Das Verkehrslexikon

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Amtsgericht Lüdinghausen Urteil vom 20.04.2015 - 19 OWi - 89 Js 1431/14 - 139/14 - Geschwindigkeitsmessung mittels Provida-Nachfahrsystem auf einem Motorrad

AG Lüdinghausen v. 20.04.2015: Zur Durchführung einer nicht standardisierten Geschwindigkeitsmessung mittels Provida-Nachfahrsystem auf einem Motorrad




Das Amtsgericht Lüdinghausen (Urteil vom 20.04.2015 - 19 OWi - 89 Js 1431/14 - 139/14) hat entschieden:

Die Geschwindigkeitsmessung mittels Provida kann auch dergestalt erfolgen, dass aus dem gefertigten Video nachträglich eine Auswertestrecke festgelegt wird und für diese Strecke dann mittels Bildzähler eine Geschwindigkeitsberechnung anhand des Videos stattfindet.

Siehe auch
Das Video-Messsystem ProViDa - Police-Pilot - Modular
und
Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit

Gründe:


Der nicht vorbelastete ortskundige Betroffene befuhr am 21.4.2014 in P aus Richtung E kommend die F Straße in Richtung P. Er war hier Führer eines Pkw Citroen. In E fiel er dem Polizeibeamten G. auf, der dort mit seinem Provida-Motorrad Geschwindigkeitsmessungen durchführte. Der Zeuge folgte dem Betroffenen über die M von E nach P. Die nur einspurig befahrbare Brücke ist mit einer Beschilderung versehen, die eine Höchstgeschwindigkeit von max. 30 km/h anordnet. Während der Betroffene sich auf der Brücke befand löste der Zeuge G. das Provida-System aus und startete das Video, weil der Betroffene bereits in E für den Zeugen G. auffällig zügig gefahren war. Unmittelbar nach Ende der M wird durch rechtsseitige Beschilderung mit Zeichen 274 deutlich erkennbar die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h festgelegt. Das Gericht hat insoweit aus dem Videofilm ein Print gefertigt, dieses in Augenschein und als Bl. 71 zur Akte genommen. Gemäß § 267 Abs. 3 S. 1 StPO wird auf dieses Print Bezug genommen. Auf dem Print ist die Beschilderung deutlich zu erkennen und links neben der Beschilderung von hinten das Fahrzeug des Betroffenen etwa mittig des Bildes. Der Polizeibeamte G. hat dann versucht, dem Fahrzeug des Betroffenen mit gleich bleibendem Abstand zu folgen. Tatsächlich wurde der Betroffene jedoch schneller während dieser Verfolgung und fuhr mit einer deutlich den Umständen unangepasster Geschwindigkeit. Das Gericht hat weitere zwei Videoprints gefertigt. Das erste Videoprint ist ein solches, dass die Situation des Betroffenen zu Beginn der später anhand des Videos vorgenommenen Messung darstellt. Insoweit wird nach § 267 Abs. 3 S. 1 StPO auf das Lichtbild Bl 72 der Akte Bezug genommen. Ebenso wird Bezug genommen auf das Print Bl. 73 der Akte, das in etwa die Situation am Ende der (später festgelegten) Messstrecke darstellt. Hier ist das Betroffenenfahrzeug erkennbar kleiner abgebildet als auf dem Bild Blatt 72 der Akte. Das Betroffenen Fahrzeug war dementsprechend schneller unterwegs als das Fahrzeug der Polizei. Zudem ist erkennbar, dass der Betroffene aufgrund seiner Geschwindigkeit in der Rechtskurve, vor der er sich befindet nach links auf die Gegenfahrbahn heraus getragen wird. Auf dem ebenso in Augenschein genommenen Messvideo ergibt sich, dass ihm in der Kurve Radfahrer auf der rechten Fahrbahn entgegenkamen. Gefährdet wurden diese jedoch nicht.


Die Polizei wertet im Nachhinein die gefertigten Videos aus und bestimmt anhand einer dann im Rahmen der Auswertung festgelegten Messstrecke eine gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit. Es handelt sich hierbei nicht um ein standardisiertes Messverfahren, sondern eine freie Messung mit dem zur Tatzeit gültig geeichten und der Bedienungsanleitung entsprechenden Provida- System. Anhand des Wegstreckenzählers, der in das Video eingespielt wird, wurde als Messstrecke eine Strecke zwischen 59888 m und 59982 m festgelegt. Die Messstrecke war also 94 m lang. Hiervon wurde seitens der Polizei eine Toleranz von 4 m abgezogen. Die für die Geschwindigkeitsmessung dann notwendige Zeit hat das Gericht anhand der Videobilder ermittelt. Der Bildzähler wies zu Beginn 127604 Bilder aus, am Ende der Messstrecke 127710 Bilder. Für die Bildzähler-Differenz von 106 Bildern war angesichts der für ein Bild anzusetzenden Zeit von 0,04 Sekunden eine Zeit von 4,24 Sekunden als Messzeit anzusetzen. Auch hier wurde eine Toleranz abgezogen und zwar von 0,0242 Sekunden, so dass sich eine verwertbare Messezeit von 4,2642 Sekunden ergab. Aus den Zahlen ohne Toleranzabzug ließ sich dann eine Geschwindigkeit von 79,8 km/h ermitteln. Der Toleranzabzug belief sich jedoch nur auf 3,9 km/h. Notwendig war jedoch einer Toleranz von mindestens 5 km/h. Diese wurde erreicht, in dem ein weiterer Geschwindigkeitsabschlag von 1,9 km/h von den zu unter Berücksichtigung der oben genannten Toleranzwerte ermittelten Geschwindigkeit von 75,9 km/h berücksichtigt wurde. Dementsprechend wurde nur eine Geschwindigkeit von 74 km/h vorgeworfen. Für die Tat bedeutet dies eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 24 km/h.



Diese Feststellungen beruhen auf dem Fahrer Geständnis des Betroffenen, der Aussage des Zeugen G. und den verlesenen bzw. in Augenschein genommenen Messunterlagen. Die Videoaufnahme war nach § 100h StPO zulässig.

Der Betroffene war dementsprechend wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes (§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anl. 2, § 49 StVO, 24 StVG) zu verurteilen. Die hierfür vorgesehene Regelgeldbuße von 70 EUR erschien dem Gericht angesichts fehlender Voreintragungen und fehlender Besonderheiten für den Umständen angemessen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO i.V.m. § 46 OWiG.

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