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Oberlandesgericht Hamm Urteil vom 05.07.2019 - 7 U 15/18 - Vorhofflimmerns bei einem Schlaganfall zwei Wochen nach dem Unfall

OLG Hamm v. 05.07.2019: Keine Unfallbedingtheit eines Vorhofflimmerns bei einem Schlaganfall zwei Wochen nach dem Unfall


Das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 05.07.2019 - 7 U 15/18) hat entschieden:

   Ein Vorhofflimmern tritt in den meisten Fällen plötzlich und unerwartet auf. Auslösende Ursachen, die unmittelbar zum Vorhofflimmern führen, sind nur in wenigen Fällen bekannt. Sofern ausnahmsweise ein solcher "Trigger" vorliegt, tritt das Vorhofflimmern unmittelbar oder kurz danach auf. Bei einem Schlaganfall als Folge eines Vorhofflimmerns zwei Wochen nach einem Unfall ist ein Ursachenzusammenhang eher unwahrscheinlich.


Siehe auch
Kausalzusammenhang - Ursachenzusammenhang
und
Stichwörter zum Thema Personenschaden


Gründe:


I.

Der Kläger zu 2) macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden infolge eines Verkehrsunfalls am 20.03.2013 geltend. Der Sach- und Streitstand stellt sich - soweit in der Berufungsinstanz von Relevanz - wie folgt dar:

Am 20.03.2013 kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug im Stop and Go-Verkehr bei Schneeglätte auf den von dem Kläger zu 2) gefahrenen Pkw der Klägerin zu 1) auffuhr. Die vollständige Einstandspflicht der Beklagten für die Folgen des Unfalls ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Sie streiten vielmehr darum, ob und in welchem Umfang der Kläger zu 2) bei dem Unfall verletzt wurde und welche der geltend gemachten materiellen und immateriellen Schäden als Unfallfolgen zu ersetzen sind.

Der Kläger zu 2) begab sich am Tag nach dem Unfall in Behandlung des Allgemeinmediziners Dr. Q, bei dem es sich um den Vertreter seines Hausarztes handelte. Dieser diagnostizierte eine Verstauchung, eine Zerrung und ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule sowie eine Stauchung der Brustwirbelsäule, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Diagnose zutraf. In der Folgezeit nahm der Kläger zu 2) noch weitere Termine bei Dr. Q wahr.

In der Nacht vom 04.04.2013 auf den 05.04.2013 - also gut zwei Wochen nach dem Unfall - erwachte der Kläger zu 2) mit Kopfschmerzen und Sehstörungen. Im F Krankenhaus C wurde am 05.04.2013 festgestellt, dass der Kläger zu 2) einen Schlaganfall, einen sog. Posterior-Teilinfarkt rechts, in Folge "neu aufgetretenen" Vorhofflimmerns erlitten hatte, was mehrere Krankenhausaufenthalte sowie Behandlungen erforderlich machte. Ob das Vorhofflimmern und damit der Schlaganfall durch den Unfall ausgelöst wurden, oder ursächlich allein auf die Vorerkrankungen des Klägers zu 2) - insbesondere den Zustand nach einem im Jahr 2001 erlittenen Myokardinfarkt, der zu einer Stantimplantation führte, eine koronare 3-Gefäßerkrankung sowie den Zustand nach einer operativen Versteifung der Halswirbelsäule im August 2012 - zurückführen sind, ist zwischen den Parteien streitig.




Mit der Klage hat der Kläger zu 2) ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,00 € geltend gemacht. Er hat zudem die Erstattung der von Dr. Q abgerechneten Arztkosten in Höhe 127,34 € gemäß einer Rechnung vom 13.06.2013, die Kosten einer radiologischen Kontrolluntersuchung der Halswirbelsäule gemäß Rechnung vom 25.04.2013 über 47,15 €, eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25 €, vorprozessuale Rechtsanwaltskosten nach einem Streitwert von 30.000 € sowie die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten mit Blick auf Zukunftsschäden begehrt.

Der Kläger zu 2) hat dazu behauptet, er habe durch den Unfall einen Schock erlitten, welcher das Vorhofflimmern ausgelöst habe, das wiederum zu dem Schlaganfall geführt habe. Er habe nach dem Unfall außergewöhnlich starkes Herzklopfen, Brustschmerzen und Verspannungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule verspürt. Es sei zu einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule gekommen und er habe zudem an zunehmend unerklärlichem körperlichen Unwohlsein, einer erheblich eingeschränkten Belastbarkeit, phasenweiser Atemnot, allgemeiner Antriebslosigkeit, Benommenheit und Angstgefühlen gelitten.

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und bestritten, dass sich der Kläger zu 2) bei dem Unfall, bei dem die Aufprallenergie des Beklagtenfahrzeugs gering gewesen sei, verletzt habe. Insbesondere sei das Vorhofflimmern allein infolge seiner diversen Herzerkrankungen aufgetreten.

Das Landgericht hat den Kläger zu 2) informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. T zu der Frage der Ursächlichkeit des Unfalls für das Vorhofflimmern und den Infarkt, welches der Sachverständige mündlich erläutert hat.

Sodann hat es mit Urteil vom 18.11.2014, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge Bezug genommen wird, der Klage in Höhe eines Betrages von 116,18 € für die Behandlungskosten und in Höhe von 500,00 € für die immateriellen Schäden stattgegeben. Mit Blick auf die geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren hat es ebenfalls einen Teilbetrag ausgeurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Gericht sei nach der Anhörung des Klägers zu 2) davon überzeugt, dass dieser unmittelbar nach dem Unfall unter körperlichem Unwohlsein, eingeschränkter Belastbarkeit und Beklommenheit gelitten habe, was ein Schmerzensgeld von 500,00 € rechtfertige. Demgegenüber könnten Verletzungen der Halswirbelsäule nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, ebenso wenig wie eine Ursächlichkeit des Unfalls für das zwei Wochen später festgestellte Vorhofflimmern, welches Ursache des Schlaganfalls gewesen sei. Da bereits eine Primärverletzung nicht feststellbar sei, kämen dem Kläger zu 2) auch keine Beweiserleichterungen zugute. Außerdem sei nach dem Ergebnis des eingeholten Sachverständigengutachtens ohnehin davon auszugehen, dass eine Ursächlichkeit des Unfalls für das Vorhofflimmern extrem unwahrscheinlich sei. Bezüglich der materiellen Schäden seien die Kosten der radiologischen Kontrolluntersuchung der Halswirbelsäule sowie der Teil der Behandlungskosten des Dr. Q erstattungsfähig, der nicht auf dem späteren Vorhofflimmern beruhte. Eine Kostenpauschale stehe dem Kläger zu 2) nicht zu, nachdem diese bereits an die frühere Klägerin zu 1) gezahlt worden sei. Da die Verletzungen des Klägers zu 2) nicht gravierend gewesen seien, schieden Folgeschäden aus, so dass der Feststellungsantrag unbegründet sei. Für den Kläger zu 2) sei ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren nach Aufteilung auf die frühere Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) in Höhe von 80,25 € berechtigt.




Gegen dieses Urteil hat der Kläger zu 2) Berufung eingelegt, soweit die durch ihn erhobene Klage abgewiesen wurde. Er hat gerügt, das Landgericht habe die Anforderungen an eine Primärverletzung verkannt und rechtsfehlerhaft angenommen, eine solche liege nicht bereits mit den durch das Landgericht angenommenen unfallbedingten Beschwerden vor. Dies sei aber der Fall und führe dazu, dass für alle weiteren Verletzungsfolgen der Maßstab des § 287 ZPO gelte. Das Landgericht habe zudem Beweisanträge des Klägers zu 2) zur Feststellung einer Verletzung der Halswirbelsäule übergangen. Auch mit Blick auf die Frage der Unfallbedingtheit des Vorhofflimmerns habe das Landgericht den Beweismaßstab verkannt und sei infolge dessen zu der unzutreffenden Einschätzung gelangt, dass ein ursächlicher Zusammenhang nicht bestehe. Es sei zu berücksichtigen, dass eine Mitursächlichkeit des Unfalls, ggf. neben den kardialen Vorerkrankungen, genüge.

Die Beklagten haben das landgerichtliche Urteil verteidigt.

Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat mit Urteil vom 15.09.2015 (Az: I-9 U 178/14) das Urteil des Landgerichts Bielefeld einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und zurückverwiesen, soweit die Klage des Klägers zu 2) abgewiesen wurde. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Urteil beruhe auf gravierenden Verfahrensverstößen in Form unzureichender Sachverhaltsaufklärung unter Übergehung von Beweisantritten. Indem das Landgericht unfallbedingt aufgetretenes körperliches Unwohlsein, eingeschränkte Belastbarkeit und Beklommenheit festgestellt habe, stehe eine unfallbedingte Primärverletzung fest mit der Folge, dass für alle weiteren Unfallfolgen der Beweismaßstab des § 287 ZPO gelte, wonach eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genüge. Hinsichtlich der behaupteten HWS-/BWS-Verletzung bedürfe es noch der Einholung eines interdisziplinären Gutachtens. Das Landgericht habe auch die Frage der Ursächlichkeit des Unfalls für das Vorhofflimmern verfahrensfehlerhaft nicht hinreichend aufgeklärt. Dem Sachverständigen habe es ersichtlich an hinreichenden Feststellungsgrundlagen gefehlt, da dieser keine Exploration des Klägers vorgenommen habe und ihm die Vorbefunde bezüglich der früheren Herzerkrankungen gefehlt hätten. Es bestünden schließlich auch Zweifel, ob dem Sachverständigen bewusst gewesen sei, dass auch eine überwiegend wahrscheinliche Mitursächlichkeit des Unfalls als Auslöser für das Vorhofflimmern und den darauf beruhenden Schlaganfall ausreiche.

Das Landgericht hat sodann weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines interdisziplinären Gutachtens mit Blick auf die behauptete Verletzung der Hals- und Brustwirbelsäule sowie durch ergänzende Begutachtung des Sachverständigen Dr. T mit Blick auf eine Ursächlichkeit des Unfalls für das Vorhofflimmern. Im Beweisbeschluss hat das Landgericht den Sachverständigen darauf hingewiesen, dass auch eine überwiegend wahrscheinliche Mitursächlichkeit des streitgegenständlichen Unfalls ausreichen würde. Es hat zudem die Durchführung einer Exploration des Klägers durch den Sachverständigen und die Berücksichtigung der Vorbefunde angeordnet. Nach Einholung des interdisziplinären Gutachtens hat der Sachverständige Dr. T ein ergänzendes Gutachten erstellt, welches er im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 28.11.2017 erläutert hat.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage erneut überwiegend abgewiesen und die Beklagten lediglich zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 300,00 € sowie der Kostenpauschale von 25,00 € verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Einholung des interdisziplinären Gutachtens sei überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger zu 2) unfallbedingt ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule I. Grades erlitten habe. Die Feststellung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genüge angesichts der feststehenden Primärverletzungen in Form des körperlichen Unwohlseins, der eingeschränkten Belastbarkeit und der Beklommenheit und führe zur Angemessenheit eines Schmerzensgeldes von insgesamt 800,00 €, so dass die Beklagten zur Zahlung weiterer 300,00 € zu verurteilen gewesen seien. Eine Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls für das zwei Wochen nach dem Unfall festgestellte Vorhofflimmern sei auch nach der ergänzenden Beweiserhebung durch den Sachverständigen Dr. T nicht feststellbar. Vielmehr sei die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Ursachenzusammenhang nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen äußerst gering; konkurrierende Ursachen wie die verschiedenen vorbestehenden Herzerkrankungen des Klägers zu 2) seien als Ursache des Vorhofflimmerns und damit auch des Schlaganfalls als ungleich wahrscheinlicher anzusehen, wenngleich eine Ursächlichkeit des Unfalls nicht gänzlich auszuschließen sei. Der Einwand des Klägers zu 2), der Sachverständige würde völlig überhöhte Anforderungen an die Ursächlichkeit zwischen Autounfall und dem Vorhofflimmern stellen, sei unberechtigt. Insoweit sei die überzeugende Erläuterung des Gutachters zu berücksichtigen, dass ein Vorhofflimmern auch anlasslos auftreten könne. Ob ein Zusammenhang zwischen Unfall und Vorhofflimmern möglich sei, sei irrelevant, weil es der überwiegenden Wahrscheinlichkeit bedürfe, an der es vorliegend aber fehle. Mit Blick auf die weiteren materiellen Schäden stehe dem Kläger zu 2) lediglich noch die Unfallpauschale zu, nicht aber weitergehender Ersatz von Behandlungskosten oder vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren; auch der Feststellungsantrag sei nach alledem weiterhin unbegründet.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zu 2), mit der er das Urteil im Umfang der Klageabweisung zur erneuten Überprüfung stellt. Er rügt, das Urteil beruhe erneut auf schwerwiegenden Rechtsfehlern und unzureichenden tatsächlichen Feststellungen. Die Ansicht des Landgerichts, dem Kläger zu 2) stehe kein über den Betrag von 800,00 € hinausgehender Schmerzensgeldanspruch zu, sei rechtsfehlerhaft. Das Landgericht habe sich über die Vorgaben des Oberlandesgerichts Hamm im Urteil vom 15.09.2015 hinweggesetzt, indem es den Sachverständigen nicht darüber belehrt habe, dass eine überwiegend wahrscheinliche Mitursächlichkeit des streitgegenständlichen Unfalls für das Vorhofflimmern und darauf beruhend den Schlaganfall ausreiche. Deswegen habe der Sachverständige offenkundig zu strenge Anforderungen an den Nachweis der Ursächlichkeit gestellt. Auf der Basis der Erläuterungen des Sachverständigen im Termin vom 28.11.2017 vor dem Landgericht lasse sich eine wahrscheinliche Mitursächlichkeit des Unfalls nicht verneinen. Die gegenläufige Schlussfolgerung des Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar. Für den Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität sei eine Wahrscheinlichkeit, die medizinischwissenschaftlichen Kriterien standhalte, gerade nicht Voraussetzung. Dass nach dem Unfall nicht unmittelbar Befunde erhoben worden seien, welche ein Vorhofflimmern belegt hätten, ändere nichts daran, dass ein solches zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe, was die entsprechenden Symptome gezeigt hätten. Sofern es sich hierbei um belanglose Allgemeinbeschwerden gehandelt hätte, hätten diese ohne Folgen wieder abklingen müssen. Es sei ferner durch das Landgericht nicht berücksichtigt worden, dass eine Mitursächlichkeit des Unfalls für das eingetretene Vorhofflimmern genüge. Die Angaben des Sachverständigen zu den Vorerkrankungen des Klägers zu 2) als denkbare Ursachen für das Vorhofflimmern seien bei seinen beiden schriftlichen Begutachtungen und den beiden mündlichen Erläuterungen vor dem Landgericht nicht konstant gewesen, so dass das Landgericht Anlass gehabt hätte, auf eine Klarstellung durch den Sachverständigen hinzuwirken.

Der Kläger beantragt,

   das angefochtene Urteil abzuändern, soweit zu seinem Nachteil entschieden wurde, und die Beklagten insoweit nach seinen zuletzt gestellten Anträgen in I. Instanz zu verurteilen,

hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit zum Nachteil des Klägers zu 2) entschieden wurde, und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Das Landgericht habe gestützt auf die ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. T unter zutreffender Anwendung des § 287 ZPO eine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen Unfall und Vorhofflimmern verneint.

Der Senat hat den Kläger zu 2) in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2018 ergänzend persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 16.10.2018 (Bl. 409 f. d.A.) verwiesen. Der Senat hat zudem ergänzend Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. U, das dieser in der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2019 erläutert hat. Wegen des Ergebnisses der ergänzenden Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 05.07.2019 (Bl. 466 ff. d.A.) sowie das schriftliche Gutachten vom 28.02.2019 Bezug genommen.





II.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger zu 2) keine weitergehenden Ansprüche gegen die Beklagten auf Schmerzensgeld und Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 20.03.2013 zustehen. Zwar steht dem Kläger zu 2) dem Grunde nach ein Anspruch gegen die Beklagten aus §§ 7, 18 StVG i.V.m. §§ 115 VVG, 1 PflVG, ggf. auch aus § 823 BGB zu. Der Höhe nach sind die dem Kläger durch den Unfall entstandenen Beeinträchtigungen und materiellen Schäden jedoch bereits durch die erstinstanzlich zutreffend ausgeurteilten Beträge abgegolten, so dass weitergehende Ansprüche ausscheiden. Im Einzelnen:

a) Ein weitergehendes, über 800 € hinausgehendes Schmerzensgeld steht dem Kläger zu 2) nicht zu.

aa) Die Feststellung des Landgerichts, dass das Schmerzensgeld unter Zugrundelegung von unfallbedingtem körperlichem Unwohlsein, eingeschränkter Belastbarkeit und Beklommenheit sowie wegen eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule I. Grades, das innerhalb weniger Wochen abgeklungen sei und keine Folgeschäden hinterlassen habe, mit 800 € zu bemessen sei, wird von dem Kläger zu 2) in der Berufung nicht angegriffen und begegnet auch sonst keinen Bedenken.

bb) Weitergehende unfallbedingte Beeinträchtigungen des Klägers zu 2), die ein höheres Schmerzensgeld rechtfertigen würden, hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht verneint. Der Kläger zu 2) konnte seine Behauptung, dass der Unfall den am 05.04.2013 diagnostizierten Schlaganfall verursacht habe, nicht nachweisen. Im Gegenteil war der Unfall nach dem Ergebnis der ergänzenden Beweisaufnahme vor dem Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht die Ursache des Schlaganfalls, so dass dem Kläger zu 2) ein Nachweis der Kausalität unabhängig davon, ob das Beweismaß des § 286 ZPO oder die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO einschlägig sind, nicht gelungen ist.

Da zwischen den Parteien in der Berufung unstreitig ist, dass der am 05.04.2013 diagnostizierte Schlaganfall des Klägers zu 2) eine Folge des bei ihm am selben Tag diagnostizierten Vorhofflimmerns war, wäre der Schlaganfall bereits als Unfallfolge anzusehen, wenn das Vorhofflimmern durch den Unfall jedenfalls mitursächlich ausgelöst wurde. Das war indes nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht der Fall. Das eingeholte Obergutachten des Sachverständigen Prof. Dr. U, an dessen fachlicher Qualifikation als Direktor der Medizinischen Klinik der Universitätsklinik N mit den Schwerpunkten Kardiologie und Angiologie der Senat keine Zweifel hat, kommt zu dem Ergebnis, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhofflimmern durch den Unfall verursacht wurde, als äußerst gering anzusehen ist. Dem schließt sich der Senat aufgrund der folgenden Erwägungen an:

(1) Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. U in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.02.2019 sowie im Senatstermin vom 05.07.2019 tritt ein Vorhofflimmern in den meisten Fällen plötzlich und unerwartet auf. Auslösende Ursachen, die unmittelbar zum Vorhofflimmern führen, sind nur in wenigen Fällen bekannt. Sofern ausnahmsweise ein solcher "Trigger" vorliegt, tritt das Vorhofflimmern unmittelbar oder kurz danach auf. Diese Ausführungen, denen der Senat folgt, stehen auch im Einklang mit der Einschätzung des erstinstanzlich tätigen Sachverständigen Dr. T, der in seinem Gutachten vom 20.09.2014 davon ausgegangen ist, dass ein Zusammenhang zwischen einem Unfall und einem Vorhofflimmern vorliegend nur anerkannt werden kann, wenn eine enge zeitliche Verbindung zwischen den beiden zeitlichen Ereignissen besteht.

(2) Anhaltspunkte dafür, dass der Unfall bei dem Kläger zu 2) mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit einen solchen "Trigger" darstellte, weil in hinreichender zeitlicher Nähe zu dem Unfall ein Vorhofflimmern aufgetreten ist, bestehen indes nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen der Senat beitritt, nicht.

(aa) Zunächst können für die Beurteilung, ob bei dem Kläger zu 2) in zeitlicher Nähe zu dem Unfall ein Vorhofflimmern auftrat, lediglich die Beschwerden herangezogen werden, die nach den Angaben des Klägers zu 2) im Rahmen seiner persönlichen Anhörungen in den mündlichen Verhandlungen vom 18.11.2014 und 16.10.2018 in zeitlicher Nähe zu dem Unfall am 20.03.2013 aufgetretenen sind, also Benommenheit, Übelkeit, Schlafstörungen, Beschwerden im Brust-, Hals-, und Nackenbereich, Beklommenheit, etwas Atemnot, Antriebslosigkeit, eingeschränkte Belastbarkeit, Konzentrationsprobleme, Schweißausbrüche und Angstzustände. Dagegen sind die weiteren schriftsätzlich behaupteten Beschwerden - insbesondere ein ungewöhnliches starkes Herzklopfen - mangels Nachweises nicht berücksichtigungsfähig.

(bb) Ausgehend von diesen Beschwerden ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. U nahezu auszuschließen, dass der Kläger zu 2) zeitnah zu dem Unfallgeschehen ein Vorhofflimmern entwickelt habe, weil seine Beschwerden sich nicht als charakteristische Symptome eines Vorhofflimmerns darstellen.


Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass die beiden häufigsten und charakteristischen Symptome des Vorhofflimmerns ein unregelmäßiges Schlagen des Herzens (sog. Palpitationen) und eine durch die um 30-40 % eingeschränkte Pumpleistung des Herzens ausgelöste deutliche Atemnot seien. Diese Symptome habe der Kläger zu 2) seinen eigenen Angaben zufolge jedoch nicht aufgewiesen. Zwar könnten diese Symptome, wie der Sachverständige erläutert hat, in Abhängigkeit von der Höhe des Pulses in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Bei einer nicht ausgeprägten Symptomatik sei die Wahrscheinlichkeit, dass diese auf ein Vorhofflimmern zurückzuführen seien, jedoch geringer. Die von dem Kläger geschilderte leichte Atemnot, die in der Nacht nach dem Unfall aufgetreten sei, könne schon danach nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad zur Begründung des Vorliegens eines Vorhofflimmerns zu diesem Zeitpunkt herangezogen werden.

Dazu kommt, dass die bei dem Kläger zu 2) aufgetretenen Brustschmerzen und die Übelkeit nach den Ausführungen des Sachverständigen gerade keine klinischen Anzeichen eines Vorhofflimmerns darstellen und sich seine Gesamtsymptomatik plausibel auf seine Vorerkrankungen und die durch den Unfall hervorgerufene Distorsion der Halswirbelsäule zurückführen lässt. Denn das Druckgefühl in der Brust und die in der Nacht aufgetretene leichte Atemnot seien mit einer aufgrund der Erkrankung der Herzkranzgefäße leicht verminderten Pumpleistung des Herzens sowie dem bei dem Kläger zu 2) vorliegenden Bluthochdruck erklärlich, während sich die weiteren von dem Kläger zu 2) geschilderten Beschwerden plausibel als Symptome der nachgewiesenen unfallbedingten Distorsion der Halswirbelsäule deuten ließen. Insbesondere sei die von dem Kläger geschilderte Übelkeit gerade nicht charakteristisch bei Vorliegen eines Vorhofflimmerns, sondern könne eher auf Kranzgefäßprobleme hindeuten.

Dem stehen auch nicht die Ausführungen des erstinstanzlich tätigen Sachverständigen Dr. T entgegen. Zwar hatte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 28.11.2017 erläutert, dass die von dem Kläger schriftsätzlich geschilderten Beschwerden mit einem Vorhofflimmern vereinbar seien, weil starkes Herzklopfen, Unwohlsein und eine Leistungsminderung klinische Zeichen eines Vorhofflimmerns seien. Er hat jedoch gleichzeitig angemerkt, dass in den initialen Angaben der auswärtigen Kliniken nicht von Herzklopfen berichtet werde und eine Leistungsminderung für sich unspezifisch und damit nicht ausreichend für die Diagnose eines Vorhofflimmerns sei. Dies steht in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. U, wonach eine wegweisende Symptomatik in Anbetracht der nachgewiesenen Beschwerden nicht vorlag.

Dies steht auch im Einklang damit, dass der von dem Kläger am 21.03.2013 konsultierte Dr. Q das Vorliegen eines Vorhofflimmerns nicht in Betracht zog, was - da nach Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. U dem Allgemeinmediziner das Erkennen eines Patienten mit unregelmäßigem Puls zuzutrauen sei - ebenfalls dafür spricht, das ein solches zu diesem Zeitpunkt nicht vorlag.

Allein der Umstand, dass der Sachverständige Dr. T - insoweit im Widerspruch zu dem Sachverständigen Prof. Dr. U - die Möglichkeit, dass bei dem Kläger ein Vorhofflimmern eintrat, das sich nicht durch charakteristische Symptome äußerte, theoretisch in Betracht gezogen hat, reicht zur Begründung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit nach dem Beweismaß des § 287 ZPO nicht aus. Eine auch nur überwiegende Wahrscheinlichkeit im Sinne von § 287 ZPO für das Vorliegen eines ggf. normofrequenten und damit symptomarmen Vorhofflimmerns in zeitlicher Nähe zu dem Unfall ist angesichts der nach den Ausführungen des Sachverständigen ungleich wahrscheinlicheren anderen Ursachen seiner in zeitlicher Nähe zu dem Unfall aufgetretenen Beschwerden nicht zu begründen.

(cc) Darüber hinaus hat der Sachverständige Prof. Dr. U in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 05.07.2019 herausgestellt, dass das Vorhofflimmern sofort nach dem Unfall hätte auftreten müssen, wenn dieser der Auslöser gewesen wäre, und nicht erst nach einigen Stunden. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar damit erläutert, dass das Vorhofflimmern bei dem Kläger zu 2) durch elektrische Impulse ausgelöst wurde, die von vorerkrankungsbedingten Narben in den Pulmonalvenen gesendet werden. Angesicht dieses Wirkungsmechanismus hätten die Narben sofort nach dem Unfall "feuern" müssen, sofern dieser einen "Trigger" dargestellt hätte. Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Kläger zu 2) unmittelbar nach dem Unfall ein Vorhofflimmern auftrat, sind jedoch angesichts der unmittelbar nach dem Unfall allein aufgetretenen leichten Benommenheit, umso weniger gegeben.



b) Die Feststellung des Landgerichts, dass dem Kläger zu 2) kein weitergehender materieller Schadensersatz zusteht, ist nicht zu beanstanden.

Die durch das Vorhofflimmern bzw. den Schlaganfall veranlassten Behandlungskosten Dr. Q sind nicht zu erstatten, weil diese Beeinträchtigungen nicht unfallbedingt waren. Auf die Ausführungen unter 1. a) wird insoweit verwiesen.

Weitergehende Rechtsanwaltskosten stehen dem Kläger zu 2) ebenfalls nicht zu. Seine Rüge, dass der zugrunde gelegte Streitwert angesichts des ihm weiter zustehenden Schmerzensgeldes und materiellen Schadensersatzes zu niedrig sei, geht fehl, weil weitergehende Ansprüche des Klägers zu 2) gerade nicht berechtigt sind.

2. Den Feststellungsantrag hat das Landgericht zu Recht abgewiesen, weil es an dem gemäß § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt. Dieses setzt die Möglichkeit des zukünftigen Eintritts weiterer materieller und derzeit noch nicht konkret absehbarer immaterieller Schäden aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls voraus. Die Gefahr des Eintritts weiterer Schäden besteht im Hinblick auf die nachgewiesenen Beeinträchtigungen jedoch nicht. Insbesondere das Schleudertrauma ist unstreitig innerhalb weniger Wochen abgeklungen und hat keine Folgeschäden hinterlassen. Den Schlaganfall und seine möglichen Folgen hat das Landgericht bei dieser Betrachtung zutreffend außer Acht gelassen, weil nicht nachgewiesen ist, dass dieser durch den Unfall verursacht wurde.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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