1. | Ein erst nach der Hauptverhandlung zur Akte gelangtes Beweismittel (hier: Lichtbild hinsichtlich eines innerorts begangenen Rotlichtverstoßes) darf nicht bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden. Grundlage der Überzeugungsbildung des Richters und der Urteilsfindung darf nur das sein, was innerhalb der Hauptverhandlung, d.h. vom Aufruf der Sache bis zum letzten Wort des Angeklagten mündlich so erörtert worden ist, dass alle Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. |
2. | Gründet das Gericht seine Überzeugung auch auf Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zu denen sich also der Angeklagte dem erkennenden Gericht gegenüber nicht abschließend äußern konnte, so verstößt das Verfahren nicht nur gegen § 261 StPO, sondern zugleich auch gegen den in § 261 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs. |
„Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft der Betroffenen ausdrücklich sowohl auf einen Vergleich der Betroffenen mit dem Lichtbild Bl. 4 d. A. als auch mit dem Lichtbild Bl. 110 d. A. gestützt (UA S. 3). Aus der Übersendungsverfügung des Polizeipräsidenten in Berlin vom 26. Juni 2017 und dem Eingangsstempel des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Juni 2017 (Bl. 100 d. A.) ergibt sich jedoch, dass das Lichtbild Bl. 110 d. A. erst nach der Hauptverhandlung zu den Akten gelangt ist und damit in die Hauptverhandlung nicht eingeführt worden sein kann. Grundlage der Überzeugungsbildung des Richters und der Urteilsfindung darf nur das sein, was innerhalb der Hauptverhandlung, d.h. vom Aufruf der Sache bis zum letzten Wort des Angeklagten mündlich so erörtert worden ist, dass alle Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten (vgl. BGH NStZ 2017, 375 f.; BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 47; Ott in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 261 Rdnr. 6). Gründet das Gericht seine Überzeugung auch auf Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zu denen sich also der Angeklagte dem erkennenden Gericht gegenüber nicht abschließend äußern konnte, so verstößt das Verfahren nicht nur gegen § 261 StPO, sondern zugleich auch gegen den in § 261 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs (vgl. BGH NStZ 2017, 375 f.). Eine Verletzung des § 261 StPO kann auch nicht bereits an der Erwägung scheitern, das Urteil könne nicht auf einem Vorgang beruhen, der sich erst nach Verkündung des Urteils ereignet hat, weil dieser Vorgang bei der vorangegangen Überzeugungsbildung und Urteilsfindung keine Rolle gespielt haben könne. Es ist nicht auszuschließen, dass das Urteil auf diesem Verfahrensfehler beruht; denn das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft der Betroffenen ausdrücklich auf beide Lichtbilder gestützt, die auch unterschiedliche Perspektiven des Gesichts der Betroffenen aufweisen. Die Bezugnahme auch auf dieses Lichtbild in den schriftlichen Urteilsgründen könnte zwar dann unschädlich sein, wenn zweifelsfrei feststünde, dass das - rechtlich fehlerfrei - gewonnene Ergebnis lediglich durch Umstände bestätigt wurde, die nach Verkündung des Urteils entstanden sind (vgl. BGH NStZ 2017, 375 f.). So verhält es sich hier aber nicht. Der Tatrichter ist nicht von einer nur späteren Bestätigung seiner - unabhängig von dem zweiten Lichtbild - gewonnenen Überzeugung ausgegangen, sondern hat bereits verschwiegen, dass es sich um ein erst nachträglich zu den Akten gelangtes Lichtbild handelt. Im Übrigen beanstandet die Rechtsbeschwerde mit der Sachrüge zu Recht, dass das Amtsgericht den Ausschluss der älteren Schwester der Betroffenen als Fahrerin durch einen Vergleich zwischen dem in der Hauptverhandlung überreichten Lichtbild der Schwester der Betroffenen und der Betroffenen selbst vorgenommen hat (UA S. 4) und nicht durch einen Vergleich des Lichtbildes der Schwester mit dem Lichtbild der Fahrerin; denn der Vergleich der beiden Schwestern wäre nur dann von Bedeutung, wenn bereits feststünde, dass die Betroffene die Fahrerin war. Dies sollte jedoch erst bewiesen werden. |