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Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss vom 27.04.2020 - 2 RBs 61/20 - Messgerät Poliscan FM1 zur Feststellun g eines Rotlichtverstoßes
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OLG Düsseldorf v. 27.04.2020: Das Messgerät Poliscan FM1 zur Feststellun g eines Rotlichtverstoßes



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Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 27.04.2020 - 2 RBs 61/20) hat entschieden:

  1.  Bei der automatischen Rotlichtüberwachung mit dem Laserscanner Poliscan FM1 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren.

  2.  Es bedarf bei einem vorgeworfenen Rotlichtverstoß innerhalb geschlossener Ortschaften im Urteil keiner Ausführungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit und seinem Abstand von der Ampel bei deren Umschalten auf Rotlicht. Denn innerorts kann grundsätzlich von einer nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer Gelbphase von drei Sekunden ausgegangen werden, was eine gefahrlose Bremsung ermöglicht.


Siehe auch
Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed der Firma Vitronic
und
Notwendige und überflüssige Feststellungen für einen Rotlichtverstoß

Gründe:


I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 130 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich dessen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Bei Verhängung einer Geldbuße von nicht mehr als 250 Euro ohne Nebenfolge ist die Rechtsbeschwerde nur zuzulassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 OWiG). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

1. Die Sachrüge bietet keinen Anlass, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Der Fall wirft keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und abstraktionsfähige Rechtsfrage von praktischer Bedeutung auf.

a) In der Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass es sich bei der automatischen Rotlichtüberwachung mit dem Laserscanner Poliscan um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. zum Gerätetyp Poliscan F1 HP: KG Berlin VRS 129, 143, 146; BeckRS 2015, 19017; OLG Saarbrücken SVR 2018, 155; OLG Hamm BeckRS 2018, 17940). Für das vorliegend eingesetzte Nachfolgemodell Poliscan FM1, das ebenfalls sowohl für die Geschwindigkeitsmessung als auch für die Rotlichtüberwachung verwendet werden kann, gilt nichts anderes (vgl. OLG Zweibrücken ZfSch 2019, 591; BeckRS 2020, 5104; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 24; VG Lüneburg SVR 2020, 78; VG Saarlouis BeckRS 2020, 529).




Das Messgerät Poliscan FM1 (Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage) hat mit Zertifikat der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt vom 23. Juni 2017 (DE-17-M-PTB-0033) die amtliche Bauartzulassung erhalten. Nach der durchgeführten Konformitätsbewertung sind bei diesem Gerätetyp die Messrichtigkeit, Messbeständigkeit und Zuordnungssicherheit gewährleistet, so dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.

b) Ebenso ist in der Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass es in dem Urteil keiner Ausführungen zu der Dauer der Gelbphase, der zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit und seinem Abstand von der Ampel bei deren Umschalten auf Rotlicht bedarf, wenn der Rotlichtverstoß - wie hier - innerhalb geschlossener Ortschaften begangen wurde (vgl. OLG Jena DAR 2006, 225, 226; OLG Bremen NZV 2010, 42, 43; OLG Hamm BeckRS 2011, 2953; OLG Bamberg DAR 2014, 277; KG Berlin VRS 135, 98, 100 u. BeckRS 2019, 18056). Denn innerorts kann grundsätzlich von einer nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer Gelbphase von drei Sekunden ausgegangen werden, was eine gefahrlose Bremsung ermöglicht.

c) Soweit in der Antragsschrift beanstandet wird, dass in dem Urteil Angaben zu den Abständen der Induktionsschleifen fehlen, stellt sich schon keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage.

Die von dem Verteidiger in diesem Zusammenhang verwendeten Textbausteine passen nicht zu dem vorliegenden Fall. Denn sie betreffen Rotlichtüberwachungsanlagen (z. B. Traffipax TraffiPhot III), die auf hinter der Haltelinie verlegten Induktionsschleifen basieren. Bei dem Laserscanner Poliscan FM1 existieren keine Sensoren im Straßenbelag. Vielmehr wird die Fahrzeugposition durch einen Laserstrahlfächer kontinuierlich erfasst. Dadurch erkennt das System, wann das Fahrzeug die Haltelinie überfährt. Da die in das Messfoto eingeblendete Rotzeit unmittelbar beim Überfahren der Haltelinie gemessen wird, entfällt die Rückrechnung, die beim Überfahren von Induktionsschleifen vorzunehmen ist (vgl. zum Gerätetyp Poliscan F1 HP: KG Berlin VRS 129, 143, 146; BeckRS 2015, 19017).

d) Soweit der Betroffene in dem Urteil Angaben zu einem Messtoleranzabzug vermisst, geht seine Beanstandung ebenfalls fehl.

Die PTB-Anforderungen PTB-A 12.02 "Rotlichtüberwachungsanlagen" (vormals PTB-A 18.12) sehen in Abschnitt 3.4 vor, dass bei der geräteinternen Berechnung der vorzuwerfenden Rotzeit alle Einflussfaktoren (insbesondere Messtoleranzen) automatisch zugunsten des Betroffenen zu berücksichtigen sind, so dass eine nachträgliche Korrektur der eingeblendeten vorzuwerfenden Rotzeit um mögliche Unsicherheiten nicht erforderlich ist. Dies gilt für die seit Januar 2004 von der PTB zugelassenen Rotlichtüberwachungsanlagen (vgl. Krumm SVR 2007, 286).

Demgemäß ist vorliegend die "vorzuwerfende Rotzeit" automatisch ermittelt und mit 0,3 sec in das Messfoto eingeblendet worden. Von diesem Messwert ist keine (weitere) Toleranz in Abzug zu bringen.


2. Die Antragsschrift lässt nicht eindeutig erkennen, welches Vorbringen der dort eingangs erwähnten Gehörsrüge zugeordnet werden soll. Aus den unter diesem Gesichtspunkt in Betracht kommenden Begründungselementen ergibt sich jedenfalls keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

a) Der Antragsschrift ist zu entnehmen, dass der Verteidiger mit Schriftsatz vom 3. Juni 2019 einen mindestens 13 Punkte umfassenden Anforderungskatalog an die Bußgeldbehörde übermittelt hatte, wobei vorliegend beanstandet wird, dass dem Verteidiger die angeforderten Unterlagen/Dateien zu lfd. Nr. 1 und 13 nicht überlassen worden seien. Hierbei handelt es sich um

Abzug der Messbilder des Betroffenen (unbearbeitetes Foto) mit allen vier Bildrändern mit aktueller Tuff-Viewer Version unter Einblendung der ab der Softwareversion 1.5.5 typischen Hilfslinie mit Wasserzeichen, Signatur, Verschlüsselung in Farbe,

XML-Datei mit allen Daten zur Einzelmessung des Betroffenen.

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch ein richterliches Tun oder Unterlassen ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht. Für eine in zulässiger Weise erhobene Gehörsrüge hätte es der Darlegung bedurft, dass wegen der Verweigerung der Herausgabe der Messunterlagen und Messdaten durch die Bußgeldbehörde ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG gestellt, in der Hauptverhandlung deren Unterbrechung oder Aussetzung beantragt und dieser Antrag durch Gerichtsbeschluss abgelehnt oder nicht beschieden wurde (vgl. OLG Saarbrücken BeckRS 2016, 5713; KG Berlin BeckRS 2019, 18041 Rdn. 21; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 4261; OLG Bremen BeckRS 2020, 5965 Rdn. 22). Daran fehlt es hier.

Die bloße Nichtbeiziehung von Messunterlagen oder Messdaten, die sich nicht bei der Akte befinden, berührt nicht den Schutzbereich des Grundrechts auf rechtliches Gehör. Denn das Amtsgericht hat insoweit gerade keine Tatsachen oder Beweismittel verwertet, zu denen der Betroffene nicht zuvor gehört worden wäre (vgl. OLG Bamberg StraFo 2016, 461; OLG Saarbrücken BeckRS 2017, 131683 u. SVR 2018, 155; OLG Karlsruhe BeckRS 2019, 7396).

b) Mit der Einlassung des Betroffenen, er habe die Haltelinie deshalb bei Rotlicht überfahren, weil er sich durch seinen hupenden Hintermann bedrängt gefühlt habe, hat sich das Amtsgericht sachlich befasst. Es hat diesen auf einen rechtfertigenden Notstand abzielenden Einwand jedoch unter Berücksichtigung der Messfotos nicht für durchgreifend erachtet. Denn daraus geht hervor, dass der Hintermann seine Geschwindigkeit verringert hat und augenscheinlich vor der Haltelinie zum Stehen kam.



Soweit der Betroffene beanstandet, dass das Amtsgericht lediglich die Messfotos in Augenschein genommen habe, auf denen das hintere Fahrzeug fototechnisch abgedeckt worden sei, stand es dem Verteidiger frei, in der Hauptverhandlung auf die Inaugenscheinnahme der weiteren bei den Akten befindlichen Messfotos hinzuwirken, die keine aus Gründen der Anonymisierung vorgenommene Abdeckung aufweisen. Ein entsprechender Antrag ist indes nicht gestellt worden. Im Übrigen zeigen die in die Begründungsschrift eingescannten Messfotos (ohne Abdeckung) den sich vergrößernden Abstand zu dem Hintermann noch deutlicher.

Anzumerken ist, dass der Betroffene bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und einer Gelbphase von drei Sekunden nicht in die als kritisch empfundene Situation hätte geraten können, wenn er gleich zu Beginn der Gelbphase, d.h. ca. 42 m von der Haltelinie entfernt, eine normale Bremsung eingeleitet hätte.

3. Auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht gegeben. Das angefochtene Urteil steht in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. Schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen durch diese Entscheidung nicht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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