Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Oberlandesgericht Schleswig Urteil vom 13.11.2019 - 9 U 120/19 - Kein Schadensersatz bei Gebrauchtwagenkauf in Kenntnis des Dieselabgasskandals

OLG Schleswig v. 13.11.2019: Kein Schadensersatz bei Gebrauchtwagenkauf in Kenntnis des Dieselabgasskandals




Das Oberlandesgericht Schleswig (Urteil vom 13.11.2019 - 9 U 120/19) hat entschieden:

Der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Gebrauchtwagens kann vom Hersteller des Kfz. keinen Schadensersatz verlangen, wenn der Kauf des Fahrzeugs in Kenntnis des Dieselskandals und in Kenntnis des ursprünglichen Vorhandenseins der unzulässigen Abschaltvorrichtung sowie des anschließenden Softwareupdates geschah.

Siehe auch „Schummelsoftware“ und Stichwörter zum Thema Autokaufrecht

Gründe:


I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines gebraucht gekauften Fahrzeugs PKW Skoda Yeti 2.0 TDI. In dem Fahrzeug verbaut ist der von der Beklagten hergestellte Dieselmotor der Baureihe EA 189.

Mit Kaufvertrag vom 15.12.2016 erwarb die Klägerin von der Firma z. a. einen gebrauchten PKW Skoda Yeti 2.0 TDI zu einem Kaufpreis von 11.436,06 €. Das Fahrzeug wies einen Kilometerstand von 88.981 km auf. Die Erstzulassung des Fahrzeugs war am 28.06.2011. Das Fahrzeug hatte vor Verkauf an die Klägerin am 19.10.2016 ein Softwareupdate erhalten, um eine aus Sicht des Kraftfahrtbundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen. Die Klägerin nutzt das Fahrzeug seitdem. Dieses weist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eine Gesamtfahrleistung von mehr als 164.000 km auf.

Zu den Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten als Herstellerin des Motors Schadensersatz, und zwar Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung von Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Kraftfahrzeugs. Sie begründet den Schadensersatz mit einem Garantievertrag, der aufgrund öffentlicher Äußerungen der Beklagten zustande gekommen sei, im Übrigen mit einem deliktischen Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung sowie wegen betrügerischen Verhaltens.

Mit Urteil vom 17. Mai 2019 hat das Landgericht Kiel die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird verwiesen.

Gegen die erstinstanzliche Abweisung ihrer Klage wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Zum Inhalt ihrer Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 8. Juli 2019 (Bl. 214 ff. der Gerichtsakten) sowie ergänzend auf den Schriftsatz vom 23.10.2019 (Bl. 657 ff. der Gerichtsakten) verwiesen.




Die Klägerin beantragt zuletzt,

das Urteil des Landgerichts Kiel abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.657,31 € nebst weiteren Zinsen aus 11.455,55 € in Höhe von 4 % pro Jahr seit dem 26.09.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Skoda Yeti 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …,

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeugs seit drei Wochen nach Rechtshängigkeit in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.


Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Zum Inhalt ihres Verteidigungsvorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 14. September 2019 (Bl. 285 ff. der Gerichtsakten) und den Schriftsatz vom 24. September 2019 (Bl. 387 ff. der Gerichtsakten) verwiesen.




II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht Kiel hat zu Recht die Klage auf Leistung von Schadensersatz abgewiesen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz aus einem Garantievertrag gemäß § 280 Abs. 1 BGB. Zwischen den Parteien ist kein Garantievertrag zustande gekommen. Die Pressemitteilung der Beklagten vom 16. Dezember 2015 enthält kein (öffentliches) Angebot zum Abschluss eines Garantievertrags. Der selbstständige Garantievertrag ist ein Vertrag eigener Art, nach dem der Garant für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen hat oder die Gefahr eines künftigen Schadens übernimmt (Palandt-Sprau, BGB, 78. Aufl., vor § 765 Rn. 16). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Aus dem Inhalt der Pressemitteilung ergibt sich bereits nicht, dass und mit wem die Beklagte einen Garantievertrag abschließen wollte. In der Presseerklärung hat die Beklagte ihre Kunden lediglich über die bevorstehenden Maßnahmen bezüglich der Motoren der Baureihe EA 189 informiert und die technische Umsetzung und die damit verbundenen Ziele beschrieben. Im Übrigen war die Klägerin zum Zeitpunkt der Pressemitteilung noch nicht Eigentümerin des Fahrzeugs, sie hat dieses erst knapp ein Jahr später erworben, so dass sie ein - eventuell aus der Pressemitteilung zu entnehmendes - Angebot zum Abschluss eines Garantievertrags nicht zeitnah innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB angenommen hätte.


Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch gerichtet auf Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung auch nicht auf § 826 BGB stützen. Ein eventuelles sittenwidriges vorsätzliches Handeln der Beklagten durch die Verwendung der unzulässigen Motorsteuerungssoftware in dem von ihr hergestellten Motor hat nicht kausal zu einem Schaden bei der Klägerin geführt. Denn die Klägerin hat das Fahrzeug in Kenntnis des Dieselskandals und in Kenntnis des ursprünglichen Vorhandenseins der unzulässigen Abschaltvorrichtung sowie des anschließenden Softwareupdates erworben. Dies hat die persönliche Anhörung der Klägerin vor dem Landgericht Kiel ergeben. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts Kiel vom 26.04.2019 verwiesen. Damit beruhte die Kaufentscheidung der Klägerin auf ihrem freien Willen, ein vom sogenannten Dieselskandal betroffenes Fahrzeug zu erwerben.

Sofern die Klägerin in ihrer Begründung darauf abstellt, dass sie über die Folgeerscheinungen des Software-Updates getäuscht worden sei, insbesondere über die negativen Auswirkungen auf die Motorleistung, die Fahrleistung und den Kraftstoffverbrauch, fehlt es aus Sicht des Senats am Vortrag hinsichtlich einer sittenwidrigen vorsätzlichen Täuschungshandlung auf Seiten der Beklagten. Eine Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten bei der Manipulation der Dieselmotoren der Baureihe EA 189 kann nicht auf den Umgang mit dem Software-Update übertragen werden. Denn das Software-Update war durch das Kraftfahrtbundesamt geprüft und freigegeben worden. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch die umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 19.11.2013 - VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 9). Insoweit vermag der Senat in der mit der zuständigen Behörde abgestimmten Vorgehensweise der Beklagten kein sittenwidriges vorsätzliches Vorgehen zu erkennen. Zudem erfolgte die Versicherung, dass mit der Umsetzung der Rückrufaktion „hinsichtlich Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung und Drehmoment sowie Geräuschemission keine Verschlechterungen verbunden“ seien, ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Bescheinigung (Anlage K3 dritte Seite) durch die Skoda Auto a.s. und nicht durch die Beklagte.



Auch der Vortrag der Klägerin zum Vorhandensein eines Thermofensters begründet keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus § 826 BGB. Selbst wenn es sich hierbei um einen Mangel des Fahrzeugs handeln sollte, ergibt sich aus dem Vorliegen eines Mangels nicht automatisch der Vorwurf eines sittenwidrigen vorsätzlichen Vorgehens der Beklagten mit Schädigungsvorsatz. Eine solche Wertung rechtfertigende Tatsachen hat die Klägerin nicht dargetan.

Für eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB fehlt es an Darlegungen, welche individualisierte Person Täter dieser Straftat im Sinne des § 25 Abs. 1 StGB mit der Klägerin als Geschädigter sein soll.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 16 UWG scheitert daran, dass die Beklagte nicht Herstellerin des von der Klägerin gekauften Fahrzeuges, vielmehr Herstellerin von Fahrzeugen einer anderen Kraftfahrzeugmarke ist, und damit das streitgegenständliche Fahrzeug auch nicht beworben hat. Gleiches gilt für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007, da die Beklagte nicht Herstellerin des von der Klägerin erworbenen Fahrzeugs ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum