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BGH Beschluss v. 30.07.2020 - III ZB 48/19 - Sprachliche und inhaltliche Anforderungen an eine Berufungsbegründung

BGH v. 30.07.2020: Sprachliche und inhaltliche Anforderungen an eine Berufungsbegründung




Der BGH (Beschluss v. 30.07.2020 - III ZB 48/19) hat entschieden:

   Die Begründung einer Berufung in einem Zivilprozess muss zwar weder in sich schlüssig noch rechtlich haltbar sein - aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten. Ist der Schriftsatz eines Anwalts aber größtenteils bereits sprachlich unverständlich und inhaltlich schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar, ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen.

Siehe auch
Berufungsbegründung im Zivilprozess
und
Stichwörter zum Thema Zivilprozess

Gründe:


I.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Notar aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadensersatz aus Amtshaftung.

Der Beklagte beurkundete einen Kaufvertrag, mit dem der Kläger und seine Ehefrau ihr Miteigentum an einem Grundstück verbunden mit ihrem Sondereigentum an einer aufstehenden Doppelhaushälfte veräußerten. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, bei der Abwicklung des Vertrags einen Teil des Kaufpreises zu Unrecht zum Zwecke der Lastenfreistellung an den Gläubiger einer eingetragenen Sicherungshypothek ausgezahlt zu haben.

Das Landgericht hat die auf Schadensersatz in Höhe des ausgezahlten Betrags gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe keine Amtspflicht verletzt. Nach der im Kaufvertrag enthaltenen und grundsätzlich wörtlich zu befolgenden Verwahranweisung sei er verpflichtet gewesen, die Gläubiger zur Herbeiführung der Lastenfreiheit des Grundstücks aus dem Kaufpreis zu befriedigen, wobei er deren materielle Berechtigung nicht zu prüfen gehabt habe.

Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht nach Erteilung eines entsprechenden Hinweises gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil sie nicht in einer den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügenden Weise begründet worden sei. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.




II.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert ( § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO ).

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die anwaltliche Berufungsbegründung enthalte - soweit sie überhaupt sprachlich und inhaltlich zu verstehen sei keine Angriffe gegen die landgerichtlichen Entscheidungsgründe. Die darin wiederholte Behauptung des Klägers, die der Sicherungshypothek zugrundeliegende titulierte Forderung sei erfüllt gewesen, stelle keinen solchen Angriff dar, weil das Landgericht dies offengelassen habe. Die Berufungsbegründung richte sich auch nicht gegen die Annahmen des Landgerichts, dass der Beklagte den Käufern gegenüber zur Auszahlung an den Gläubiger des Grundpfandrechts der dies im Sinne des § 3 des Kaufvertrags "zur Lastenfreistellung gefordert" habe - verpflichtet gewesen sei, woraus sich eine entsprechende Berechtigung gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau als Verkäufern ergebe, und hiervon weder nach § 54d BeurkG noch aufgrund des einseitigen Widerrufs der Verwahranordnung nach § 54c Abs. 3 BeurkG habe absehen dürfen beziehungsweise müssen. Keine Angriffe gegen die landgerichtlichen Entscheidungsgründe seien auch die Darlegungen, dass der Pfandrechtsgläubiger den Kaufpreis für die von ihm erworbene Forderung gegen den Kläger und seine Ehefrau nicht an die Zedenten gezahlt habe, der Klageanspruch nicht verjährt und dessen Abtretung durch die Ehefrau des Klägers wirksam gewesen sei.

Im Übrigen sei die Argumentation der Berufungsbegründung schon nicht zu verstehen. Deren Abschnitt I bestehe aus einer knapp eineinhalb Seiten langen Aneinanderreihung von Wörtern ohne einen einzigen Punkt und ohne ein inhaltlich Sinn stiftendes - Prädikat. Deren Abschnitte II bis IX bestünden überwiegend aus zusammenhanglosen und teilweise ins Leere gehenden Verweisen auf Blattzahlen, Aktenzeichen, Gerichtsentscheidungen und Rechtsvorschriften, umfänglichen Wiedergaben von landgerichtlichen Urteilsausführungen und vorinstanzlichen, ihrerseits nur eingeschränkt verständlichen klägerischen Schrift-sätzen sowie nicht näher konkretisierten Beanstandungen. Sie enthielten keinen erkennbaren Gedankengang, der auf seine Richtigkeit hin überprüft werden könnte.

Auch die auf den richterlichen Hinweis erfolgten Darlegungen des Klägers führten zu keiner anderen Beurteilung, sondern bestätigten eher den Eindruck, dass der Kläger entweder nicht bereit oder nicht in der Lage sei, die - in dem Hinweis zusammengefasste - Begründung des angefochtenen Urteils zur Kenntnis zu nehmen, sich gedanklich mit ihr auseinanderzusetzen und sie sachlich und argumentativ nachvollziehbar zu kritisieren. Wenn auch die Zulässigkeit einer Berufung weder von der Schlüssigkeit ihrer Begründung noch von deren Vertretbarkeit abhänge, gebe es doch Grenzen, unterhalb derer von einer Begründung im Sinne einer wenigstens versuchten Darlegung einer Urteilskritik nicht mehr gesprochen werden könne. Diese seien hier deutlich unterschritten.


2. Da das Berufungsgericht mit diesen Erwägungen § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO rechtsfehlerfrei angewendet hat, erfordert - anders als die Rechtsbeschwerde meint - die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Auch ein anderer Zulassungsgrund ist nicht ersichtlich.

Welche inhaltlichen Anforderungen gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO an eine Berufungsbegründung zu stellen sind, ist höchstrichterlich geklärt. Danach muss sie die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen dabei nicht. Insbesondere ist es für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung, ob die Rechtsmittelausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Allerdings muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein, weshalb es nicht ausreicht, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen. Vor allem muss das Rechtsmittel die tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils angreifen und darlegen, warum diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - III ZB 50/18 , juris Rn. 5 mwN; BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2015 - IX ZB 35/15 , BeckRS 2016, 920 Rn. 7; vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11 , NJW 2013, 174 Rn. 10; vom 6. Dezember 2011 - II ZB 21/10 , ZfBR 2012, 229; vom 27. Mai 2008 - XI ZB 41/06 , NJW-RR 2008, 1308 Rn. 11 und 13 f und vom 21. Mai 2003 - VIII ZB 133/02 , NJW-RR 2003, 1580). Die Beurteilung der Vorinstanz, die Rechtsmittelbegründung des Klägers verfehle diese Anforderungen, ist angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch unter Berücksichtigung des im Interesse der Verfahrensgrundrechte des Berufungsklägers gebotenen großzügigen Maßstabs nicht zu beanstanden. Die von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Divergenz der angefochtenen Entscheidung zur höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht damit nicht.



Das Berufungsgericht hat auch nicht die Verfahrensgrundrechte des Klägers auf rechtliches Gehör und wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt, indem es ihm den Zugang zur Berufungsinstanz rechtsfehlerhaft verwehrt hat.

Die 24-seitige Berufungsbegründung des Prozessbevollmächtigten des Klägers (Band VIII GA, S. 1812 ff) enthält auf den Seiten 2 - 4 sprachlich kaum zu verstehende, mit Tatsachenvortrag überfrachtete, inhaltlich wirre Hilfsanträge. Die nachfolgende „Begründung der Berufungsbegründung“ ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, größtenteils bereits sprachlich unverständlich und inhaltlich schlichtweg nicht mehr nachvollziehbar. Zwar mögen dem Schriftsatz bei einer überobligationsmäßig akribischen Lektüre und besonders wohlwollender Betrachtung Bruchstücke zu entnehmen sein, die, wie die Rechtsbeschwerde meint, „durchaus rechtlich bedenkenswerte Aspekte“ aufwerfen können. Die von der Rechtsbeschwerde angeführten Passagen hat der Senat geprüft. Das jeweilige Vorbringen, soweit es überhaupt zu verstehen ist, lässt jedoch nicht erkennen, aus welchen Umständen sich die behaupteten Rechtsverletzungen durch das Landgericht ergeben sollen.

Ungeachtet dessen genügte es nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO , dass sich aus dem insgesamt sprachlich und inhaltlich nicht verständlichen, umfangreichen anwaltlichen Schriftsatz mit Mühe einzelne Elemente herauslesen lassen, die als rechtlich bedenkenswert betrachtet werden könnten.

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