1. |
Der Europäische Gerichtshof hat durch Urteil vom 28. Oktober 2020 (C-112/19) geklärt, dass ein Mitgliedstaat die Anerkennung eines umgetauschten Führerscheindokuments ablehnen darf, wenn der Umtausch durch den Ausstellerstaat zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, in welchem der Mitgliedstaat, von dem die materielle Fahrberechtigung herrührt, diese bereits entzogen hatte.
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2. |
Die gegenseitige Anerkennungspflicht der von den Mitgliedsstaaten ausge-stellten Führerscheine gilt unabhängig davon, ob der Führerschein infolge einer bestandenen Prüfung oder infolge eines Umtauschs ausgestellt wurde.
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3. |
Eine Ausnahme von der Anerkennungspflicht eines EU-Führerscheins greift ein, wenn dessen Ausstellung nach Maßgabe des Unionsrechts durch ein betrügerisches oder rechtsmissbräuchliches Verhalten erwirkt worden ist (hier bejaht).
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seinen deutschen Führerschein (Nr.) in einen niederländischen Führerschein umzutauschen.
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1. |
Ist Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG so auszulegen, dass ein Führerscheindokument, und zwar einschließlich der darin dokumentierten Fahrberechtigungen, von den Mitgliedstaaten auch dann strikt anzuerkennen ist, wenn die Ausstellung dieses Dokuments auf einem Umtausch eines Führerscheindokuments nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG beruht?
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2. |
Falls Frage 1 zu bejahen ist: Darf ein Mitgliedstaat die Anerkennung des umgetauschten Führerscheindokuments gemäß Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126/EG ablehnen, wenn der Umtausch durch den Ausstellerstaat zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, in welchem der Mitgliedstaat, von dem die materielle Fahrberechtigung herrührt, diese bereits entzogen hatte?
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3. |
Falls Frage 2 zu verneinen ist und eine Anerkennungspflicht besteht: Darf ein Mitgliedstaat die Anerkennung des umgetauschten Führerscheindokuments jedenfalls dann ablehnen, wenn der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsbereich sich die Frage der Anerkennung des Führerscheindokuments stellt, aufgrund "unbestreitbarer Informationen" feststellen kann, dass die materielle Fahrberechtigung zum Zeitpunkt des Umtauschs des Führerscheindokuments nicht mehr bestand?
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1. |
Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein ist dahin auszulegen, dass vorbehaltlich der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmen die in dieser Bestimmung vorgesehene gegenseitige Anerkennung ohne jede Formalität auf Führerscheine anwendbar ist, die infolge eines Umtauschs gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie ausgestellt wurden.
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Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126 ist dahin auszulegen, dass er einem Mitgliedstaat gestattet, die Anerkennung eines nach Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie umgetauschten Führerscheins mit der Begründung abzulehnen, dass er dem Inhaber dieses Führerscheins vor dem Umtausch die Fahrerlaubnis entzogen hatte.
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die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen.
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die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. September 2012- 3 C 34/11-, juris Rn 23; ähnlich auch Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 7. Juli 2017 - 11 CS 17.1009-, juris Rn. 16 ff. |
Vgl. zur Austauschbarkeit der beiden vorgenannten Rechtsgrundlagen für die Gültigkeitsfeststellung: BayVGH, Beschluss vom 16. August 2017 - 11 ZB 17.1145 -, juris Rn. 7; Dauer, in: Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, §28 FeV Rn. 19, §29 FeV Rn. 9. |
Vgl. dazu im vorliegenden Verfahren: Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Urteil der 10. Kammer vom 28. Oktober 2020, Kreis Heinsberg, C-112/19, Rn. 26 f.; kürzlich EuGH, Urteil der 1.Kammer vom 29. April 2021, Stadt Karlsruhe, C-47/20, Rn. 26 m.w.N. |
Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Mai 2011, Grasser, C-184/10, Rn.21 und Urteil vom 17. Oktober 2013, Schwarz, C-321/07, Rn.77. |
Vgl. EuGH, Urteil der 10. Kammer vom 28. Oktober 2020, Kreis Heinsberg, C-112/19, Ziffer 1 des im Tatbestand mitgeteilten Urteilstenors. |
Vgl. Kenntner, Reichweite und Grenzen des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von EU-Führerscheinen, NJW 2020, S.1556 a. E. |
Vgl. zum Vorstehenden: EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020, Kreis Heinsberg, C-112/19, Rn. 38 ff. m.w.N. |
Vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 43 ff. m.w.N. |
Vgl. dazu und zu den Voraussetzungen im Einzelnen: EuGH, Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke, C-110/99, Rn. 52 und 53; eine strukturähnliche Bedeutung besitzt dieser Grundsatz in der französischen Rechtsordnung, die ihn oft mit dem lateinischen Satz "fraus omnia corrumpit" ("Betrug macht alles zunichte.") beschreibt, vgl. Benecke, Gesetzesumgehung im Zivilrecht, Mohr Siebeck 2004, Jus Privatum 94, Seite29 ff. und Jean Hilaire Adages et maximes du droit français, Dalloz 2015, p. 81. |
Vgl. EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2020, C-112/19, Kreis Heinsberg, Rn. 45 f., m.w.N. |
Vgl. zur unionsrechtlichen Unzulässigkeit von nationalen Sperrvermerken auf EU-Führerscheinen anderer Mitgliedstaaten: EuGH, Urteil vom 29.April 2021, Stadt Pforzheim, C-56/20. |