O 1997/16, juris Rn. 22). Der Kläger spricht der Beklagten zu 2. zudem in seinen Schriftsätzen ausdrücklich sein Misstrauen aus.

Der Antrag zu 4. auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Rechtsanwaltskosten ist der Beklagten gegenüber zwar zulässig aber unbegründet. Ein konkretes vorgerichtliches Tätigwerden gegen die Beklagte zu 2. ist nicht vorgetragen. Insoweit ist lediglich ein allgemeines Schreiben vom 10.12.2015 seitens der Prozessbevollmächtigten des Klägers an die Beklagte zu 2. vorgelegt, in dem diese sich allgemein darauf berufen, die Interessenvertretung von mehr als 800 Geschädigten dem [...] Skandal vorzunehmen (Bl. 89, Anlage K9). Es ist nicht ersichtlich, dass dabei konkret für den Kläger gehandelt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht hinsichtlich einer Vollstreckung durch den Kläger und die Beklagte zu 2. auf § 709 S. 2 ZPO, hinsichtlich einer Vollstreckung durch die Beklagte zu 1. auf § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO.

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