1. |
Das in § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO angeordnete Gesichtsverhüllungs- und -verdeckungsverbot soll die Erkennbarkeit und damit die Feststellbarkeit der Identität von Kraftfahrzeugführern bei automatisierten Verkehrskontrollen zu sichern, um diese bei Verkehrsverstößen heranziehen zu können. Der Vorschrift kommt (auch) eine präventive Funktion zu. Mit dieser Zielrichtung dient die Vorschrift der allgemeinen Sicherheit des Straßenverkehrs und dem Schutz hochrangiger Rechtsgüter (Leben, Gesundheit, Eigentum) anderer Verkehrsteilnehmer.
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2. |
Durch die den Straßenverkehrsbehörden in § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO eingeräumte Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung soll besonderen Ausnahmesituationen Rechnung getragen werden, die bei strikter Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten und eine unbillige Härte für den Betroffenen zur Folge hätten.
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3. |
Das Ermessen der Straßenverkehrsbehörden bei der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO von dem in § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO geregelten Verbot ist nicht bereits deshalb auf Null reduziert, weil ein religiös begründetes Bedürfnis nach einer Verhüllung des Gesichts besteht (hier: Gesichtsschleier in Form eines Niqabs).
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4. |
Ein in der Hauptsache möglicherweise bestehender Neubescheidungsanspruch, der im weitergehenden Verpflichtungsantrag enthalten ist, kann grundsätzlich auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 123 Abs. 1 VwGO durch Verpflichtung des Antragsgegners zur Neubescheidung gesichert werden.
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr die beantragte Genehmigung zum Tragen eines Niqabs beim Führen eines Kraftfahrzeuges im gesamten Bundesgebiet zu erteilen,
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Vgl. statt vieler Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 51. |
Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 23. Mai 2019 - 1 BvR 1724/18 - , juris Rn. 22, und vom 15. August 2002 - 1 BvR 1790/00 - , juris Rn. 13, 18; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. Oktober 2014 - 12 B 870/14 - , juris Rn. 3 ff., und vom 22. Februar 2021 - 1 B 2015/20 - , juris Rn. 42. |
vgl. zum Erfordernis eines strukturierten, auf den Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts aufbauenden Beschwerdevorbringens: Guckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 73 ff., m. w. N., |
vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17 - , |
Vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2020 - 2 BvR 1333/17 - , juris Rn. 82, m. w. N. |
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018 - 1 BvQ 6/18 - , juris Rn. 6. |
Vgl. BR- Drs. 556/17, S. 2, 4, 14 und 28. |
Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 2018 - 1 BvQ 6/18 - , juris Rn. 6; Nds. OVG, Beschluss vom 16. April 2021 - 13 MN 158/21 - , juris Rn. 52. |
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17 - , juris Rn. 22, m. w. N. |
Vgl. hierzu näher BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17 - , juris Rn. 19 ff. |
Vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 8 StVO Rn. 31, m. w. N. |
Vgl. BR- Drs. 556/17, S. 17. |
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17 - , juris Rn. 11 ff. (zu § 21a Abs. 2 Satz 1 StVO). |
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17 - , juris Rn. 14 (zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b StVO). |
Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17 - , juris Rn. 23 f. |
Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 4. Juli 2019 - 3 C 24.17 - , juris Rn. 24. |
https://www.bmas.de/DE/Corona/Fragen- und- Antworten/Fragen- und- Antworten- Arbeitsschutz/faq- arbeitsschutzstandards.html (Abruf vom 19. Mai 2021) - |
Vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 16. April 2021 - 13 MN 158/21 - , juris, wonach die Pflicht zum Tragen einer Mund- Nase- Bedeckung für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft nach § 3 Abs. 1 Satz 3 der niedersächsischen Corona- Verordnung keine notwendige Schutzmaßnahme i. S. d. § 28 Abs. 1 IfSG darstellt, weil den Zielen, die § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO verfolgt, ein höheres Gewicht beizumessen sei als dem Infektionsschutz. |
Vgl. nur OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 15 B 624/18 - , juris Rn. 67 ff., m. w. N. auch zur Gegenauffassung. |
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Dezember 1986 - 1 B 1160/86 - , NJW 1988, 89 (89). |
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 15 B 624/18 - , juris Rn. 74 ff., m. w. N. |