- | Die Entscheidung |
- | Leitsätze |
- | Tenor |
- | Gliederung der Gründe |
- | Entscheidungsgründe |
1. | Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen. |
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2. | Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.
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3. | Die Vereinbarkeit mit Art. 20a GG ist Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung staatlicher Eingriffe in Grundrechte. |
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4. | Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten. Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln. |
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5. | Der Gesetzgeber muss die erforderlichen Regelungen zur Größe der für bestimmte Zeiträume insgesamt zugelassenen Emissionsmengen selbst treffen. Eine schlichte Parlamentsbeteiligung durch Zustimmung des Bundestags zu Verordnungen der Bundesregierung kann ein Gesetzgebungsverfahren bei der Regelung zulässiger Emissionsmengen nicht ersetzen, weil hier gerade die besondere Öffentlichkeitsfunktion des Gesetzgebungsverfahrens Grund für die Notwendigkeit gesetzlicher Regelung ist. Zwar kann eine gesetzliche Fixierung in Rechtsbereichen, die ständig neuer Entwicklung und Erkenntnis unterworfen sind, dem Grundrechtsschutz auch abträglich sein. Der dort tragende Gedanke dynamischen Grundrechtsschutzes (grundlegend BVerfGE 49, 89 <137>) kann dem Gesetzeserfordernis hier aber nicht entgegengehalten werden. Die Herausforderung liegt nicht darin, zum Schutz der Grundrechte regulatorisch mit Entwicklung und Erkenntnis Schritt zu halten, sondern es geht vielmehr darum, weitere Entwicklungen zum Schutz der Grundrechte regulatorisch überhaupt erst zu ermöglichen. |
1. | Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 12) und 13) im Verfahren 1 BvR 2656/18 wird verworfen. |
2. | § 3 Absatz 1 Satz 2 und § 4 Absatz 1 Satz 3 Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt I Seite 2513) in Verbindung mit Anlage 2 sind mit den Grundrechten unvereinbar, soweit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen nach Maßgabe der Gründe genügende Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 fehlt. |
3. | Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. |
4. | Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2022 die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 nach Maßgabe der Gründe zu regeln. § 3 Absatz 1 Satz 2 und § 4 Absatz 1 Satz 3 Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt I Seite 2513) in Verbindung mit Anlage 2 bleiben anwendbar. |
5. | Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 sowie den Beschwerdeführenden zu 1) bis 11) in dem Verfahren 1 BvR 2656/18 die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten. In dem Verfahren 1 BvR 78/20 hat die Bundesrepublik Deutschland den Beschwerdeführenden ein Viertel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten. |
B. | Zulässigket
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C. | Begründetheit
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D. | Ergebnis
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E. | Abstimmungsergebnis |
Durch die gesetzlich normierten Klimaschutzziele und jährlich absinkende, noch zulässige Jahresemissionsmengen der einzelnen Sektoren werden die erforderlichen Treibhausgasminderungen vorhersehbar. Diese klare gesetzliche Regelung gewährleistet Planungssicherheit. Dabei wird auf Basis der Sektorziele des Klimaschutzplans 2050 auch die Verantwortlichkeit für die Einhaltung in den einzelnen Sektoren zugeordnet. Damit wird die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 gewährleistet, und die europäischen Anforderungen werden umgesetzt.
In einem solchen Rahmengesetz werden die Ziele und Prinzipien der Klimaschutzpolitik verankert – ähnlich dem Haushaltsgrundsätze-Gesetz für die Haushaltspolitik. Damit wird nicht unmittelbar CO2 eingespart, sondern die Klimapolitik insgesamt auf solide Grundlagen gestellt und verbindlich gemacht. Um die Klimaschutzziele tatsächlich zu erreichen, müssen in den Sektoren die Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, die zunächst mit dem Klimaschutzprogramm 2030 nach dem Klimaschutzplan 2050 von der Bundesregierung beschlossen wurden. Dies wird die Änderung verschiedener Fachgesetze erforderlich machen“ (BTDrucks 19/14337, S. 17). |
(1) | Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, durch Verbesserung der Durchführung des Rahmenübereinkommens einschließlich seines Zieles die weltweite Reaktion auf die Bedrohung durch Klimaänderungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und den Bemühungen zur Beseitigung der Armut zu verstärken, indem unter anderem
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(2) | Dieses Übereinkommen wird als Ausdruck der Gerechtigkeit und des Grundsatzes der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten durchgeführt. |
§ 3 Nationale Klimaschutzziele (1) Die Treibhausgasemissionen werden im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise gemindert. Bis zum Zieljahr 2030 gilt eine Minderungsquote von mindestens 55 Prozent. [...] § 4 Zulässige Jahresemissionsmengen, Verordnungsermächtigung (1) Zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele nach § 3 Absatz 1 werden jährliche Minderungsziele durch die Vorgabe von Jahresemissionsmengen für die folgenden Sektoren festgelegt: 1. Energiewirtschaft, 2. Industrie, 3. Verkehr, 4. Gebäude, 5. Landwirtschaft, 6. Abfallwirtschaft und Sonstiges. Die Emissionsquellen der einzelnen Sektoren und deren Abgrenzung ergeben sich aus Anlage 1. Die Jahresemissionsmengen für den Zeitraum bis zum Jahr 2030 richten sich nach Anlage 2. Im Sektor Energiewirtschaft sinken die Treibhausgasemissionen zwischen den angegebenen Jahresemissionsmengen möglichst stetig. Für Zeiträume ab dem Jahr 2031 werden die jährlichen Minderungsziele durch Rechtsverordnung gemäß Absatz 6 fortgeschrieben. Die Jahresemissionsmengen sind verbindlich, soweit dieses Gesetz auf sie Bezug nimmt. Subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen werden durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes nicht begründet. [...] (3) Über- oder unterschreiten die Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2021 in einem Sektor die jeweils zulässige Jahresemissionsmenge, so wird die Differenzmenge auf die verbleibenden Jahresemissionsmengen des Sektors bis zum nächsten in § 3 Absatz 1 genannten Zieljahr gleichmäßig angerechnet. Die Vorgaben der Europäischen Klimaschutzverordnung bleiben unberührt. [...] (5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Jahresemissionsmengen der Sektoren in Anlage 2 mit Wirkung zum Beginn des jeweils nächsten Kalenderjahres zu ändern. Diese Veränderungen müssen im Einklang mit der Erreichung der Klimaschutzziele dieses Gesetzes und mit den unionsrechtlichen Anforderungen stehen. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Deutschen Bundestages. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, gilt seine Zustimmung zu der unveränderten Rechtsverordnung als erteilt. (6) Im Jahr 2025 legt die Bundesregierung für weitere Zeiträume nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende Emissionsmengen durch Rechtsverordnung fest. Diese müssen im Einklang mit der Erreichung der Klimaschutzziele dieses Gesetzes und mit den unionsrechtlichen Anforderungen stehen. Wenn jährlich absinkende Emissionsmengen für Zeiträume nach dem Jahr 2030 festgelegt werden, bedarf die Rechtsverordnung der Zustimmung des Deutschen Bundestages. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von sechs Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, gilt seine Zustimmung zu der unveränderten Rechtsverordnung als erteilt. Anlage 1 (zu den §§ 4 und 5) Sektoren |
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Art. 5 Flexibilität durch Vorwegnahme, Übertragung auf nachfolgende Jahre und Übertragung an andere Mitgliedstaaten (1) Für die Jahre 2021 bis 2025 kann ein Mitgliedstaat eine Menge von bis zu 10 % seiner jährlichen Emissionszuweisung für das folgende Jahr vorwegnehmen. (2) Für die Jahre 2026 bis 2029 kann ein Mitgliedstaat eine Menge von bis zu 5 % seiner jährlichen Emissionszuweisung für das folgende Jahr vorwegnehmen. (3) Ein Mitgliedstaat, dessen Treibhausgasemissionen nach Berücksichtigung der Inanspruchnahme der Flexibilitätsmöglichkeiten des vorliegenden Artikels und des Artikels 6 in einem bestimmten Jahr unter seiner jährlichen Emissionszuweisung für dieses Jahr liegen, kann
(4) Ein Mitgliedstaat kann für die Jahre 2021 bis 2025 bis zu 5 % und für die Jahre 2026 bis 2030 bis zu 10 % seiner jährlichen Emissionszuweisung für ein bestimmtes Jahr an einen anderen Mitgliedstaat übertragen. Der Empfängermitgliedstaat kann diese Menge zwecks Einhaltung der Vorgaben gemäß Artikel 9 für das betreffende Jahr oder für spätere Jahre des Zeitraums bis 2030 verwenden. (5) Ein Mitgliedstaat, dessen geprüfte Treibhausgasemissionen ‒ unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme der Flexibilitätsmöglichkeiten gemäß den Absätzen 1 bis 4 dieses Artikels und gemäß Artikel 6 ‒ in einem bestimmten Jahr unter seiner jährlichen Emissionszuweisung für dieses Jahr liegen, kann den überschüssigen Teil seiner jährlichen Emissionszuweisung an andere Mitgliedstaaten übertragen. Der Empfängermitgliedstaat kann diese Menge zwecks Einhaltung der Vorgaben gemäß Artikel 9 für das betreffende Jahr oder für spätere Jahre des Zeitraums bis 2030 nutzen. (6) Die Mitgliedstaaten können die durch die Übertragung von jährlichen Emissionszuweisungen gemäß den Absätzen 4 und 5 erzielten Einnahmen für die Bekämpfung des Klimawandels in der Union oder in Drittländern verwenden. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über Maßnahmen, die nach diesem Absatz ergriffen werden. (7) Jede Übertragung von jährlichen Emissionszuweisungen gemäß den Absätzen 4 und 5 kann das Ergebnis eines Projekts oder Programms zur Minderung von Treibhausgasemissionen sein, das im verkaufenden Mitgliedstaat durchgeführt und vom Empfängermitgliedstaat vergütet wird, sofern keine Doppelzählungen erfolgen und die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist. (8) Die Mitgliedstaaten können Projektgutschriften, die gemäß Artikel 24a Absatz 1 der Richtlinie 2003/87/EG vergeben wurden, unbegrenzt zwecks Einhaltung der Vorgaben gemäß Artikel 9 dieser Verordnung nutzen, sofern keine Doppelzählungen erfolgen. |
Zweck dieses Gesetzes ist es, zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten. Die ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen werden berücksichtigt. Grundlage bildet die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris aufgrund der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist, um die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels so gering wie möglich zu halten, sowie das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen am 23. September 2019 in New York, Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen. |