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BGH Beschluss vom 29.04.2020 - XII ZB 536/19 - Einwendung fehlender Mitwirkung des vormaligen Prozessvertreters beim außergerichtlichen Vergleich C

BGH v. 29.04.2020: Berücksichtigung der Einwendung fehlender Mitwirkung des vormaligen Prozessvertreters beim außergerichtlichen Vergleich


Das Verkehrslexikon

Der BGH (Beschluss vom 29.04.2020 - XII ZB 536/19) hat entschieden:

Die Behauptung des Auftraggebers, die Tätigkeit seines prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts sei für den späteren Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, stellt eine Einwendung dar, die im Gebührenrecht ihren Grund hat und die der Festsetzung einer Einigungsgebühr im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG nicht entgegensteht

Siehe auch
Einigungsgebühr (ehemals Vergleichsgebühr)
und
Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten

Gründe:


I.

Die Antragsteller (Beteiligte zu 1) verlangen gemäß § 11 Abs. 1 RVG über die in dem angefochtenen Beschluss erfolgte Festsetzung hinaus den Ansatz einer 1,0 Einigungsgebühr nach einem Gegenstandswert von 36.912,68 € in Höhe von 902 €.

Die Antragsteller haben den Antragsgegner (Beteiligter zu 2) als Kläger in dem dem Vergütungsfestsetzungsverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit anwaltlich vertreten. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 teilten sie gegenüber dem Landgericht zur Begründung eines Terminverlegungsantrags mit, dass sich die Parteien weiter in Vergleichsverhandlungen befänden, was die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schriftsätzen gleichen Datums bestätigten. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2018 teilten die Prozessbevollmächtigten des damaligen Beklagten zu 2 mit, zwischen den Streitparteien sei dahingehend Einigung erzielt worden, dass der Kläger die Klage zurücknehmen, die Gerichtskosten tragen und die Beklagten keine Kostenanträge stellen sollten.

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2018 zeigte sich die Rechtsanwaltskanzlei K. für den Antragsgegner an und teilte dem Landgericht unter anwaltlicher Versicherung ihrer Legitimierung mit, dass nach Eintritt weiterer - dort nicht genannter - Bedingungen, die außergerichtlich im Vergleichswege bestimmt worden seien, eine Klagerücknahme erfolgen werde; die Antragsteller seien für den Antragsgegner nicht mehr prozessbevollmächtigt. Mit Schriftsatz vom 25. September 2018 zeigten die Antragsteller ihrerseits die Mandatsniederlegung an.




Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 baten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 2 erneut um eine Terminverlegung und Neuterminierung nicht vor Ablauf von sechs Monaten, weil die mitgeteilte Einigung noch nicht vollzogen worden sei. Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 teilten die seinerzeitigen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners mit, dass abhängig von der Umsetzung einer bereits erfolgten vergleichsweisen Einigung voraussichtlich kurzfristig eine Klagerücknahme erklärt werden könne; diese erklärten sie sodann namens und im Auftrag des Antragsgegners durch weiteren Schriftsatz vom 27. November 2018 mit dem Zusatz, dass Kostenanträge zwischen den Parteien vereinbarungsgemäß nicht gestellt würden. Letzteres bestätigten die Prozessbevollmächtigten des damaligen Beklagten zu 1 mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2018.

Das Landgericht hat den Streitwert für den Rechtsstreit auf 36.912,68 € festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2019 haben die Antragsteller gemäß diesem Gegenstandswert beantragt, nach § 11 RVG ihre Vergütung gegen den Antragsgegner unter anderem für eine 1,0 Einigungsgebühr (VV Nr. 1000, 1003 RVG) in Höhe von 902 € netto festzusetzen. Der Antragsgegner hat der beantragten Festsetzung der Einigungsgebühr widersprochen, weil die gebührentatbestandlich erforderliche Mitwirkung der Antragsteller nicht ersichtlich sei.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2019 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts die von dem Antragsgegner an die Antragsteller zu zahlende gesetzliche Vergütung unter Absetzung der Einigungsgebühr auf 4.629,85 € nebst Zinsen festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Antragsteller weiter die Hinzusetzung der Einigungsgebühr in Höhe von 902 €.





II.

Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt:

Das Bestreiten des Antragsgegners zur mitursächlichen Mitwirkung seiner vormaligen Prozessbevollmächtigten am Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs sei eine nicht gebührenrechtliche Einwendung i.S.v. § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG, die im vereinfachten Vergütungsfestsetzungsverfahren des § 11 Abs. 1 RVG nicht zu prüfen sei.

Der Streit darüber, ob die Antragsteller durch ihre früheren Vergleichsbemühungen an dem später durch andere Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners vereinbarten außergerichtlichen Vergleich - wie für die Erfüllung der in VV Nr. 1000, 1003 RVG geregelten Gebührentatbestände erforderlich - mitgewirkt haben oder ob der Antragsgegner die nach VV Nr. 1000 Abs. 2 RVG bestehende Vermutung für das Erwachsen der Gebühr mangels einer für den Vergleichsschluss zumindest mitursächlichen Mitwirkung der Antragsteller widerlegen könne, lasse sich in dem primär dem Rechtspfleger zugewiesenen vereinfachten Festsetzungsverfahren gemäß § 11 Abs. 1 RVG nicht in dem hierfür erforderlichen Maß zuverlässig klären.




Zwar könne die Einigungsgebühr nach VV Nr. 1000, 1003 RVG auch dann entstehen, wenn ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen werde. Insoweit könne bei Beteiligung mehrerer Rechtsanwälte zumeist auch von einer jeweils mitursächlichen Mitwirkung derselben ausgegangen werden, so dass regelmäßig bei beiden Rechtsanwälten die Einigungsgebühr anfalle. Es könnten aber Umstände des Einzelfalls die Kausalitätsvermutung in Nr. 1000 Abs. 2 VV RVG widerlegen. Um eine Gefährdung der Interessen der Beteiligten zu vermeiden und das vereinfachte Festsetzungsverfahren auf die hier sachgerecht zu bewältigenden Fälle zu beschränken, habe der Gesetzgeber in § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG vorgesehen, dass die Festsetzung abzulehnen sei, „soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben“. Diese einschränkende Vorschrift sei nach ihrem Sinn und Zweck auch in einem Fall wie dem vorliegenden anwendbar, in dem zwar kein Streit über frühere auftragsgemäße Vergleichsbemühungen des Rechtsanwalts bestehe, wohl aber darüber, ob diese Tätigkeit (noch) mitursächlich für das Zustandekommen eines später von der Partei außergerichtlich durch andere Rechtsanwälte mit der Gegenseite abgeschlossenen Vergleichs gewesen sei.

Ein solcher ausschließlich in außergerichtlichen Vorgängen begründeter Streit um die Mitursächlichkeit sei nach dem Zweck des § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG als außergebührenrechtlich einzustufen, auch wenn der Begriff der „Mitwirkung“ beim Abschluss eines Vergleichs zum Gebührentatbestand in Nr. 1000 VV RVG selbst gehöre. Der Umstand, dass es sich dabei um einen Rechtsbegriff handele, dessen zutreffende Anwendung im Bestreitensfall von einer einzelfallbezogenen wertenden Beurteilung der Gesamtumstände abhänge, erfordere eine nur in einem Erkenntnisverfahren zu leistende rechtliche und tatsächliche Prüfung, so dass eine Einwendung vorliege, die nicht im Kostenrecht begründet sei und die eine stattgebende Gebührenfestsetzung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG hindere.

An diesem Ergebnis ändere es vorliegend nichts, dass die Antragsteller für eine behauptete mitursächliche Mitwirkung auf ihren aktenkundigen Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 verweisen könnten, in dem sie gegenüber dem Landgericht die Fortführung von Vergleichsverhandlungen angezeigt hätten. Allein hieraus gehe nicht mit der für die Festsetzung nach § 11 RVG erforderlichen Sicherheit hervor, dass diese Verhandlungen noch für den sodann erstmals mit Schriftsatz der neuen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners vom 24. Juli 2018 mitgeteilten außergerichtlichen Vergleichsschluss mitursächlich gewesen seien.

Auch könne nichts anderes aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Antragsgegner den Vortrag der Antragsteller nicht substantiiert bestritten habe. Eine materiell-rechtliche Einwendung müsse nicht substantiiert bestritten werden, weil sie im vereinfachten Festsetzungsverfahren ohnehin nicht geprüft werden könne.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts stellt die Behauptung des Antragsgegners, die Tätigkeit der Antragsteller sei für den späteren Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, eine Einwendung dar, die ihren Grund im Gebührenrecht hat und daher der Festsetzung einer Einigungsgebühr im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG nicht entgegensteht, sondern im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu überprüfen ist.

a) Noch zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass auch die von einem Rechtsanwalt für den Abschluss eines außergerichtlich abgeschlossenen Einigungsvertrags verdiente Einigungsgebühr nach VV Nr. 1000, 1003 RVG im Verfahren nach § 11 Abs. 1 RVG festgesetzt werden kann, wenn mit dem Einigungsvertrag ein gerichtliches Verfahren ganz oder teilweise beendet worden ist (BeckOK RVG/v. Seltmann [1. Dezember 2018] § 11 Rn. 12; Schneider/Volpert/Fölsch/Klos Gesamtes Kostenrecht 2017 § 11 RVG Rn. 13; vgl. auch OLG Hamm JurBüro 2005, 87).

b) Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, wonach der Einwand der Partei, die Tätigkeit ihres früheren Rechtsanwalts sei nicht ursächlich für das Zustandekommen eines später von dieser außergerichtlich durch andere Rechtsanwälte mit der Gegenseite abgeschlossenen Vergleichs gewesen, als nicht gebührenrechtlicher Einwand i.S.v. § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG anzusehen sei.

aa) Ob die Behauptung des Auftraggebers, die Tätigkeit seines früheren Prozessbevollmächtigten sei für den Abschluss eines späteren außergerichtlich abgeschlossenen Vergleichs nicht ursächlich geworden, eine nicht gebührenrechtliche Einwendung i.S.v. § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG darstellt, ist umstritten.

Vereinzelt wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung mit dem Beschwerdegericht die Auffassung vertreten, dass der Streit um die Ursächlichkeit einer früheren anwaltlichen Tätigkeit für einen später ohne die Beteiligung des Rechtsanwalts abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich im Hinblick auf den Zweck des vereinfachten Festsetzungsverfahrens als eine Einwendung zu betrachten sei, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund habe, so dass eine Gebührenfestsetzung nach § 11 Abs. 1 RVG ausscheide (OLG Frankfurt JurBüro 1987, 1799; KG Beschluss vom 11. Mai 1979 - 1 W 879/79 - juris Rn. 4 jeweils zu § 19 Abs. 4 BRAGO; Hartmann/Toussaint Kostenrecht 50. Aufl. § 11 RVG Rn. 83 „Vergleich“).

Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum bejaht bei einem Streit über die Ursächlichkeit der Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem späteren Vergleichsabschluss hingegen das Vorliegen einer gebührenrechtlichen Einwendung, die der Festsetzung der Einigungsgebühr im Festsetzungsverfahren nicht entgegensteht (KG Beschluss vom 10. Januar 2017 - 27 W 103/16 - BeckRS 2017, 101889; KG JurBüro 2009, 35; OLG Köln MDR 2012, 1498, 1499; Mayer / Kroiß RVG 7. Aufl. § 11 Rn. 23; BeckOK RVG/v. Seltmann [1. Dezember 2018] § 11 Rn. 12; Gerold / Schmidt / Müller-Rabe RVG 24. Aufl. § 11 Rn. 84 f. und 158; Hansens / Braun / Schneider Praxis des Vergütungsrechts 2. Aufl. Teil 4 Rn. 160; AnwKomm-RVG / N. Schneider 8. Aufl. § 11 Rn. 187; Hartung / Schons / Enders RVG 3. Aufl. § 11 Rn. 55; Hansens ZfSchR 2020, 44 f.).


bb) Die letztgenannte Auffassung trifft zu.

(1) Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 RVG ist die Festsetzung der Vergütung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben.

Gebührenrechtlich ist eine Einwendung oder eine Einrede, wenn sich der Antragsgegner darauf beruft, die tatbestandlichen Voraussetzungen der im Festsetzungsverfahren geltend gemachten Gebühr nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz seien nicht erfüllt. Hierzu zählt etwa der Einwand, der Anwalt habe nach einer unzutreffenden Ziffer des Vergütungsverzeichnisses abgerechnet oder die geforderte Vergütung sei nicht in der geforderten Höhe entstanden (vgl. LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 26. November 2018 - 5 Ta 159/18 - juris Rn. 22; Mayer / Kroiß / Mayer RVG 7. Aufl. § 11 Rn. 136).

Dagegen ist eine Einwendung oder Einrede in der Regel dann nicht gebührenrechtlicher Art, wenn sie ihren Grund in materiell-rechtlichen Vorschriften hat oder auf besondere Abreden zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber gestützt wird (Hansens ZfSchR 2020, 42, 43). So wurden in der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Beispiel das Bestreiten des Mandanten, dem Rechtsanwalt einen entsprechenden Auftrag erteilt zu haben (OLG Koblenz NJOZ 2005, 1689, 1690; vgl. auch BVerfG Beschluss vom 25. April 2016 - 1 BvR 1255/14 - juris Rn. 4), die Aufrechnung des Auftraggebers gegen die zur Festsetzung angemeldete Vergütungsforderung mit einer Gegenforderung (OLG Frankfurt JurBüro 2017, 409), die Behauptung, der Rechtsanwalt habe die geltend gemachte Vergütungsforderung gestundet (OLG Naumburg AGS 2017, 117) oder die Erfüllung der zur Festsetzung angemeldeten Vergütungsforderung (OLG Köln JurBüro 2012, 654, 655) als nicht gebührenrechtliche Einwendungen beurteilt.

(2) Die Behauptung des Auftraggebers, die anwaltliche Tätigkeit seines früheren Prozessbevollmächtigten sei für den späteren Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs nicht ursächlich geworden, stellt eine gebührenrechtliche Einwendung dar.

Nach Nr. 1000 Abs. 1 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr unter anderem für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Dezember 2019 - XII ZB 276/19 - NJW 2020, 1227 Rn. 22 f.). Die Gebühr entsteht auch für die Mitwirkung bei entsprechenden Vertragsverhandlungen, es sei denn, dass diese für den Abschluss des Vertrags im Sinne des Absatzes 1 nicht ursächlich war (Nr. 1000 Abs. 1 VV RVG). Die vom Gesetz vermutete Kausalität der anwaltlichen Tätigkeit für den Abschluss eines späteren Vergleichs gehört somit zu den tatbestandlichen Voraussetzungen für die Entstehung der Einigungsgebühr. Mit dem Einwand, die frühere Tätigkeit eines Rechtsanwalts sei für einen späteren Vergleichsabschluss nicht (mit-)ursächlich geworden, bestreitet der Antragsgegner somit das Vorliegen des vom Antragsteller geltend gemachten Gebührentatbestands. Damit ist dieser Einwand gebührenrechtlicher Natur.

(3) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts besteht kein Grund, Fälle, in denen streitig ist, ob ein Rechtsanwalt an einem außergerichtlich abgeschlossenen Vergleich mitgewirkt hat, vom Vergütungsfestsetzungsverfahren auszunehmen.



Zwar soll das Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG es einem Rechtsanwalt ermöglichen, auf einfachem und kostengünstigem Weg zu einem Titel über seine Honorarforderung gegen den eigenen Mandanten zu gelangen, ohne seine Rechte in einem ordentlichen Klageverfahren geltend machen zu müssen (Schneider/Volpert/Fölsch/Klos Gesamtes Kostenrecht 2. Aufl. § 11 RVG Rn. 1). Dies bedeutet jedoch nicht, dass in diesem Verfahren nur solche Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Natur geklärt werden könnten, deren Beantwortung sich unmittelbar aus der Verfahrensakte ergibt. Besteht Streit darüber, ob in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen für einen geltend gemachten Gebührentatbestand vorliegen, ist auch dann im Festsetzungsverfahren darüber zu entscheiden, wenn sich die Klärung nicht aus den Verfahrensakten ergibt (vgl. LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 26. November 2018 - 5 Ta 159/18 - juris Rn. 22; KG JurBüro 2009, 35). Dem kann nicht entgegengehalten werden, das Vergütungsfestsetzungsverfahren sei für eine Tatsachenprüfung nicht geeignet. Der Rechtspfleger verfügt im Festsetzungsverfahren über die erforderlichen prozessualen Möglichkeiten zur Ermittlung auch solcher Tatsachen, die sich nicht unmittelbar aus der Verfahrensakte ergeben. Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ansatz der zur Festsetzung angemeldeten Gebühren vom Antragsteller glaubhaft zu machen (BeckOK RVG/v. Seltmann [1. März 2020] § 11 Rn. 42; KG JurBüro 2009, 35). Hierfür ist erforderlich, dass die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Gebührentatbestands mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen. Zur Glaubhaftmachung können gemäß § 294 Abs. 1 ZPO alle Beweismittel unter Einschluss der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden (vgl. BGH Beschlüsse vom 4. April 2007 - III ZB 79/06 - NJW 2007, 2493 und vom 13. April 2007 - II ZB 10/06 - FamRZ 2007, 1096 Rn. 7 f. jeweils zum Kostenfestsetzungsverfahren). Gelingt dem Antragsteller die Glaubhaftmachung sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen der geltend gemachten Gebühr nicht, ist der Vergütungsfestsetzungsantrag vom Rechtspfleger insoweit abzulehnen. Schließlich kennt das Zivilverfahrensrecht eine Vielzahl anderer Verfahren, die in den Zuständigkeitsbereich des Rechtspflegers fallen und in denen eine Tatsachenprüfung mit den Mitteln der Glaubhaftmachung erforderlich ist (vgl. auch LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 26. November 2018 - 5 Ta 159/18 - juris Rn. 22).

3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

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