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BGH Beschluss vom 24.11.2020 - VI ZB 57/20 - Teilweise Unzulässigkeit einer Berufung gegen das gesamte Urteil bei nur teilweiser Begründung

BGH v. 24.11.2020: Teilweise Unzulässigkeit einer Berufung gegen das gesamte Urteil bei nur teilweiser Begründung




Der BGH (Beschluss vom 24.11.2020 - VI ZB 57/20) hat entschieden:

   Im Falle einer umfassenden Anfechtung des gesamten Urteils muss die Be4grenzbaren Teils des Streitgegenstandes nicht angreift. Für den nicht begründeten Teil ist die Berufung unzulässig, im Übrigen ist sie zulässig.

Siehe auch
Berufungsbegründung im Zivilprozess
und
Stichwörter zum Thema Zivilprozess


Gründe:


I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch. Sie verlangte von den Beklagten Reparaturkosten in Höhe von 3.847 €, Sachverständigenkosten in Höhe von 742,20 €, eine Unkostenpauschale in Höhe von 30 € und Mietwagenkosten in Höhe von 862,75 €. Die Beklagte regulierte auf Basis einer Haftungsquote von 50 %, auf die Mietwagenkosten zahlte sie allerdings nur 174,34 €. Mit der Klage hat die Klägerin die zweite Hälfte der Reparatur-, Sachverständigenkosten und der Unkostenpauschale sowie die Differenz der Mietwagenkosten geltend gemacht (insgesamt: 2.998,01 €).

Das Amtsgericht hat der Klage nur in Höhe von 112,37 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der Unfall sei auf Basis einer Haftungsquote von 50 % abzuwickeln; für den Fahrer des klägerischen Autos sei der Unfall entgegen der Ansicht der Klägerin nicht unvermeidbar gewesen. Die Mietwagenkosten seien mit 862,75 € überhöht. Zugrunde zu legen sei der "Normaltarif" in Höhe von 573,43 €, die davon geschuldete Hälfte (286,71 €) abzüglich der bereits gezahlten 174,34 € ergebe den ausgeurteilten Betrag von 112,37 €.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie zunächst ihren erstinstanzlichen Klageantrag abzüglich der ausgeurteilten 112,37 € (insgesamt noch 2.885,64 €) weiter verfolgt hat. In der Berufungsbegründung hat sie ausgeführt, dass und weshalb entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht von einer Haftungsquote von 50 %, sondern von einer vollen Haftung der Beklagten auszugehen sei.




Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, dass die Berufung unzulässig sei, weil sich die Begründung nur mit der Haftungsquote befasse, hat die Klagepartei erwidert, dass die Berufung nur teilweise - nämlich hinsichtlich eines Teils der Mietwagenkosten - unzulässig sei, und den Klageantrag im Hinblick darauf auf 2.586,31 € reduziert.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, da die Berufungsbegründung nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genüge. Das angefochtene Urteil sei nicht nur auf die von der Berufungsbegründung allein angegriffene Haftungsquote von 50 % gestützt, sondern darüber hinaus noch auf die als überhöht angesehenen Mietwagenkosten. Selbst die Annahme einer vollen Haftung führe nicht zum (mit dem ersten Berufungsantrag) angestrebten vollständigen Erfolg der Klage. Die erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erklärte Reduzierung des ursprünglichen Berufungsantrags könne der insgesamt unzulässigen Berufung nicht "rückwirkend" zur nachträglichen Zulässigkeit verhelfen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.





II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Sie ist auch begründet. Nach der erfolgten Teilrücknahme der Berufung genügt die Berufungsbegründung vollumfänglich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

1. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 17. Februar 2020 - als Reaktion auf den Hinweis des Berufungsgerichts - ihre Berufung teilweise gemäß § 516 Abs. 1 ZPO zurückgenommen. Sie hat deutlich gemacht, dass sie hinsichtlich der Mietwagenkosten die vom Amtsgericht vorgenommene Kürzung insoweit akzeptiert, als dieses von den geltend gemachten 872,75 € nur einen Betrag von 573,43 € (als "Normaltarif") anerkannt hat, und dass sie nur die weitere Kürzung um 50 % im Hinblick auf die angenommene Haftungsquote angreift.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die - somit nur noch zum Teil anhängige - Berufung zulässig, ihr fehlt es insbesondere nicht - auch nicht teilweise - an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung. Der vom Berufungsgericht angenommene Fall einer nach Fristablauf nicht möglichen nachträglichen "Heilung" einer bis dahin unzulänglichen Berufungsbegründung (vgl.

   Siehe hierzu Senatsbeschluss vom 27. Januar 2015 - VI ZB 40/14, VersR 2015, 728 Rn. 15) liegt nicht vor.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 11. Februar 2020 - VI ZB 54/19, NJW-RR 2020, 503 Rn. 5 f. mwN).

Im Falle einer umfassenden Anfechtung des gesamten Urteils muss die Berufungsbegründung geeignet sein, das gesamte Urteil in Frage zu stellen. Die Berufung ist deshalb unzulässig, soweit die Berufungsbegründung das Urteil bezüglich eines quantitativ abgrenzbaren Teils des Streitgegenstandes nicht angreift. Nur für den nicht begründeten Teil ist die Berufung dann unzulässig, im Übrigen ist sie zulässig (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2007 - VIII ZB 26/07, NJW-RR 2008, 584 Rn. 6; Urteile vom 13. November 1997 - VII ZR 199/96, NJW 1998, 1081, 1082, juris Rn. 9; vom 13. Februar 1997 - III ZR 285/95, NJW 1997, 1309, juris Rn. 6).

0 b) Den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO wurde die Berufungsbegründung für den ursprünglich gestellten Berufungsantrag nur zu einem geringen Teil nicht gerecht; die nunmehr - nach Teilrücknahme - noch anhängige Berufung ist vollständig zulässig.



Für die Rechnungsposten Reparaturkosten, Sachverständigenkosten und Unkostenpauschale stützt sich das insoweit vollständig klageabweisende Urteil des Amtsgerichts allein auf die Begründung, dass die Beklagten nur zu 50 % hafteten. Insoweit war die Berufung der Klägerin, die in der Berufungsbegründung die Haftungsverteilung angegriffen hat, von vornherein zulässig. Allein für die Mietwagenkosten hat sich das erstinstanzliche Urteil auf zwei Begründungen gestützt, wobei jede Begründung nur einen Teil der insoweit erfolgten Abzüge trug: Es hat zunächst eine Reduzierung des der Klage zugrunde gelegten Ausgangsbetrags von 862,75 € (um 289,32 €) auf den "Normaltarif" (573,43 €) und sodann eine hälftige Teilung im Hinblick auf die Haftungsquote vorgenommen. In der Berufungsbegründung hat sich die Klägerin allein gegen die Haftungsquote gewandt, nicht aber gegen die (zuvor erfolgte) Reduzierung auf den "Normaltarif". Ihre Berufung war daher ursprünglich hinsichtlich eines quantitativ abgrenzbaren Teils des Streitgegenstandes (289,32 €) unzulässig, im Übrigen aber zulässig. Mit der Erklärung im Schriftsatz vom 17. Februar 2020, dass nur die Kürzung auf 573,43 €, nicht aber die Kürzung um 50 % akzeptiert werde, und der Reduzierung des Berufungsantrags ist dieser nunmehr der Berufungsbegründung angepasst. Die noch anhängige Berufung ist damit vollumfänglich zulässig. Ob die der Teilrücknahme zugrundeliegende Berechnung zutreffend ist, ist allein eine Frage der Schlüssigkeit der Berufung.

3. Die Sache ist zur Entscheidung über die Begründetheit des Rechtsmittels an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).

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