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Oberverwaltungsgericht Münster Beschluss vom 07.12.2020 - 8 E 563/20 - Zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Beseitigung eines Pollers

OVG Münster v. 07.12.2020: Zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Beseitigung eines Pollers




Das Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 07.12.2020 - 8 E 563/20) hat entschieden:

  1.  Es sind keine subjektiven öffentlich-rechtlichen Rechtspositionen des Klägers ersichtlich, welche durch die Aufstellung des Sperrpfostens beeinträchtigt sein könnten.

  2.  Die Farbvorgabe in § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO (rot-weiß gestreift) dient dazu, Verkehrsteilnehmer vor den in dieser Vorschrift genannten Schranken, Sperrpfosten, Absperrgeräten und Leiteinrichtungen optisch zu warnen. Sie bezweckt jedoch grundsätzlich nicht den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer oder Anwohner, die befürchten, durch Kraftfahrer gefährdet zu werden, die eine solche Verkehrseinrichtung bemerkt haben und versuchen, ihr durch verkehrsordnungswidriges Verhalten auszuweichen.


Siehe auch
a href="../Module/Poller_Strassensperren.php" target="_self">Poller - versenkbare Sperren - Sperrpfosten
und
Straßenrecht - Gemeingebrauch - Sondernutzung - Widmungsbeschränkungen


Gründe:


Die Beschwerde gegen Nr. 1 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 27. Mai 2020, mit dem dieses den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren unter anderem mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO) abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.

Hinreichende Aussicht auf Erfolg bedeutet bei einer an Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 4 GG orientierten Auslegung des Begriffs einerseits, dass Prozesskostenhilfe nicht erst und nur dann bewilligt werden darf, wenn der Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gewiss oder überwiegend wahrscheinlich ist, andererseits aber auch, dass Prozesskostenhilfe versagt werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsschutzbegehrens darf dabei nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatsachenfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden.

   Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Oktober 2020 - 8 E 785/20 -, juris Rn. 2 f., m. w. N.

Gemessen daran bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Kläger wendet sich gegen die Errichtung des Pollers in der Friedrich-Ebert-Straße an sich und die damit verbundenen Auswirkungen und will diesen wieder beseitigt haben. Dabei geht es ihm nicht um eine Durchfahrtmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen für sich selbst, weil er nach seinen Angaben nicht über ein eigenes Kraftfahrzeug verfügt. Er macht vielmehr geltend, als Fußgänger an dieser Stelle gefährdet zu werden, weil Autofahrer den Poller überführen, den Bürgersteig zur Umfahrung nutzten und wegen des Pfostens regelmäßig gefährliche Wendemanöver durchführten. Für dieses Begehren steht ihm keine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zu.

Nach dieser Vorschrift ist eine Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein.

Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können. Da der Kläger nicht Adressat der von ihm angefochtenen Errichtung des Pollers ist, kommt es darauf an, ob er sich für sein Begehren auf eine öffentlichrechtliche Norm stützen kann, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch ihn als Dritten schützt.

   Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. September 2020 - 8 A 1161/18 -, juris Rn. 50 f., m. w. N.

Derartige subjektive Abwehrrechte liegen hier nicht vor, und zwar unabhängig davon, ob man in der Errichtung des Pollers eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung oder eine straßenrechtliche Teileinziehung sieht.

Sollte es sich bei der Errichtung des Pollers um eine straßenverkehrsrechtliche Maßnahme zur Verbesserung der Verkehrssicherheit handeln, wovon die Beklagte ausgeht, ist zwar fraglich, ob er eine ordnungsgemäß markierte Verkehrseinrichtung im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StVO i. V. m. Anlage 4 zur StVO darstellt, weil der nach den insoweit unbestrittenen Angaben des Klägers orangeweiße ("orange mit kleinen weißen Streifen im oberen Bereich"), überfahrbare Gummipoller entgegen der Vorgabe in § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht rotweiß gestreift ist.

   Vgl. zu straßenverkehrsrechtlichen Sperrpfosten OVG Bremen, Beschluss vom 15. Januar 2018 - 1 LA 265/16 -, juris Rn. 21; Lafontaine, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 9. Juni 2020, § 43 StVO, Rn. 20.

Diese Farbvorgabe dient dazu, Verkehrsteilnehmer vor den in § 43 Abs. 1 Satz 1 StVO genannten Schranken, Sperrpfosten, Absperrgeräten und Leiteinrichtungen optisch zu warnen, damit diese Verkehrseinrichtungen ihre verkehrslenkende Funktion erfüllen können und es nicht zu Kollisionen zwischen ihnen oder Hindernissen und Fahrzeugen kommt. Die Farbgestaltung solcher Verkehrseinrichtungen bezweckt demgegenüber jedoch nicht den Schutz anderer Verkehrsteilnehmer oder Anwohner, die befürchten, durch Kraftfahrer gefährdet zu werden, die eine solche Verkehrseinrichtung bemerkt haben und versuchen, ihr durch verkehrsordnungswidriges Verhalten auszuweichen.

Entsprechendes gilt für die allgemeinen Regelungen in der Straßenverkehrs-Ordnung, die für die Beschränkung des Verkehrs auf Straßen durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen gelten (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 StVO).

Es kann offen bleiben, ob etwas anderes dann gilt, wenn verkehrswidrige und Fußgänger gefährdende Reaktionen anderer Verkehrsteilnehmer regelmäßig und unmittelbar kausal auf die Errichtung des Pollers zurückzuführen wären. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dies hier (in einer gegebenenfalls weiter aufzuklärenden Weise) der Fall sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich und drängen sich nach Aktenlage auch nicht auf. Es ist nicht erkennbar, dass die von der Beklagten durch die Errichtung des Pollers geschaffene Verkehrsführung in einer Weise sachwidrig wäre, dass dadurch regelmäßig vorhersehbares Fehlverhalten von Verkehrsteilnehmern mit Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer provoziert würde, zumal nach Aktenlage beidseits des Pollers in einiger Entfernung auf der Friedrich-Ebert-Straße und auf der Hammer Straße Verkehrszeichen aufgestellt worden sind, die auf eine Sackgasse (Zeichen 357 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO) und ein außer für Radfahrer und Anlieger geltendes Verbot (Zeichen 250 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) hinweisen.

Sollte die Errichtung des Pollers als Teileinziehung der Straße anzusehen sein, wovon der Kläger ausgeht, kann er sich ebenfalls nicht dagegen wenden. Denn es besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs an einer Straße (so ausdrücklich § 14 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW).

   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR 198/08 -, juris Rn. 18, 23; Nds. OVG, Beschluss vom 24. Januar 2018 - 7 ME 110/17 -, juris Rn. 6; Bay. VGH, Beschluss vom 8. August 2011 - 8 CS 11.1177 -, juris Rn. 11; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. Juli 1992 - 5 S 650/92 -, juris Rn. 22 ff., und Beschluss vom 22. Februar 1999 - 5 S 172/99 -, juris Rn. 4.

Die Erschließung und Erreichbarkeit des Wohnhauses ist durch die bloße Unterbindung des Durchgangsverkehrs unstreitig nicht in Frage gestellt. Vor Zufahrterschwernissen schützt auch das Recht auf Anliegergebrauch (vgl. § 14a StrWG NRW) nicht.

   Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 VR 7.99 -, juris Rn. 7.

Ob der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - Mutwilligkeit gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO entgegensteht, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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