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Landgericht Darmstadt Urteil vom 17.06.2021 - 23 O 572/20 - Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes für sämtliche Ansprüche aus vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnissen

LG Darmstadt v. 17.06.2021: Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes für sämtliche Ansprüche aus vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnissen




Das Landgericht Darmstadt (Urteil vom 17.06.2021 - 23 O 572/20) hat entschieden:

  1.  Es ist auch in Ansehung des Urteils des V. BGH-Senats vom 12. März 2021 (V ZR 33/19) daran festzuhalten, dass sich die vom VII. BGH-Senat mit Urteil vom 22. Februar 2018 in der Sache zutreffend und überzeugend erkannte Aufgabe der fiktiven Schadensabrechnung (VII ZR 46/17) nicht auf werkvertraglich begründete Schadensersatzansprüche aus §§ 631 ff., 280, 281 BGB beschränkt, sondern auf Schadensersatzansprüche jedweder Art, gleich, ob sie auf vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnissen im Sinne des § 241 BGB beruhen (gegen BGH, Urteil vom 12. März 2021, V ZR 33/19).

  2.  Das gilt auch für fiktive Nutzungsausfallentschädigung oder die fiktive Abrechnung von Haushaltsführungsschäden. Erstattungsfähig sind hier wie auch sonst nur tatsächlich entstandene Kosten und Aufwand, den der Geschädigte gemäß Schätzung des Tatrichters nach § 287 ZPO in der Betrachtung ex ante gemessen am Maßstab eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in vergleichbarer Lage aufwenden würde (BGH, Urteil vom 7. Mai 1996 - VI ZR 138/95, zitiert nach juris, dort Rn.8) mit der Maßgabe, dass der Schädiger das Prognoserisiko trägt.

  3.  Dem nunmehr auf konkrete Schadensabrechnung beschränkten Geschädigten ist bei beabsichtigter und noch nicht erfolgter Schadensbeseitigung das ihm nicht zumutbare Vorfinanzierungsrisiko zu nehmen. Er hat deshalb gegen den Schädiger unmittelbar aus §§ 249, 250 S.1, 242 BGB (nicht § 637 III BGB analog) Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses in Höhe der voraussichtlichen Kosten der Schadensbeseitigung, der, sobald diese abgeschlossen wurde, gegenüber dem Schädiger abzurechnen ist, wobei ein nach Instandsetzung verbleibender merkantiler Minderwert stets als ersatzfähiger konkreter Schaden anzusehen ist.

  4.  Will der Geschädigte seinen Schaden nicht beheben lassen, ist er auf die Geltendmachung des Minderwertes der beschädigten Sache oder den Ausgleich seiner Vermögensminderung zu verweisen, die nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs vor und nach Schadenseintritt zu bestimmen ist.

  5.  Die Versagung der fiktiven Schadensberechnung besagt indes nur, dass der Geschädigte gegen den Schädiger eine fiktive Abrechnung nicht mehr einseitig durchsetzen kann. Den Parteien eines Rechtsstreits ist es aber im Rahmen ihrer Dispositionsbefugnis unbenommen, für das Gericht bindend durch einen unwiderruflichen Zwischenvergleich zu bestimmen, dass der streitgegenständliche Schaden, gleich auf welchem rechtlichen Grund er geltend gemacht wird, einheitlich nach den bislang jeweils geltenden Grundsätzen zur fiktiven Schadensberechnung der noch herrschenden Meinung abgerechnet werden soll.


Siehe auch
Abstrakte bzw. sog. fiktive Schadensabrechnung - Abrechnung auf Gutachtenbasis
und
Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung

Tatbestand:


Die Klägerin verlangt von dem Beklagten zu 1) als Unfallgegner und Fahrer sowie Halter eines Pkw mit amtlichem Kennzeichen 1 sowie der Beklagten zu 2) als Haftpflichtversicherer Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 04.03.2018 in […] im Einmündungsbereich […]straße […] Straße (Verteilerkreisel) ereignete.

Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin eines [Fahrzeugtyp] mit amtlichem Kennzeichen 2, zum Unfallzeitpunkt gesteuert von ihrem Ehemann Zeugen A mit der Klägerin als Beifahrerin und weiteren Kindern.

Der Beklagte zu 1) sei unmittelbar nach Einfahrt des klägerischen Pkw in die […] Straße auf diesen aufgefahren.

Die Klägerin begehrt Ersatz der an dem [Fahrzeugtyp] entstandenen Schäden, die sie fiktiv auf Grundlage eines Kostenvoranschlages der B e.K. vom 19.03.2018 mit € 5.966,11 inkl. € 25 pauschale Kosten abrechnen will und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von € 290,12.

Das Gericht hat die Klägerin im Rahmen der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Kammer eine fiktive Schadensberechnung nicht mehr zulässig ist, es sei denn, die Parteien verständigen sich hierauf (Einzelheiten Bl.20 f. der Akte), zugestellt am 01.02.2021 (Bl.24 der Akte). Mit Hinweis vom 09.02.2021 hat das Gericht der Klägerin nochmals prozessleitende Hinweise gegeben (Bl.32 der Akte), zugestellt am 11.02.2021 (Bl.37 der Akte). Die Klägerin beharrt auf fiktiver Schadensabrechnung.




Mit Schriftsatz vom 16.02.2021 hat die Klägerin einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt (Bl.43 [44] der Akte), die Beklagten mit Schriftsatz vom 20.04.2021 (Bl.48 der Akte). Mit Beschluss vom 03.05.2021 hat das Gericht gemäß § 128 II ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet, abschließende Schriftsatzfrist auf den 31.05.2021 und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 17.06.2021 bestimmt (Bl.53 der Akte), zugestellt an die Klägerin und die Beklagten jeweils am 04.05.2021 (Bl.61, 58 der Akte).

Die Klägerin beantragt,

  1.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € 5.966,11 nebst 5 Prozentpunkten an Zinsen über dem Zinssatz des § 247 BGB seit dem 13.10.2000 zu zahlen;

  2.  die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin € 290,12 nebst 5 Prozentpunkten an Zinsen über dem Zinssatz des § 247 BGB seit Zustellung zu zahlen.

Die Beklagten bitten,

   die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die nachfolgenden Entscheidungsgründe verwiesen.




Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist der Höhe nach zum Hauptanspruch unschlüssig und deshalb insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten nach §§ 7, 18 StVG oder § 823 I BGB jeweils in Verbindung mit § 115 I 1 Nr.1 VVG auf fiktive Abrechnung des behaupteten Unfallschadens.

Der für werk- und bauvertragliche Streitsachen zuständige VII. Senat des BGH hat mit Urteil vom 22.02.2018 seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Geschädigter im Rahmen des sogenannten kleinen Schadensersatzes seinen Schaden fiktiv auf der Grundlage voraussichtlicher Mangelbeseitigungskosten abrechnen kann, aufgegeben, unter anderem weil dies zunehmend zu einer Überkompensation des Geschädigten führt. Erfasst sind alle ab dem 01.01.2002 geschlossenen Verträge. Auf eine Anfrage des V. BGH-Senats gemäß § 132 III GVG vom 13.03.2020, die unter anderem darauf gestützt wurde, dass insoweit eine unterschiedliche Behandlung von werk- und kaufvertraglichen Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüchen dogmatisch nicht begründbar sei,hat der VII. BGH-Senat erklärt, dass er an dieser Rechtsprechung jedenfalls für das Werkvertragsrecht festhält.

Die Kammer schließt sich der Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes ausdrücklich an.

Überzeugend hat der VII. Zivilsenat zur Begründung seiner Kehrtwende darauf hingewiesen, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mangelbeseitigungskosten das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht – vor allem im Baurecht – nicht mehr zutreffend abbildet und häufig zu einer nach allgemeinen (!) schadensrechtlichen Grundsätzen nicht mehr zu rechtfertigenden Überkompensation des Geschädigten führt, mithin zu einer Bereicherung, die mit dem das gesamte Schadensersatzrecht prägenden Grundsatz der Restitution in Natura oder in Geld ohnedies nie wirklich in Einklang zu bringen war und es zunehmend weniger ist.

Nicht gefolgt werden kann allerdings der Auffassung des VII. BGH-Senats und ihm folgend weiterer Senate, dass dies eine Problematik sei, die sich ausschließlich auf die Besonderheiten des Werkvertragsrechts, insbesondere des Bau- und Planungsrechts, beschränke, für alle sonstigen auf gesetzlichen oder vertraglichen Schuldverhältnissen beruhenden Schadensersatzansprüche aber abweichend zu beurteilen sei mit der Maßgabe, dass dem Geschädigten dort auch weiterhin die Möglichkeit der fiktiven Schadensberechnung an die Hand gegeben werden soll.

Die Kammer vertritt stattdessen mit der im Vordringen befindlichen Meinung in nunmehr bereits ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die Aufgabe der fiktiven Schadensabrechnung auf jedwede Art von Schadenersatzansprüchen zu übertragen ist, die, soweit sie auf vertraglich begründeten Schuldverhältnissen beruhen, auf nach dem 01.01.2002 geschlossenen Verträgen und, soweit sie auf gesetzlichen Schuldverhältnissen wie etwa unerlaubter Handlung begründet sind, auf einem ab dem 01.01.2002 eingetretenen Schadensereignis beruhen.

Zutreffend wird in der Literatur gerade im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des VII. Senats von der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Berlin Dr. Ulrike Picker in einer Anmerkung zum Urteil des VII. Senats gefordert, das schadensersatzrechtliche Regime nach der Kehrtwende dieses Senats nunmehr einer grundlegenden dogmatischen Neujustierung zu unterziehen und die im Rahmen der fiktiven Schadensberechnung zunehmend ausgeuferten Wucherungen zurückzuschneiden mit der Maßgabe, dass nach dem das Schadensersatzrecht der §§ 249 ff. BGB prägenden Grundsatz der Restitution die Ersatzfähigkeit fiktiver Mangelbeseitigungs- oder sonstiger Restitutionskosten generell auszuschließen sind.


Der hier vertretenen Auffassung hat sich zwischenzeitlich auch das OLG Frankfurt am Main insoweit teilweise angeschlossen, als es auch im Rahmen kaufrechtlicher Gewährleistung keine fiktive Schadensberechnung mehr geben soll.

Damit zeichnet sich ab, dass zumindest auch alle anderen sich aus einem schuldrechtlichen Synallagma im engeren und weiteren Sinn herleitenden Schadensersatzansprüche erfasst werden. Was für das Kaufrecht gilt, muss dann zwangsläufig auch etwa für Miet- und Pachtrecht sowie Haftung aus §§ 311 II. 241 II BGB (cic) und aus §§ 280 I, 241 II BGB (pVV) gelten. Auch für das Mietrecht ist eine den fiktiven Schadensersatz ablehnende Meinung im Vordringen.

Insgesamt hat sich eine wohl bereits überwiegende Meinung dahin gebildet, dass die vom VII. BGH-Senat entschiedene Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes zumindest auch auf andere Vertragstypen des besonderen Schuldrechts zu übertragen ist.

Dass diese Auffassung vorzugswürdig ist, mag ein einfaches Beispiel verdeutlichen:

Der Käufer erwirbt von einem Bauträger ein Grundstück, der darauf nach Baubeschreibung eine Immobilie zu errichten hat. Es kommt zu Mängeln und schließlich zur Entstehung eines Schadensersatzanspruchs des Käufers. Derartige Verträge unterliegen nach herrschender Meinung jedenfalls insoweit den Bestimmungen des Werkvertragsrechts. Diesem Käufer wäre nun nach der Rechtsprechung der VII. BGH-Senats die vermeintliche Segnung der fiktiven Schadensabrechnung aus der Hand geschlagen und seine Dispositionsfreiheit beschränkt.

Erwirbt der gleiche Käufer von einem Verkäufer das gleiche Grundstück mit einer identischen Bestandsimmobilie, treten sodann die gleichen Mängel auf und erwächst dem Käufer nunmehr wiederum ein Schadensersatzanspruch, greifen jetzt kaufrechtliche Bestimmungen mit der Folge, dass dieser Käufer seinen Schaden schlussendlich wieder fiktiv abrechnen kann und man ihm eine Dispositionsfreiheit zubilligt, die man ihm sonst bei Anwendung von Werkvertragsrecht versagt.

Eine solche Differenzierung ist rechtsdogmatisch nicht überzeugend zu begründen.

Allgemein streitet das Sachargument der Vermeidung von Überkompensation gegen fiktive Schadensabrechnung jedweder Art, gleich, aus welchem rechtlichen Grund sich der Anspruch schlussendlich herleitet. Die zur Festhaltung am fiktiven Schadensersatz herangezogene Begründung, es gehe darum, die Dispositionsfreiheit des Geschädigten zu wahren und ihm deshalb ein Wahlrecht zwischen fiktiver oder konkreter Schadensberechnung zuzubilligen, die in dieser Allgemeinheit im Gesetz gar keine Stütze findet, da sie der VII. BGH-Senat sonst nicht hätte übergehen dürfen, erschöpft sich tatsächlich in den gesetzlich bereitgehaltenen Kompensationsmöglichkeiten der Naturalrestitution durch Wiederherstellung des schadensfreien Zustandes oder durch Ausgleich des Wertverlustes, den die beschädigte Sache oder das beeinträchtigte Vermögen durch das Schadensereignis erleidet, allerdings nur bis hin zur Schwelle der Überkompensation, weil ab diesem Punkt die Verpflichtung des Geschädigten aus § 254 BGB zur Schadensminderung oder –geringhaltung greift. Legt man bei dieser Sachlage einmal den Maßstab einer lebensnahen Betrachtungsweise an, wird ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter ohnedies nur dann auf die fiktive Schadensabrechnung zurückgreifen, wenn er dadurch einen über die konkrete Schadensbeseitigung hinausgehenden Vermögensvorteil erlangen kann, der vom Grundsatz der Naturalrestitution an sich freilich nicht mehr gedeckt ist. Ein solches Interesse ist daher nicht schutzwürdig, weil es auf eine schadensübergreifende Bereicherung hinausläuft, die das Schadensersatzrecht gerade nicht will. Gesteht man stattdessen dem Geschädigten grundsätzlich, wofür die Kammer eintritt, zur Abfederung des Risikos der Vorfinanzierung einen abrechnungspflichtigen Vorschussanspruch gegen den Schädiger zu, ist schlechterdings kein Sachargument mehr ersichtlich, das ein Festhalten am fiktiven Schadensersatz rechtfertigen könnte.

Nach Auffassung der Kammer ist diese Erkenntnis auch bei den anderen BGH-Senaten, die den fiktiven Schadensersatz noch verteidigen, zunehmend gereift. Es wird aber, ohne dass die Festhaltung am fiktiven Schadensersatz einmal mit tragfähigen Argumenten unterlegt würde, versucht, dieses richterrechtlich einst begründete Institut durch punktuelle Korrekturen zu retten. In diese Kategorie fällt nach hier vertretener Auffassung auch die vom VI. Zivilsenat mit Urteil vom 23.02.2010 auf die Grundsätze der Schadenminderungspflicht gestützte Rechtsprechung, wonach bei fiktiver Abrechnung von Fahrzeugschäden nach einem Unfall der Geschädigte unter bestimmten Voraussetzungen auf die Abrechnungssätze eines nicht markengebundenen Fachbetriebes verwiesen werden kann.

Der BGH argumentiert dort mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit und führt die durch § 249 II 1 BGB gezogenen Grenzen an. Die Zielsetzung ist klar. Der BGH bemüht sich um eine Begrenzung der in den Sachverständigengutachten enthaltenen Kalkulationsberechnungen, die EDV-gestützt ganz überwiegend auf Herstellerpreise und –empfehlungen abstellen, die in der Reparaturpraxis so nicht einmal von den markengebundenen Fachwerkstätten umgesetzt werden und überdies auch den Austausch von Teilen und Komponenten empfehlen, die gar nicht beschädigt sind, was in erster Linie den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller dient und die von der Solidargemeinschaft der Haftpflichtversicherer und ihrer Versicherungsnehmer aufzubringenden Kosten nach oben treibt. Tatsächlich vermengt der BGH hier aber die äußerst großzügigen Grundsätze der fiktiven Schadensberechnung mit Elementen der konkreten Schadensberechnung, indem er für einzelne Rechnungsposten einer fiktiven und damit per se rein hypothetischen Schadensberechnung das dogmatisch unscharfe Kriterium der „Erforderlichkeit“ im Sinne von „Wirtschaftlichkeit“ bemüht. Gänzlich unpraktikabel und für die Instanzgerichte wie auch die rechtssuchenden Parteien über Gebühr belastend wird dieser Ansatz schließlich, wenn der BGH dazu, aus seiner Sicht konsequent, die Beweislast für die angebliche Gleichwertigkeit des günstigeren Referenzbetriebes dem Schädiger zuweist, ohne freilich einmal wenigstens anzudeuten, welche Referenzkriterien denn eigentlich maßgebend sein sollen. Hier wird – bei teilweise niedrigen Streitwerten und überschaubarem wirtschaftlichen Interesse der Parteien – eine weitere Front für Gutachterschlachten eröffnet, die auf vergleichende Qualitätsaudits zwischen markengebundenen und markenungebundenen Werkstätten hinauslaufen und deren Kosten zumeist in keinem wirtschaftlichen Verhältnis mehr zum Streitwert stehen. Gänzlich ungeklärt ist schließlich auch die Frage, ob und inwieweit die auserkorenen Referenzbetriebe überhaupt verpflichtet sind, derartige Qualitätsaudits in ihren Betrieben zu dulden, die schließlich tiefe Einblicke in betriebsinterne Verfahrensabläufe und technische Ausstattungen erlauben und an deren Geheimhaltung ein objektives Interesse besteht.

Diese Problematik stellt sich nicht, wenn es bei konkreter Schadensabwicklung um die der richterlichen Schätzung nach § 287 ZPO unterliegende Frage geht, ob der Geschädigte seinen Aufwand für erforderlich halten durfte. Grundsätzlich kommt es nämlich bei konkreter Schadensabrechnung nicht in erster Linie darauf an, ob die vom Geschädigten aufgewendeten Kosten bei Betrachtung ex post objektiv angemessen im Sinne von marktüblich waren, sondern im Rahmen gebotener Einzelfallbetrachtung ex ante darauf, ob sie der Geschädigte aus der objektiven Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in vergleichbarer Lage aufwenden würde.

Das Prognoserisiko trägt dabei freilich der Schädiger, der durch seinen Eingriff in geschützte Rechtsgüter diese Sachlage überhaupt erst ausgelöst hat und deshalb entstehende Kosten selbst dann zu erstatten hat, wenn sich erst im Nachhinein herausstellt, dass sie nicht in vollem Umfang erforderlich waren.

Das Gebot zu wirtschaftlich vernünftiger Schadensbehebung verlangt vom Geschädigten ferner nicht, zu Gunsten des Schädigers zu sparen oder sich in jedem Fall so zu verhalten, als ob er den Schaden selbst zu tragen hätte. Denn in letzterem Fall wird der Geschädigte nicht selten Verzichte üben oder Anstrengungen machen, die sich im Verhältnis zum Schädiger als überobligationsmäßig darstellen und die dieser daher vom Geschädigten nicht verlangen kann. Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs darf auch im Rahmen von § 249 II 2 BGB nicht das Grundanliegen der Norm aus den Augen verloren werden, wonach dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll. Deshalb ist bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Daher braucht sich der Geschädigte etwa auch bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zur Kompensation eines konkreten Nutzungsausfallschadens nur auf den ihm in seiner Lage ohne weiteres offenstehenden Markt zu begeben.

Nichts anderes kann für die Wahl der Reparaturwerkstatt gelten.

Indem der VI. Zivilsenat das an sich der konkreten Schadensabrechnung vorbehaltene Kriterium der Erforderlichkeit nunmehr auf die fiktive Schadensberechnung erstreckt, weist er dem Geschädigten unter Abkehr der dazu entwickelten Grundsätze schlussendlich doch das Werkstatt- und Prognoserisiko zu, wenn damit faktisch verlangt wird, dass der Geschädigte eine markengebundene Werkstatt nur in Anspruch nehmen darf, wenn er keine günstigere und gleichwertige ungebundene Markenwerkstatt findet. Auch dies zeigt, dass Versuche, der einer fiktiven Schadensabrechnung inhärenten Überkompensation punktuell entgegen zu wirken, zu keinem stringenten und befriedigendem Ergebnis führen, das gegenüber einer Aufgabe dieses Instituts bei gleichzeitiger Anpassung der konkreten Schadensabrechnung vorzugswürdig wäre. Es muss daher allgemein der Grundsatz gelten, dass derjenige, der Mängel bzw. Schäden nicht beseitigen lässt und sich mit der eingetreten Situation abfinden will, eben auch keinen Vermögensschaden in Höhe von lediglich fiktiven Aufwendungen hat.

Die Kammer übersieht dabei nicht, dass der für das Kaufrecht zuständige V. BGH-Senat mit Urteil vom 12.03.2021 für kaufrechtlich begründete Schadensersatzansprüche an der Möglichkeit des fiktiven Schadensersatzes festhalten und dem Werkvertragsrecht insoweit dem VII. BGH-Senat folgend einen Sonderstatus zubilligen will.

Diese Auffassung kommt nicht nur überraschend. Die Kammer vermag ihr auch in der Sache nicht zu folgen.

Überraschend ist diese Entscheidung deshalb, weil der V. BGH-Senat in der gleichen Rechtssache zunächst mit Vorlagebeschluss vom 13.03.2020 an den VII. BGH-Senat herangetreten ist und ausgeführt hat:

   „Aus Sicht des V. Zivilsenats kann weder der V. noch der VIII. Zivilsenat an der bisherigen kaufrechtlichen Rechtsprechung festhalten, ohne im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG von der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats abzuweichen (vgl. Tenor unter 1.).

aa) Eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen ist dieser Bestimmung zufolge nicht nur bei unterschiedlicher Auslegung derselben Gesetzesbestimmung erforderlich, sondern auch dann, wenn der gleiche Rechtsgrundsatz, mag er auch in mehreren Gesetzesbestimmungen seinen Niederschlag gefunden haben, von zwei Senaten unterschiedlich aufgefasst und gehandhabt wird (…).

bb) Die Rechtsprechungsänderung lässt sich jedenfalls auf der Grundlage der bislang von dem VII. Zivilsenat gegebenen Begründung nicht auf das Werkvertragsrecht beschränken. Eine Divergenz verneint der VII. Zivilsenat im Kern mit zwei Argumenten, von denen sich aus Sicht des V. Zivilsenats keines als stichhaltig erweist.

...

6. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, dass die Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Angleichung der Rechtsprechung der Zivilsenate in diesem Punkt erfordert.“

Diese im Kern zutreffenden Gründe lässt der V. BGH-Senat im nachfolgenden Urteil vom 12.03.2021 ohne überzeugende Argumente fallen und akzeptiert nunmehr doch das Auseinanderfallen eines vom Gesetzgeber über §§ 241, 249 ff. BGB einheitlich konzipierten Schadensersatzrechts, wobei Abgrenzungsschwierigkeiten gerade beim Kauf von Immobilien offen erkannt, aber keiner befriedigenden Lösung zugeführt werden.

Diese Ungleichbehandlung ist nicht logisch begründbar und beruht auf einem fehlerhaften dogmatischen und der Systematik des BGB widersprechenden Ansatz, nämlich Inhalt und Umfang des Schadensausgleichs nicht aus den für alle schadensersatzrechtlichen Anspruchsgrundlagen „vor die Klammer gezogenen“ Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB herzuleiten, sondern von den Anspruchsgrundlagen auszugehen, die jedoch zur Bestimmung von Schadenshöhe und Ermittlung des zur Kompensation Erforderlichen keine eigenen Sonderbestimmungen enthalten, die nach den Grundsätzen der lex spezialis die allgemeinen Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB ganz oder teilweise verdrängen.

Die Ansiedlung der Schadensersatzvorschriften der §§ 249 ff. BGB im zweiten Buch des BGB (Recht der Schuldverhältnisse) differenziert gerade nicht danach, ob der Schadensersatzanspruch auf einem vertraglich begründeten Schuldverhältnis und seinem Leistungsstörungsrecht nach §§ 280, 281 BGB beruht oder aber auf §§ 823 ff. BGB oder §§ 7, 18 StVG. Auch bei den letztgenannten Vorschriften handelt es sich um Schuldverhältnisse im Sinne des § 241 I BGB, mögen sie auch nicht auf Vertrag beruhen, sondern auf dem Gesetz, wie etwa deliktische Ansprüche. Der Begriff des „Schuldverhältnisses“ in § 241 I BGB erfasst jede durch einen einheitlichen Begründungstatbestand geschaffene Gesamtheit schuldrechtlicher Beziehungen zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner.

Unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten gibt es daher keine Veranlassung, die Abrechnung eines Sachschadens davon abhängig zu machen, ob er aus einem vertraglichen oder einem gesetzlichen Schuldverhältnis erwachsen ist. Für alle Schuldverhältnisse gelten die Argumente, die den VII. BGH-Senat bewogen haben, die fiktive Schadensabrechnung fallen zu lassen, gleichermaßen. Ebensowenig kann es keine Rolle spielen, ob sich in einem Schaden die Störung des Äquivalenzinteresses oder eine Beeinträchtigung des Integritätsinteresses abbildet. Die Klärung der Frage, in welcher Höhe ein Schädiger Schadensersatz zu leisten hat und wie die Entschädigung berechnet werden muss, ist daher nicht aus unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen herzuleiten, sondern aus den für alle Schuldverhältnisse maßgebenden Bestimmungen der §§ 249 ff. BGB.

Entgegen teilweise vertretener Ansicht25 ist schließlich die fiktive Schadensabrechnung auch nicht in § 249 II 2 oder II.1 BGB n.F. gesetzlich verankert.

Das dazu angeführte tragende Argument, der Gesetzgeber habe gerade mit der Einfügung von § 249 II 2 Satz 2 BGB, wonach bei der Beschädigung einer Sache der nach § 249 II 1 BGB erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit einschließt, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, im Umkehrschluss die fiktive Abrechnung als gesetzlich geregeltes Institut an sich gerade vorausgesetzt, ist fehlgeleitet. Denn in der amtlichen Begründung zu dieser Gesetzesänderung heißt es dazu ausdrücklich unter anderem:

   „Nach derzeitiger Rechtslage (§ 249 BGB) kann der Geschädigte, der einen Körper- oder Sachschaden erlitten hat, frei darüber entscheiden, ob er die Herstellung des ursprünglichen Zustands durch den Schädiger ausführen lässt (das wäre nach § 249 S. 1 BGB der gesetzliche Regelfall, der aber keine praktische Bedeutung mehr hat) oder ob er statt der Herstellung durch den Schädiger den dafür erforderlichen Geldbetrag verlangt. Dem Gesetzeswortlaut kann nicht eindeutig entnommen werden, ob unter dem „dafür erforderlichen Geldbetrag“ der Betrag für eine wirklich durchgeführte oder auch der Betrag für eine nur gedachte Schadensbeseitigung zu verstehen ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich bei der Abrechnung des reinen Sachschadens, im Unterschied zu der Abrechnung von Personenschäden und Sachfolgeschäden (z.B. sachverständigen Kosten, Kosten für die Anmietung einer Ersatzsache während der Dauer der Schadensbeseitigung), für die zuletzt genannte Betrachtungsweise entschieden und räumt dem Geschädigten insoweit die Möglichkeit einer fiktiven Schadensberechnung ein […].

Diese Form der abstrakten Schadensberechnung kann insoweit zu einer Überkompensation führen, als dem Geschädigten Schadensposten ersetzt werden, die nach dem von ihm selbst gewählten Weg zur Schadensbeseitigung gar nicht angefallen sind. […].

[…]

Bei Erarbeitung des Gesetzentwurfs ist auch eine noch grundlegendere Reform des Sachschadensrechts erwogen worden. Dabei stellte sich insbesondere die Frage, ob der gedankliche Ausgangspunkt der derzeitigen Schadensersatz Praxis, nach dem die fiktiven Reparaturkosten auch dann den Maßstab für die Berechnung der Schadenshöhe bilden, wenn der Geschädigte eine Reparatur gar nicht vornimmt, sondern einen anderen Weg zur Schadensbeseitigung wählt, ganz aufgegeben werden soll. Man könnte stattdessen überlegen, ob der Maßstab für die Höhe des Sachschadensersatzes nicht in allen Fällen danach bestimmt werden sollte, welche Maßnahmen der Geschädigte konkret zur Schadensbeseitigung ergreift. Im Falle einer durchgeführten Reparatur könnten dies z.B. die tatsächlichen Reparaturkosten, im Falle einer Ersatzbeschaffung die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert der Sache vor der Beschädigung und dem Restwert der Sache nach der Beschädigung sein. Und wenn der Geschädigte auf eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung ganz verzichtet und sich damit gegen die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands entscheidet, könnte es unter rechtssystematischen Gesichtspunkten konsequenter sein, nur das Wertungen Interesse zu ersetzen, nämlich die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Sache im unbeschädigten und im beschädigten Zustand.

Eine derart umfassende Reform des Sachschadens rechts hätte allerdings den Nachteil, dass dadurch eine langjährige und bis ins einzelne ausdifferenzierter Rechtsprechung grundlegend infrage gestellt würde. Für die erreichte Rechtssicherheit in diesem Bereich hätte das kaum abschätzbare Folgen. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass das derzeitige System der Schadensabwicklung auf der Grundlage fiktiver Reparaturkosten den Verkehrskreisen wohlvertraut ist und – was seine technische Abwicklung betrifft – im Wesentlichen reibungslos funktioniert. Vor diesem Hintergrund wurden die Überlegungen für eine umfassende Reform des Sachschadensrechts zurückgestellt. Es empfahl sich vielmehr, mit der Neuregelung zum nicht Ersatz von fiktiver Umsatzsteuer eine behutsame Korrektur an dem bestehenden System vorzunehmen und es im Übrigen der Rechtsprechung zu überlassen, das Sachschadensrecht zu konkretisieren und weiterzuentwickeln.”

Dieser ausdrücklichen Anregung des Gesetzgebers, „das Sachschadensrecht zu konkretisieren und weiterzuentwickeln“, folgt das erkennende Gericht mit der hier vertretenen Auffassung. Es versetzt sich damit gerade nicht in die ihm zweifellos nicht zustehende Rolle eines Gesetzgebers und betreibt auch keine Rechtspolitik, sondern nimmt den von der Legislative in das Feld der Judikative gespielten Ball auf und vermag sich trotz intensiver Befassung einer höchstrichterlich postulierten Rechtsauffassung nicht zu beugen, die aus den dargelegten Gründen nicht überzeugen kann, schon weil sie zwingend gemäß § 132 II 1 GVG einer Entscheidung durch den Großen Senat für Zivilsachen vorzulegen ist.

Weshalb das erkennende Gericht damit seine Kompetenzen überschreiten soll,30 ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Der Gesetzgeber hat – von wenigen Ausnahmen abgesehen – bewusst nicht allgemein bestimmt, dass die Rechtsprechung des BGH für die Instanzgerichte bindend ist. Die Fortentwicklung des Rechts durch Gesetzesauslegung nach den allgemein anerkannten Regeln der juristischen Methodenlehre ist keineswegs allein dem BGH oder den Oberlandesgerichten vorbehalten. Das wäre ein autoritäres Staatsverständnis, das mit dem Konzept unserer Staatsverfassung, die auf Pluralismus, Diskurs und Freiheit des (rechts-) wissenschaftlichen Meinungsstreits ausgerichtet ist, nicht zu vereinbaren.

Für die Schadensabwicklung gelten aus den dargelegten Gründen fortan folgende Grundsätze:

Lässt der Gläubiger seinen durch Beschädigung einer Sache oder durch Pflichtverletzung aus einem vertraglich begründeten Schuldverhältnis entstandenen Schaden nicht beseitigen, kann er als Schadensersatz nur die schadensbedingte Wertminderung der Sache verlangen, die zu ermitteln ist aus dem objektiven Verkehrswert (Wiederbeschaffungswert) der Sache in ihrem Zustand vor und nach dem Schadensereignis (Restwert).

Beabsichtigt der Gläubiger die Reparatur der Schäden oder Mangelbeseitigung, hat dies aber noch nicht veranlasst, kann er ferner, solange Schadensbeseitigung noch nicht erfolgt ist, unmittelbar aus §§ 249, 250 S.2, 242 BGB ein Anspruch auf Vorschusszahlung mit anschließender Abrechnungsverpflichtung herleiten.

Auch der VII. BGH-Senat hat erkannt, dass dem Geschädigten bei Versagung der bislang gegebenen Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung nunmehr die Vorfinanzierung der Schadensbeseitigung zugewiesen wird, weil § 637 III BGB auf Schadensersatzansprüche unmittelbar nicht anwendbar ist. Da durch die Aufgabe des fiktiven Schadensersatzes eine solche Schlechterstellung des Geschädigten weder gewollt noch zumutbar ist, billigt ihm der VII. BGH-Senat nunmehr über §§ 634 Nr.4, 280 BGB zwecks Vorfinanzierung der Naturalrestitution einen Anspruch auf Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrages zu.

Das ist im Kern nichts anderes, als ein Anspruch auf Vorschusszahlung, wie ihn § 637 III BGB freilich nur für das Werkvertragsrecht vorhält. Da nach Auffassung der Kammer fiktiver Schadensersatz bei streitiger Verhandlung generell auch für alle sonstigen vertraglich oder gesetzlich begründeten Schuldverhältnisses entfällt, ist die gebotene Kompensation des Nachteils der Vorfinanzierung jedoch nicht aus dem besonderen Schuldrecht etwa durch analoge Anwendung des § 637 III BGB herzuleiten, sondern aus den Bestimmungen des allgemeinen Schuldrechts im 2. Buch des BGB, mithin aus §§ 249, 250 S.2, 242 BGB.

Hat der Gläubiger den Schaden beseitigen oder Mängel beheben lassen, kann er die Erstattung des ihm entstandenen Aufwandes verlangen, vorausgesetzt, er durfte diesen nach dem Maßstab eines vernünftig und wirtschaftlich handelnden Geschädigten in der Betrachtung ex ante für erforderlich halten. Erstattungsfähig ist als konkreter Schaden weiterhin auch ein verbleibender merkantiler Minderwert.

Die vorstehenden Grundsätze gelten ferner entsprechend auch für den hier nicht geltend gemachten Nutzungsausfallschaden in Verkehrsunfallsachen. Ein Anspruch besteht nur auf Erstattung tatsächlich angefallener Mietwagenkosten oder sonstiger tatsächlich entstandener Aufwendungen für die Dauer der tatsächlichen unfallbedingten Nutzungsentziehung unter Berücksichtigung der Verpflichtung des Geschädigten zur Schadensgeringhaltung (§ 254 BGB).

Gleiches gilt schließlich auch entsprechend für die Geltendmachung sogenannter Haushaltsführungsschäden, hier nicht Gegenstand des Streits. Auch hier ist der Schaden konkret darzulegen, etwa durch Kosten für den Einsatz einer Hilfskraft im schadensbedingt erforderlichen Umfang mit der Maßgabe, dass ein beauftragter Unternehmer ordnungsgemäß Rechnung erteilt oder bei unmittelbarer Anstellung die beschäftigte Hilfskraft ordnungsgemäß angemeldet ist und anfallende Steuern und Sozialabgaben entrichtet worden sind.

Die Kammer verkennt schlussendlich nicht, dass sie bewusst eine Mindermeinung vertritt und für deren Durchsetzung streitet, die sich gegen höchstrichterliche Rechtsprechung stellt. Sie sieht auch die Gefahr, damit die rechtssuchenden Parteien in ein Rechtsmittel zu drängen verbunden mit der Hoffnung, dass die Rechtssache dort nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen beurteilt wird. Allerdings ist das rechtsstaatliche und von Meinungsstreit geprägte Staatskonzept der Bundesrepublik Deutschland so ausgelegt und lässt abweichende Auffassungen der Instanzgerichte ausdrücklich zu. Die Kammer hat diese Problematik nochmals eingehend beraten und sich aus den dargelegten Gründen dazu entschlossen, an ihrer dargestellten Rechtsauffassung auch weiterhin sowohl in Kammer- wie auch in Einzelrichtersachen festzuhalten.

Wollen die Parteien abändernde Entscheidungen des Rechtsmittelgerichts vermeiden und deshalb an der bislang dort noch gegebenen Möglichkeit einer – einheitlichen – fiktiven Abrechnung weiter festhalten, ist es ihnen schließlich im Rahmen ihrer Vertrags- und prozessualen Dispositionsfreiheit unbenommen, dies auch für das erkennende Gericht bindend einvernehmlich zu vereinbaren. Das kann unter anderem durch einen sogenannten Zwischenvergleich der am Prozess beteiligten Parteien geschehen.

So gesehen schließt die hier vertretene Auffassung nur die Möglichkeit des Geschädigten aus, seinen Schaden gegen den Willen des Schädigers fiktiv abzurechnen.

Im vorliegenden Fall besteht keine solche Vereinbarung der Parteien, obwohl das Gericht auch auf diese Möglichkeit hingewiesen hat.

Da die Klägerin auf einer nach hier vertretener Auffassung unschlüssigen Schadensberechnung beharrt, kann sie auch keine Erstattung pauschaler Kosten in Höhe von € 25,00 verlangen, weil der geltend gemachte Schaden nicht entstanden ist.



Auf den weiteren Vortrag der Klägerin kommt es nicht an. Es kann insbesondere dahinstehen, ob die Klägerin Eigentümerin des beschädigten [Fahrzeugtyp] ist, wie sich der Unfall ereignet hat und ob dem Grunde nach eine teilweise oder vollständige Haftung der Beklagten besteht. Es bedarf deshalb zu diesen Fragen auch weder einer Beweisaufnahme noch einer informatorischen Anhörung der Parteien, worauf diese mit ihrer Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und damit Aufgabe des Grundsatzes der Mündlichkeit der Verhandlung ohnedies verzichtet haben.

Die geltend gemachten Nebenforderungen, nämlich Verzugszinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten, teilen das rechtliche Schicksal der unbegründeten Hauptforderung.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr.11, 711 ZPO.

Für die Festsetzung des Streitwerts hat das Gericht folgende Gründe gefunden:

Klageantrag Nr.1 (§§ 48 I, 43 I GKG) € 5.966,11
Klageantrag Nr.2 (§ 43 I GKG) € 0,00
Streitwert (§§ 39, 40 GKG) € 5.966,11

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