Das Verkehrslexikon

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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 24.03.2021 - 1 BvR 2656/18, - 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 - Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität

BVerfG v. 24.03.2021: Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.




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Inhalt:

-   Die Entscheidung
-   Leitsätze
-   Tenor
-   Gliederung der Gründe
-   Entscheidungsgründe



Die Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 24.03.2021 - 1 BvR 2656/18, - 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20) hat entschieden:

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Leitsätze

  1.  Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.

  2.  Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität.

  a.  Art. 20a GG genießt keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen. Dabei nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu.

  b.  Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, schließt die durch Art. 20a GG dem Gesetzgeber auch zugunsten künftiger Generationen aufgegebene besondere Sorgfaltspflicht ein, bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.

  c.  Als Klimaschutzgebot hat Art. 20a GG eine internationale Dimension. Der nationalen Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erderwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt. Das Klimaschutzgebot verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung auf Klimaschutz hinzuwirken. Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen.

  d.  In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel des Art. 20a GG aktuell verfassungsrechtlich zulässig dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist.

  e.  Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die künftigen Generationen binden soll.


  3.  Die Vereinbarkeit mit Art. 20a GG ist Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung staatlicher Eingriffe in Grundrechte.

  4.  Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.

Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln.

  5.  Der Gesetzgeber muss die erforderlichen Regelungen zur Größe der für bestimmte Zeiträume insgesamt zugelassenen Emissionsmengen selbst treffen. Eine schlichte Parlamentsbeteiligung durch Zustimmung des Bundestags zu Verordnungen der Bundesregierung kann ein Gesetzgebungsverfahren bei der Regelung zulässiger Emissionsmengen nicht ersetzen, weil hier gerade die besondere Öffentlichkeitsfunktion des Gesetzgebungsverfahrens Grund für die Notwendigkeit gesetzlicher Regelung ist. Zwar kann eine gesetzliche Fixierung in Rechtsbereichen, die ständig neuer Entwicklung und Erkenntnis unterworfen sind, dem Grundrechtsschutz auch abträglich sein. Der dort tragende Gedanke dynamischen Grundrechtsschutzes (grundlegend BVerfGE 49, 89 <137>) kann dem Gesetzeserfordernis hier aber nicht entgegengehalten werden. Die Herausforderung liegt nicht darin, zum Schutz der Grundrechte regulatorisch mit Entwicklung und Erkenntnis Schritt zu halten, sondern es geht vielmehr darum, weitere Entwicklungen zum Schutz der Grundrechte regulatorisch überhaupt erst zu ermöglichen.

Siehe auch
Elektrofahrzeuge - Elektromobilität
und
Klima und Verkehr

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Tenor:

  1.  Die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 12) und 13) im Verfahren 1 BvR 2656/18 wird verworfen.

  2.  § 3 Absatz 1 Satz 2 und § 4 Absatz 1 Satz 3 Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt I Seite 2513) in Verbindung mit Anlage 2 sind mit den Grundrechten unvereinbar, soweit eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen nach Maßgabe der Gründe genügende Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 fehlt.

  3.  Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

  4.  Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2022 die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 nach Maßgabe der Gründe zu regeln. § 3 Absatz 1 Satz 2 und § 4 Absatz 1 Satz 3 Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 (Bundesgesetzblatt I Seite 2513) in Verbindung mit Anlage 2 bleiben anwendbar.

  5.  Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 sowie den Beschwerdeführenden zu 1) bis 11) in dem Verfahren 1 BvR 2656/18 die Hälfte ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten. In dem Verfahren 1 BvR 78/20 hat die Bundesrepublik Deutschland den Beschwerdeführenden ein Viertel ihrer notwendigen Auslagen zu erstatten.

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Gliederung

A. Sachbericht
I. Rechtliche Grundlagen
1. Klimaschutzgesetz
a) Gesetzeszweck und Klimaschutzziele
b) Rahmencharakter des Gesetzes
2. Pariser Übereinkommen
3. Recht der Europäischen Union
4. Angegriffene Vorschriften
II. Tatsächliche Grundlagen des Klimawandels
1. Berichte des IPCC
2. Treibhauseffekt und Erderwärmung
3. Auswirkungen auf Umwelt und Klima
4. Folgen von Erderwärmung und Klimawandel
5. Emissionsquellen
III. Tatsächliche Grundlagen des Klimaschutzes
1. Begrenzung der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre
2. Emissionsminderung, negative Emissionen, Anpassung
3. Reduktionsmaß und CO2-Budget
4. Transformationsaufwand
IV. Die Verfassungsbeschwerden
1. Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2656/18
a) Vorbringen der Beschwerdeführenden
b) Stellungnahmen
aa) Stellungnahme des Deutschen Bundestags
bb) Stellungnahme der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
cc) Stellungnahme der Bundesregierung
2. Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 288/20
a) Vorbringen der Beschwerdeführenden
b) Stellungnahmen
aa) Stellungnahme des Deutschen Bundestags
cc) Stellungnahme der Bundesregierung
3. Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 96/20
a) Vorbringen der Beschwerdeführenden
b) Stellungnahmen
aa) Stellungnahme des Deutschen Bundestags
cc) Stellungnahme der Bundesregierung
4. Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 78/20
a) Vorbringen der Beschwerdeführenden
b) Stellungnahmen
aa) Stellungnahme des Deutschen Bundestags
cc) Stellungnahme der Bundesregierung
B. Zulässigket
I. Beschwerdegegenstand
1. Rügen
2. Unzulässigkeit der Unterlassensrüge nach Gesetzerlass
II. Beschwerdebefugnis
1. Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG
a) Möglichkeit der Grundrechtsverletzung
b) Gegenwärtige, eigene und unmittelbare Betroffenheit
2. Art. 20a GG
3. "Ökologisches Existenzminimum" und "Recht auf menschenwürdige Zukunft"
4. Intertemporale Freiheitssicherung
a) Möglichkeiten der Grundrechtsverletzung
aa) Grundrechtsvorwirkung
bb) Grundrechtsgefährdende Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes
cc) Substantiierung
b) Gegenwärtige, eigene und unmittelbare Betroffenheit
aa) Gegenwärtige Betroffenheit
bb) Eigene Betroffenheit
cc) Unmittelbare Betroffenheit
5. Grundrecht auf klima- und umweltschonende Lebensweise
6. Altruistische Beschwerdebefugnis für Umweltverbände
III. Rechtswegerschöpfung
IV. Subsidiarität im weiteren Sinne
V. Keine vollständige Determinierung durch Unionsrecht
C. Begründetheit
I. Schutzpflichten gegenüber in Deutschland lebenden Beschwerdeführenden
1. Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
a) Schutzpflicht
aa) Allgemeine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG
bb) Klimawandelbezogene Schutzpflicht
b) Verletzung
aa) Voraussetzungen
bb) Subsumtion
(1) Überhaupt keine oder offensichtlich ungeeignete Schutzvorkehrungen
(2) Völlig unzulängliche Schutzvorkehrungen
(3) Erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleibende Schutzvorkehrungen
(a) Paris-Ziel (§ 1 Satz 3 KSG)
(b) Reduktionsvorgaben (§ 3 Abs. 1 Satz /, § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG)
(c) Konkrete Minderungsmaßnahmen
2. Schutzpflicht aus Art. 14 Abs. 1 GG
a) Schutzpflicht
b) Verletzung
II. Schutzpflichten gegenüber in Bangladesch und in Nepal lebenden Beschwerdeführenden
1. Schutzpflicht
2. Modifikationsbedürftigkeit einer Schutzpflicht
3. Verletzung
III. Intertemporale Freiheitssicherung
1. Rechtfertigungsbedürftige Grundrechtsvorwirkung
a) Grundrechtsvorwirkung
b) Rechtfertigungsanforderungen
aa) Vereinbarkeit mit objektivem Verfassungsrecht
bb) Verhältnismäßigkeit
2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
a) Vereinbarkeit mit Art. 20a GG
aa) Maßgaben des Art. 20a GG
(1) Klimaschutzgebot des Art. 20a GG
(2) Internationale Dimension des Art. 20a GG
(a) Notwendigkeit international ausgerichteten Handelns
(b) Einwand fehlender Kausalität
(3) Justiziabilität
(4) Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Temperaturmaßgabe
bb) Vereinbarkeit von § 3 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG mit Art. 20a GG
(1) Operationalisierung des Maßstabs
(a) Budgetansatz
(b) Quantifizierung des Restbudget
(c) Ungewissheiten
(aa) Globales Budget
(bb) Nationales Budget
(cc) Beidseitige Ungewissheit
(dd) Beachtlichkeit trotz Ungewissheit
(2) Subsumtion
(a) Überschreitung des vom Sachverständigenrat ermittelten Restbudgets
(b) Keine Verfassungswidrigkeit der zugelassenen Emissionsmengen
cc) Kein Verfassungsverstoß wegen unzulänglicher Umsetzung von § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG
dd) Keine weiteren Rationalitätsmaßgaben an die Gesetzgebung aus Art. 20a GG
ee) Bemühensverpflichtung bezüglich des 1,5 °C-Ziels
b) Verhältnismäßigkeit
aa) Notwendigkeit grundrechtsschonender Vorkehrungen
(1) Verpflichtung zur Eindämmung der Freiheitsgefährdung
2)) Notwendigkeit eines entwicklungsfördernden Planungshorizonts
(3) Anforderungen an die Ausgestaltung des Reduktionspfads
bb) Unzureichende Regelung durch § 4 Abs. 6 KSG
(1) Unzureichende Ausgestaltung des Reduktionspfads in § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG
(2)) Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG
(a) Maßstab
(b)) Subsumtion
(aa) Wesentlichkeit
(bb) Unzureichende gesetzliche Regelung
(cc)) Keine Kompensation durch schlichte Bundestagsbeteiligung
D. Ergebnis
I. Rechtsfolge
II. Kosten
E. Abstimmungsergebnis



Gründe


A.


Die vier Verfassungsbeschwerden richten sich gegen einzelne Vorschriften des Bundes-Klimaschutzgesetzes (im Folgenden: Klimaschutzgesetz ) vom 12. Dezember 2019 (BGBl I S. 2513) und gegen das Unterlassen weiterer Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Mit ihren Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführenden vor allem geltend, der Staat habe keine ausreichenden Regelungen zur alsbaldigen Reduktion von Treibhausgasen, vor allem von Kohlendioxid (CO2), unternommen, die aber erforderlich seien, um die Erwärmung der Erde bei 1,5 °C oder wenigstens bei deutlich unter 2 °C anzuhalten. Sie wenden sich gegen konkrete Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes. Mit der im Klimaschutzgesetz geregelten Reduktion von CO2-Emissionen könne das der Temperaturschwelle von 1,5 °C entsprechende „CO2-Restbudget“ nicht eingehalten werden. Die Beschwerdeführenden stützen ihre Verfassungsbeschwerden vor allem auf grundrechtliche Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und aus Art. 14 Abs. 1 GG, auf ein Grundrecht auf menschenwürdige Zukunft und ein Grundrecht auf das ökologische Existenzminimum, welche sie aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20a und aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ableiten, sowie hinsichtlich künftiger Emissionsminderungspflichten für Zeiträume nach 2030 allgemein auf die Freiheitsrechte.

I.


1. Das Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 reagiert auf die vom Gesetzgeber gesehene Notwendigkeit verstärkter Klimaschutzanstrengungen (vgl. BTDrucks 19/14337, S. 17).

a) Zweck des Gesetzes ist es, zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten (§ 1 Satz 1 KSG). Grundlagen sind nach § 1 Satz 3 KSG zum einen die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris (vgl. Gesetz zu dem Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015, vom 28. September 2016, BGBl II S. 1082, UNTS No. 54113, im Folgenden: Pariser Übereinkommen ), wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist, um die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels so gering wie möglich zu halten, sowie zum anderen das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland, Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen.

Die konkreten Klimaschutzziele des Gesetzes formuliert der hier angegriffene § 3 Abs. 1 KSG: Danach werden die Treibhausgasemissionen schrittweise gemindert; bis zum Zieljahr 2030 sind sie im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 55 % zu mindern. Diese Minderungsquote gilt für alle Treibhausgasemissionen (vgl. BTDrucks 19/14337, S. 19); § 3 Abs. 1 KSG unterscheidet nicht zwischen Emissionen in vom Emissionshandel erfassten Bereichen und in dem sogenannten Lastenteilungsbereich, der durch die Verordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 (vgl. ABl L 156/26, im Folgenden: Klimaschutzverordnung) geregelt ist. Im ebenfalls angegriffenen § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 sind die der Minderungsquote für das Zieljahr 2030 entsprechenden zulässigen Jahresemissionsmengen in den verschiedenen Sektoren geregelt. Daraus ergibt sich bis 2030 ein konkreter Emissionsreduktionspfad. Nicht enthalten sind hierin Treibhausgasemissionen aus Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft und die Deutschland zuzurechnenden Emissionen des internationalen Luft- und Seeverkehrs (vgl. BTDrucks 19/14337, S. 26 f.).

Mit § 3 Abs. 1 KSG hat der Bundesgesetzgeber die zuvor schon in Plänen und Programmen für die Zeit ab 2020 festgehaltenen Klimaschutzziele gesetzlich normiert. Für die Zeit bis 2020 hatte sich Deutschland das Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Nach der Vorstellung der Bundesregierung war dies an dem Langfristziel ausgerichtet, eine globale Erwärmung von mehr als 2 °C zu verhindern (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit , Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, Kabinettsbeschluss vom 3. Dezember 2014, S. 7 ff.). Grundlage der Klimaschutzziele für die Zeit ab 2020 waren bereits vor Erlass des Klimaschutzgesetzes der Klimaschutzplan 2050 (BMU, Klimaschutzplan 2050, Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung, 2016) und das Klimaschutzprogramm 2030 (Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050, 8. Oktober 2019). Der Klimaschutzplan 2050 enthält das klimapolitische Langfristziel, bis 2050 die Emissionen um 80 bis 95 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Zugleich enthält er einen Emissionsminderungspfad, auf dem dieses Ziel erreicht werden soll. So sieht er – wie jetzt auch in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG geregelt – für das Jahr 2030 eine Treibhausgasreduzierung um mindestens 55 % gegenüber 1990 vor. Im Jahr 2040 sollen die Treibhausgasemissionen um mindestens 70 % im Vergleich zu 1990 reduziert sein – eine entsprechende Regelung für das Zieljahr 2040 findet sich im Klimaschutzgesetz nicht. Zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 hat die Bundesregierung 2019 das Klimaschutzprogramm 2030 beschlossen. Das Langfristziel für das Jahr 2050 beschreibt das Klimaschutzprogramm 2030 im Unterschied zum Klimaschutzplan 2050 nicht mehr als „Treibhausgasreduktion von 80 bis 95 % im Vergleich zu 1990“, sondern nimmt auf das Klimaziel der Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 Bezug.

b) Das Klimaschutzgesetz hat den Charakter eines Rahmengesetzes und soll transparent machen, welche Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion in den verschiedenen Sektoren zu erbringen sind. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es:

   Durch die gesetzlich normierten Klimaschutzziele und jährlich absinkende, noch zulässige Jahresemissionsmengen der einzelnen Sektoren werden die erforderlichen Treibhausgasminderungen vorhersehbar. Diese klare gesetzliche Regelung gewährleistet Planungssicherheit. Dabei wird auf Basis der Sektorziele des Klimaschutzplans 2050 auch die Verantwortlichkeit für die Einhaltung in den einzelnen Sektoren zugeordnet. Damit wird die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 gewährleistet, und die europäischen Anforderungen werden umgesetzt. In einem solchen Rahmengesetz werden die Ziele und Prinzipien der Klimaschutzpolitik verankert – ähnlich dem Haushaltsgrundsätze-Gesetz für die Haushaltspolitik. Damit wird nicht unmittelbar CO2 eingespart, sondern die Klimapolitik insgesamt auf solide Grundlagen gestellt und verbindlich gemacht. Um die Klimaschutzziele tatsächlich zu erreichen, müssen in den Sektoren die Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden, die zunächst mit dem Klimaschutzprogramm 2030 nach dem Klimaschutzplan 2050 von der Bundesregierung beschlossen wurden. Dies wird die Änderung verschiedener Fachgesetze erforderlich machen“ (BTDrucks 19/14337, S. 17).

2. Art. 2 PA lautet in deutscher Übersetzung:
  (1)  Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, durch Verbesserung der Durchführung des Rahmenübereinkommens einschließlich seines Zieles die weltweite Reaktion auf die Bedrohung durch Klimaänderungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und den Bemühungen zur Beseitigung der Armut zu verstärken, indem unter anderem

  a)  der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde;

  b)  die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen erhöht und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie eine hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarme Entwicklung so gefördert wird, dass die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird;

  c)  die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung.

  (2)  Dieses Übereinkommen wird als Ausdruck der Gerechtigkeit und des Grundsatzes der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten durchgeführt.

Das Pariser Übereinkommen bestimmt keine Treibhausgasminderungsquoten oder Emissionshöchstmengen, die zur Zielerreichung eingehalten werden müssten. Vielmehr ist es den Vertragsparteien überlassen, die Maßnahmen zur Zielerreichung festzulegen. Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 PA müssen die Vertragsstaaten sogenannte „national festgelegte Beiträge“ erarbeiten und übermitteln, die sie zu erreichen beabsichtigen. Sie müssen gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 PA innerstaatliche Minderungsmaßnahmen ergreifen, um diese Beiträge zu verwirklichen. Alle fünf Jahre müssen neue national festgelegte Beiträge eingereicht werden (Art. 4 Abs. 9 PA). Nach Art. 3 PA sind zur Verwirklichung des in Art. 2 PA genannten Ziels von allen Vertragsparteien ehrgeizige Anstrengungen zu unternehmen, die sich im Laufe der Zeit steigern (Art. 3 Satz 2, Art. 4 Abs. 3 PA). Die Europäische Union hat sich insofern verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 40 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren (Durchführungsbeschluss 2020/2126 der Kommission vom 16. Dezember 2020 zur Festlegung der jährlichen Emissionszuweisungen an die Mitgliedstaaten für den Zeitraum 2021 bis 2030 gemäß der Verordnung 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl L 426/58).

Die Vereinten Nationen haben die eingereichten Beiträge zum Pariser Übereinkommen ausgewertet. Das Sekretariat des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen gelangte in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass die hiernach bis 2030 weltweit zu erwartenden Treibhausgasemissionen unvereinbar mit Reduktionspfaden seien, die zu einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C oder auch 2 °C führten (United Nations Framework Convention on Climate Change , Conference of the Parties, Aggregate effects of the intended nationally determined contributions: an update, Doc FCCC/CP/2016/2 vom 2. Mai 2016, S. 9 ff., Abb. 2 auf S. 12). Vielmehr stimmten die zu erwartenden Emissionen mit Pfaden überein, die bis zum Jahr 2100 einen Temperaturanstieg von 3 °C erwarten ließen (IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 22, D1.1).

3. Das für den Zeitraum von 2021 bis 2030 festgelegte Klimaschutzziel der Europäischen Union, Treibhausgasemissionen europaweit um 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren, soll durch eine Minderung der dem Emissionshandel unterfallenden Treibhausgase um 43 % und der nicht dem Emissionshandel unterfallenden Treibhausgase um 30 % gegenüber 2005 erreicht werden (vgl. Europäischer Rat, EUCO 169/14, Tagung des Europäischen Rates <23./24. Oktober 2014> ‒ Schlussfolgerungen, 2014, S. 1). Das Klimaschutzziel der Europäischen Union wurde jüngst von 40 % auf 55 % angehoben (vgl. Europäischer Rat, EUCO 22/20, Tagung des Europäischen Rates <10./11. Dezember 2020> ‒ Schlussfolgerungen, 2020, S. 5).

Der Emissionshandelsbereich erfasst Treibhausgasemissionen aus Großfeuerungsanlagen, energieintensiven Industriebetrieben und seit 2012 dem Flugverkehr. Die aktuelle Emissionshandelsrichtlinie (Richtlinie 2018/410 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2018 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Unterstützung kosteneffizienter Emissionsreduktionen und zur Förderung von Investitionen mit geringem CO2-Ausstoß und des Beschlusses 2015/1814, ABl L 76/3) sieht für den Emissionshandel vor, dass die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Zertifikate ab 2021 jährlich linear gesenkt wird, um so die angestrebte Emissionsreduzierung zu erreichen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 2 der Richtlinie 2018/410). Hier trifft den einzelnen Mitgliedstaat keine konkrete Minderungsquote.

Der Lastenteilungsbereich erfasst demgegenüber einen Großteil der Emissionen, die nicht in den Emissionshandelsbereich fallen. In diesem Bereich trifft jeden Mitgliedstaat im Ausgangspunkt eine prozentual bestimmte Reduktionsquote. Geregelt war der Lastenteilungsbereich für die Zeit von 2013 bis 2020 in der sogenannten Lastenteilungsentscheidung (Entscheidung Nr. 406/2009/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen mit Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020, ABl L 140/136). Für die Zeit von 2021 bis 2030 sind die Emissionsminderungen im Lastenteilungsbereich in der Klimaschutzverordnung geregelt. Für Deutschland ergibt sich nach Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Anhang I der Klimaschutzverordnung die Verpflichtung, bis 2030 seine in den Lastenteilungsbereich fallenden Treibhausgasemissionen um 38 % gegenüber 2005 zu reduzieren. Dabei beschränkt sich die Verordnung nicht auf die Zielvorgabe, sondern regelt einen konkreten Gesamtminderungspfad. Dieser legt für jedes Jahr die den Mitgliedstaat treffende Mindestreduktionspflicht in Gestalt einer einheitlichen Emissionsobergrenze für alle erfassten Emissionen fest. Den Mitgliedstaaten steht es frei, ehrgeizigere Ziele zu verfolgen. Die Verordnung sieht zudem in Art. 5 verschiedene Flexibilitätsmechanismen vor. So können die Mitgliedstaaten nach Art. 5 Abs. 1 bis 3 Über- und Untererfüllungen in ihren eigenen Budgets ausgleichen. Daneben regelt Art. 5 Abs. 4 und 5 Möglichkeiten des Ausgleichs zwischen den Mitgliedstaaten.

4. Jeweils durch mindestens eine der vier Verfassungsbeschwerden angegriffen sind § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 1 und 2, § 4 Abs. 3 Satz 2 KSG in Verbindung mit Art. 5 der Klimaschutzverordnung, § 4 Abs. 5 und 6, § 8 und § 9 KSG. Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:

   § 3 Nationale Klimaschutzziele

(1) Die Treibhausgasemissionen werden im Vergleich zum Jahr 1990 schrittweise gemindert. Bis zum Zieljahr 2030 gilt eine Minderungsquote von mindestens 55 Prozent.

[...]

§ 4 Zulässige Jahresemissionsmengen, Verordnungsermächtigung

(1) Zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele nach § 3 Absatz 1 werden jährliche Minderungsziele durch die Vorgabe von Jahresemissionsmengen für die folgenden Sektoren festgelegt:

1. Energiewirtschaft,
2. Industrie,
3. Verkehr,
4. Gebäude,
5. Landwirtschaft,
6. Abfallwirtschaft und Sonstiges.

Die Emissionsquellen der einzelnen Sektoren und deren Abgrenzung ergeben sich aus Anlage 1. Die Jahresemissionsmengen für den Zeitraum bis zum Jahr 2030 richten sich nach Anlage 2. Im Sektor Energiewirtschaft sinken die Treibhausgasemissionen zwischen den angegebenen Jahresemissionsmengen möglichst stetig. Für Zeiträume ab dem Jahr 2031 werden die jährlichen Minderungsziele durch Rechtsverordnung gemäß Absatz 6 fortgeschrieben. Die Jahresemissionsmengen sind verbindlich, soweit dieses Gesetz auf sie Bezug nimmt. Subjektive Rechte und klagbare Rechtspositionen werden durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes nicht begründet.

[...]

(3) Über- oder unterschreiten die Treibhausgasemissionen ab dem Jahr 2021 in einem Sektor die jeweils zulässige Jahresemissionsmenge, so wird die Differenzmenge auf die verbleibenden Jahresemissionsmengen des Sektors bis zum nächsten in § 3 Absatz 1 genannten Zieljahr gleichmäßig angerechnet. Die Vorgaben der Europäischen Klimaschutzverordnung bleiben unberührt.

[...]

(5) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die Jahresemissionsmengen der Sektoren in Anlage 2 mit Wirkung zum Beginn des jeweils nächsten Kalenderjahres zu ändern. Diese Veränderungen müssen im Einklang mit der Erreichung der Klimaschutzziele dieses Gesetzes und mit den unionsrechtlichen Anforderungen stehen. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Deutschen Bundestages. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von drei Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, gilt seine Zustimmung zu der unveränderten Rechtsverordnung als erteilt.

(6) Im Jahr 2025 legt die Bundesregierung für weitere Zeiträume nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende Emissionsmengen durch Rechtsverordnung fest. Diese müssen im Einklang mit der Erreichung der Klimaschutzziele dieses Gesetzes und mit den unionsrechtlichen Anforderungen stehen. Wenn jährlich absinkende Emissionsmengen für Zeiträume nach dem Jahr 2030 festgelegt werden, bedarf die Rechtsverordnung der Zustimmung des Deutschen Bundestages. Hat sich der Deutsche Bundestag nach Ablauf von sechs Sitzungswochen seit Eingang der Rechtsverordnung nicht mit ihr befasst, gilt seine Zustimmung zu der unveränderten Rechtsverordnung als erteilt.

Anlage 1 (zu den §§ 4 und 5) Sektoren

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Anlage 2 (zu § 4) Zulässige Jahresemissionsmengen

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§ 8 Sofortprogramm bei Überschreitung der Jahresemissionsmengen

(1) Weisen die Emissionsdaten nach § 5 Absatz 1 und 2 eine Überschreitung der zulässigen Jahresemissionsmenge für einen Sektor in einem Berichtsjahr aus, so legt das nach § 4 Absatz 4 zuständige Bundesministerium der Bundesregierung innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage der Bewertung der Emissionsdaten durch den Expertenrat für Klimafragen nach § 11 Absatz 1 ein Sofortprogramm für den jeweiligen Sektor vor, das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt.

(2) Die Bundesregierung berät über die zu ergreifenden Maßnahmen im betroffenen Sektor oder in anderen Sektoren oder über sektor-übergreifende Maßnahmen und beschließt diese schnellstmöglich. Dabei kann sie die bestehenden Spielräume der Europäischen Klimaschutzverordnung berücksichtigen und die Jahresemissionsmengen der Sektoren gemäß § 4 Absatz 5 ändern. Vor Erstellung der Beschlussvorlage über die Maßnahmen sind dem Expertenrat für Klimafragen die den Maßnahmen zugrunde gelegten Annahmen zur Treibhausgasreduktion zur Prüfung zu übermitteln. Das Prüfungsergebnis wird der Beschlussvorlage beigefügt.

(3) Die Bundesregierung unterrichtet den Deutschen Bundestag über die beschlossenen Maßnahmen.

(4) Für den Sektor Energiewirtschaft sind die Absätze 1 bis 3 beginnend mit dem Berichtsjahr 2023 im Turnus von drei Jahren entsprechend anzuwenden.

§ 9 Klimaschutzprogramme

(1) Die Bundesregierung beschließt mindestens nach jeder Fortschreibung des Klimaschutzplans ein Klimaschutzprogramm; darüber hinaus wird bei Zielverfehlungen eine Aktualisierung des bestehenden Klimaschutzprogramms um Maßnahmen nach § 8 Absatz 2 vorgenommen. In jedem Klimaschutzprogramm legt die Bundesregierung unter Berücksichtigung des jeweils aktuellen Klimaschutz-Projektionsberichts nach § 10 Absatz 2 fest, welche Maßnahmen sie zur Erreichung der nationalen Klimaschutzziele in den einzelnen Sektoren ergreifen wird. Maßgeblich für die Maßnahmen nach Satz 2 ist die Einhaltung der nach § 4 in Verbindung mit Anlage 2 festgelegten zulässigen Jahresemissionsmengen. Zudem legt die Bundesregierung fest, welche Maßnahmen sie zum Erhalt der Netto-Senke bei Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft ergreifen wird.

(2) Das Klimaschutzprogramm wird spätestens im Kalenderjahr nach der Fortschreibung des Klimaschutzplans beschlossen. Die nach § 4 Absatz 4 für die Sektoren zuständigen Bundesministerien schlagen innerhalb von sechs Monaten nach Fortschreibung des Klimaschutzplans Maßnahmen vor, die geeignet sind, die in den jeweiligen Sektoren erforderlichen zusätzlichen Treibhausgasminderungen zu erzielen. Die Maßnahmenvorschläge enthalten neben wissenschaftlichen Abschätzungen zu den voraussichtlichen Treibhausgasminderungswirkungen auch wissenschaftliche Abschätzungen zu möglichen ökonomischen, sozialen und weiteren ökologischen Folgen. Diese Abschätzungen schließen soweit möglich auch Auswirkungen auf die Effizienz des Einsatzes von natürlichen Ressourcen ein. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ermittelt in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die voraussichtliche Treibhausgasgesamtminderungswirkung der vorgeschlagenen Maßnahmen.

(3) Für jedes Klimaschutzprogramm bezieht die Bundesregierung in einem öffentlichen Konsultationsverfahren Länder, Kommunen, Wirtschaftsverbände und zivilgesellschaftliche Verbände sowie die Wissenschaftsplattform Klimaschutz und wissenschaftliche Begleitgremien der Bundesregierung ein.

Angegriffen ist auch § 4 Abs. 3 Satz 2 KSG in Verbindung mit Art. 5 der Klimaschutzverordnung VO (EU) 2018/842. Deren Art. 5 hat folgenden Wortlaut:

   Art. 5 Flexibilität durch Vorwegnahme, Übertragung auf nachfolgende Jahre und Übertragung an andere Mitgliedstaaten

(1) Für die Jahre 2021 bis 2025 kann ein Mitgliedstaat eine Menge von bis zu 10 % seiner jährlichen Emissionszuweisung für das folgende Jahr vorwegnehmen.

(2) Für die Jahre 2026 bis 2029 kann ein Mitgliedstaat eine Menge von bis zu 5 % seiner jährlichen Emissionszuweisung für das folgende Jahr vorwegnehmen.

(3) Ein Mitgliedstaat, dessen Treibhausgasemissionen nach Berücksichtigung der Inanspruchnahme der Flexibilitätsmöglichkeiten des vorliegenden Artikels und des Artikels 6 in einem bestimmten Jahr unter seiner jährlichen Emissionszuweisung für dieses Jahr liegen, kann
  a)  für das Jahr 2021 den überschüssigen Teil seiner jährlichen Emissionszuweisung auf nachfolgende Jahre des Zeitraums bis 2030 übertragen und

  b)  für die Jahre 2022 bis 2029 den überschüssigen Teil seiner jährlichen Emissionszuweisung bis zu einem Volumen von 30 % seiner jährlichen Emissionszuweisungen bis zu dem jeweiligen Jahr auf nachfolgende Jahre des Zeitraums bis 2030 übertragen.

(4) Ein Mitgliedstaat kann für die Jahre 2021 bis 2025 bis zu 5 % und für die Jahre 2026 bis 2030 bis zu 10 % seiner jährlichen Emissionszuweisung für ein bestimmtes Jahr an einen anderen Mitgliedstaat übertragen. Der Empfängermitgliedstaat kann diese Menge zwecks Einhaltung der Vorgaben gemäß Artikel 9 für das betreffende Jahr oder für spätere Jahre des Zeitraums bis 2030 verwenden.

(5) Ein Mitgliedstaat, dessen geprüfte Treibhausgasemissionen ‒ unter Berücksichtigung der Inanspruchnahme der Flexibilitätsmöglichkeiten gemäß den Absätzen 1 bis 4 dieses Artikels und gemäß Artikel 6 ‒ in einem bestimmten Jahr unter seiner jährlichen Emissionszuweisung für dieses Jahr liegen, kann den überschüssigen Teil seiner jährlichen Emissionszuweisung an andere Mitgliedstaaten übertragen. Der Empfängermitgliedstaat kann diese Menge zwecks Einhaltung der Vorgaben gemäß Artikel 9 für das betreffende Jahr oder für spätere Jahre des Zeitraums bis 2030 nutzen.

(6) Die Mitgliedstaaten können die durch die Übertragung von jährlichen Emissionszuweisungen gemäß den Absätzen 4 und 5 erzielten Einnahmen für die Bekämpfung des Klimawandels in der Union oder in Drittländern verwenden. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über Maßnahmen, die nach diesem Absatz ergriffen werden.

(7) Jede Übertragung von jährlichen Emissionszuweisungen gemäß den Absätzen 4 und 5 kann das Ergebnis eines Projekts oder Programms zur Minderung von Treibhausgasemissionen sein, das im verkaufenden Mitgliedstaat durchgeführt und vom Empfängermitgliedstaat vergütet wird, sofern keine Doppelzählungen erfolgen und die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist.

(8) Die Mitgliedstaaten können Projektgutschriften, die gemäß Artikel 24a Absatz 1 der Richtlinie 2003/87/EG vergeben wurden, unbegrenzt zwecks Einhaltung der Vorgaben gemäß Artikel 9 dieser Verordnung nutzen, sofern keine Doppelzählungen erfolgen.




II.

1. Der tatsächliche Hintergrund des anthropogenen Klimawandels, seine Folgen und die Risiken werden in den Sachstandsberichten und Sonderberichten des „Weltklimarats“ (Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen ‒ Intergovernmental Panel on Climate Change ) beschrieben. Diese gelten als zuverlässige Zusammenfassungen des aktuellen Kenntnisstands zum Klimawandel und werden als solche etwa vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, vom Umweltbundesamt (UBA) oder vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (im Folgenden: Sachverständigenrat ) wie auch von der Europäischen Union und auf internationaler Ebene herangezogen. Der IPCC ist ein zwischenstaatlicher Ausschuss, der von dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme ) und der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization ) im Jahr 1988 ins Leben gerufen wurde (Memorandum of Understanding between the UNEP and the WMO on the IPCC vom 8. Mai 1989) und von der Generalversammlung der Vereinten Nationen bestätigt wurde (UN General Assembly Resolution 43/53 vom 6. Dezember 1988, Protection of global climate for present and future generations of mankind, E 5, in: General Assembly, 43rd session, Doc A 43/49).

Aufgabe des IPCC ist es, in einer umfassenden und objektiven Weise den Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Klimawandel darzustellen und damit eine Grundlage für wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu bieten. Dafür trägt er die Ergebnisse der aktuell weltweit veröffentlichten naturwissenschaftlichen, technischen und sozioökonomischen Literatur zusammen. Der IPCC forscht nicht selbst, sondern fasst die Aussagen dieser Veröffentlichungen in Sachstandsberichten und Sonderberichten zusammen und bewertet sie aus wissenschaftlicher Sicht. Die Autoren müssen sich auf die jeweilige Bewertung des Sachstandes unter Angabe von Vertrauensniveaus einigen und konträre Ansichten, Wissenslücken und Unsicherheiten klar darstellen (näher IPCC, Guidance Note for Lead Authors of the IPCC Fifth Assessment Report on Consistent Treatment of Uncertainties, 2010; siehe auch IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 8 Fn. 3). Die Ergebnisse werden erneut von unabhängigen Expertinnen und Experten begutachtet; anschließend wird die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger in einer Plenarsitzung von den Mitgliedsregierungen verabschiedet. Dabei dürfen nur Informationen genutzt werden, die auch im Gesamtbericht enthalten sind. Das nach wissenschaftlicher Expertise zusammengestellte Autorengremium entscheidet, ob die von den Regierungen vorgeschlagenen Umformulierungen richtig sind (näher IPCC, Procedures for the Preparation, Review, Acceptance, Adoption, Approval and Publication of IPCC reports, 2013; siehe auch Bolle, Das Intergovernmental Panel on Climate Change , 2011, S. 108 ff.; Stoll/Krüger, in: Proelß , Internationales Umweltrecht, 2017, 283 <304> m.w.N.; Rahms-torf/Schellnhuber, Der Klimawandel, 9. Aufl. 2019, S. 84 ff.).

2. Die derzeit beobachtete, im klimageschichtlichen Vergleich stark beschleunigte Erwärmung der Erde beruht nach nahezu einhelliger wissenschaftlicher Ansicht im Wesentlichen auf der durch anthropogene Emissionen hervorgerufenen Veränderung des Stoffhaushaltes der Atmosphäre; dabei wird der Anstieg der CO2-Konzentration besonders hervorgehoben (IPCC, 5. Sachstandsbericht, Klimaänderung 2013, Naturwissenschaftliche Grundlagen, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2016, S. 11; UBA, Klima und Treibhauseffekt, 2020, S. 2 f.). Die atmosphärische CO2-Konzentration ist im Vergleich zur vorindustriellen Zeit um 40 % angestiegen, primär durch die Emissionen aus fossilen Brennstoffen und sekundär durch Abholzungen und andere Landnutzungsänderungen (IPCC, a.a.O., S. 9).

Die maßgeblichen Zusammenhänge lassen sich vereinfacht wie folgt zusammenfassen: Die menschlich verursachte Erhöhung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre verändert den Strahlungshaushalt der Erde und führt so zur Erderwärmung. Die in der Erdatmosphäre befindlichen Treibhausgase absorbieren die von der Erde abgegebene Wärmestrahlung und strahlen Teile davon zurück zur Erdoberfläche. Die von den Treibhausgasen abgestrahlte Wärmestrahlung kommt so als zusätzliche Wärmestrahlung an der Erdoberfläche an. Zum Ausgleich ankommender und abgehender Wärme strahlt die Erdoberfläche mehr Wärme ab. Hierdurch wird es in der bodennahen Atmosphäre wärmer (IPCC, a.a.O., S. 11 f.; Rahmstorf/Schellnhuber, Der Klimawandel, 9. Aufl. 2019, S. 12 f., 30 ff.; UBA, Klima und Treibhauseffekt, 2020, S. 2). Bis zu welcher Höhe und mit welcher Geschwindigkeit die Temperatur weiter ansteigt, hängt vom Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre und damit maßgeblich vom Umfang der anthropogen emittierten Treibhausgase ab, insbesondere vom CO2-Ausstoß (IPCC, a.a.O., S. 17 f., 26). Denn zwischen der Gesamtmenge an emittierten klimawirksamen Treibhausgasen und dem Anstieg der mittleren Oberflächentemperatur besteht eine annähernd lineare Beziehung (SRU, Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen ‒ Zur Legitimation von Umweltpolitik, Sondergutachten, 2019, S. 36). Ohne zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels gilt derzeit ein globaler Temperaturanstieg um mehr als 3 °C bis zum Jahr 2100 als wahrscheinlich (BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2019, S. 6 f.).

3. Der Treibhauseffekt hat vielfältige Auswirkungen auf die Umwelt und das Erdklima. Betroffen sind etwa die Eismassen (Kryosphäre). Folgen der Erderwärmung sind der Rückgang des polaren Meereises, das Abschmelzen der kontinentalen Eisschilde in Grönland und in der Antarktis und der bereits heute weltweit sichtbare Gletscherschwund. Diese Veränderungen der Eismassen tragen maßgeblich dazu bei, dass der Meerespegel ansteigt (IPCC, 5. Sachstandsbericht, Klimaänderung 2013, Naturwissenschaftliche Grundlagen, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2016, S. 7, 23 f.; Rahmstorf/Schellnhuber, Der Klimawandel, 9. Aufl. 2019, S. 57, 59, 63 f.). Bis 2100 wird der globale mittlere Meeresspiegelanstieg nach Projektionen bei 1,5 °C globaler Erwärmung 26 bis 77 cm betragen. Bei einer Erwärmung um 2 °C werden es etwa 10 cm mehr sein (IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 11). Zudem gibt es Hinweise darauf, dass infolge des Abschmelzens des Grönländischen Eisschildes und anderer Frischwassereinträge in den Nordatlantik die thermohaline Zirkulation des Nordatlantiks (atlantische Umwälzbewegung) an Stärke verliert. Eine starke Abschwächung hätte unter anderem große Auswirkungen auf die Wettersysteme in Europa und Nordamerika. Der Nordatlantikraum würde sich rasch um mehrere Grad abkühlen. Die Südhalbkugel würde sich umso stärker erwärmen. Als weitere Auswirkungen werden für Nordeuropa eine Zunahme an Winterstürmen, Niederschlägen und Überschwemmungen, für Südeuropa eine Abnahme der Niederschläge erwartet. Für die Sahelzone würden ein Rückgang von Niederschlägen und damit verbundene Dürren erwartet (IPCC, Sonderbericht über den Ozean und die Kryosphäre in einem sich wandelnden Klima, Hauptaussagen, 2020, S. 5; Rahmstorf/Schelln-huber, Der Klimawandel, 9. Aufl. 2019, S. 66 f.; SRU, Demokratisch regieren in ökologischen Grenzen ‒ Zur Legitimation von Umweltpolitik, Sondergutachten, 2019, S. 38; IPCC, Special Report, The Ocean and the Cryosphere in a Changing Climate, 2019, S. 618, 621 f.). Auswirkungen hat der klimawandelbedingte Temperaturanstieg auch auf Lage und Stärke des Jetstreams und damit auf die globalen Windsysteme, was zu außergewöhnlich lang andauernden Groß- und Extremwetterlagen wie Starkniederschlägen, Überschwemmungen, Wirbelstürmen, Hitzewellen und Dürren führen kann (Rahmstorf/Schellnhuber, a.a.O., S. 68 ff., 72; SRU, a.a.O., S. 38 f.).

Als eine besondere Gefahr für die ökologische Stabilität werden sogenannte Kipppunktprozesse im Klimasystem angesehen, weil diese weitreichende Umweltauswirkungen haben können. Kippelemente sind Teile des Erdsystems, die eine besondere Bedeutung für das globale Klima haben und die sich bei zunehmender Belastung abrupt und oft irreversibel verändern. Beispiele sind die Permafrostböden in Sibirien und Nordamerika, die Eismassen in den polaren Zonen, der Amazonasregenwald und bedeutende Luft- und Meeresströmungssysteme. Geringe Veränderungen eines für sie relevanten Umweltparameters – wie zum Beispiel das Überschreiten einer bestimmten Temperaturschwelle – können diese Kipp-elemente in einen qualitativ anderen Zustand überführen, wenn der Wert des Parameters bereits in der Nähe eines kritischen Punktes, dem Kipppunkt, liegt. Zwischen den Kippelementen können auch Wechselwirkungen bestehen. So könnte beispielsweise ein Abschmelzen des Grönlandeises die atlantische Zirkulation verändern, was wiederum zur Destabilisierung von Eis in der Antarktis führen könnte. Ein kaskadenartiger Wandel des Erdsystems durch eine Reihe solcher Wechselwirkungen wird nicht ausgeschlossen, gilt derzeit allerdings noch als wenig erforscht (zu Kipppunkten: SRU, a.a.O., S. 39 f. m.w.N.).

4. Bei einem globalen Temperaturanstieg um mehr als 3 °C bis zum Jahr 2100, der ohne zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels als wahrscheinlich gilt, werden drastische Folgen der Erderwärmung und des Klimawandels erwartet (BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2019, S. 6 f.); aber auch bei einem geringeren Temperaturanstieg hat der Klimawandel bereits erhebliche negative Folgen für Menschen und Gesellschaften (a). Auch in Deutschland hat der Klimawandel schon jetzt zahlreiche direkte Auswirkungen, die sich bei fortschreitender Erderwärmung drastisch verschärfen können (b). Daneben könnte Deutschland von den Folgen des Klimawandels in anderen Teilen der Welt mittelbar auch durch die Zunahme klimabedingter Flucht und Migration nach Europa betroffen sein (c).

a) Die Folgen jüngerer klimabedingter Extremereignisse wie Hitzewellen, Dürren, Starkregenereignisse, Überschwemmungen, Wirbelstürme sowie Wald- und Flächenbrände demonstrieren nach wissenschaftlicher Einschätzung eine signifikante Verwundbarkeit des Menschen gegenüber dem Klimawandel. Folgen solcher klimabedingter Extremereignisse umfassen eine Unterbrechung der Nahrungsmittelproduktion und Wasserversorgung, Schäden an Infrastruktur und Siedlungen, Erkrankungen und Todesfälle sowie Konsequenzen für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen (IPCC, 5. Sachstandsbericht, Klimaänderung 2014, Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2016, WGII-6). Durch den Klimawandel gefährdet ist vor allem die menschliche Gesundheit. Witterungs- und Klimaveränderungen können dazu führen, dass Infektionskrankheiten sowie nichtübertragbare Krankheiten wie Allergien zunehmen oder sich die Symptome bei bereits bestehenden Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verstärken. Extremereignisse wie Stürme, Hochwasser, Lawinenabgänge oder Erdrutsche gefährden Leib und Leben unmittelbar; sie können außerdem zu sozialen und psychischen Belastungen und Störungen wie Stress, Angstzuständen und Depressionen führen (UBA, Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2019, S. 31).

b) Der Klimawandel hat auch in Deutschland bereits jetzt vielfache Auswirkungen. So hat sich die Jahresmitteltemperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bis zum Jahr 2018 um 1,5 °C erhöht (UBA, a.a.O., S. 7). Es besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten extremer Hitzetage. Schon gegenwärtig bedroht der Klimawandel durch Hitzeereignisse die menschliche Gesundheit auch in Deutschland (Bundesregierung, Zweiter Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2020, S. 11; siehe auch UBA, Vulnerabilität Deutschlands gegenüber dem Klimawandel, 2015, S. 603). Die Dauer sommerlicher Hitzewellen über Westeuropa hat sich seit 1880 etwa verdreifacht. Bei unverminderten Treibhausgasemissionen lassen Klimaprojektionen eine deutliche Verschärfung dieser Entwicklungen erwarten. Die Anzahl von Hitzewellen könnte bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im ungünstigsten Fall um bis zu fünf Ereignisse pro Jahr in Norddeutschland und um bis zu 30 Ereignisse pro Jahr in Süddeutschland zunehmen. Auch die Auftrittswahrscheinlichkeit von Temperatur-rekorden dürfte drastisch ansteigen. Speziell während der Sommermonate wird eine Verzehnfachung solcher Ereignisse für realistisch gehalten (Deutschländer/Mächel, in: Brasseur/Jacob/Schuck-Zöller , Klimawandel in Deutschland, 2017, S. 55).

Auch der globale Anstieg des Meeresspiegels wird sich in Deutschland auswirken. In den letzten 100 Jahren ist der Meeresspiegel um etwa 20 cm in der Deutschen Bucht und um etwa 14 cm an der deutschen Ostseeküste gestiegen (Deutscher Wetterdienst, Nationaler Klimareport, 2017, S. 5). Im Fall ungeminderter Emissionen wird von einem Anstieg des Meeresspiegels von deutlich über einem Meter bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ausgegangen. Dabei ist die Möglichkeit eines Kollabierens der Eisschilde nicht einbezogen (Deutscher Wetterdienst, a.a.O., S. 29). Langfristige Änderungen im mittleren Meeresspiegel können an Nord- und Ostsee die Eintrittswahrscheinlichkeit besonders hoher Sturmflutwasserstände bedeutend erhöhen (Weiße/Meinke, in: Brasseur/Jacob/Schuck-Zöller , Klimawandel in Deutschland, 2017, S. 78). Damit sind auch die deutschen Küstenregionen einem erhöhten Risiko durch Überschwemmungen ausgesetzt. In Deutschland gelten an der Nordseeküste Gebiete, die bis zu fünf Meter über dem Meeresspiegel liegen, und an der Ostseeküste Gebiete, die bis zu drei Meter über dem Meeresspiegel liegen, als gefährdet. Das betrifft eine Fläche von rund 13.900 Quadratkilometern mit 3,2 Millionen dort wohnenden Menschen. Durch Sturmfluten bedroht sind vor allem küstennahe Städte wie Hamburg, Bremen, Kiel, Lübeck, Rostock und Greifswald (UBA, Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2019, S. 72).

Bereits jetzt zeigen sich in Deutschland Auswirkungen des Klimawandels bei der Grundwasserneubildung (UBA, a.a.O., S. 48 f.). Steigende Temperaturen sind Auslöser einer insgesamt höheren Verdunstung mit der Folge, dass weniger Wasser versickern und ins Grundwasser gelangen kann. Monate mit unterdurchschnittlichen Grundwasserständen werden im Vergleich zum langjährigen Mittel signifikant häufiger. Ein besonders ausgeprägter Trend zu vermehrten Grundwasserniedrigstständen wird in den niederschlagsarmen Gebieten im Nordosten Deutschlands beobachtet. Dies betrifft vor allem Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Aber auch in den besonders niederschlagsreichen Regionen, also in den Mittelgebirgen und im Bereich der Alpen, sind niedrige Grundwasserstände deutlich erkennbar (UBA, a.a.O., S. 48 f.). Auch darüber hinaus verändert der Klimawandel das Wasserregime in Deutschland in verschiedenen Bereichen. So nimmt die Wasserverfügbarkeit im Sommerhalbjahr signifikant ab, die Wassertemperatur in Seen steigt an, und auch die Wassertemperatur in Nord- und Ostsee erhöht sich (UBA, a.a.O., S. 51 f., 56 f., 60 f., 82).

Als eine besondere Herausforderung gilt die in Deutschland beobachtete Zunahme von Trockenheit und Dürre. Die hiermit einhergehende Austrocknung der Böden hat vor allem für die Landwirtschaft Bedeutung. Die Bodenfeuchte ist für den Wasserversorgungsgrad der Pflanzen ausschlaggebend. Wenn die Bodenfeuchte unterhalb von 30 % bis 40 % sogenannter nutzbarer Feldkapazität (nFK) sinkt, nehmen die Photosynthese-Leistung und damit das Wachstum der Pflanzen stark ab. In Deutschland hat die mittlere Anzahl der Tage mit Bodenfeuchtewerten unter 30 % nFK sowohl für leichten sandigen Boden als auch für schweren Boden, der Wasser besser speichert, seit 1961 signifikant zugenommen. Besonders betroffen von der zunehmenden Bodentrockenheit sind der Osten Deutschlands sowie das Rhein-Main Gebiet (UBA, a.a.O., S. 26).

c) Der Klimawandel ist zudem bedeutende Ursache von Flucht und Migration. Menschen verlassen ihre Heimat auch in Folge von Naturkatastrophen und aufgrund langfristiger Umweltveränderungen wie etwa vermehrter Dürren und des Anstiegs des Meeresspiegels. Die Veränderungen beeinträchtigen neben der Gesundheit vor allem die Nahrungsmittelproduktion und -versorgung. Das Risiko von Hungersnöten steigt. Zugleich verschärft der Klimawandel soziale Ungleichheiten und birgt die Gefahr gewaltsamer Konflikte, wenn sich der Wettstreit um Wasser, Nahrungsmittel und Weideland verstärkt. Die zunehmende Erwärmung setzt niedrig gelegene Küstengebiete, Deltas und kleine Inseln in besonderem Maße den mit dem Meeresspiegelanstieg verbundenen Risiken aus, darunter erhöhtem Salzwassereintrag, Überflutung und Schädigung von Infrastruktur. Bei steigendem Meeresspiegel werden Inseln und Küstenzonen von der dort lebenden Bevölkerung wegen periodischer oder dauerhafter Überflutung verlassen. Zunehmende Klimaveränderungen verstärken so weltweit Fluchtbewegungen und könnten die internationale Flucht und Migration in Richtung Europa intensivieren (dazu Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen, Sondergutachten Klimaschutz als Weltbürgerbewegung, 2014, S. 30, 64; United Nations High Commissioner for Refugees , Klimawandel und Bevölkerungsbewegungen durch Naturkatastrophen, 2017, S. 1 ff.; IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 12; BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2019, S. 19; Rahms- torf/Schellnhuber, Der Klimawandel, 9. Aufl. 2019, S. 71, 75; UNHCR, Global Report 2019, S. 29 f.).

5. Historisch betrachtet sind mehr als die Hälfte aller anthropogenen Treibhausgasemissionen seit Beginn der Industrialisierung durch die heutigen Industrieländer verursacht. In den letzten Jahren sind zudem vor allem die Emissionen der Schwellenländer stark angestiegen. Aktuell gelten die Vereinigten Staaten von Amerika, die Europäische Union, China, Russland und Indien als stärkste Verursacher von Treibhausgasemissionen. Deutschland ist historisch betrachtet für 4,6 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Mit 9,2 Tonnen CO2 waren die Pro-Kopf-CO2-Emissionen in Deutschland im Jahr 2018 knapp doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt von 4,97 Tonnen pro Kopf (BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2020, S. 12).

Aktuell ist Deutschland bei einem Weltbevölkerungsanteil von ungefähr 1,1 % für jährlich knapp 2 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dabei sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland seit 1990 gesunken: Während im Jahr 1990 1,251 Gigatonnen Treibhausgas emittiert wurden, waren es im Jahr 2019 noch etwa 0,805 Gigatonnen Treibhausgas (BMU, a.a.O., S. 12 f., 26 f.; wobei sämtliche Angaben für das Jahr 2019 im Bericht als Schätzungen ausgewiesen sind). Der Sektor Energiewirtschaft verursachte im Jahr 2019 den größten Anteil der Treibhausgasemissionen. Diese stammen vor allem aus der Verbrennung fossiler Energieträger in Kraftwerken. Im Vergleich zu 1990 sind die Treibhausgasemissionen dort bis 2019 allerdings um 45 % zurückgegangen (BMU, a.a.O., S. 29 ff.). Der Industriesektor war 2019 der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasemissionen in Deutschland. Treibhausgase entstehen vor allem in den energieintensiven Branchen Stahl, Chemie, Nichteisenmetalle, Zement, Kalk, Glas und Papier sowie bei der industriellen Eigenstromversorgung. Im Vergleich zu 1990 gingen sie hier bis 2019 um 34 % zurück (BMU, a.a.O., S. 33 ff.). An dritter Stelle der Verursacher von Treibhausgasemissionen stand 2019 der Verkehrssektor, in dem der motorisierte Straßenverkehr für 94 % der Emissionen verantwortlich ist. Im Vergleich zu 1990 gingen die Treibhausgase des Verkehrssektors bis 2019 um 0,1 % zurück (BMU, a.a.O., S. 36 ff.). Dabei ist der internationale Luft- und Schiffsverkehr nicht berücksichtigt, dessen Emissionen im Vergleich zu 1990 gestiegen sind (dazu UBA, Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2020, Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 ‒ 2018, 2020, S. 162). Darauf folgt der Gebäudesektor. Er umfasst die Emissionen privater Haushalte sowie die Emissionen aus Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Emissionen entstehen hier überwiegend durch die Verbrennung fossiler Energieträger zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser und gingen bis 2019 im Vergleich zu 1990 um 42 % zurück (BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2020, S. 40 f.). Im Landwirtschaftssektor haben die Bodennutzung und Tierhaltung die größten Anteile an den Treibhausgasemissionen. Relevant sind hier vor allem die Treibhausgase Methan und Lachgas. Im Vergleich zu 1990 gingen die Treibhausgasemissionen des Bereichs bis 2019 um 24 % zurück (BMU, a.a.O., S. 42 f.). Die Treibhausgasemissionen im Sektor Abfallwirtschaft sind bis 2019 im Vergleich zu 1990 um 76 % zurückgegangen (BMU, a.a.O., S. 44 f.).


III.

Der durch Menschen verursachte Klimawandel lässt sich nach derzeitigem Stand nur durch die Reduktion von CO2-Emissionen maßgeblich aufhalten.

1. Der durch Menschen verursachte Klimawandel lässt sich aufhalten, indem der Anstieg der Konzentration von anthropogenem Treibhausgas in der Erdatmosphäre begrenzt wird (zum Folgenden näher SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 39 ff. Rn. 9 f. m.w.N.). Wegen der quantitativen Bedeutung und besonderen Langlebigkeit von CO2 ist dessen Konzentration hierbei von besonderem Interesse. Es wird angenommen, dass ein annähernd linearer Zusammenhang zwischen der Gesamtmenge der über alle Zeiten hinweg kumulierten anthropogenen CO2-Emissionen und der globalen Temperaturerhöhung besteht. Nur kleine Teile der anthropogenen Emissionen werden von den Meeren und der terrestrischen Biosphäre aufgenommen; der Gesetzgeber hat angenommen, für Deutschland seien 5 % der Jahresemissionen von 1990 „netto-treibhausneutral“ (vgl. die Legaldefinition in § 2 Nr. 9 KSG; siehe auch IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 28) und würden insbesondere durch eine langfristige Bindung in natürlichen Kohlenstoffsenken (beispielsweise durch Boden, Wälder und Gewässer) ausgeglichen (BTDrucks 19/14337, S. 24). Der große Rest anthropogener CO2-Emissionen verbleibt aber langfristig in der Atmosphäre, summiert sich, trägt dort zur Erhöhung der CO2-Konzentration bei und entfaltet so Wirkung auf die Temperatur der Erde. Im Gegensatz zu anderen Treibhausgasen verlässt CO2 die Erdatmosphäre in einem für die Menschheit relevanten Zeitraum nicht mehr auf natürliche Weise. Jede weitere in die Erdatmosphäre gelangende und dieser nicht künstlich wieder entnommene (unten Rn. 33) CO2-Menge erhöht also bleibend die CO2-Konzentration und führt entsprechend zu einem weiteren Temperaturanstieg. Dieser Temperaturanstieg bleibt bestehen, auch wenn sich die Treibhausgaskonzentration nicht weiter erhöht. Die Begrenzung der globalen Erderwärmung setzt daher eine Begrenzung der gesamten anthropogenen CO2-Emissionen voraus (IPCC, a.a.O., S. 16, C.1.3).

2. Begrenzt werden kann der weitere Anstieg der CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre vor allem durch eine Minderung der weiteren CO2-Emissionen in dem Sinne, dass bereits die Entstehung solcher Treibhausgasemissionen vermieden wird, etwa durch einen Verzicht auf die Verbrennung fossiler Energieträger. In Betracht kommen daneben Maßnahmen, die zwar nicht die Entstehung von CO2-Emissionen vermeiden können, die jedoch verhindern, dass sie in die Atmosphäre freigesetzt werden, oder die die CO2-Emissionen wieder aus der Atmosphäre entnehmen („negative Emissionen“; auch „Carbon Dioxide Removal“ ‒ CDR und „Carbon Capture and Storage“ – CCS). Eine künftige Nutzung entsprechender Technologien hält der IPCC insbesondere für notwendig, um das Ziel erreichen zu können, die Erderwärmung bei 1,5 °C zu begrenzen oder wieder auf dieses Maß zurückzuführen. Zugleich gilt der Einsatz von Negativemissionstechnologien derzeit als, jedenfalls in größerem Umfang, schwer realisierbar; er unterliegt erheblichen Beschränkungen und Bedenken bezüglich wirtschaftlicher Rentabilität, technischer Machbarkeit, internationaler Koordinierbarkeit sowie sozialer Folgen und vor allem neuerlicher ökologischer Risiken (IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 21 C.3; UBA, Kurzposition zur Kohlendioxid-Entnahme aus der Atmosphäre – Carbon Dioxide Removal (sogenannte „negative Emissionen“), 2019; SRU, Umweltgutachten 2020, S. 62 ff.; vgl. auch Markus/Schaller/Gawel/Korte, NuR 2021, S. 90 ff. m.w.N.).

Keine Strategie zur Begrenzung des Klimawandels, wohl aber zur Abmilderung der negativen Folgen insbesondere für die Menschen sind die sogenannten Anpassungsmaßnahmen (vgl. bereits Bundesregierung, Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 17. Dezember 2008). In Betracht kommen insoweit beispielsweise die Verstärkung und Erhöhung der Deichanlagen, eine Anpassung der in der Landwirtschaft angebauten Kulturpflanzen, der Waldumbau durch Ansiedlung standortgerechter Baumarten, die Anpassung der Stadtplanung durch Frischluftkorridore und Grünflächen zur Vermeidung städtischer Hitzeinseln sowie die Entsiegelung und die Aufforstung geeigneter Flächen (UBA, Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2019, S. 72 f., 102 ff., 128 ff., 160 f., 162 ff.; Bundesregierung, Zweiter Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2020, S. 52 ff.).

3. Ob und auf welche Höhe die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre und der Temperaturanstieg zu begrenzen sind, ist eine klimapolitische Frage. Sie ist nicht durch die Naturwissenschaften zu beantworten. Deren Erkenntnisse geben jedoch Anhaltspunkte dafür, welche Reduktionen erforderlich sind, um ein bestimmtes Klimaschutzziel zu erreichen. Insoweit werden in Klimawissenschaft und -politik verschiedene Ziel- und Messgrößen verwendet, die sich auf die Temperatur, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre oder die CO2-Emissionen beziehen. Die Klimaziele von Paris (oben Rn. 7 f.) wurden als maximale Erwärmungs- beziehungsweise Temperaturziele formuliert. Der methodische Vorteil eines solchen Temperaturziels liegt darin, dass es im direkten Zusammenhang mit den Folgen der Erderwärmung steht, weil die mittlere Temperatur der Erde eine zentrale Leitgröße für den Zustand des Erdsystems insgesamt ist.

Damit aus einem globalen Temperaturziel Maßgaben zur Reduktion von CO2-Emissionen abgeleitet werden können, sind jedoch klimaphysikalische Umrechnungen der Erwärmung in emittierte CO2-Mengen notwendig. Angesichts des Zusammenhangs zwischen CO2-Konzentration und Erderwärmung ist dies prinzipiell möglich, wenngleich die Umrechnung aufgrund der Komplexität des Klimasystems mit Unsicherheiten verbunden bleibt (SRU, a.a.O., S. 39 ff. Rn. 8 f.; näher unten Rn. 216 ff.). Wegen des annähernd linearen Zusammenhangs lässt sich ungefähr angeben, wie hoch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre höchstens sein darf, wenn eine bestimmte Erdtemperatur nicht überschritten werden soll. Es ist auch in etwa bekannt, wie hoch die CO2-Konzentration heute bereits ist. Daher lässt sich in Annäherung bestimmen, welche weitere Menge an CO2 noch höchstens dauerhaft in die Erdatmosphäre gelangen darf, damit diese angestrebte Erdtemperatur nicht überschritten wird. Stellt man noch die (nach heutigem Stand allerdings geringe) Menge sogenannter negativer CO2-Emissionen in Rechnung, die gar nicht erst in die Atmosphäre gelangen oder dieser wieder entnommen werden, ergibt sich, welche CO2-Mengen insgesamt (global) noch emittiert werden können, wenn die daraus resultierende Erwärmung der Erde die Temperaturschwelle nicht übersteigen soll. Diese Menge wird in der klimapolitischen und klimawissenschaftlichen Diskussion als „CO2-Budget“ bezeichnet (IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 16 f., 28; SRU, a.a.O., S. 38 Rn. 3). Der IPCC hat für verschiedene Temperaturziele mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten unterschiedliche globale Restbudgets angegeben (IPCC, Special Report, Global Warming of 1.5 °C, 2018, Chapter 2, S. 108, Tab. 2.2). Der Sachverständigenrat hat auf dieser Grundlage für eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,75 °C ein auf Deutschland entfallendes Restbudget berechnet. Er hat dem die vom IPCC für eine Zielerreichungswahrscheinlichkeit von 67 % angegebenen Werte zugrunde gelegt (SRU, a.a.O., S. 52; näher zu diesen Annahmen und ihrer Belastbarkeit unten Rn. 219 ff.).

4. Um, wie es in § 1 Satz 3 KSG als Grundlage des Klimaschutzgesetzes ausgewiesen ist, bis 2050 Treibhausgasneutralität zu erreichen, sind weitreichende Transformationen nötig. Bei heutiger Lebensweise ist noch nahezu jegliches Verhalten unmittelbar oder mittelbar mit dem Ausstoß von CO2 verbunden. Nicht nur der Betrieb großer Industrieanlagen, sondern auch alltägliche Verhaltensweisen tragen vielfach direkt oder indirekt zu der Entstehung von CO2-Emissionen bei. Ohne Weiteres erkennbar ist etwa die CO2-Wirksamkeit der unmittelbaren Nutzung von Brenn- und Kraftstoffen oder von elektrischem Strom beim Heizen, Kochen, Beleuchten et cetera. Die CO2-Relevanz anderer Vorgänge mag hingegen erst auf den zweiten Blick hervortreten; nicht erst bei der Nutzung von Gütern und Dienstleistungen, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette entstehen Treibhausgasemissionen: zunächst bei der Herstellung und dann bei Lagerung und Transport, später auch bei der Entsorgung. Bereits die Förderung von Mineralöl, der Transport fossiler Brennstoffe, aber auch die Errichtung einer Windkraftanlage benötigen ihrerseits Energie und verursachen so Treibhausgase. Bestimmte Produktionsvorgänge etwa in der Metallindustrie und in der chemischen Industrie wie auch bei der Herstellung mineralischer Produkte sind besonders energie- und damit treibhausgasintensiv. So trägt die Zementindustrie weltweit 6 bis 7 % zu den anthropogenen CO2-Emissionen bei (vgl. UBA, Prozesskettenorientierte Ermittlung der Material- und Energieeffizienzpotentiale in der Zementindustrie, 2020, S. 11 ff.). Indirekt trägt außerdem etwa die Verwendung energieintensiv produzierter Schaum- und Dämmstoffe, Feuerlöscher, Klimaanlagen, Aluminiumprodukte, Schallschutzfenster, Lacke oder Klebstoffe beim Bau von Gebäuden zu den Treibhausgasemissionen bei, ohne dass dies unmittelbar sichtbar wäre. Die unter Umständen hohe mittelbare Treibhausgasrelevanz der Nutzung von Konsumartikeln lässt das Beispiel der Textilbranche erkennen. So wurde der Treibhausgasausstoß der globalen Textilproduktion 2015 auf rund 1,2 Gigatonnen beziffert, was fast doppelt so viel sei wie der gesamte Ausstoß des internationalen Schiff- und Flugverkehrs zusammen (UBA, Big Points des ressourcenschonenden Konsums als Thema für die Verbraucherberatung ‒ mehr als Energieeffizienz und Klimaschutz, 2019, S. 78 m.w.N.; zu den Umweltkosten ausgewählter Produktgruppen auch UBA, Umweltkosten von Konsumgütern als Ansatzpunkt zur Verbesserung marktlicher und nicht-marktlicher Verbraucherinformationen „Zweites Preisschild“, 2020, S. 56 ff.). Kleidung und Schuhe stünden über ihren Lebenszyklus hinweg (Produktion, Nutzung, Entsorgung) für ungefähr 8 % der globalen Treibhausgasemissionen (European Topic Centre on Waste and Materials in a Green Economy, Textiles and the environment in a circular economy, 2019, S. 2 m.w.N.). Soll die derzeitige Lebensweise einschließlich so verbreiteter oder sogar alltäglicher Verhaltensweisen wie der Errichtung und Nutzung neuer Bauten und dem Tragen von Kleidung klimaneutral sein, sind demnach grundlegende Einschränkungen und Umstellungen von Produktionsprozessen, Nutzungen und alltäglichem Verhalten erforderlich.


IV.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden beanstanden die Beschwerdeführenden in erster Linie, dass der Staat keine ausreichenden Regelungen zur Reduktion von Treibhausgasen, vor allem von CO2, geschaffen habe. Mit der im Klimaschutzgesetz geregelten Reduktion von CO2-Emissionen könne das einer Temperaturschwelle von 1,5 °C entsprechende CO2-Restbudget nicht eingehalten werden. Im Zentrum der Verfassungsbeschwerden stehen grundrechtliche Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und aus Art. 14 Abs. 1 GG, ein Grundrecht auf menschenwürdige Zukunft und ein Grundrecht auf das ökologische Existenzminimum, die die Beschwerdeführenden aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20a GG und aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG herleiten, der Grundsatz des Gesetzesvorbehalts sowie von den Beschwerdeführenden als „Rationalitätspflichten“ bezeichnete Ermittlungs- und Darlegungspflichten des Gesetzgebers.

1. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2656/18 wurde im Jahr 2018 erhoben, also vor Inkrafttreten des Klimaschutzgesetzes. Der Bundestag hat hierzu mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2019 Stellung genommen. Die Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2019 eine eigene Stellungnahme abgegeben. Die Bundesregierung hat mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020 Stellung genommen. Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 wurde die Verfassungsbeschwerde ergänzt und das zwischenzeitlich in Kraft getretene Klimaschutzgesetz einbezogen.

a) Die Beschwerdeführenden wenden sich gegen ein Unterlassen des Gesetzgebers. Die Beschwerdeführenden zu 1) bis 11) machen geltend, wegen des unzureichenden staatlichen Klimaschutzes verletze der Staat seine Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, teilweise aus Art. 14 Abs. 1 GG. Außerdem rügen sie eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG („ökologisches Existenzminimum“) und eine Verletzung der Freiheitsrechte in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG wegen Missachtung des Wesentlichkeitsgrundsatzes. Das Klimaschutzgesetz habe an ihrem Begehren nichts geändert, da es nicht ambitioniert genug sei. Sie beanstanden die in § 3 Abs. 1 KSG festgelegten nationalen Klimaschutzziele, die nach § 4 Abs. 1 KSG und Anlage 2 zulässigen Jahres-emissionsmengen und die in § 4 Abs. 6 KSG getroffene Regelung zu deren Fortschreibung. Die Beschwerdeführer zu 12) und 13) sind Umweltvereinigungen, die als „Anwälte der Natur“ eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20a GG in Verbindung mit Art. 47 GRCh rügen und ebenfalls eine Verletzung der Freiheitsrechte in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG wegen Missachtung des Wesentlichkeitsgrundsatzes geltend machen.

aa) (1) Das beanstandete gesetzgeberische Unterlassen sei tauglicher Beschwerdegegenstand, weil sich die Beschwerdeführenden auf einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen könnten. Dies sei hier zum einen Art. 20a GG. Zum anderen seien dies aus Grundrechten erwachsende Schutzpflichten. Die völkerrechtlichen und supranationalen Minderungsziele für Treibhausgasemissionen würden vom Gesetzgeber als verbindlich erachtet und definierten insofern, was mindestens getan werden müsse, um den Schutzanforderungen des Art. 20a GG nachzukommen. Das Schutzniveau des Art. 20a GG sei zugleich das Mindestmaß dessen, was zum Schutz der Grundrechte der Beschwerdeführenden erreicht werden müsse.

(2) Sie beanstanden, Deutschland werde seine nationalen und unionsrechtlich vorgegebenen Klimaziele für das Jahr 2020 verfehlen. Auch die im Klimaschutzgesetz für die Zeit nach 2020 getroffenen Maßnahmen seien unzulänglich. Schon das dem Pariser Übereinkommen entlehnte Gesetzesziel des § 1 KSG (Begrenzung des Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C) werde den Grundrechten nicht gerecht. Dessen ungeachtet reichten die im Klimaschutzgesetz geregelten Maßnahmen nicht einmal aus, um dieses Ziel zu erreichen. Die nach dem Klimaschutzgesetz zulässigen Gesamtemissionen seien nahezu doppelt so groß wie das CO2-Budget, das nach Rechnung des Sachverständigenrats zur Erfüllung des Pariser Übereinkommens zur Verfügung stehe. Schließlich könne mit den im Klimaschutzprogramm 2030 genannten Maßnahmen nach eigenen Gutachten der Bundesregierung nicht einmal der im Klimaschutzgesetz geregelte Emissionspfad realisiert werden.

(3) Das gerügte gesetzgeberische Unterlassen begründe für die Beschwerdeführenden eine gegenwärtige und unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit in Bezug auf ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf ihr Eigentumsrecht und auf ihr Recht auf ein ökologisches Existenzminimum. Hinsichtlich Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG tragen die Beschwerdeführenden zu 1) bis 7) und 11) konkrete, bereits heute bestehende Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Herzerkrankungen, Kreislaufbeschwerden und Allergien vor, die sich im Zusammenhang mit aktuellen und zukünftigen Klimaveränderungen verschärfen würden. In Bezug auf die gerügte Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG tragen sie vor, die Beschwerdeführenden zu 1), 2), 4), 5), 7), 8), 10) und 11) verfügten über Eigentumspositionen, die durch die Folgen des Klimawandels wie etwa durch Überflutungen beeinträchtigt werden könnten. Der Beschwerdeführer zu 9) sieht sich zudem in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit verletzt. Ihm werde infolge der unterlassenen gesetzgeberischen Maßnahmen eine klima- und umweltschonende Lebensweise verwehrt.

Die Beschwerdeführer zu 12) und 13) seien als anerkannte Umweltverbände bei der gebotenen unionsrechtskonformen Grundrechtsauslegung beschwerdebefugt. Sie könnten im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit geltend machen, der Gesetzgeber habe keine geeigneten Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels ergriffen und habe hierdurch die verbindlichen unionsrechtlichen Vorgaben der unmittelbar anwendbaren Lastenteilungsentscheidung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen missachtet.

bb) (1) Die Verfassungsbeschwerde sei begründet, weil der Gesetzgeber evident unzureichende Maßnahmen zur Vermeidung der drohenden Grundrechtsverletzungen getroffen habe. Ein auch vorsorgeorientierter Grundrechtsschutz gebiete, von den aktuellsten und dabei von den eher vorsichtigen naturwissenschaftlichen Prognosen auszugehen, vor allem wenn man das Gewicht der drohenden Schäden in Rechnung stelle. Dies erfordere, sich mindestens an der „1,5 °C Grenze“ und diesbezüglich an Studien zu orientieren, die dafür noch maximal einen globalen Pfad von zwei Dekaden bis zum Erreichen sogenannter Nullemissionen aufzeigten. Dass der Gesetzgeber seiner Politik dies zugrunde gelegt habe, sei nicht erkennbar. Zudem habe der Bundesgesetzgeber die Tatsachengrundlage der bisherigen Klimapolitik fehlerhaft ermittelt, was ihn zur Nachbesserung zwinge. Es lägen weder konkrete Prognosen noch ein Zahlenwerk über die Wirksamkeit der geregelten Minderungsmaßnahmen zugrunde. Vielmehr müsse angenommen werden, dass es sich um Annahmen ins Blaue hinein handele. Tatsächlich sei nicht das Ziel der Treibhausgasneutralität im Jahr 2050 relevant, sondern wie viele Treibhausgase bis dahin noch emittiert würden. Es fehlten eine Vorgabe des vollständigen Emissionspfads zur Erreichung von Treibhausgasneutralität und ein Zwischenziel beispielsweise für 2040. Das Maß der Minderung durch die jeweiligen Maßnahmen bleibe völlig offen und damit unüberprüfbar.

(2) Auch sei trotz des inzwischen verabschiedeten Klimaschutzgesetzes der Gesetzesvorbehalt missachtet. Sowohl die Minderungsziele als auch die Aufteilung der Minderungspflichten unterlägen dem Gesetzesvorbehalt. Durch sie würden die zulässigen Gesamtemissionen festgelegt, die letztlich alle Lebensbereiche der Grundrechtsträger tangierten. Exemplarisch werde dies beim Kauf eines Autos, der Wahl einer Gebäudeheizung oder auch dem Kauf eines landwirtschaftlichen Produkts deutlich, bei dem letztlich immer die Treibhausgasminderungsverpflichtungen eine Rolle spielten und die Grundrechtsträger damit berührten. Für die Zeit nach 2030 habe der Gesetzgeber im Klimaschutzgesetz diese Entscheidungen nicht selbst getroffen, sondern der Bundesregierung überantwortet (§ 4 Abs. 6 KSG). Der Gesetzesvorbehalt könne auch nicht durch das Zustimmungserfordernis des Bundestags überwunden werden.

b) aa) Der Deutsche Bundestag hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet.-

(1) Der Vortrag der Beschwerdeführenden genüge insgesamt nicht den Begründungsanforderungen. Sie legten nicht dar, welche Regelungen der Gesetzgeber erlassen habe, um den Aktionsplan 2020 und den Klimaschutzplan 2050 umzusetzen. Auch die Beschwerdebefugnis sei nicht hinreichend dargelegt. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG begründe zwar die Pflicht des Staates, die Menschen in Deutschland vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Es sei hinreichend verlässlich vorhersehbar, dass die Zahl der Unwetter, Hitzeperioden und Hochwasser infolge des durch die Treibhausgasemissionen verursachten globalen Temperaturanstiegs signifikant steigen werde. So sei von einer gegenwärtigen Grundrechtsbeeinträchtigung durch den Klimawandel auszugehen. Zum Teil sei auch die individuelle Betroffenheit der Beschwerdeführenden zu bejahen. Jedoch sei nicht substantiiert dargelegt, dass der Gesetzgeber seinen Spielraum zur Erfüllung der Schutzpflicht überschritten habe. Dem Gesetzgeber stünden sowohl Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen als auch Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zur Verfügung. Die Auswahl und die relative Gewichtung dieser Instrumente ergäben sich nicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Dass Deutschland seine unionsrechtlichen Pflichten nicht erfülle, könne nicht im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden. International vereinbarte Klimaschutzziele, die globale Erwärmung auf 1,5 °C beziehungsweise 2 °C zu begrenzen, stellten nicht das Schutzminimum dar, zu dessen Gewährung der Gesetzgeber aufgrund der grundrechtlichen Schutzpflichten verpflichtet sei. Der deutsche Staat alleine sei schon theoretisch nicht in der Lage, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C oder 2 °C zu begrenzen. Zwar seien Gesetzgeber und Bundesregierung grundrechtlich verpflichtet, sich national und international für die Minderung des Klimawandels einzusetzen. Die Einhaltung einer bestimmten Temperaturobergrenze schuldeten sie jedoch nicht. Selbst wenn man annehmen wollte, dass jeder Staat zum Schutz seiner Bürger verpflichtet sei, einen Beitrag zur Begrenzung des Temperaturanstiegs zu leisten, ließe sich hieraus nicht ohne Weiteres ableiten, in welchem Umfang die Bundesrepublik zur Reduktion verpflichtet sei. Darüber hinaus sei nicht substantiiert dargelegt, dass die vom Gesetzgeber getroffenen Maßnahmen offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich zur Schutzzielerreichung seien. Eine solche Darlegung könne insbesondere nicht durch den Verweis auf die Verfehlung der durch die Bundesregierung selbst oder durch Völker- und Unionsrecht zum Zweck des Klimaschutzes gesetzten Reduktionsziele ersetzt werden. Denn die grundrechtlichen Handlungspflichten zielten auf Gesundheits- und Lebensschutz ab.

Auch eine mögliche Verletzung von Art. 14 Abs. 1 GG sei nicht substantiiert dargelegt, weil die Beschwerdeführenden sich nicht mit den Anpassungsmaßnahmen zum Eigentumsschutz auseinandergesetzt und nicht dargelegt hätten, warum diese nicht in Kombination mit den Minderungsmaßnahmen ein angemessenes Schutzniveau sicherten.

Ein in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankerter Schutzanspruch, der auf die Sicherung der ökologischen Voraussetzungen der menschenwürdigen Existenz gerichtet sei, reiche mit Blick auf die Gefahren des Klimawandels ohnehin nicht weiter als die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierende Schutzpflicht.

Aus Art. 20a GG alleine lasse sich kein Schutzanspruch ableiten, weil die Vorschrift als Staatszielbestimmung für sich genommen keine subjektiven Rechte begründe. Die Überprüfung auch anhand objektiven Verfassungsrechts im Sinne der sogenannten Elfes-Konstruktion lasse sich auf eine Schutzpflichtenkonstellation nicht ohne Weiteres übertragen. Jedenfalls hätten die Beschwerdeführenden aber keinen qualifizierten Verstoß gegen Art. 20a GG dargelegt.

Den Beschwerdeführern zu 12) und 13) fehle als Umweltorganisationen die Beschwerdebefugnis. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestünde nur dann die Notwendigkeit, mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung von sekundärem Unionsrecht geltend machen zu können, wenn fachgerichtlicher Rechtsschutz nicht offen stünde. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil unter europarechtskonformer Auslegung von § 42 und § 43 VwGO eine Klage gerichtet auf Feststellung einer Verletzung von Unionsumweltrecht durch Unterlassen des Gesetzgebers möglich sei.

(2) Die Verfassungsbeschwerde sei auch unbegründet. Entscheidend sei, ob die in Deutschland wirkenden nationalen und unionalen Schutzvorkehrungen insgesamt hinreichenden Schutz vor den aus dem Klimawandel resultierenden Gefahren gewährleisteten. In der Europäischen Union seien bereits erhebliche Reduktionen erreicht worden. Weltweit seien die Emissionen in der Zeit von 1990 bis 2015 gleichwohl um 50 % gestiegen. Angesichts dieser Emissionsentwicklung seien neben Minderungsmaßnahmen auch Anpassungsmaßnahmen erforderlich, um Gesundheit, Leben und Eigentum vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Die Bundesregierung habe im Jahr 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel beschlossen und darin dargelegt, welche Maßnahmen in den verschiedenen, vom globalen Temperaturanstieg betroffenen Sektoren möglich und erforderlich seien.

bb) Die Fraktion der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag widerspricht der Stellungnahme des Bundestags. Dass Deutschland alleine beim Klimaschutz keinen Erfolg haben könne, fordere gerade besonders starke Bemühungen bei der Umsetzung gemeinsamer internationaler Belange. Weil Art. 1 Abs. 3 GG die deutsche Staatsgewalt auch in grenzüberschreitenden Sachverhalten binde, sei zudem eine Verengung des Kreises der Grundrechtsträger, um deren Schutz es in der Klimakrise gehe, auf bestimmte Personen und Personengruppen in Deutschland zweifelhaft. Die Ertrinkenden auf in Folge der Klimakrise versinkenden Südseeinseln seien dem Grundgesetz nicht egal. Möglicherweise sei zur Bewältigung der Klimakrise eine umfassende planende Maßstäbegesetzgebung verfassungsrechtlich erforderlich. Mindestelemente einer solchen Gesetzgebung seien die Festlegung konkreter Reduktionsziele für den gesamten Zeitraum bis zur Erreichung von Klimaneutralität im Jahr 2050, die planende Benennung derjenigen konkreten Maßnahmen (einschließlich künftiger Gesetze), mit denen diese Ziele in den jeweiligen Sektoren erreicht werden sollen, und die Einbeziehung externen Sachverstandes in die Anwendung der Maßstäbe auch dahingehend, dass den Experten die Beurteilung der Wirksamkeit der konkreten Maßnahmen ermöglicht werde. Das Klimaschutzgesetz genüge diesen Maßstäben nicht.

cc) Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Sie beziehe sich nicht auf einen tauglichen Beschwerdegegenstand. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setze eine gegen ein gesetzgeberisches Unterlassen gerichtete Verfassungsbeschwerde einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes voraus, der nach Inhalt und Umfang im Wesentlichen umgrenzt sei. Ein solcher Auftrag könne nicht aus Art. 20a GG abgeleitet werden, weil die Vorschrift eine Staatszielbestimmung enthalte, nicht aber einen subjektiven Anspruch. Soweit die Beschwerdeführenden einen Handlungsauftrag aus grundrechtlichen Schutzpflichten ableiten wollten, sei dies ebenfalls nicht zielführend. Grundrechtliche Schutzpflichten ließen der Bundesregierung einen breiten Gestaltungsspielraum. Dieser habe vor dem Hintergrund der internationalen Dimension des Klimaschutzes besondere Bedeutung, da das Grundgesetz der Bundesregierung im Bereich der auswärtigen Politik einen weit bemessenen Spielraum zugestehe.

Die Voraussetzungen der Beschwerdebefugnis seien nicht erfüllt. Grundrechtliche Schutzpflichten des Staates könnten zwar gebieten, rechtliche Regelungen zu erlassen, die schon die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eindämmten. Es sei jedoch nicht substantiiert vorgetragen, dass die Bundesregierung ihren weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum überschritten habe. Der völker- und unionsrechtliche Rahmen determiniere den Gestaltungsspielraum nicht. Globale Klimaschutzziele, wie die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C beziehungsweise 2 °C, begründeten auch deshalb keine verfassungsrechtlichen Mindeststandards, weil die Erreichung dieser Ziele nicht allein von der Bundesrepublik Deutschland abhängig sei.

Die klimawandelbedingten Gefahren begründeten keine gegenwärtige Betroffenheit in eigenen Rechten. Indem die Beschwerdeführenden behaupteten, beschwerdebefugt zu sein, ohne dass der weltweite Klimawandel für sie bislang konkrete Auswirkungen gezeitigt hätte, versuchten sie, die Verfassungsbeschwerde in eine unzulässige Popularklage umzuwandeln. Auch den Beschwerdeführern zu 12) und 13), beide anerkannte Umweltvereinigungen, fehle die Beschwerdebefugnis. Verfassungsbeschwerden mit altruistischer Ziels etzung kenne das Verfassungsprozessrecht nicht. Ein in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 und Art. 20a GG verortetes Grundrecht darauf, die Belange des Umwelt-, Natur- oder Klimaschutzes zum eigenen Anliegen zu machen, existiere nicht. Auch aus dem Verweis auf Art. 47 GRCh ergebe sich nichts anderes.

Soweit die Verfassungsbeschwerde allgemein auf das Ergreifen geeigneter Klimaschutzmaßnahmen gerichtet sei, sei das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung nicht eingehalten. Der Rechtsweg sei weder ausgeschlossen, noch seien Rechtsbehelfe offensichtlich unzulässig.

2. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 288/20 ist gegen das Klimaschutzgesetz gerichtet.

a) Die Beschwerdeführenden sind überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene. Sie rügen die Verletzung eines Grundrechts auf menschenwürdige Zukunft, das sie aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20a GG herleiten, eines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20a GG, ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG), jeweils auch in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG im Hinblick auf verwandte Gewährleistungen in Art. 2 und 8 EMRK. Sie halten die Klimaschutzbemühungen des deutschen Gesetzgebers für unzureichend. Sie wenden sich gegen das in § 3 Abs. 1 KSG festgelegte nationale Klimaschutzziel für das Jahr 2030 (Treibhausgasreduzierung um 55 % gegenüber 1990), das unzureichend sei, und gegen die in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 1 und 2 bis zum Jahr 2030 festgelegten jährlich zulässigen Emissionsmengen, die zu hoch angesetzt seien. Zudem wenden sie sich gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 2 KSG in Verbindung mit Art. 5 der Klimaschutzverordnung, weil diese ermöglichten, nicht genutzte nationale Emissionsrechte an andere europäische Mitgliedstaaten zu verkaufen, was die Wirkung erhöhter nationaler Klimaschutzanstrengungen nivelliere. Hiermit sei der Gesetzgeber seinen Schutzpflichten nicht nachgekommen.

aa) Aus dem Menschenwürdeprinzip folge, dass staatliches Handeln oder Unterlassen nicht die Grundlage der Selbstentfaltung und die Erhaltung der Existenzbedingungen zukünftiger Generationen zerstören dürfe. In Ansehung der bereits aufgetretenen Schäden und der mit dem Klimawandel verbundenen Bedrohung verpflichte das Menschenwürdeprinzip in Verbindung mit Art. 20a GG schon heute, Lebensbedingungen zu gewährleisten, in denen sich „die Subjektqualität der Beschwerdeführenden auch zukünftig entfalten“ könne. Daraus folge die Notwendigkeit, Treibhausgasemissionen so zu begrenzen, dass das 1,5 °C-Ziel noch gehalten werden könne, wenn alle Staaten entsprechend handelten. Ein Anstieg von globalen Temperaturen über 1,5 °C nehme hingegen aktiv in Kauf, dass Millionen von Menschenleben sowie das Überschreiten von Kipppunkten mit unabsehbaren Folgen für das Klimasystem riskiert werde. So sei der Gesetzgeber verpflichtet, schon heute dafür Sorge zu tragen, dass zukünftig möglichst keine Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt würden; Emissionen müssten unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes so gering wie möglich gehalten werden. Das Untermaßverbot in Konkretisierung der aus Art. 20a GG fließenden staatlichen Langzeitverantwortung verlange ein geeignetes und wirksames Schutzkonzept. Weil verfassungsrechtliche Höchstwerte in Rede stünden, treffe den Gesetzgeber die Obliegenheit, im Einzelnen nachvollziehbar die eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte zur Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums offenzulegen.

Das in § 3 Abs. 1 KSG normierte nationale Klimaschutzziel und die in § 4 Abs. 1 KSG in Verbindung mit Anlage 1 und 2 festgelegten sektorspezifischen Minderungsziele verfehlten das geforderte Schutzniveau. Die Beschwerdeführenden müssten noch während ihrer Lebenszeit sehr einschneidende Verschlechterungen ihrer Lebensumwelt hinnehmen, die daraus resultierten, dass vorangegangene Generationen von der Emission von Treibhausgasen erheblich profitiert und das Ökosystem schwer beschädigt hätten. Ein Fortschreiten auf dem bisherigen Pfad fessele künftige Gestaltungsmöglichkeiten und setze demokratische Teilhabe, Freiheitsrechte und Subjektqualität zunehmend aufs Spiel. Den Beschwerdeführenden werde in bisher nie dagewesenem Ausmaß die Gestaltungs- und Zukunftsperspektive geraubt. Der Ansatz des Klimaschutzgesetzes sei evident ungeeignet, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen. Eine Minderung der Emissionen auf 55 % bis zum Zieljahr 2030 erlaube keine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5 °C, da das in der Bundesrepublik Deutschland noch verfügbare Treibhausgasbudget schon in den nächsten Jahren aufgebraucht wäre. Dabei leiten die Beschwerdeführenden das Deutschland ab 2020 verbleibende Restbudget aus Schätzungen des IPCC zur Größe des globalen Restbudgets bei einer 66%igen Wahrscheinlichkeit ab, das 1,5 °C-Ziel einzuhalten. Dieses betrage ab 2018 noch 420 Gigatonnen. Nach den Rechengrundlagen des IPCC bestehe ab dem 1. Januar 2020 noch ein CO2-Budget von 336 Gigatonnen. Für Deutschland verblieben so auf Basis einer nach Auffassung der Beschwerdeführenden sinnhaften Betrachtung nach weltweit gleichen Pro-Kopf-Emissionsrechten ab dem 1. Januar 2020 noch 3,465 Gigatonnen CO2.

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber seinen Darlegungspflichten nicht genügt. Er hätte darlegen müssen, durch welche Minderungsmaßnahmen er Treibhausgasemissionen soweit wie möglich reduzieren wolle, um zukünftig menschenwürdegerechte Lebensgrundlagen zu sichern.

Das Untermaßverbot werde auch durch die Ermöglichung der Übertragung von Emissionszuweisungen verletzt. Dies setze Fehlanreize. Dürften die im Inland erbrachten und über die Anforderungen hinausgehenden Reduktionsleistungen im EU-Gesamtbudget aufgehen, wäre ihr Beitrag zum Schutz der Grundrechte ungeeignet.

bb) Verletzt sei auch die grundrechtliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20a GG. Durch ein fortdauerndes Unterlassen des Gesetzgebers, hinreichende Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, und die damit verbundenen Risikosteigerungen seien die Beschwerdeführenden bereits heute erheblich negativ in ihrem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit betroffen.

cc) Die Beschwerdeführenden zu 2) bis 9) rügen eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Die Beschwerdeführenden zu 2) bis 8) seien bereits Landwirte oder befänden sich in der Ausbildung, um zukünftig die Betriebe ihrer Eltern zu übernehmen. Der Beschwerdeführer zu 9) beabsichtige, das elterliche Hotelgewerbe und Restaurant zu übernehmen. Die zum Teil auf Inseln gelegenen Betriebe seien aufgrund klimabedingter Ereignisse in ihrer Bewirtschaftung erheblich beeinträchtigt. Die Beschwerdeführenden seien wegen der durch die vom Staat mitzuverantwortenden Treibhausgasemissionen verursachten Einwirkungen auf das Grundeigentum und die landwirtschaftlichen Betriebe zudem in ihrem Eigentumsrecht verletzt (Art. 14 Abs. 1 GG).

b) aa) Der Deutsche Bundestag hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und für unbegründet. Hier sei schon die Ausrichtung an dem CO2-Restbudget nicht zwingend, sondern das Ergebnis einer Wertung, über die in demokratischen Prozessen zu diskutieren, zu verhandeln und zu entscheiden sei und die sich nicht aus den Grundrechten ableiten lasse. Die Aufteilung des global verfügbaren CO2-Restbudgets folge keinen naturwissenschaftlichen Gesetzen. Soweit der Bereich der Außenpolitik berührt sei, komme den staatlichen Organen ein besonders weiter Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Die im Pariser Übereinkommen vorgenommene Weichenstellung, wonach Staaten mit sehr hohen Emissionen früher und entscheidender ihren Ausstoß verringern müssen, sei eine politische Entscheidung und folge nicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

Der Schutzbereich der Berufsfreiheit werde von einer faktischen Beeinträchtigung durch Private ‒ hier durch die Treibhausgas-Emittenten ‒ nur berührt, wenn sie von einigem Gewicht sei, in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs stehe und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lasse. Klimaschäden beträfen nicht im Schwerpunkt Tätigkeiten, die typischerweise beruflich ausgeübt würden. Die Treibhausgasemissionen stünden auch in keinem engen Zusammenhang mit der Berufsausübung der Beschwerdeführenden und hätten keine objektiv berufsregelnde Tendenz. Zudem sei der Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zum Schutz der Berufsfreiheit eher noch weiter als im Fall der Schutzgüter Leib und Leben. Der Schutzanspruch aus Art. 14 Abs. 1 GG gehe jedenfalls nicht weiter als der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

bb) Die Bundesregierung hat eine einheitliche Stellungnahme zu den Verfahren 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 abgegeben. Sie führt aus, das von den Beschwerdeführenden berechnete nationale CO2-Restbudget von 3,465 Gigatonnen CO2 ab dem Jahr 2020 sei für den deutschen Staat nicht verbindlich. Weder dieses nationale Restbudget noch das diesem als Ausgangspunkt dienende globale Budget seien einem derzeit geltenden nationalen, europäischen oder internationalen Rechtsrahmen zu entnehmen. Der IPCC habe in seinen Berichten nur ein globales CO2-Restbudget berechnet, ohne dies auf einzelne Staaten herunterzubrechen. Die Abschätzung des Restbudgets seitens des IPCC sei zwar wissenschaftlich fundiert, aber mit erheblichen Unsicherheiten behaftet, auf die der IPCC selbst hinweise. International sei die Vereinbarung nationaler Budgets aufgrund unterschiedlicher Präferenzen sowie aufgrund von Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen nicht konsensfähig. Daher ermittle die Bundesregierung kein nationales Budget. Für die multilaterale Zusammenarbeit bedürfe es klarer Treibhausgas-Minderungsziele. Diese stünden deshalb zu Recht im Mittelpunkt der globalen, europäischen und deutschen Klimapolitik. Die Frage der Verteilung des globalen CO2-Restbudgets sei auch nicht Gegenstand deskriptiver Naturwissenschaft, sondern es gehe um einen normativen und ethischen Diskurs zu Fragen der Gerechtigkeit und Billigkeit sowie um politische Verhandlungsprozesse. Der Budgetansatz sei als gewisse Plausibilitätskontrolle geeignet, um zu überprüfen, ob die Summe der national festgelegten Beiträge global ausreiche, die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen. An diesem Maßstab müssten sich die national festgelegten Beiträge beim globalen Aushandlungsprozess messen lassen. Die Bundesregierung rechne aufgrund dieses internationalen politischen Rahmens aber nicht mit nationalen CO2-Budgets.

Die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig. Nach dem von den Beschwerdeführenden vorgetragenen Sachverhalt erscheine es nicht möglich, dass sie durch das von ihnen behauptete Unterlassen in ihren Grundrechten verletzt seien. Eine aus dem Menschenwürdeprinzip in Verbindung mit Art. 20a GG abgeleitete, schon heute bestehende Verpflichtung des Staates, die Lebensbedingungen zu gewährleisten, in denen sich die Subjektqualität der Beschwerdeführenden auch zukünftig entfalten könnte, sei dem deutschen Verfassungsrecht fremd. Der Vortrag, die Beschwerdeführenden zu 2) bis 9) im Verfahren 1 BvR 288/20 fühlten sich durch klimainduzierte Erschwernisse in ihrer Berufsausübung als (zukünftige) Landwirte beziehungsweise als Hotelbetreiber betroffen, lasse eine unmittelbare Betroffenheit durch das Klimaschutzgesetz oder ein dem deutschen Gesetzgeber zurechenbares Unterlassen nicht erkennen. Auch habe Art. 14 Abs. 1 GG keine Vorwirkung nach der Art einer Anwartschaft, die vor der Entwertung des Erbes schützen könne; vor Eintritt des Erbfalls könnten sie sich nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen.

3. a) Die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 96/20 sind Kinder und Jugendliche und wenden sich gegen die aus ihrer Sicht unzureichenden nationalen Klimaschutzbemühungen, wodurch sie in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt seien. Sie wenden sich gegen § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Anlage 1 und 2, § 4 Abs. 3, Abs. 5, Abs. 6, § 8 und § 9 KSG sowie gegen das aus ihrer Sicht andauernde Unterlassen des Gesetzgebers, geeignete und prognostisch genügende Maßnahmen zur Einhaltung des verbleibenden CO2-Budgets zu ergreifen. Die Beschwerdeführenden halten das Klimaschutzgesetz zudem für nicht vereinbar mit dem aus ihrer Sicht grundrechtlich fundierten Erfordernis der Mindestrationalität von Gesetzen, weil der Gesetzgeber die Erkenntnisse des IPCC nicht hinreichend einbezogen habe.

aa) Der Klimawandel bedrohe Rechtsgüter von höchstem Rang. Für deren Schutz sei wegen der drohenden Erreichung von Kipppunkten und der erheblich höheren Gesundheitsgefahren bei einer Erderwärmung von 2 °C eine Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C zwingend notwendig. Die Emissionsreduzierung sei die einzig effektive Schutzmaßnahme. Nach dem Sonderbericht des IPCC stünden global ab dem 1. Januar 2020 noch 336 Gigatonnen Emissionen zur Verfügung, um mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit (66 %) noch das „1,5 °C-Ziel“ erreichen zu können. Das globale CO2-Budget werde ohne zusätzliche Maßnahmen bereits zwischen 2030 und 2052 erschöpft sein. Die Bundesrepublik dürfe dabei nur das ihr nach ihrem Bevölkerungsanteil zustehende CO2-Budget in Höhe von 3,465 Gigatonnen CO2 beanspruchen. Die im Klimaschutzgesetz festgelegten Reduktionsziele seien völlig unzulänglich, die Einhaltung dieses Budgets zu gewährleisten. Die in § 3 Abs. 1 KSG festgelegte Minderungsquote von mindestens 55 % im Vergleich zu 1990 lasse in Verbindung mit den jährlichen Jahresemissionshöchstmengen nach § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 zu, dass das verbleibende nationale CO2-Budget zur Erreichung des 1,5 °C-Ziels in Höhe von 3,465 Gigatonnen bereits 2024, spätestens 2025 erschöpft sei. Hilfsweise machen die Beschwerdeführenden Ausführungen dazu, inwiefern mit den Reduktionsvorgaben des Klimaschutzgesetzes Restbudgets eingehalten werden könnten, die dem 1,75 °C-Ziel oder dem 2 °C-Ziel entsprächen. In diesem Fall müssten ab 2030 umfangreiche Emissionsreduktionen erfolgen, was einer „Vollbremsung“ gleichkomme. Die Beschwerdeführenden sehen eine Schutzpflichtverletzung zudem darin begründet, dass auch die tatsächlichen Einsparmaßnahmen, wie sie sich insbesondere aus dem Klimaschutzprogramm 2030 ergäben, völlig unzureichend seien, das nationale CO2-Budget in Höhe von 3,465 Gigatonnen einzuhalten. Selbst die nationalen Klimaschutzziele würden aber verfehlt.

bb) Sie halten das Klimaschutzgesetz zudem für nicht vereinbar mit dem Erfordernis der Mindestrationalität von Gesetzen. Der Gesetzgeber müsse sich an einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung verfügbaren Materials orientieren; er müsse die zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen, um die voraussichtlichen Auswirkungen so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können. Das dem Gesetz nach § 1 Satz 3 KSG zugrunde gelegte Klimaziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, lasse die Erkenntnisse des IPCC, wie sie sich aus dem Sonderbericht als aktuellem Forschungsstand ergäben, außer Acht. Sie beanstanden zudem, dass dem Klimaschutzgesetz schon keine Prognose zum Umfang der für eine bestimmte Begrenzung der Erderwärmung global erforderlichen Emissionseinsparungen zugrunde liege.

cc) Die Beschwerdeführenden sind schließlich der Auffassung, das Klimaschutzgesetz genüge nicht den sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergebenden Anforderungen. Unzureichend sei, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 KSG nur die Minderungsquote für das Zieljahr 2030 festgelegt und die Festlegung der Reduktionsziele ab 2030 nach § 4 Abs. 6 KSG auf die Bundesregierung übertragen habe, ohne hierzu weitere Vorgaben zu machen. Daran ändere auch nichts, dass die Bestimmung der Klimaschutzziele durch die Bundesregierung der Zustimmung des Bundestags bedürfe. Der Gesetzgeber sei auch seiner Verpflichtung nicht nachgekommen, die sektorspezifische Verteilung der Reduktionsbelastung festzulegen. Mit dem Vorbehalt des Gesetzes sei es unvereinbar, dass es der Bundesregierung nach § 4 Abs. 5, § 8 Abs. 2 KSG freistehe, die in Anlage 2 festgelegten sektorspezifischen Jahresemissionsmengen zu ändern und die Mengenbegrenzungen über die Sektoren hinweg zu verschieben.

b) aa) Der Deutsche Bundestag hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und für unbegründet. Der Gesetzgeber sei nicht zur weitergehenden Normierung von Klimaschutzzielen in einem Parlamentsgesetz verpflichtet. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle von Schutzpflichten sei auf die Überprüfung des Untermaßverbots beschränkt und schließe keine allgemeine Prüfung der formellen und materiellen Verfassungskonformität mit ein. Die Elfes-Konstruktion kenne keine Entsprechung im Bereich der Schutzpflichtdimension. Der Gesetzgeber verstoße nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes, wenn er nicht abschließend über die Aufteilung der Jahresemissionsmengen auf die Sektoren entscheide, sondern die Bundesregierung in § 4 Abs. 5 KSG nachträglich zum Verschieben und in § 8 Abs. 2 KSG zum Kompensieren über Sektoren hinweg ermächtige. Die Verteilung der Emissionen zwischen den Sektoren sei für den Schutz aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ohnehin nicht von Relevanz, da es dafür nur auf die Gesamtemissionsmenge ankomme. Das gerügte Versäumnis des Parlaments, Klimaschutzziele für die Zeit nach 2030 zu normieren (vgl. § 4 Abs. 6 KSG), betreffe zwar den staatlichen Schutz von Leib und Leben, sei jedoch nicht grundrechtswesentlich. Denn die Reduktion der CO2-Emissionen in der Bundesrepublik könne als solche angesichts des geringen Anteils am weltweiten CO2-Ausstoß nur einen untergeordneten Beitrag dazu leisten, die Beeinträchtigungen von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuwehren. Die Regelungen seien auch Teil der langfristigen Gesamtstrategie der Bundesrepublik, die im Klimaschutzplan 2050 abgesteckt sei. Mit Blick auf die dynamischen Entwicklungen sowohl der Klimaforschung als auch der europäischen und internationalen Klimaschutzmaßnahmen sei es angemessen, die nationalen Reduktionsziele zunächst bis 2030 zu definieren und anschließend fortzuschreiben. Der Gesetzgeber könne diese Entscheidung jederzeit wieder an sich ziehen.

Die Behauptung der Beschwerdeführenden, das Klimaschutzgesetz sei widersprüchlich, weil sich der in § 1 KSG genannte Gesetzeszweck nicht mit den in § 3 KSG genannten Zielen decke, sei unzutreffend. § 1 KSG sehe lediglich vor, dass das Klimaschutzgesetz einen Beitrag leisten solle, die Erwärmung auf unter 2 °C und möglichst 1,5 °C zu begrenzen. Zum anderen sei die Aufteilung des verfügbaren CO2-Budgets entsprechend den Anteilen an der Weltbevölkerung nicht die einzig denkbare Lösung, um den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen. Zweck des Klimaschutzgesetzes sei deshalb auch nicht die Einhaltung dieses CO2-Restbudgets. Ein innerer Widerspruch zu den im Klimaschutzgesetz geregelten Emissionsmengen bestehe deshalb nicht.

bb) Die Ausführungen der Bundesregierung in ihrer einheitlichen Stellungnahme entsprechen im Wesentlichen denen im Verfahren 1 BvR 288/20 (oben Rn. 69).

4. Die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 78/20 leben in Bangladesch und in Nepal. Sie rügen die Verletzung von Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG durch die Bundesrepublik Deutschland wegen unzureichender Klimaschutzbemühungen.

a) Die Beschwerdeführenden tragen vor, Bangladesch und Nepal seien in unterschiedlichster Weise besonders anfällig für die klimatischen Veränderungen und seien durch den fortschreitenden Klimawandel unmittelbar bedroht.

aa) Zwei Drittel der Gesamtfläche Bangladeschs lägen weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel und würden durch dessen Anstieg bedroht. Das Land sei von Flüssen durchzogen, die aus dem Himalaya-Gebirge gespeist würden. Immer schneller schmelzendes Gletscherwasser führe zu Landüberschwemmungen. Der Süden Bangladeschs werde regelmäßig von Starkwetterphänomenen wie Wirbelstürmen oder jährlichen Monsunen heimgesucht. Im Südosten Bangladeschs führten verstärkte Regenfälle zu verheerenden Erdrutschen. Die Küstenregion sei häufiger Wirbelstürmen und Überflutungen ausgesetzt, so dass sich immer mehr Menschen in den von Erdrutschen betroffenen Bergregionen ansiedelten, was die dort ohnehin prekäre Lage verschärfe. Zusammen mit der Zerstörung des Ackerlandes und der Verunreinigung des Grundwassers wirkten sich Erdrutsche auch auf die Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung aus.

Die Hauptstadt Dhaka werde durch die hohe und wachsende Bevölkerungsdichte, wiederkehrende Überflutungen und Hitzewellen besonders stark belastet. Die Armenviertel der Stadt seien sehr tief gelegen und verfügten nicht über hinreichende Abflusssysteme. Die dortigen Bebauungen könnten den Wassermassen nur wenig entgegensetzen. Ohne deutliche Minderung der globalen Treibhausgasemissionen könne ein Teil von Dhaka aufgrund übertretender Flüsse im Jahr 2040 dauerhaft überflutet sein. Auch der Temperaturanstieg wirke sich in Dhaka besonders gravierend aus, da der asphaltierte Boden die Hitze aufnehme und diese in den eng bebauten Gegenden schlecht entweiche. Die Bevölkerung in den Armenvierteln sei einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, an Hitzewellen zu sterben. Die Behausungen stünden eng beieinander; sie seien womöglich nur durch ein Blechdach abgedeckt, unter dem sich die Hitze staue. Zugang zu Wasser und Abkühlung sei erschwert, Klimaanlagen gebe es oftmals nicht und die Bewohner seien durch Krankheiten geschwächt. Bereits bei einem Temperaturanstieg um 1 °C und bei einer Temperatur von über 29 °C steige das Auftreten von Durchfallerkrankungen ‒ welche oft tödlich verliefen ‒ um 40 % an. Durch die steigende Hitze verdampfe das Trinkwasser, das zudem durch Überflutungen verseucht werde.

In Nepal führten steigende Temperaturen und Dürreperioden vermehrt zu Waldbränden. Dadurch würden die Atemwege belastet und Sachgüter bedroht, im schlimmsten Fall führten die Waldbrände zum Tod. Zudem steige durch die sintflutartigen Regenfälle die Gefahr von Erdrutschen. In der Region drohten zugleich eine Verknappung von Trinkwasser und Dürren und damit einhergehende Lebensmittelknappheit. Im Süden Nepals seien aufgrund besonderer Trockenheit im Wechsel mit Starkregenfällen und Überschwemmungen immer wieder deutliche Ernteeinbußen um bis zu 30 % festzustellen. Aufgrund des Klimawandels vermehrt auftretende Parasiten und Krankheitserreger könnten die Ernteausfälle noch verstärken.

bb) Die Beschwerdeführenden legen dar, inwiefern ihre eigene Gesundheit und ihr Eigentum durch den Klimawandel bereits beeinträchtigt seien und weiterhin betroffen sein würden. Sie geben an, durch Starkregenfälle, Erdrutsche, ex-treme Hitze, Überflutungen, Zyklone und Waldbrände gefährdet zu sein. Teilweise hätten sie ihr Zuhause und ihre landwirtschaftlichen Betriebe verloren und umsiedeln müssen. Durch die zunehmende Versalzung des Grundwassers könne nur noch wenig Gemüse angebaut werden und die Trinkwasserversorgung verschlechtere sich. Reis- und Getreideernten verzeichneten aufgrund von Dürreperioden, schweren Hagelstürmen und sintflutartigen Regenfällen starke Einbußen.

cc) Die Beschwerdeführenden sind der Auffassung, aus Art. 1 Abs. 3 GG, der ohne eine räumliche Beschränkung die umfassende Bindung der öffentlichen Gewalt an die Grundrechte statuiere, ergebe sich, dass grundrechtliche Schutzpflichten auch von im Ausland lebenden Beschwerdeführenden geltend gemacht werden könnten. Es bestehe ein hinreichend enger Bezug zum Inland, weil die aus dem (deutschen) Inland stammenden Treibhausgasemissionen mitursächlich für die von den Beschwerdeführenden in ihren Heimatländern erlebten Beeinträchtigungen seien. Die Erstreckung der grundrechtlichen Schutzpflichten auf die im Ausland lebenden Beschwerdeführenden knüpfe auch an völkervertragsrechtliche Verantwortlichkeiten an. Zudem verletze die deutsche öffentliche Gewalt Völkergewohnheitsrecht und damit Art. 25 GG. Denn durch die Untätigkeit des Gesetzgebers, hinreichende Klimaschutzziele festzulegen und Umsetzungsmaßnahmen zu ergreifen, komme die deutsche öffentliche Gewalt ihren völkergewohnheitsrechtlichen Verpflichtungen zur Schadensvermeidung nicht nach. Staaten müssten alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um ihrer Hoheitsgewalt unterliegende Aktivitäten zu unterbinden, welche die Umwelt anderer Staaten erheblich schädigen. Dies sei auf Treibhausgase übertragbar.

b) aa) Der Deutsche Bundestag hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig und unbegründet. Art. 1 Abs. 3 GG begründe eine umfassende Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte des Grundgesetzes. Sofern sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein Schutzauftrag auch zugunsten von Grundrechtsträgern im Ausland ergebe, sei den begrenzten internationalen Handlungs- und Einflussmöglichkeiten der Bundesrepublik und dem überdies weiten außenpolitischen Gestaltungsspielraum der zuständigen staatlichen Organe Rechnung zu tragen, indem der Inhalt der Schutzpflicht auf allenfalls prozedurale Gebote beschränkt werde. Diese Verfahrenspflichten habe der Gesetzgeber jedenfalls erfüllt.

Der Inhalt grundrechtlicher Schutzpflichten sei nicht unbesehen auf Auslandssachverhalte zu übertragen. Die aus den Grundrechten konkret folgenden Schutzwirkungen könnten sich danach unterscheiden, unter welchen Umständen sie zur Anwendung kämen. Soweit es um den Schutz von Menschen im Ausland gehe, lasse sich den Grundrechten nicht die inhaltliche Vorgabe eines „wirksamen und angemessenen“ Schutzes entnehmen. Das Untermaßverbot gelte nicht. Dies folge schon aus dem völkerrechtlichen Interventionsverbot und den faktischen Gewährleistungsgrenzen, die sich aus den limitierten Ressourcen des Staates ergäben. Grundrechtsträger im Ausland könnten neben der sorgfältigen Tatsachenermittlung und -bewertung vielmehr nur verlangen, dass ihr Schutzanspruch bei außenpolitischen Entscheidungen angemessen berücksichtigt werde und dass die Bundesrepublik ihre Einflussmöglichkeiten nach pflichtgemäßer politischer Abwägung für den Rechtsgüterschutz nutze. Zum anderen reiche der bei der Erfüllung von Schutzpflichten ohnehin bestehende Gestaltungsspielraum bei der Gewichtung und Abwägung der kollidierenden Belange bei Auslandssachverhalten noch weiter. Denn die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe werde nicht allein vom Willen der Bundesrepublik bestimmt, sondern sei vielfach von Umständen abhängig, die sich ihrer Bestimmung entzögen.

Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG gehöre zwar auch das Verbot erheblicher grenzüberschreitender Umweltbeeinträchtigungen. Die den Beschwerdeführenden drohenden Gefahren seien dem deutschen Staat jedoch nicht zurechenbar und deshalb nicht als mittelbar-faktische Grundrechtseingriffe zu qualifizieren.

Dass die Beschwerdeführenden ihre Lebensmittelpunkte in Bangladesch und Nepal und damit in Staaten hätten, die insgesamt voraussichtlich stärker von den Folgen des Klimawandels und speziell von Überflutungen, Erdrutschen, Hitzewellen und Dürre betroffen seien als andere Weltregionen, hebe sie im Übrigen nicht schon in der erforderlichen Weise aus der großen Gruppe der Menschen weltweit heraus, die auf Inseln, in Küstennähe, in Gebieten mit besonderen Niederschlagsmengen oder in für Hitzewellen besonders anfälligen großen Städten lebten oder von der Landwirtschaft abhängig seien. Die Beschwerdeführenden beschrieben Belastungen, die in gleicher Weise einer unüberschaubar großen Gruppe von Menschen weltweit drohten.

bb) Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung bereits aufgrund der besonderen Auslandssituation des Sachverhalts ausscheide. Zwar begründe Art. 1 Abs. 3 GG eine umfassende Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte. Die konkret aus den Grundrechten folgende Schutzwirkung könne sich jedoch danach unterscheiden, unter welchen Umständen sie zur Anwendung komme. Hier fehle ein hinreichend enger Bezug zum Inland. Dies zeige vor allem die fehlende unmittelbare Kausalität. Zwischen den Ursachen an dem einen Ort der Welt und den Auswirkungen an einem anderen Ort der Welt stehe immer das global wirkende Phänomen des Klimawandels. Eine direkte, nachweisbare Kausalität zwischen Ursache und Wirkung könne für keine einzige Treibhausgasquelle hergestellt werden. Deshalb seien die Beschwerdeführenden auch nicht unmittelbar betroffen.


B.


Soweit die Beschwerdeführenden natürliche Personen sind, sind ihre Verfassungsbeschwerden zulässig. Das gilt zum einen, soweit sie die Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten rügen. Die Beschwerdeführenden können teilweise geltend machen, in ihrem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und einige von ihnen in ihrem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) verletzt zu sein (näher unten II 1, C I), weil der Staat mit dem Klimaschutzgesetz nur unzureichende Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen und zur Begrenzung der globalen Erderwärmung ergriffen haben könnte. Insoweit sind auch die in Bangladesch und Nepal lebenden Beschwerdeführenden beschwerdebefugt, weil nicht von vornherein auszuschließen ist, dass die Grundrechte des Grundgesetzes den deutschen Staat auch zu ihrem Schutz vor den Folgen des globalen Klimawandels verpflichten (näher unten II 1, C II). Zum anderen könnten die Beschwerdeführenden, soweit sie in Deutschland leben, dadurch in ihren Grundrechten verletzt sein, dass sie infolge der aus ihrer Sicht im Klimaschutzgesetz zu großzügig bemessenen Mengen der bis ins Jahr 2030 zulässigen Treibhausgasemissionen in den anschließenden Zeiträumen aus Gründen des dann verfassungsrechtlich gebotenen Klimaschutzes erhebliche Minderungslasten und entsprechende Freiheitseinbußen werden hinnehmen müssen (näher unten II 4, C III). Zulässig sind die Verfassungsbeschwerden, soweit sie gegen § 3 Abs. 1 Satz 2 und gegen § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 gerichtet sind. Im Übrigen sind die Verfassungsbeschwerden nicht zulässig.

I.


Die Verfassungsbeschwerden haben einen zulässigen Beschwerdegegenstand, soweit sie gegen Regelungen des Klimaschutzgesetzes gerichtet sind.

1. Die Beschwerdeführenden machen der Sache nach geltend, der Gesetzgeber verletze ihre Grundrechte, indem er keine hinreichenden Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen und zur Begrenzung der globalen Erderwärmung treffe. Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2656/18 wurde vor Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes erhoben. Die Beschwerdeführenden wandten sich damit zunächst nur gegen staatliches Unterlassen. Nach Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes machen sie nun wie die Beschwerdeführenden in den anderen Verfahren geltend, das Gesetz genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

a) Konkret beanstandet wird mit den Verfassungsbeschwerden zum einen, die in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG für das Zieljahr 2030 geregelte Minderungsquote und die in § 4 Abs. 1 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 geregelte Begrenzung der Jahresemissionsmengen seien unzureichend. Zum anderen beanstanden die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 288/20, ihre Grundrechte seien dadurch verletzt, dass § 4 Abs. 3 Satz 2 KSG in Verbindung mit Art. 5 der Klimaschutzverordnung die Übertragung von Emissionszuweisungen auf andere Mitgliedstaaten zulasse. Weitere Vorschriften des Klimaschutzgesetzes sind angegriffen, weil sie mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unvereinbar seien. Das betrifft die Ermächtigung der Bundesregierung in § 4 Abs. 5 KSG, die Jahresemissionsmengen der Sektoren in Anlage 2 durch Verordnung zu verändern, und die in § 4 Abs. 6 KSG geregelte Verordnungsermächtigung zu der nach § 4 Abs. 1 Satz 5 KSG erforderlichen Fortschreibung der Jahresemissionsmengen für Zeiträume nach 2030, in den Verfahren 1 BvR 78/20 und 1 BvR 96/20 außerdem die Verordnungsermächtigung für die sektorenmäßige Zuordnung in § 8 Abs. 2 KSG und die Fortschreibung des Klimaschutzprogramms nach § 9 KSG.

b) Gerügt wird die Verletzung verschiedener Grundrechte. Die Beschwerdeführer zu 12) und 13) im Verfahren 1 BvR 2656/18 rügen eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20a GG in Verbindung mit Art. 47 GRCh sowie die Verletzung der Freiheitsrechte in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG wegen Missachtung des Wesentlichkeitsgrundsatzes. Die anderen Beschwerdeführenden rügen die Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten, teilweise aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, teilweise aus Art. 14 Abs. 1 GG und im Verfahren 1 BvR 288/20 auch aus Art. 12 Abs. 1 GG. Außerdem rügen die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 2656/18 eine Verletzung eines Grundrechts auf das „ökologische Existenzminimum“ und der Beschwerdeführer zu 9) überdies eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 288/20 rügen neben der Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten vor allem die Verletzung eines Grundrechts auf menschenwürdige Zukunft. Die Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 78/20 und 1 BvR 96/20 machen zudem die Verletzung von Ermittlungs- und Darlegungspflichten des Gesetzgebers und Verstöße gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts geltend. Soweit sie die Verletzung des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts rügen, leiten die Beschwerdeführenden daraus eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten ab. Im Verfahren 1 BvR 2656/18 rügen die Beschwerdeführenden eine Verletzung der Freiheitsrechte in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG wegen Missachtung des Wesentlichkeitsgrundsatzes, weil § 4 Abs. 6 KSG keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage zur Regelung der Emissionsminderungspflichten für die Zeit nach 2030 biete.

2. Mit den Vorschriften des Klimaschutzgesetzes ist ein zulässiger Verfassungsbeschwerdegegenstand bezeichnet. Nicht zulässig ist hingegen die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 2656/18, soweit die Beschwerdeführenden auch nach Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes gesetzgeberisches Unterlassen als solches beanstanden. Unterlassen kann als solches mit der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nur bei völliger Untätigkeit des Gesetzgebers gerügt werden. Hat der Gesetzgeber hingegen eine Regelung getroffen, muss sich die Verfassungsbeschwerde regelmäßig gegen diese gesetzliche Vorschrift richten. Das gilt auch, wenn die Beschwerdeführenden meinen, der Gesetzgeber sei durch eine gesetzliche Regelung seinen Schutzpflichten nicht gerecht geworden (vgl. nur Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 90 Rn. 189 m.w.N.). Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde allerdings nur insoweit, als sich der Vorwurf gesetzgeberischen Unterlassens in dem Rahmen bewegt, den das bereits verabschiedete Gesetz der Sache nach abdecken soll. Gerade das ist hier aber im Verhältnis zwischen Klimaschutzgesetz und dem behaupteten Unterlassen der Fall.

II.


Die Beschwerdeführenden sind, soweit sie natürliche Personen sind, hinsichtlich § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 beschwerdebefugt. Möglich erscheint im Ergebnis, dass wegen der mit diesen Vorschriften bis 2030 nach Ansicht der Beschwerdeführenden zu großzügig zugelassenen Emissionsmengen zum einen grundrechtliche Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt werden und zum anderen den in Deutschland lebenden Beschwerdeführenden nach dem Jahr 2030 sehr hohe Minderungslasten drohen, was eine verfassungswidrige Gefährdung ihrer grundrechtlich umfassend geschützten Freiheit begründen könnte. Im Übrigen scheidet die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung aus oder ist diese jedenfalls nicht hinreichend dargelegt.

1. Soweit die Beschwerdeführenden natürliche Personen sind, sind sie hinsichtlich § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 wegen einer möglichen Verletzung staatlicher Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG beschwerdebefugt. Die im Verfahren 1 BvR 288/20 darüber hinaus gerügte Verletzung einer Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG begründet hingegen keine Beschwerdebefugnis. Die Beschwerdeführer zu 12) und 13) im Verfahren 1 BvR 2656/18 machen keine Schutzpflichtverletzung geltend.

a) Die von den Beschwerdeführenden beanstandeten Vorschriften könnten gegen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, nicht aber aus Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen. Eine Schutzpflichtverletzung erscheint hinsichtlich § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 möglich. Hinsichtlich der anderen angegriffenen Vorschriften ist die Möglichkeit einer Schutzpflichtverletzung jedenfalls nicht hinreichend dargelegt.

aa) (1) Die Beschwerdeführenden könnten in ihrem grundrechtlichen Anspruch auf Schutz aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt sein. Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen durch Umweltbelastungen ein (vgl. BVerfGE 49, 89 <140 f.>; stRspr; ebenso zu Art. 2 EMRK etwa EGMR, Öneryildiz v. Turkey, Urteil vom 30. November 2004, Nr. 48939/99, Rn. 89 ff.; EGMR, Budayeva and Others v. Russia, Urteil vom 20. März 2008, Nr. 15339/02 u.a., Rn. 128 ff.; zu Art. 8 EMRK etwa EGMR, Cordella et Autres c. Italie, Urteil vom 24. Januar 2019, Nr. 54414/13 und 54264/15, Rn. 157 ff. m.w.N.). Das gilt auch für Gefahren, die der Klimawandel für das menschliche Leben und die Gesundheit verursacht. Der Gesetzgeber könnte seine Schutzpflicht durch unzureichenden Schutz vor Gesundheitsbeeinträchtigungen und Lebensgefahren durch den Klimawandel verletzt haben. Zwar hat der Klimawandel genuin globalen Charakter und könnte offensichtlich nicht durch den deutschen Staat allein aufgehalten werden. Ein eigener Beitrag Deutschlands zum Klimaschutz ist damit aber weder unmöglich noch überflüssig (näher unten Rn. 199 ff.).

Soweit die Beschwerdeführenden Eigentümer der nach ihren Darlegungen vom Klimawandel bedrohten Grundstücke sind, kommt außerdem eine Verletzung der Schutzpflicht des Gesetzgebers für das Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. BVerfGE 114, 1 <56>). Soweit die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 288/20 die Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG geltend machen, weil sich wegen des Klimawandels die Fortführung elterlicher Landwirtschaft oder Hotels nicht realisieren lasse, ist die Möglichkeit der Verletzung einer über den Schutz des Sacheigentums hinausgehenden Schutzpflicht hingegen nicht ersichtlich.

(2) Beschwerdebefugt sind hier auch die in Bangladesch und Nepal lebenden Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 78/20. Ob die Grundrechte des Grundgesetzes den deutschen Staat dazu verpflichten, zum Schutz von Menschen im Ausland vor Beeinträchtigungen durch Folgen des globalen Klimawandels beizutragen und unter welchen Umständen eine solche Schutzpflicht gegebenenfalls verletzt sein könnte, hat das Bundesverfassungsgericht bislang nicht geklärt. Eine Wirkung der Grundrechte auch gegenüber diesen Beschwerdeführenden erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen (näher unten Rn. 173 ff.).

bb) (1) Mit den grundrechtlichen Schutzpflichten unvereinbar sein könnten § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2. Der Gesetzgeber könnte mit diesen Vorgaben bis zum Jahr 2030 zu große Mengen an CO2-Emissionen zugelassen haben, was zum weiteren Klimawandel beitragen und damit die Gesundheit, zum Teil sogar das Leben, und das Eigentum der Beschwerdeführenden gefährden würde.

(2) Hinsichtlich der weiteren mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften ist die Möglichkeit einer Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten weder aufgezeigt noch ersichtlich.

Das gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 288/20 beanstanden, dass § 4 Abs. 3 Satz 2 KSG in Verbindung mit Art. 5 der Klimaschutzverordnung die Übertragung von Emissionszuweisungen auf andere Mitgliedstaaten zulässt. Es kann offen bleiben, ob der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde insoweit bereits entgegensteht, dass § 4 Abs. 3 Satz 2 KSG lediglich regelt, dass Art. 5 der Klimaschutzverordnung unberührt bleibt, letzterer aber dem Recht der Europäischen Union angehört und daher grundsätzlich nicht durch das Bundesverfassungsgericht überprüft werden könnte. Jedenfalls ist die Verfassungsbeschwerde insoweit nicht hinreichend begründet (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Die Beschwerdeführenden gehen auf die unterschiedlichen Flexibilitätsoptionen, die Art. 5 der Klimaschutzverordnung enthält, nicht ein und legen nicht dar, inwiefern deren Nutzung – bei einer europa- oder weltweiten Betrachtung – insgesamt zu einer Verringerung des Klimaschutzes führen könnte. Angesichts des genuin globalen Charakters des Klimawandels ist eine solche Gesamtwirkung aber von Bedeutung. Dass sich diese wegen der beanstandeten Regelung verschlechterte, haben die Beschwerdeführenden nicht begründet.

Hinsichtlich der unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts gerügten Verordnungsermächtigung in § 4 Abs. 5 KSG ist nicht dargelegt, inwiefern eine solche, die Jahresemissionsmengen in den Sektoren betreffende Verordnung, die geltend gemachten grundrechtlichen Schutzpflichten verletzen könnte. Insbesondere erschließt sich nicht ohne Weiteres, dass hierdurch die zugelassene Menge an Treibhausgasen erhöht und damit die Gefahren des Klimawandels für die Betroffenen verstärkt werden könnten.

Soweit die Verfassungsbeschwerden unter Berufung auf grundrechtliche Schutzpflichten beanstanden, dass die Verordnungsermächtigung in § 4 Abs. 6 KSG zur Fortschreibung der Jahresemissionsmengen nach 2030 mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts unvereinbar sei, kann dahinstehen, ob hinreichend dargelegt ist, dass durch eine solche Verordnung Schutzpflichten verletzt werden könnten; insofern fehlt es jedenfalls an der gegenwärtigen Betroffenheit (unten Rn. 111).

Die Ausführungen in den Verfassungsbeschwerden 1 BvR 78/20 und 1 BvR 96/20 zur Unvereinbarkeit von § 8 und § 9 KSG mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts sind zu knapp, als dass sie die Möglichkeit einer Schu*tzpflichtverletzung erkennen ließen.

b) aa) Die Beschwerdeführenden sind durch die Regelungen über die bis 2030 zulässigen Treibhausgasemissionen in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 2 KSG in Verbindung mit Anlage 2 gegenwärtig in eigenen Grundrechten betroffen. Die durch anthropogene Treibhausgasemissionen verursachte Erderwärmung ist nach heutigem Stand zu weiten Teilen unumkehrbar (oben Rn. 32), und es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Klimawandel noch zu Lebzeiten der Beschwerdeführenden so voranschreitet, dass deren durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechte beeinträchtigt werden (vgl. Stürmlinger, EurUP 2020, 169 <179>; Kahl, JURA 2021, 117 <125>). Der Möglichkeit eines Verfassungsverstoßes kann hier nicht mit dem Hinweis entgegnet werden, das Risiko eines künftigen Schadens stelle nicht schon gegenwärtig einen Schaden und mithin keine Grundrechtsverletzung dar. Auch Regelungen, die erst im Laufe ihrer Vollziehung zu einer nicht unerheblichen Grundrechtsgefährdung führen, können selbst schon mit dem Grundgesetz in Widerspruch geraten (vgl. BVerfGE 49, 89 <141>). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der einmal in Gang gesetzte Verlauf nicht mehr korrigierbar ist (vgl. auch BVerfGE 140, 42 <58 Rn. 59> m.w.N.).

Dabei machen die Beschwerdeführenden nicht etwa die Rechte noch nicht geborener Menschen oder gar ganzer künftiger Generationen geltend. Diesen kommt keine subjektive Grundrechtsberechtigung zu (vgl. etwa Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 119 f.; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 95; zu objektiven Schutzwirkungen unten Rn. 146). Die Beschwerdeführenden berufen sich vielmehr auf ihre eigenen Grundrechte.

Es handelt sich auch nicht um unzulässige sogenannte Popularverfassungsbeschwerden. Allein der Umstand, dass eine sehr große Zahl von Personen betroffen ist, steht einer individuellen Grundrechtsbetroffenheit nicht entgegen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 31. Oktober 2019 - 10 K 412.18 -, Rn. 73; siehe auch BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 21. Januar 2009 - 1 BvR 2524/06 -, Rn. 43). Im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird eine über die bloße eigene Betroffenheit hinausgehende besondere Betroffenheit, die die Beschwerdeführenden von der Allgemeinheit abheben würde, regelmäßig nicht verlangt (anders die Rechtsprechung zu Art. 263 Abs. 4 AEUV, vgl. EuG, Beschluss vom 8. Mai 2019, Carvalho, T-330/18, EU:T:2019:324, Rn. 33 ff.; siehe auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 15. März 2018 - 2 BvR 1371/13 -, Rn. 47; vgl. aber Groß, NVwZ 2020, 337 <340>; Meyer, NJW 2020, 894 <899>; Kahl, JURA 2021, 117 <125>).

bb) § 4 Abs. 6 KSG, der die Festlegung von Jahresemissionsmengen für Zeiträume nach 2030 betrifft und hier wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts beanstandet ist, begründet demgegenüber weder eine gegenwärtige noch eine unmittelbare Betroffenheit, weil er lediglich eine Verordnungsermächtigung enthält. Insoweit droht auch keine irreversible Verfassungsverletzung. Verstieße eine künftige Verordnung wegen einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage gegen grundrechtliche Schutzpflichten, wäre hiergegen mit einer späteren Verfassungsbeschwerde verfassungsgerichtlicher Schutz zu erlangen.

2. Auf Art. 20a GG kann die Beschwerdebefugnis für eine Verfassungsbeschwerde nicht unmittelbar gestützt werden. Zwar umfasst der Schutzauftrag des Art. 20a GG den Schutz des Klimas (unten Rn. 198). Die Norm ist auch justiziabel (unten Rn. 205 ff.). Art. 20a GG enthält jedoch keine subjektiven Rechte (vgl. schon BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. Mai 2001 - 1 BvR 481/01 u.a. -, Rn. 18; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. September 2001 - 1 BvR 481/01 u.a. -, Rn. 24; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2009 - 1 BvR 1178/07 -, Rn. 32; siehe aus dem Schrifttum nur Steinberg, NJW 1996, 1985 <1992>; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 24, 82 m.w.N.; Epiney, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 37 ff.; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 24 m.w.N.). Vorschläge zur Aufnahme eines subjektiven Umweltgrundrechts in die Verfassung wurden wiederholt diskutiert (vgl. BTDrucks 10/990; BTDrucks 11/663). Mit der Verfassungsreform von 1994 hat sich der verfassungsändernde Gesetzgeber jedoch dagegen entschieden. So steht Art. 20a GG außerhalb des Grundrechtsteils der Verfassung. Auch in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, der die mit der Verfassungsbeschwerde als verletzt rügbaren Rechte aufzählt, wird Art. 20a GG nicht genannt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Norm dementsprechend wiederholt als Staatszielbestimmung bezeichnet (vgl. BVerfGE 128, 1 <48>; 134, 242 <339 Rn. 289>).

3. Das von den Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 2656/18 geltend gemachte „Grundrecht auf ein ökologisches Existenzminimum“ oder ein diesem ähnelndes „Recht auf eine menschenwürdige Zukunft“, welches im Verfahren 1 BvR 288/20 geltend gemacht wird, können die Beschwerdebefugnis hier nicht begründen. Inwieweit das Grundgesetz solche Rechte schützt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Der Gesetzgeber hätte diese jedenfalls nicht verletzt.

Ein Recht auf das ökologische Existenzminimum wird unter anderem in Anlehnung an das durch Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gewährleistete menschenwürdige Existenzminimum (vgl. BVerfGE 125, 175 <222 ff.>) hergeleitet; das Existenzminimum setze auch ökologische Mindeststandards voraus (vgl. dazu Rupp, JZ 1971, 401 <402>; Waechter, NuR 1996, 321 <321 f.>; Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 300 m.w.N.; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 78; Buser, DVBl 2020, 1389 <1391 f.>; mit anderer Begründung auch Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, § 3 Rn. 70 ff.; Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 227; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 91. EL April 2020, Art. 20a Rn. 10; ablehnend Appel, in: Vesting/Korioth , Der Eigenwert des Verfassungsrechts, 2011, 289 <293>; Voßkuhle, NVwZ 2013, 1 <6>; Epiney, in: v.Mangoldt/ Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 39; Kluth, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 51. EL 2016, Art. 20a Rn. 106). Tatsächlich könnten etwa das physische Überleben wie auch die Möglichkeiten zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zur Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>) allein durch ökonomische Sicherungen nicht gewährleistet werden, wenn hierfür nur eine durch den Klimawandel radikal veränderte und nach menschlichen Maßstäben lebensfeindliche Umwelt zur Verfügung stünde. Allerdings verpflichten bereits andere Grundrechte zur Wahrung grundrechtswesentlicher ökologischer Mindeststandards und insoweit zum Schutz vor Umweltschäden „mit katastrophalen oder gar apokalyptischen Ausmaßen“ (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 2010 - 2 BvR 2502/08 -, Rn. 13). Neben den Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für das physische und auch das psychische Wohlergehen und aus Art. 14 Abs. 1 GG könnte eine ökologische Existenzsicherung indessen eigenständige Wirkung entfalten, wenn in einer bis zur Lebensfeindlichkeit veränderten Umwelt durch Anpassungsmaßnahmen (oben Rn. 34) zwar noch Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum, nicht aber die sonstigen Voraussetzungen sozialen, kulturellen und politischen Lebens gesichert werden könnten. Vorstellbar ist auch, dass Anpassungsmaßnahmen so extrem ausfallen müssten, dass sie ihrerseits eine soziale, kulturelle und politische Integration und Teilhabe nicht mehr gehaltvoll zuließen.

Dass der Staat Anforderungen verletzt hat, die zur Vermeidung existenzbedrohender Zustände katastrophalen oder gar apokalyptischen Ausmaßes an ihn gerichtet sein könnten, kann aber nicht festgestellt werden. Deutschland ist dem Pariser Übereinkommen beigetreten und der Gesetzgeber ist nicht untätig geblieben. Er hat im Klimaschutzgesetz konkrete Maßgaben zur Reduktion von Treibhausgasen festgelegt (siehe § 3 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2). Diese bis zum Jahr 2030 geregelten Reduktionsmaßgaben führen nicht zur Klimaneutralität, werden jedoch fortgeschrieben (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 5 KSG) mit dem langfristigen Ziel, Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen (§ 1 Satz 3 KSG). Auf dieser Grundlage erscheint es bei entsprechender Anstrengung möglich, dass – soweit Deutschland zur Lösung des Problems beitragen kann – jedenfalls der Eintritt katastrophaler Zustände verhindert wird. Eine andere Frage ist, ob die damit für die Zeit nach 2030 angelegten, mit Freiheitsbeschränkungen verbundenen Anstrengungen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sind oder aber das Klimaschutzgesetz Reduktionslasten in unzulässiger Weise auf die Zukunft und die dann Verantwortlichen verschoben hat (unten Rn. 116 ff.).

4. Mit Blick auf ihre Freiheitsrechte sind die Beschwerdeführenden zu 1) bis 11) im Verfahren 1 BvR 2656/18 sowie die Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 beschwerdebefugt, soweit sie § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 angreifen, weil danach ab dem Jahr 2031 möglicherweise sehr große Treibhausgasminderungslasten auf sie zukommen. Das Ausmaß der damit verbundenen Grundrechtsbeschränkung wird durch die genannten Regelungen bereits mitbestimmt. Diese Vorwirkung auf künftige Freiheit könnte die Beschwerdeführenden in ihren Grundrechten verletzen.

a) aa) (1) Die Beschwerdeführenden könnten in ihren Freiheitsrechten verletzt sein, weil das Klimaschutzgesetz erhebliche Anteile der durch Art. 20a GG gebotenen Treibhausgasminderungslasten auf Zeiträume nach 2030 verschiebt. Weitere Reduktionslasten könnten dann so kurzfristig zu erbringen sein, dass dies (auch) ihnen enorme Anstrengungen abverlangte und ihre grundrechtlich geschützte Freiheit umfassend bedrohte. Potenziell betroffen ist praktisch jegliche Freiheit, weil heute nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden sind (oben Rn. 37) und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sein können. Freiheit ist vom Grundgesetz vollständig durch spezielle Grundrechte, jedenfalls aber durch die in Art. 2 Abs. 1 GG als dem grundlegenden Freiheitsrecht verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit geschützt (vgl. BVerfGE 6, 32 <36 f.>; stRspr). Sie könnte durch § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 verfassungswidrig gefährdet sein, wenn hierdurch in der nächsten Zeit zu großzügig CO2-Emissionen zugelassen würden und damit notwendige Minderungslasten auf Kosten künftiger Freiheit auf die Zukunft verschoben wären. Zwar dürfen den Beschwerdeführenden auch in der Zukunft keine verfassungsrechtlich unzumutbaren Minderungslasten auferlegt werden; gegen unzumutbare Freiheitsbeeinträchtigungen bleiben sie durch ihre Grundrechte geschützt. Indessen wird das Maß des Zumutbaren auch durch das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot (Art. 20a GG) bestimmt. Dieses wird, verstärkt durch gleichgelagerte Schutzgebote aus den Grundrechten, bei tatsächlich steigender Bedrohung durch den Klimawandel höhere Treibhausgasminderungen erfordern und entsprechend weitergehende Freiheitseinschränkungen als heute rechtfertigen.

(2) Die nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 zugelassenen Treibhausgasemissionsmengen haben bereits Folgen für die in der Zeit danach anstehende Minderungslast. Sie bestimmen so schon jetzt – nicht bloß faktisch, sondern auch rechtlich vorwirkend – über künftige Grundrechtsrestriktionen mit. Das liegt einerseits an den weitgehend unumkehrbaren tatsächlichen Auswirkungen von CO2-Emissionen auf die Erdtemperatur und andererseits daran, dass das Grundgesetz die tatenlose Hinnahme eines ad infinitum fortschreitenden Klimawandels durch den Staat nicht zulässt. Dabei kommt es für das Ausmaß drohender Freiheitseinbußen entscheidend darauf an, wieviel Zeit für den Übergang in die zum Schutz des Klimas irgendwann auch verfassungsrechtlich vorgegebene klimaneutrale Lebens- und Wirtschaftsweise verbleibt.

(a) Der anthropogene Klimawandel ist unmittelbar ursächlich auf die Konzen- tration menschlich verursachter Treibhausgase in der Erdatmosphäre zurückzuführen (zum wissenschaftlichen Erkenntnisstand oben Rn. 18 ff. und Rn. 32 ff.). Dabei haben CO2-Emissionen eine besondere Bedeutung. Einmal in die Erd-atmosphäre gelangt, können sie dieser nach derzeitigem Stand kaum wieder entzogen werden. Entsprechend können auch die anthropogene Erderwärmung und Klimaveränderung vergangener Jahre später nicht mehr rückgängig gemacht werden. Zugleich steigt mit jeder weiteren CO2-Menge, die über eine kleine klimaneu-trale Menge hinaus emittiert wird, die Erdtemperatur von dem bereits unumkehrbar erreichten Temperaturniveau aus weiter an und schreitet der Klimawandel ebenso unumkehrbar weiter fort. Soll die Erderwärmung bei einer bestimmten Temperaturschwelle angehalten werden, darf nur noch die dieser Schwelle entsprechend begrenzte Menge an CO2 emittiert werden; global verbleibt ein sogenanntes CO2-Restbudget. Wird über dieses Restbudget hinaus emittiert, wird die Temperaturschwelle überschritten.

(b) Ein unbegrenztes Fortschreiten von Erderwärmung und Klimawandel stünde aber nicht im Einklang mit dem Grundgesetz. Dem steht neben den grundrechtlichen Schutzpflichten vor allem das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG entgegen, welches die Gesetzgebung – verfassungsrechtlich maßgeblich – durch das Ziel konkretisiert hat, die Erwärmung der Erde auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (näher unten Rn. 208 ff.). Dieser Temperaturschwelle entspricht ein, wenn auch nicht eindeutig quantifizierbares, aus dem globalen Restbudget abgeleitetes nationales CO2-Restbudget (unten Rn. 216 ff.). Ist dieses nationale CO2-Budget aufgebraucht, dürften weitere CO2-Emissionen nur noch zugelassen werden, wenn das Interesse daran verfassungsrechtlich insbesondere gegenüber dem Klimaschutzgebot des Art. 20a GG überwiegt (siehe unten Rn. 198). Verhaltensweisen, die direkt oder indirekt mit CO2-Emissionen verbunden sind, wären also verfassungsrechtlich nur noch hinnehmbar, soweit sich die dahinterstehenden grundrechtlichen Freiheiten in der erforderlichen Abwägung durchsetzen könnten, wobei das relative Gewicht einer nicht klimaneutralen Freiheitsbetätigung in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter abnimmt. Indessen kommt Art. 20a GG im Hinblick auf eine Regulierung CO2-relevanter Verhaltensweisen zunehmend normatives Gewicht bereits zu, bevor das verfassungsrechtlich maßgebliche Budget vollends aufgebraucht ist, weil es, ungeachtet verfassungsrechtlicher Bedenken, weder verantwortlich noch realistisch wäre, CO2-relevante Verhaltensweisen zunächst unvermindert hinzunehmen, dann aber zum Zeitpunkt des vollständigen Verbrauchs des Restbudgets unvermittelt Klimaneutralität einzufordern. Je mehr vom CO2-Budget aufgebraucht ist, desto drängender werden die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Klimaschutzes und desto gravierender könnten Grundrechtsbeeinträchtigungen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise ausfallen (vgl. Kment, NVwZ 2020, 1537 <1540>). So sind die notwendigen Freiheitsbeschränkungen der Zukunft bereits in Großzügigkeiten des gegenwärtigen Klimaschutzrechts angelegt. Klimaschutzmaßnahmen, die gegenwärtig unterbleiben, um Freiheit aktuell zu verschonen, müssen in Zukunft unter möglicherweise noch ungünstigeren Bedingungen ergriffen werden, und würden dann identische Freiheitsbedürfnisse und -rechte weit drastischer beschneiden.

(c) Dabei kommt es entscheidend auf die Länge des verbleibenden Zeitraums an, in welchem Maße grundrechtlich geschützte Freiheit beim Übergang zu klimaneutraler Lebens- und Wirtschaftsweise begrenzt werden muss oder aber Grundrechte geschont werden können. Wären CO2-freie und damit klimaneutrale alternative Verhaltensweisen, die den CO2-wirksamen Freiheitsgebrauch wenigstens teilweise ersetzen könnten, verfügbar und in der Gesellschaft hinreichend etabliert, wäre der Ausschluss klimarelevanter Verhaltensweisen mit weniger Freiheitsverlust verbunden als ohne diese Alternativen. Wäre etwa eine ausgebaute CO2-neutrale Verkehrsinfrastruktur errichtet und würden Transportmittel CO2-neutral produziert, wären die Freiheitseinbußen eines Verbots CO2-wirksamer Verkehrs-, Transport- und Produktionsvorgänge wesentlich geringer als ohne eine solche Alternative. Bis der technische Fortschritt und sonstige Entwicklungen es erlauben, CO2-intensive Prozesse und Produkte weitgehend zu ersetzen oder zu vermeiden, vergeht jedoch Zeit, zumal es der umfassenden Implementierung solcher Innovationen in nahezu sämtlichen Wirtschaftsabläufen und Praktiken der Lebensführung bedarf. In Anbetracht des Ausmaßes der erforderlichen soziotechnischen Transformation werden längere Umbau- und Ausstiegspfade für nötig gehalten (SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 51 ff. Rn. 33). Die Freiheitseinschränkungen fallen darum milder aus, je mehr Zeit für eine solche Umstellung auf CO2-freie Alternativen bleibt, je früher diese initiiert wird und je weiter das allgemeine CO2-Emissionsniveau bereits gesenkt ist. Muss sich eine von CO2-intensiver Lebensweise geprägte Gesellschaft hingegen in kürzester Zeit auf klimaneutrales Verhalten umstellen, dürften die Freiheitsbeschränkungen enorm sein (vgl. Groß, ZUR 2009, 364 <367>; siehe auch Bundesregierung, Denkschrift zum Übereinkommen von Paris vom 12. Dezember 2015, BTDrucks 18/9650, S. 30 Rn. 8; IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 22 Rn. D.1.3; Franzius, EnWZ 2019, 435 <435, 440>; Winter, ZUR 2019, 259 <264>; ähnlich Hoge Raad der Niederlande, Urteil vom 20. Dezember 2019, 19/00135, Ziffer 7.4.3).

(3) Jeder konkrete Verbrauch verbleibender CO2-Mengen verringert das Restbudget und die Möglichkeiten weiteren CO2-relevanten Freiheitsgebrauchs und verkürzt zugleich die Zeit für die Initiierung und Realisierung soziotechnischer Transformation. Es erscheint jedenfalls möglich, dass die Grundrechte des Grundgesetzes als intertemporale Freiheitssicherung vor Regelungen schützen, die solchen Verbrauch zulassen, ohne dabei hinreichend Rücksicht auf die hierdurch gefährdete künftige Freiheit zu nehmen (vgl. zu subjektiven Rechten im Zusammenhang mit über die Zeit und Generationen zu verteilender Freiheit auch BVerfGE 129, 124 <170>; 132, 195 <242 Rn. 112; 246 f. Rn. 124>; 135, 317 <401 Rn. 163 f.>; 142, 123 <231 Rn. 213> ‒ zu Art. 38 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG).

bb) Hier könnte künftige Freiheit nach 2030 konkret dadurch beeinträchtigt werden, dass, wie die Beschwerdeführenden geltend machen, die im Klimaschutzgesetz zugelassenen CO2-Emissionsmengen bis 2030 zu großzügig bemessen sind; es könnte an hinreichenden Vorkehrungen zur Schonung künftiger Freiheit fehlen. § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 regeln, welche CO2-Emissionsmenge bis 2030 zugelassen ist, und bestimmen damit zugleich, wieviel vom CO2-Restbudget verbraucht werden darf. Sie sind damit Ursache der hier in Betracht gezogenen Grundrechtsbeeinträchtigung und können auch in dieser Hinsicht die Verfassungsbeschwerdebefugnis begründen.

So legt § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 nach Jahren gestaffelt die Gesamtmenge der bis 2030 zugelassenen Treibhausgasemissionen fest. Die Jahresemissionsmengen in Anlage 2 sind auf die verschiedenen Treibhausgase bezogen, können aber in CO2-Mengen umgerechnet werden. Daraus lässt sich annäherungsweise ableiten, welcher Teil vom CO2-Restbudget bis 2030 aufgezehrt wird. Die Angaben erlauben zwar keine vollständige Bestimmung des bis 2030 zugelassenen Verzehrs. Zum einen sind sie insofern unvollständig, als für den Sektor Energiewirtschaft Angaben nur für drei von elf Jahren gemacht sind; § 4 Abs. 1 Satz 4 KSG gibt freilich vor, dass die Emissionen im Energiesektor möglichst stetig sinken sollen. Zum anderen sind in der Aufstellung Treibhausgasemissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft und die Deutschland zuzurechnenden Emissionen des internationalen Luft- und Seeverkehrs nicht enthalten (vgl. BTDrucks 19/14337, S. 26 f.). Für eine letztlich ohnehin nur grob mögliche Einschätzung, wieviel vom Restbudget verbleibt, bietet dies jedoch eine ausreichende Grundlage.

Auch der mit den Verfassungsbeschwerden angegriffene § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG bestimmt darüber mit, wieviel vom CO2-Restbudget verbraucht werden darf. Zwar legt § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG nicht unmittelbar fest, welche Emissionsmenge bis zum Zieljahr 2030 zugelassen ist, sondern regelt lediglich eine Minderungsquote von 55 % im Vergleich zum Jahr 1990. Damit ist nicht direkt bestimmt, welche Mengen bis 2030 in den einzelnen Jahren emittiert werden dürfen. Die Minderungsquote für ein Zieljahr besitzt für sich genommen geringe Aussagekraft über die Gesamtmenge der bis dahin emittierten Treibhausgase (SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 42 Rn. 12). Der verbleibende Spielraum ist jedoch gering. Denn § 3 Abs. 1 Satz 1 KSG regelt, dass die Treibhausgasemissionen schrittweise gemindert werden müssen; danach ist (von jahresübergreifenden Verrechnungsmöglichkeiten abgesehen, § 4 Abs. 3 Satz 1 KSG) rechtlich ausgeschlossen, dass die Emissionsmengen zwischenzeitlich noch einmal ansteigen. Es ist also eine kontinuierliche Minderung vorgegeben.

cc) (1) Die Verfassungsbeschwerden sind insoweit hinreichend begründet worden (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Die Beschwerdeführenden haben ausführlich dargelegt, dass nach den im Klimaschutzgesetz bis 2030 getroffenen Regelungen das ihrer Ansicht nach verbleibende Restbudget übermäßig aufgezehrt werde und daher anschließend außerordentliche Anstrengungen zur Reduktion von CO2-Emissionen erforderlich würden. Im Verfahren 1 BvR 96/20 wird ausgeführt, die notwendigen Einsparungs- und Anpassungsmaßnahmen stellten sich immer drastischer und zunehmend alternativlos dar, je länger der deutsche Gesetzgeber damit warte, hinreichende Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Angesichts der im Klimaschutzgesetz bis 2030 geregelten, relativ überschaubaren Reduzierungen könne eine Überschreitung des verbleibenden CO2-Budgets dann nur noch durch eine „fast schon als extrem“ zu bezeichnende „Vollbremsung“ der Emissionen verhindert werden. Im Verfahren 1 BvR 288/20 machen die Beschwerdeführenden ein Recht auf die Wahrung künftiger Entfaltungsfreiheit geltend und zielen damit ebenfalls ausdrücklich nicht allein auf die Sicherung ökologischer Mindestbedingungen. Zur Gefahr künftiger Freiheitsbeeinträchtigung legen die Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 2656/18 dar, mit der Verfehlung der Zielvorgaben für 2020 stehe fest, dass zukünftig weit einschneidendere Maßnahmen mit wesentlich härteren Folgen für alle Betroffenen ergriffen werden müssten, um die versäumten Minderungsbemühungen wieder aufzuholen und zugleich die immer größeren Minderungsverpflichtungen zu erfüllen. Aufgrund der im Klimaschutzgesetz ihrer Ansicht nach unzureichend geregelten Klimaschutzziele müssten die Emissionsminderungsziele für den Zeitraum nach 2030 wesentlich ambitionierter sein und fielen die davon abgeleiteten Maßnahmen für die Freiheit der Grundrechtsträger wesentlich einschneidender aus. Es liege auf der Hand, dass die für die Minderung erforderlichen Maßnahmen weitreichende Auswirkungen auf den Freiheitsbereich der Grundrechtsträger hätten. Die Festlegung der national zulässigen Gesamtemissionen berühre alle Lebensbereiche der Grundrechtsträger.

(2) Die Beschwerdeführenden stützen ihr Begehren im Schwerpunkt auf grundrechtliche Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG, auf ein „Recht auf menschenwürdige Zukunft“ und ein Grundrecht auf das „ökologische Existenzminimum“. Daraus ergibt sich ihrer Ansicht nach der Schutz gegen die als zu großzügig angesehenen Emissionsregelungen in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2. Zwar wird lediglich im Verfahren 1 BvR 2656/18 die Belastung durch künftige Minderungsmaßnahmen ausdrücklich unter dem Gesichtspunkt der Freiheitsrechte im Allgemeinen angesprochen. Innerhalb des Streitgegenstandes prüft das Bundesverfassungsgericht jedoch alle insoweit in Betracht zu ziehenden Grundrechte (vgl. BVerfGE 147, 364 <378 Rn. 36> m.w.N.; 148, 267 <278 Rn. 27>). Danach ist die Vereinbarkeit der angegriffenen Vorschriften mit den Freiheitsrechten hier in allen Verfahren in die Prüfung einzubeziehen.

(3) Nicht ausreichend begründet ist insoweit allerdings die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zu 12) und 13) im Verfahren 1 BvR 2656/18. Dass sie durch Restriktionen CO2-wirksamen Verhaltens ähnlich umfassende Freiheitseinbußen erleiden könnten wie natürliche Personen, liegt nicht auf der Hand und ist nicht näher dargelegt. Der abstrakte Verweis auf die Eigentums- und Berufsfreiheit juristischer Personen ohne konkrete Darlegung, welche Freiheitsbeeinträchtigungen sie als Umweltvereinigungen erwarten müssten, reicht insoweit nicht aus.

b) Durch § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 sind die Beschwerdeführenden gegenwärtig, selbst und unmittelbar in ihren Freiheitsrechten betroffen.

aa) Die beschriebene Gefahr künftiger Freiheitsbeschränkungen begründet gegenwärtig eine Grundrechtsbetroffenheit, weil diese Gefahr im aktuellen Recht angelegt ist. Freiheitsausübungen, die direkt oder indirekt mit CO2-Emissionen verbunden sind, sind nach 2030 gerade dadurch bedroht, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 Treibhausgasemissionen bis 2030 in einem möglicherweise zu hohen Umfang zulassen. Soweit damit das CO2-Restbudget aufgezehrt wird, ist dies unumkehrbar, weil CO2-Emissionen der Erdatmosphäre nach heutigem Stand nicht in großem Umfang wieder entnommen werden können. Da eine damit heute möglicherweise unumkehrbar in Gang gesetzte Grundrechtsbeeinträchtigung mit einer späteren Verfassungsbeschwerde gegen dann erfolgende Freiheitsbeschränkungen nicht mehr ohne Weiteres erfolgreich angegriffen werden könnte, sind die Beschwerdeführenden jetzt schon beschwerdebefugt (vgl. dazu BVerfGE 140, 42 <58 Rn. 59> m.w.N.; stRspr).

bb) Die Beschwerdeführenden sind in ihrer eigenen Freiheit betroffen. Sie können die nach 2030 erforderlichen Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen selbst noch erleben. Dass die Restriktionen praktisch jede dann in Deutschland lebende Person betreffen werden, steht der eigenen Betroffenheit auch hier nicht entgegen (oben Rn. 110).

Etwas anderes gilt für die in Bangladesch und in Nepal lebenden Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 78/20. Diese sind insoweit nicht selbst betroffen. Eine Verletzung in Freiheitsrechten, die daraus resultieren könnte, dass die Beschwerdeführenden eines Tages sehr belastenden Klimaschutzmaßnahmen ausgesetzt wären, weil der deutsche Gesetzgeber Treibhausgasemissionen gegenwärtig in zu großen Mengen zuließe und darum künftig in Deutschland umso schärfere Maßnahmen ergreifen müsste, scheidet insoweit von vornherein aus. Die Beschwerdeführenden leben in Bangladesch und Nepal und sind diesen Maßnahmen nicht unterworfen.

cc) Die anderen Beschwerdeführenden sind auch unmittelbar betroffen. Das ist der Fall, wenn die Einwirkung auf die Rechtsstellung nicht erst vermittels eines weiteren Akts bewirkt wird oder vom Ergehen eines solchen Akts abhängig ist (vgl. BVerfGE 140, 42 <58 Rn. 60>). Hier droht die eigentliche Grundrechtsbeeinträchtigung zwar erst infolge zukünftiger Regelungen (oben Rn. 120). Weil sie jedoch im jetzigen Recht unumkehrbar angelegt ist, ist die Unmittelbarkeit der Betroffenheit heute zu bejahen.

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden steht nicht entgegen, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 lediglich das Minderungsziel und die Jahresemissionsmengen festlegen. Aus welchen CO2-relevanten Entscheidungen und Vorgängen dieser bis 2030 insgesamt zugelassene Verbrauch des CO2-Restbudgets im Einzelnen resultiert, ist dort nicht geregelt. Dass die Beschwerdeführenden die Effekte CO2-relevanter Maßnahmen und Vorgänge jeweils einzeln ermitteln und dagegen jeweils einzeln vorgehen, ist indessen nicht erforderlich. Hier muss sich der Gesetzgeber vielmehr an seiner mit dem Klimaschutzgesetz gewählten rahmenhaften Gesamtregelung festhalten lassen, zumal es gerade das Ziel einer solchen Rahmenregelung war, Vorhersehbarkeit und insgesamt Verbindlichkeit herzustellen (vgl. BTDrucks 19/14337, S. 17).

5. Soweit der Beschwerdeführer zu 9) im Verfahren 1 BvR 2656/18 eine Verletzung in der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, weil ihm eine klima- und umweltschonende Lebensweise verwehrt werde, hat er dies nicht hinreichend begründet (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG).

6. Die Umweltverbände, die als Beschwerdeführer zu 12) und 13) im Verfahren 1 BvR 2656/18 auftreten, machen aufgrund von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 und Art. 20a GG im Lichte des Art. 47 GRCh als „Anwälte der Natur“ geltend, der Gesetzgeber habe keine geeigneten Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels ergriffen und hierdurch verbindliche unionsrechtliche Vorgaben zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen missachtet. Eine solche Beschwerdebefugnis sehen das Grundgesetz und das Verfassungsprozessrecht für die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht vor. Obwohl auf der Hand liegt, dass der in Art. 20a GG erteilte Umweltschutzauftrag des Grundgesetzes größere Wirkung entfalten könnte, wenn seine Durchsetzung durch die Möglichkeit verfassungsgerichtlichen Individualrechtsschutzes gestärkt wäre, hat der verfassungsändernde Gesetzgeber diese nicht geschaffen (oben Rn. 112).

Eine andere Interpretation ist hier auch nicht wegen Art. 47 GRCh möglich oder geboten. Es kann dahinstehen, wie weit die Bedeutung von Art. 47 GRCh im hier nicht vollständig unionsrechtlich determinierten Bereich überhaupt reichen könnte. Dass Umweltverbänden wegen des geltend gemachten Verstoßes gegen die Lastenteilungsentscheidung gerade die Möglichkeit eröffnet werden müsste, selbst Verfassungsbeschwerde erheben zu können, ist jedenfalls nicht erkennbar. Davon abgesehen ist zweifelhaft, ob der in der Sache gerügte Verstoß gegen die Lastenteilungsentscheidung überhaupt eingetreten ist. Deutschland könnte die Verpflichtung, Treibhausgasemissionen in den dort geregelten Bereichen bis 2020 im Vergleich zum Jahr 2005 um 14 % zu reduzieren, erfüllt haben. Zwar ging der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes selbst davon aus, dass diese Verpflichtung nicht eingehalten würde (vgl. BTDrucks 19/14337, S. 1 und 17). Infolge der Corona-Pandemie sind die Treibhausgasemissionen Deutschlands im Jahr 2020 jedoch erheblich zurückgegangen; sie lagen insgesamt um mehr als 40 % unter den Emissionen des Referenzjahres 1990 (Agora Energiewende, Die Energiewende im Corona-Jahr: Stand der Dinge 2020, 2021, S. 31). Damit dürfte das Ziel Deutschlands für 2020, seine Treibhausgasemissionen bis dahin insgesamt um 40 % gegenüber 1990 zu reduzieren, jedenfalls kurzzeitig erreicht sein.

III.

Die Verfassungsbeschwerden genügen den Anforderungen an die Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 BVerfGG), soweit sie sich gegen gesetzliche Regelungen richten. Ein Rechtsweg unmittelbar gegen die angegriffenen gesetzlichen Bestimmungen existiert nicht. Soweit die Verfassungsbeschwerden darauf gerichtet sind, der Bundesregierung Handlungen aufzugeben, sind sie nur zulässig, sofern die Bundesregierung als an der Gesetzgebung beteiligtes Organ angesprochen ist. Sollten hingegen darüber hinaus eigenständige Handlungen der Bundesregierung verlangt sein, wäre der Rechtsweg nicht erschöpft, weil insoweit grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (vgl. nur VG Berlin, Urteil vom 31. Oktober 2019 - 10 K 412.18 -, Rn. 46 ff.).

IV.

Soweit die Verfassungsbeschwerden gegen gesetzliche Regelungen gerichtet sind, hätten die Beschwerdeführenden nicht aus Gründen der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde im weiteren Sinne versuchen müssen, vor den Fach-gerichten Rechtsschutz zu erlangen. Die Anforderungen dieses in § 90 Abs. 2 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatzes beschränken sich zwar nicht darauf, nur die zur Erreichung des unmittelbaren Prozessziels förmlich eröffneten Rechtsmittel zu ergreifen, sondern verlangen, alle Mittel zu ergreifen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können. Damit soll erreicht werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht auf ungesicherter Tatsachen- und Rechtsgrundlage weitreichende Entscheidungen treffen muss, sondern zunächst die für die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts primär zuständigen Fachgerichte die Sach- und Rechtslage vor einer Anrufung des Bundesverfassungsgerichts aufgearbeitet haben (BVerfGE 150, 309 <326 Rn. 42>).

Für die Beschwerdeführenden besteht hier jedoch keine zumutbare fachgerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit. Eine gegen die angegriffenen Regelungen gerichtete Feststellungsklage vor den Verwaltungsgerichten dürfte hier nicht eröffnet sein (vgl. dazu BVerwGE 136, 54 <58 ff.>). Die Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes ist im Übrigen auch dann nicht geboten, wenn von der vorherigen Durchführung eines Gerichtsverfahrens weder die Klärung von Tatsachen noch die Klärung von einfachrechtlichen Fragen zu erwarten ist, auf die das Bundesverfassungsgericht bei der Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen angewiesen wäre, sondern deren Beantwortung allein von der Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe abhängt (vgl. BVerfGE 88, 384 <400>; 91, 294 <306>; 98, 218 <244>; 143, 246 <322 Rn. 211>; 150, 309 <326 f. Rn. 44>; 155, 238 <267 Rn. 67>; stRspr). Auch danach war eine Anrufung der Fachgerichte nicht erforderlich, weil hiervon keine Vertiefung oder Verbreiterung des tatsächlichen und rechtlichen Materials zu erwarten wäre. Insbesondere sind keine Fragen der Auslegung einfachen Rechts entscheidungserheblich.

V.

Der unionsrechtliche Hintergrund des Klimaschutzgesetzes steht der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden nicht entgegen. Die angegriffenen Vorschriften sind nicht vollständig unionsrechtlich determiniert. Zwar könnte das Klimaschutzgesetz teilweise gleichwohl als Durchführung von Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh anzusehen sein. Der Gesetzgeber ging davon aus, mit dem Klimaschutzgesetz den Rahmen zur Umsetzung der Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus der Klimaschutzverordnung zu schaffen (vgl. BTDrucks 19/14337). Dies schließt jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 152, 152 <168 Rn. 39> m.w.N. ‒ Recht auf Vergessen I) und des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg, C-617/10, EU:C:2013:105, Rn. 29) eine Überprüfung am Maßstab des Grundgesetzes nicht aus.


C.


Die Verfassungsbeschwerden haben teilweise Erfolg. Zwar kann nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber seine aus den Grundrechten folgenden Schutzpflichten verletzt hat, die Beschwerdeführenden vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen (I und II). Ein Verstoß gegen Grundrechte liegt jedoch vor, weil es infolge der Emissionsmengen, die das Klimaschutzgesetz für den aktuellen Zeitraum zulässt, in späteren Zeiträumen zu hohen Emissionsminderungslasten kommen kann (III); insoweit verletzen § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 die Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 und die Beschwerdeführenden zu 1) bis 11) in dem Verfahren 1 BvR 2656/18 in ihren Grundrechten. Allerdings ist diese Gefährdung der Freiheitsrechte nicht bereits wegen einer Verletzung objektiven Verfassungsrechts verfassungswidrig; ein Verstoß gegen Art. 20a GG kann im Ergebnis nicht festgestellt werden (III 2 a). Jedoch fehlt es an den hier grundrechtlich zur Freiheitssicherung über Zeit und Generationen hinweg gebotenen Vorkehrungen zur Abmilderung der hohen Emissionsminderungslasten, die der Gesetzgeber mit den angegriffenen Vorschriften auf Zeiträume nach 2030 verschoben hat und die er dann wegen Art. 20a GG und wegen des grundrechtlich gebotenen Schutzes vor klimawandelbedingten Schädigungen (auch) den Beschwerdeführenden wird auferlegen müssen (III 2 b).

I.

Gegenüber den in Deutschland lebenden Beschwerdeführenden bestehen wegen der Gefahren des Klimawandels Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und aus Art. 14 Abs. 1 GG (siehe zu den in Bangladesch und in Nepal lebenden Beschwerdeführenden unten Rn. 173 ff.). Dass diese Schutzpflichten verletzt sind, kann jedoch nicht festgestellt werden.

1. a) Der Staat ist durch das Grundrecht auf den Schutz von Leben und Gesundheit in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zum Schutz vor den Gefahren des Klimawandels verpflichtet. Er muss dem erheblichen Gefahrenpotenzial des Klimawandels durch Maßnahmen begegnen, die in internationaler Einbindung dazu beitragen, die menschengemachte Erwärmung der Erde anzuhalten und den daraus resultierenden Klimawandel zu begrenzen. Ergänzend sind positive Schutzmaßnahmen (sogenannte Anpassungsmaßnahmen) erforderlich, die die Folgen des Klimawandels lindern.

aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG enthält eine allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Das Grundrecht schützt nicht nur als subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Es schließt auch die staatliche Pflicht ein, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 142, 313 <337 Rn. 69> m.w.N.; stRspr). Die aus der objektiven Funktion des Grundrechts abgeleiteten Schutzpflichten sind grundsätzlich Teil der subjektiven Grundrechtsberechtigung. Werden Schutzpflichten verletzt, so liegt darin zugleich eine Verletzung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, gegen die sich Betroffene mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen können (vgl. BVerfGE 77, 170 <214>; stRspr).

Die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG greift nicht erst dann ein, wenn Verletzungen bereits eingetreten sind, sondern ist auch in die Zukunft gerichtet (vgl. BVerfGE 49, 89 <140 ff.>; 53, 30 <57>; 56, 54 <78>; 121, 317 <356>). Die Pflicht zum Schutz vor Lebens- und Gesundheitsgefahren kann eine Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen (vgl. H. Hofmann, ZRP 1986, 87 <88>; Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, 2005, S. 116 ff. m.w.N.; Kleiber, Der grundrechtliche Schutz künftiger Generationen, 2014, S. 283 ff.; Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 202). Das gilt erst recht, wenn unumkehrbare Entwicklungen in Rede stehen. Diese intergenerationelle Schutzverpflichtung ist allerdings allein objektivrechtlicher Natur, weil künftige Generationen weder in ihrer Gesamtheit noch als Summe der einzelnen erst künftig lebenden Menschen aktuell grundrechtsfähig sind (oben Rn. 109; vgl. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 119 f.; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 95).

bb) Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen und insbesondere vor Schädigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen (vgl. BVerfGE 49, 89 <140 f.>; stRspr; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, S. 51 f.). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergeben sich auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention positive Verpflichtungen des Staates zum Schutz vor lebens- und gesundheitsgefährdenden Umweltbeeinträchtigungen (vgl. zu Art. 2 EMRK etwa EGMR, Öneryildiz v. Turkey, Urteil vom 30. November 2004, Nr. 48939/99, Rn. 89 ff.; EGMR, Budayeva and Others v. Russia, Urteil vom 20. März 2008, Nr. 15339/02 u.a., Rn. 128 ff.; zu Art. 8 EMRK etwa EGMR, Cordella et Autres c. Italie, Urteil vom 24. Januar 2019, Nr. 54414/13 und 54264/15, Rn. 157 ff. m.w.N.; vgl. dazu Vöneky/Beck, in: Proelß , Internationales Umweltrecht, 2017, 133 <146 ff.>; Hänni, EuGRZ 2019, 1 <7 ff.> m.w.N.; Groß, in: Kahl/Weller , Climate Change Litigation, 2021, 81 <85 ff.> m.w.N.). Daraus folgt jedoch, soweit erkennbar, kein weitergehender als der nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotene Schutz.

Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen (vgl. auch VG Berlin, Urteil vom 31. Oktober 2019 - 10 K 412.18 - Rn. 70; Groß, EurUP 2019, 353 <361>; Bickenbach, JZ 2020, 168 <170 f.>; Meyer, NJW 2020, 894 <897>; Buser, DVBl 2020, 1389 <1390>; Spieth/Hellermann, NVwZ 2020, 1405 <1406 f.>; Stürmlinger, EurUP 2020, 169 <176>; Kahl, JURA 2021, 117 <126>). Angesichts der großen Gefahren, die ein immer weiter voranschreitender Klimawandel auch für die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtsgüter etwa durch Hitzewellen, Überschwemmungen oder Wirbelstürme mit sich bringen kann (oben Rn. 22 ff.), ist der Staat hierzu sowohl den heute lebenden Menschen als auch objektivrechtlich im Hinblick auf künftige Generationen verpflichtet.

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet einerseits zum Schutz durch Maßnahmen, die dazu beitragen, die anthropogene Erderwärmung und den damit verbundenen Klimawandel zu begrenzen (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 lit. a PA). Dass der deutsche Staat diesen Klimawandel wegen der globalen Wirkung und des globalen Charakters seiner Ursachen nicht allein, sondern nur in internationaler Einbindung anhalten kann, steht der Annahme der grundrechtlichen Schutzpflicht nicht prinzipiell entgegen (vgl. Groß, NVwZ 2020, 337 <340 f.>; Meyer, NJW 2020, 894 <899>; Kahl, JURA 2021, 117 <127 f.>). Die globale Dimension hat allerdings für den Inhalt der auf den Klimawandel bezogenen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Bedeutung. So muss der Staat eine Lösung des Klimaschutzproblems auch auf internationaler Ebene suchen. Soweit die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gegen Gefahren des Klimawandels gerichtet ist, verlangt sie ein international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet, im Rahmen internationaler Abstimmung (zum Beispiel durch Verhandlungen, in Verträgen oder in Organisationen) auf Klimaschutzaktivitäten hinzuwirken, in die eingebettet dann nationale Maßnahmen ihren Beitrag zum Stopp des Klimawandels leisten (näher unten Rn. 200 f. zu Art. 20a GG).

Andererseits verpflichtet Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG den Staat auch, soweit der Klimawandel nicht aufgehalten werden kann oder bereits eingetreten ist, den Gefahren durch positive Schutzmaßnahmen (sogenannte Anpassungsmaßnahmen, näher unten Rn. 164) zu begegnen. Diese sind ergänzend erforderlich, um die Gefahren durch die tatsächlich eintretenden Folgen des Klimawandels auf ein verfassungsrechtVerletzungb PA).

b) Dass die grundrechtliche Schutzpflicht durch die von den Beschwerdeführenden als unzureichend beanstandeten Regelungen verletzt ist, lässt sich derzeit nicht feststellen.

aa) Ob ausreichende Maßnahmen getroffen sind, um grundrechtliche Schutzpflichten zu erfüllen, ist verfassungsgerichtlich nur begrenzt überprüfbar (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 f.>; 79, 174 <202>; stRspr). Die aus den Grundrechten folgenden subjektiven Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe einerseits und die sich aus der objektiven Bedeutung der Grundrechte ergebenden Schutzpflichten andererseits unterscheiden sich insofern grundlegend voneinander, als das Abwehrrecht in Zielsetzung und Inhalt ein bestimmtes staatliches Verhalten verbietet, während die Schutzpflicht grundsätzlich unbestimmt ist. Die Entscheidung, in welcher Weise Gefahren entgegengewirkt werden soll, die Aufstellung eines Schutzkonzepts und dessen normative Umsetzung sind Sache des Gesetzgebers, dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, wenn er dem Grunde nach verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen (vgl. BVerfGE 96, 56 <64>; 121, 317 <356>; 133, 59 <76 Rn. 45>; 142, 313 <337 Rn. 70>; stRspr). Damit liegt, wenn eine Schutzpflicht dem Grunde nach besteht, die Frage der Wirksamkeit staatlicher Schutzmaßnahmen allerdings nicht außerhalb verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Das Bundesverfassungsgericht stellt die Verletzung einer Schutzpflicht dann fest, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 142, 313 <337 f. Rn. 70> m.w.N.; stRspr).

bb) Dies ist hier im Ergebnis nicht der Fall.

(1) Der deutsche Gesetzgeber hat Schutzvorkehrungen getroffen, die auch nicht offensichtlich ungeeignet sind. Der Gesetzgeber hat nicht zuletzt mit den hier angegriffenen Bestimmungen des Klimaschutzgesetzes Anstrengungen unternommen, zur Begrenzung des Klimawandels beizutragen. Die getroffenen Regelungen sind nicht offensichtlich ungeeignet, die Schutzgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu schützen.

Ungeeignet wäre allerdings ein Schutzkonzept, das zwar auf eine Reduktion der Treibhausgasemissionen gerichtet wäre, ohne dabei aber das Ziel der Klimaneutralität (vgl. § 2 Nr. 9 KSG) zu verfolgen. Erst wenn Treibhausgasemissionen auf ein klimaneutrales Niveau beschränkt werden, kann die Erderwärmung aufgehalten werden (oben Rn. 32). Dem verschließt sich das Klimaschutzgesetz jedoch nicht. Das Bekenntnis, Treibhausgasneutralität bis 2050 zu verfolgen, ist seine Grundlage (§ 1 Satz 3 KSG); die für das Zieljahr 2030 vorgegebene Minderungsquote von mindestens 55 % im Vergleich zum Jahr 1990 (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KSG) ist erkennbar ein bloßes Zwischenziel auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Allerdings wären das auf ein bestimmtes Zieljahr ausgerichtete Neutralitätsziel wie auch das in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG formulierte Minderungsziel für sich genommen nicht geeignet, eine bestimmte Temperaturschwelle zu wahren. Denn damit wäre nicht festgelegt, wieviel Treibhausgas in der Zwischenzeit emittiert werden darf (oben Rn. 125). Erderwärmung und Klimawandel hängen in ihrem Ausmaß aber vom Gesamtvolumen des in der Erdatmosphäre verbleibenden Treibhausgases ab. Das Klimaschutzgesetz regelt indessen mehr als eine auf ein bestimmtes Zieljahr ausgerichtete Minderungsquote und Klimaneutralitätsmaß-gabe. § 3 Abs. 1 Satz 1 KSG bestimmt, dass die Treibhausgasemissionen schrittweise gemindert werden müssen. Die Maßgabe kontinuierlicher Minderung ist nicht etwa bis zu einem bestimmten Zieljahr beschränkt, sondern gilt so lange, bis Treibhausgasneutralität erreicht ist. Zudem beziffert und begrenzt § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 in exakten, wenn auch nicht sämtliche Treibhausgasemissionen erfassenden Zahlen, die bis 2030 in Deutschland zulässige Emissionsmenge. Die Jahresemissionsmengen für Zeiträume ab 2031 werden zwar erst später fortgeschrieben (§ 4 Abs. 1 Satz 5, Abs. 6 KSG), müssen aber nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KSG ebenfalls weiter sinken. Diese Regelungstechnik ist prinzipiell geeignet, eine bestimmte Temperaturschwelle zu wahren und entsprechend vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen.

(2) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der durch den Gesetzgeber vorgesehene Schutz völlig unzulänglich wäre, das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotene Schutzziel zu erreichen. Völlig unzulänglich wäre es, dem Klimawandel freien Lauf zu lassen und den grundrechtlichen Schutzauftrag allein durch Anpassungsmaßnahmen (oben Rn. 34) umzusetzen (vgl. Rechtbank Den Haag, Urteil vom 24. Juni 2015, C/09/456689 / HA ZA 13-1396, Rn. 4.75.; Hoge Raad der Niederlande, Urteil vom 20. Dezember 2019, 19/00135, Rn. 7.5.2). Allein durch Anpassungsmaßnahmen ließen sich Lebens- und Gesundheitsgefahren auch in Deutschland nicht dauerhaft hinreichend begrenzen (vgl. Groß, NVwZ 2020, 337 <341>; Kahl, JURA 2021, 117 <128>). Der Gesetzgeber muss Leben und Gesundheit also insbesondere durch Beiträge zur Bekämpfung des Klimawandels schützen. Dies tut er mit dem Klimaschutzgesetz und in anderen Gesetzen, durch die der Ausstoß von Treibhausgasemissionen beschränkt wird.

(3) Im Ergebnis lässt sich auch nicht feststellen, dass die angegriffenen Regelungen erheblich hinter dem durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotenen Schutz von Leben und Gesundheit zurückblieben. Die Beschwerdeführenden halten allerdings schon das Klimaschutzziel des Pariser Übereinkommens, das in § 1 Satz 3 KSG auch dem Klimaschutzgesetz zugrunde gelegt ist, für unzureichend (a). Zudem sind sie der Ansicht, dass die im Klimaschutzgesetz geregelten Reduktionsmaßgaben nicht einmal geeignet seien, dieses Ziel einzuhalten (b), und beanstanden, dass die konkret ergriffenen Klimaschutzmaßnahmen selbst zur Erfüllung der im Klimaschutzgesetz geregelten Reduktionsmaßgaben nicht ausreichten (c).

(a) Nach § 1 Satz 3 KSG liegt dem Klimaschutzgesetz die Verpflichtung nach dem Pariser Übereinkommen zugrunde, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen („Paris-Ziel“). Die Beschwerdeführenden machen indessen geltend, dass die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht nur erfüllt werden könne, wenn das Ziel verfolgt werde, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 °C zu begrenzen. Dass eine durchschnittliche Erderwärmung um mehr als 1,5 °C erhebliche Klimafolgen hätte, entspricht verbreiteter Einschätzung (vgl. nur BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2019, S. 10). Diese ist insbesondere auf den IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C von 2018 gestützt (IPCC, Special Report, Global Warming of 1.5 °C, 2018; siehe auch IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018).

Zwar findet sich in dem Sonderbericht nicht die Aussage, die Erwärmung müsse auf 1,5 °C begrenzt werden. Tatsächlich könnte eine solche Feststellung gar nicht als naturwissenschaftliche Aussage getroffen werden, weil die Entscheidung, welche Klimaerwärmung hingenommen werden soll und darf, normativer Art ist und eine Wertung verlangt. Der Sonderbericht enthält vielmehr einen Vergleich der Folgen eines Erderwärmungsszenarios um 1,5 °C und eines Erwärmungsszenarios um 2 °C. Zusammenfassend stellt der Bericht fest, dass die klimabedingten Risiken für natürliche und menschliche Systeme bei einer Erwärmung um 1,5 °C geringer sind als bei einer Erwärmung um 2 °C (IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, zusammenfassend S. 9, A.3). Dieser Vergleich belegt nicht die absolute Notwendigkeit, die Erderwärmung bei 1,5 °C anzuhalten.

Das 1,5 °C-Höchstziel ist jedoch vor allem deshalb in das Zentrum der Aufmerksamkeit gelangt, weil der Sonderbericht des IPCC auch erkennen lässt, dass mit dieser Begrenzung die Wahrscheinlichkeit erkennbar verringert wird, dass sogenannte Kipppunkte überschritten werden (vgl. dazu auch Hoge Raad der Niederlande, Urteil vom 20. Dezember 2019, 19/00135, Rn. 4.2, 4.4; Irischer Supreme Court, Urteil vom 31. Juli 2020, 205/19, Ziffer 3.7). Die Überschreitung von Kipppunkten ginge in ihren negativen Folgewirkungen für Menschen und Umwelt tatsächlich über die direkten Effekte des Temperaturanstiegs hinaus. Größere Subsysteme der Umwelt könnten sich hierdurch qualitativ verändern (oben Rn. 21). Insoweit hat der IPCC seine Risikoeinschätzung im Sonderbericht von 2018 verschärft. Wurde vor einigen Jahren im 5. Sachstandsbericht des IPCC das Risiko, Kipppunkte zu erreichen, bei einer Temperaturerhöhung von 1,6 °C noch als moderat und bei 4 °C als hoch eingeschätzt, geht der IPCC nunmehr bei einer globalen Erwärmung von 1 °C von einem moderaten und bei 2,5 °C von einem hohen Risiko aus (IPCC, Special Report, Global Warming of 1.5 °C, 2018, Chapter 3, S. 257 f., 3.5.2.5 ). Der IPCC bezieht etwa eine potenzielle zusätzliche Freisetzung von CO2 durch künftiges Tauen von Permafrost ein (IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 11, C.1.3). Vor allem die Instabilität mariner Eisschilde in der Antarktis und irreversible Verluste des Grönland-Eisschildes könnten einen Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter über einen Zeitraum von hunderten bis tausenden von Jahren zur Folge haben. Dies könnte bei einer globalen Erwärmung von ungefähr 1,5 °C bis 2 °C ausgelöst werden (IPCC, a.a.O., S. 11, B.2.2 ). Angesichts dieser Feststellungen würde eine Begrenzung der Erderwärmung bei 1,5 °C eine gewisse Sicherheitsmarge schaffen (vgl. Calliess, ZUR 2019, 385 ff.; Winter, ZUR 2019, 259 <264>; Meyer, NJW 2020, 894 <897 f.>).

Wenn der Gesetzgeber dem nationalen Klimaschutzrecht gleichwohl die Verständigung der Vertragsstaaten des Pariser Übereinkommens zugrunde gelegt hat, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C zu begrenzen, mag dies danach politisch als zu wenig ambitioniert beurteilt werden. Angesichts der erheblichen Unsicherheit, die der IPCC selbst durch die Angabe von Spannbreiten und Ungewissheiten dokumentiert hat, bleibt dem Gesetzgeber bei der Erfüllung seiner grundrechtlichen Schutzpflicht derzeit jedoch ein erheblicher Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfGE 49, 89 <131>; 83, 130 <141 f.>), zumal er die Erfordernisse des Gesundheitsschutzes auch mit entgegenstehenden Belangen in Einklang zu bringen hat (vgl. BVerfGE 88, 203 <254>).

Anders als die Beschwerdeführenden meinen, kann aktuell nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber diesen Spielraum mit der Zugrundelegung des Paris-Ziels überschritten hat. Die Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten lässt sich nicht unmittelbar aus normativen Annahmen und Feststellungen zum Klimaschutz ableiten. Klimaschutz und der Schutz der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Rechtsgüter menschlichen Lebens und körperlicher Unversehrtheit weisen zwar eine große Schnittmenge auf, sind aber nicht deckungsgleich; so können zur Bewahrung eines umwelt-, tier- und menschenfreundlichen Klimas Maßnahmen geboten sein, derer es allein um des Schutzes von Leben und Gesundheit der Menschen willen nicht bedürfte, und umgekehrt. Es ist eben nicht von vornherein auszuschließen, dass eine Temperaturschwelle von 1,5 °C zwar zur Begrenzung des Klimawandels angeraten erscheint, zum Schutz menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit aber doch schon das vom deutschen Gesetzgeber übernommene Paris-Ziel ausreicht, den Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen.

Unterschiede zwischen Klimaschutz- und Gesundheitsschutzerfordernissen können sich auch deshalb ergeben, weil sich die Gefahren des Klimawandels für Leben und Gesundheit der Menschen zu einem Teil durch Anpassungsmaßnahmen lindern lassen. Während der Klimawandel als solcher nicht durch Anpassungsmaßnahmen verhindert werden kann und insoweit alle Anstrengungen auf die Begrenzung der Erderwärmung zu richten sind, ist bei den Gefahren für Leben und Gesundheit prinzipiell ein ergänzender Schutz durch Anpassungsmaßnahmen möglich. Die deutsche Anpassungsstrategie beschreibt zahlreiche Maßnahmen unterschiedlichster Art, durch welche Auswirkungen des Klimawandels aufgefangen und schwere Folgen vermieden werden könnten (siehe dazu insbesondere Bundesregierung, Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2008; UBA, Monitoringbericht 2019 zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2019; Bundesregierung, Zweiter Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2020). So sollen etwa geeignete Architektur sowie Stadt- und Landschaftsplanung dazu beitragen, eine klimatisch bedingte Aufheizung der Städte zu lindern, und in Ballungszentren soll die Frischluftzufuhr über Frischluftkorridore erfolgen, zum Beispiel durch unverbaute Frischluftschneisen und extensive Grünanlagen als „Kälteinseln“ (Bundesregierung, Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2008, S. 19; UBA, a.a.O., S. 160 f.); gegen das zunehmende Hochwasserrisiko soll in Flussgebieten der Schutz durch passive Sicherungsmaßnahmen, vor allem durch Freihaltung von Bebauung, wie auch durch aktive Abflussregulierung verstärkt werden; die Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlung und Infrastruktur soll reduziert (UBA, a.a.O., S. 229) und auf Rückbau und Entsiegelung sowie Renaturierung und Aufforstung geeigneter Flächen soll hingewirkt werden (Bundesregierung, Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2008, S. 43). Schadensreiche Überschwemmungen im Zusammenhang mit Starkregenereignissen könnten durch einen Einbau von Rückstauklappen oder durch den Umbau der Kanalisation verringert werden (Bundesregierung, a.a.O., S. 23). So nimmt der Fortschrittsbericht der Bundesregierung im Ergebnis für die menschliche Gesundheit in Deutschland an, dass mit einer mittleren bis teilweise hohen Vulnerabilität in naher Zukunft eine mittlere bis hohe Anpassungskapazität einhergehe (Bundesregierung, Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2015, S. 55).

Wenn Regierung und Gesetzgeber danach davon ausgehen, dass bei einer Begrenzung des Anstiegs der Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C (§ 1 Satz 3 KSG) die Folgen des Klimawandels in Deutschland durch Anpassungsmaßnahmen so weit gelindert werden könnten, dass das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotene Schutzniveau gewahrt wird, überschreiten sie jedenfalls gegenwärtig nicht ihren durch die grundrechtliche Schutzpflicht belassenen Entscheidungsspielraum.

(b) Die Beschwerdeführenden beanstanden zudem, die in § 3 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 konkret geregelten Reduktionsvorgaben reichten schon nicht aus, um das aus ihrer Sicht unzulängliche, in § 1 Satz 3 KSG genannte Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen. Tatsächlich gibt es Anhaltspunkte dafür, dass nach dem im Klimaschutzgesetz bis 2030 geregelten Reduktionspfad eine Gesamtreduktion nicht mehr leistbar wäre, die einem deutschen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C entsprechen könnte, und dass etwa die einem 1,75 °C-Ziel entsprechende Gesamtreduktion überhaupt nur dann noch gelingen könnte, wenn nach 2030 außerordentlich belastende Reduktionsanstrengungen unternommen würden (näher unten Rn. 231 ff.). Die Einhaltung des einem 2 °C-Ziel entsprechenden Reduktionsbeitrags erschiene hingegen eher möglich. Das genügte allerdings nicht dem in § 1 Satz 3 KSG genannten Paris-Ziel von „deutlich unter 2 °C“. Die Genese der in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG bestimmten Minderungsquote deutet darauf hin, dass dieser Wert ursprünglich mit einer 2 °C-Zielsetzung verbunden war. Die Minderungsquote von 55 % hat die Bundesregierung bereits 2010 als das im Jahr 2030 zu erreichende Zwischenziel des bis 2050 reichenden Minderungspfads ausgewiesen (BMU/BMWi, Energiekonzept 2010 für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung, 2010, S. 5). Zu diesem Zeitpunkt strebte sie aber wohl lediglich an, eine durchschnittliche globale Erwärmung um mehr als 2 °C zu verhindern (BMU, Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, 2014, S. 7).

Der in § 3 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 geregelte Emissionsreduktionspfad wirft insofern die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot (Art. 20a GG) auf (unten Rn. 196 ff., 230 ff.). Auch ist die dann ab 2031 zu erbringende, möglicherweise sehr hohe Reduktionslast verfassungsrechtlich nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen (unten Rn. 243 ff.). Hinsichtlich der an dieser Stelle allein relevanten Schutzgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG lässt sich derzeit hingegen nicht feststellen, dass der Staat mit dem bis 2030 geregelten, möglicherweise noch an einem 2 °C-Ziel ausgerichteten Reduktionspfad seine Schutzpflicht verletzt hat. Dass die Gesundheitsfolgen einer Erderwärmung um 2 °C und des entsprechenden Klimawandels in Deutschland nicht durch ergänzende Anpassungsmaßnahmen verfassungsrechtlich hinreichend gelindert werden könnten, ist nicht zu erkennen (oben Rn. 163 ff.). Zwar könnte dem Gesundheitsschutzgebot durch Anpassungsmaßnahmen kaum Genüge getan werden, wenn der Gesetzgeber dem Klimawandel freien Lauf ließe (oben Rn. 157); das ist aber nicht der Fall. Solange der Gesetzgeber das in § 1 Satz 3 KSG gesetzte Ziel nicht aufgibt, zur Einhaltung des dort zugrunde gelegten Paris-Ziels in absehbarer Zeit Klimaneutralität zu erreichen, und er den dazu in § 3 Abs. 1 und in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 eingeschlagenen Reduktionspfad mit immer weiter steigenden Minderungsquoten (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 KSG) und mit jährlich weiter absinkenden Emissionsmengen (vgl. § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG) fortsetzt, ist aus heutiger Sicht nicht erkennbar, dass ein verfassungsrechtlich hinreichender Gesundheitsschutz nicht jedenfalls durch ergänzende Anpassungsmaßnahmen möglich wäre.

Darum lässt sich derzeit nicht feststellen, dass der Spielraum des Gesetzgebers zur Erfüllung seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch den in § 3 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 konkret geregelten Emissionsreduktionspfad überschritten ist. Über die Vereinbarkeit dieses Reduktionspfads mit dem Klimaschutzgebot (Art. 20a GG) und den weiteren Freiheitsrechten ist damit freilich noch nicht entschieden (unten Rn. 196 ff. und Rn. 243 ff.).

(c) Schließlich machen die Beschwerdeführenden geltend, dass die in Deutschland konkret ergriffenen Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen nicht einmal ausreichen, um den in § 3 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 vorgegebenen, aus ihrer Sicht ohnehin unzulänglichen Reduktionspfad einzuhalten. Darauf deuten auch wissenschaftliche Studien hin. Eine vom Umweltbundesamt in Auftrag gegebene Studie des Öko-Instituts gelangt zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen des aktuellen Klimaschutzprogramms bis 2030 im Vergleich zum Basisjahr 1990 lediglich eine Minderung von 51 % herbeiführten (UBA, Treibhausgasminderungswirkung des Klimaschutzprogramms 2030, 2020, S. 22). Eine vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Auftrag gegebene Studie geht von einer Minderung um 52,2 % gegenüber 1990 aus (Prognos, Energiewirtschaftliche Projektionen und Folgenabschätzungen 2030/2050, 2020, S. 68). Beides genügte dem in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG vorgegebenen Ziel einer Minderung um 55 % nicht vollständig.

Insofern steht der Feststellung einer Verletzung der Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG jedoch bereits entgegen, dass das konkrete nationale Klimaschutzinstrumentarium noch so fortentwickelt werden kann, dass das für 2030 geregelte Minderungsziel eingehalten wird. Reduktionsdefizite könnten innerhalb dieses Zeitraums noch kompensiert werden. § 4 Abs. 3 Satz 1 KSG sieht eine Nachholungspflicht bereits vor. Angesichts der in den Studien prognostizierten Verfehlung erscheint das nicht von vornherein unrealistisch. Im Übrigen gilt auch insofern, dass sich die Anforderungen des grundrechtlich gebotenen Gesundheitsschutzes nicht ohne Weiteres mit denen des verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebots aus Art. 20a GG oder mit den einfachrechtlichen Klimaschutzvorgaben decken.

2. a) Auch das Grundrecht auf Eigentum in Art. 14 Abs. 1 GG umfasst eine staatliche Schutzpflicht (vgl. BVerfGE 114, 1 <56>). Da infolge des Klimawandels auch in Deutschland Eigentum, insbesondere landwirtschaftlich genutzte Flächen und Immobilien, auf unterschiedliche Weise Schaden nehmen können, schließt Art. 14 Abs. 1 GG eine Schutzpflicht des Staates hinsichtlich der Eigentumsgefahren des Klimawandels ein. Von eigenem Gewicht ist dabei, dass bei einem ungehinderten Klimawandel auch in Deutschland etwa infolge von Überschwemmungen und des ansteigenden Meeresspiegels Häuser oder sogar ganze Siedlungsgebiete unbewohnbar werden könnten (oben Rn. 25). Mit dem Eigentum gingen so zugleich feste soziale Bindungen im örtlichen Umfeld verloren. Eine solche Verwurzelung zu berücksichtigen, gebietet Art. 14 Abs. 1 GG, der auch einen gewissen Schutz des zur „Heimat“ gewachsenen sozialen Umfelds gewährleistet (vgl. BVerfGE 134, 242 <331 f. Rn. 270>).

b) Es lässt sich jedoch derzeit nicht feststellen, dass die grundrechtliche Schutzpflicht durch die von den Beschwerdeführenden beanstandeten Regelungen verletzt ist. Auch insoweit liegt angesichts des Spielraums des Gesetzgebers bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten ein Verfassungsverstoß erst dann vor, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückblieben (vgl. BVerfGE 142, 313 <337 f. Rn. 70> m.w.N.; stRspr). Weiten Spielraum hat der Gesetzgeber insbesondere dabei, wie er die Belange der durch den Klimawandel gefährdeten Eigentümer und die einem strengeren Klimaschutz entgegenstehenden Belange zu einem angemessenen Ausgleich bringt. Es ist derzeit nicht erkennbar, dass dieser durch die angegriffenen Regelungen überschritten ist. Der Gesetzgeber lässt CO2-Emissionen nicht freien Lauf, sondern hat in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 einen Reduktionspfad angelegt, der mit weiter sinkenden Jahresemissionsmengen fortgeführt werden soll (§ 4 Abs. 1 Satz 5 KSG). Die in § 3 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis 2030 festgelegten Reduktionsvorgaben dürften zwar aus der ursprünglichen, im Vergleich zu § 1 Satz 3 KSG großzügigeren Zielsetzung hervorgegangen sein, die Erderwärmung auf 2 °C zu begrenzen (oben Rn. 166). Derzeit ist jedoch nicht absehbar, dass in Deutschland belegenes Eigentum mit dieser Zielsetzung so sehr gefährdet würde, dass dies nicht durch Schutzmaßnahmen in verfassungsrechtlich vertretbaren Maßen gehalten werden könnte.

II.

Die Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht gegenüber den in Bangladesch und in Nepal lebenden Beschwerdeführenden kann im Ergebnis nicht festgestellt werden.

1. Es erscheint prinzipiell denkbar, bedarf hier aber letztlich keiner Entscheidung, dass grundrechtliche Schutzpflichten den Staat auch gegenüber den in Bangladesch und in Nepal lebenden Beschwerdeführenden verpflichten, gegen Beeinträchtigungen durch den globalen Klimawandel vorzugehen. Die Beschwerdeführenden sind in ihrer Heimat den Folgen der durch weltweite Treibhausgasemissionen verursachten Erderwärmung in besonderem Maße ausgesetzt. Die weitere Erderwärmung ist wegen der globalen Wirkung von Treibhausgasen nur durch Klimaschutzanstrengungen aller Staaten anzuhalten. Es müssen dafür auch in Deutschland die Emissionen von Treibhausgasen auf ein klimaneutrales Maß reduziert werden. Die von Deutschland ausgehenden Treibhausgasemissionen betragen aktuell jährlich knapp 2 % der weltweiten Treibhausgasemissionen (BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2020, S. 12); diese zu beschränken, liegt in der Hand des deutschen Gesetzgebers.

Art. 1 Abs. 3 GG enthält keine Beschränkung der Grundrechtsbindung des deutschen Staates auf das Staatsgebiet, sondern begründet eine umfassende Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte des Grundgesetzes (BVerfGE 154, 152 <215 f. Rn. 88 f.> ‒ BND – Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung; vgl. bereits BVerfGE 6, 32 <44>; 6, 290 <295>; 57, 9 <23>; 100, 313 <363>). Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht auch festgestellt, dass sich die aus den Grundrechten konkret folgenden Schutzwirkungen einschließlich ihrer Reichweite im Ausland trotz der umfassenden Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte danach unterscheiden können, unter welchen Umständen sie zur Anwendung kommen. So kann zwischen verschiedenen Grundrechtsdimensionen, etwa der Wirkung der Grundrechte als Abwehrrechte, als Leistungsrechte, als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen oder als Grundlage von Schutzpflichten zu unterscheiden sein (vgl. BVerfGE 154, 152 <224 Rn. 104> ‒ BND – Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung). Unter welchen Umständen Grundrechte als Grundlage von Schutzpflichten gegenüber im Ausland lebenden Menschen zur Anwendung kommen, ist bislang nicht näher geklärt. Möglicher Anknüpfungspunkt einer grundrechtlichen Schutzverpflichtung wäre hier, dass die schweren Beeinträchtigungen, denen die Beschwerdeführenden wegen des Klimawandels (weiter) ausgesetzt sein könnten, zu einem, wenngleich geringen, Teil auch durch von Deutschland ausgehende Treibhausgasemissionen verursacht sind (zur Möglichkeit grenzüberschreitender Schutzpflichten insbesondere wegen grenzüberschreitender Umweltauswirkungen auch R. Hofmann, Grundrechte und grenzüberschreitende Sachverhalte, 1993, S. 343; Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2005, S. 288 m.w.N.; Badura, in: Merten/Papier, HGRe Bd. II, 2006, § 47 Rn. 15, 18, 20; Dederer, in: Isensee/Kirchhof, HStR XI, 3. Aufl. 2013, § 248 Rn. 86, 94 ff., 113 m.w.N.).

2. Eine Schutzpflicht gegenüber den in Bangladesch und in Nepal lebenden Beschwerdeführenden wäre hier jedenfalls nicht gleichen Inhalts wie gegenüber Menschen im Inland. Generell kann sich der Inhalt grundrechtlicher Schutzgebote gegenüber im Ausland lebenden Menschen von dem Gehalt des Grundrechtsschutzes gegenüber im Inland Lebenden unterscheiden; er bedarf unter Umständen der Modifikation und Differenzierung (vgl. BVerfGE 100, 313 <363> m.w.N.; 154, 152, 1. Leitsatz ‒ BND – Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung; Badura, in: Merten/Papier, HGRe Bd. II, 2006, § 47 Rn. 14; F. Becker, in: Isensee/Kirchhof, HStR XI, 3. Aufl. 2013, § 240 Rn. 109; Dreier, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 3 Rn. 45). So läge es hier, wenn die grundrechtlichen Schutzpflichten zugunsten der in Bangladesch und in Nepal Lebenden eingriffen.

Gegenüber den in Deutschland lebenden Menschen erfüllt der Staat seine Pflicht, deren Grundrechte vor Verletzungen durch Klimawandelfolgen zu schützen, auf zwei verschiedenen Wegen. Zum einen muss er Maßnahmen ergreifen, die dazu beitragen, die Erderwärmung aufzuhalten. Zum anderen kann er die Grundrechte schützen, indem er Anpassungsmaßnahmen ergreift, die zwar nicht den Klimawandel, wohl aber dessen negative Auswirkungen auf die Grundrechte der in Deutschland lebenden Menschen abmildern (oben Rn. 34, 164). Unbeschadet strengerer Klimaschutzverpflichtungen, die aus Art. 20a GG folgen können, ist die Ausgestaltung der grundrechtlichen Schutzpflichterfüllung eine politisch zu verantwortende Kombination aus Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen und Ergebnis einer Abwägung mit möglicherweise entgegenstehenden Belangen (vgl. BVerfGE 88, 203 <254>).

Im Ausland lebende Menschen könnte der deutsche Staat zwar ebenso wie die in Deutschland Lebenden dadurch vor den Folgen des Klimawandels schützen, dass er in Deutschland entstehende Treibhausgasemissionen reduziert. Dass er den globalen Klimawandel nicht allein, sondern wirksam erst in internationaler Einbindung anhalten kann, schlösse auch hier eine grundrechtliche Schutzpflicht nicht prinzipiell aus (oben Rn. 149). Allerdings stünden dem deutschen Staat darüber hinausgehende Schutzmöglichkeiten gegenüber im Ausland lebenden Menschen nicht in gleicher Weise zur Verfügung. In Ansehung der völkerrechtlichen Grenzen deutscher Hoheitsgewalt ist es dem deutschen Staat praktisch kaum möglich, im Ausland Anpassungsmaßnahmen zum Schutz der dort lebenden Menschen zu treffen (vgl. Dederer, in: Isensee/Kirchhof, HStR XI, 3. Aufl. 2013, § 248 Rn. 107 m.w.N.; Sachs, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Vorbem. Art. 1 Rn. 20; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 18; siehe auch Badura, in: Merten/Papier, HGRe Bd. II, 2006, § 47 Rn. 20; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 1 Abs. 3 Rn. 80). Die erforderlichen Maßnahmen auszuwählen und zu ergreifen ist vielmehr Aufgabe der betroffenen Staaten. Während im Inland Maßnahmen wie die Reduktion der Inanspruchnahme von Freiflächen oder Rückbau, Entsiegelung, Renaturierung und Aufforstung geeigneter Flächen und die Etablierung resistenter Pflanzensorten grundsätzlich realisierbar sind, ist dem deutschen Staat dies im Ausland offenkundig nicht möglich. Dies illustriert auch ein Blick auf einige der vom IPCC weltweit für möglich und erforderlich gehaltenen Anpassungsmaßnahmen (IPCC, Climate Change 2014, Impacts, Adaptions and Vulnerability, 2014, S. 840 ff.), zu denen insbesondere die Veränderung vorhandener Infrastruktur zählt, um besser vor Hitze, Wind und Überflutung schützen zu können. Der IPCC nennt in zyklon- und flutgefährdeten Gebieten niedrig und aerodynamisch gestaltete Gebäude, Abwassersysteme, Deiche, Hochwasserdämme, Aufschüttung von Stränden, Gebäude-sanierung, in Städten nachhaltige Infrastruktur wie etwa begrünte Dächer, Parkanlagen und versickerungsfähige Verkehrsflächen und in der Landwirtschaft effiziente Bewässerungssysteme und die Etablierung von Pflanzen mit hoher Trockentoleranz, aber etwa auch Umsiedlungen (IPCC, a.a.O., S. 844 ff.). Nichts davon könnte der deutsche Staat in der Heimat der Beschwerdeführenden selbst durchführen. Schon deshalb könnte eine Schutzpflicht nicht gleichen Inhalts sein wie gegenüber in Deutschland lebenden Menschen.

Dies schließt nicht aus, dass Deutschland politisch oder völkerrechtlich Verantwortung dafür übernimmt, dass in den ärmeren und noch härter getroffenen Ländern positive Maßnahmen zum Schutz der Menschen durchgeführt werden können (Bundesregierung, Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2008, S. 54 ff.; Bundesregierung, Zweiter Fortschrittsbericht zur Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, 2020, S. 60 f.). Art. 9 Abs. 1 PA bestimmt ausdrücklich, dass die Vertragsparteien, die entwickelte Länder sind, finanzielle Mittel bereitstellen, um Vertragsparteien, die Entwicklungsländer sind, auch bei der Anpassung zu unterstützen (vgl. zu unterschiedlichen Verantwortlichkeiten im Klimaschutz insbesondere Art. 2 Abs. 2 PA).

3. Auch wenn der deutsche Staat durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG zum Schutz der Beschwerdeführenden aus Bangladesch und Nepal verpflichtet sein sollte, zur Begrenzung des Temperaturanstiegs beizutragen, wäre eine solche Schutzpflicht durch die angegriffenen Regelungen nicht verletzt. Wie gesehen, kann dem Gesetzgeber nicht vorgehalten werden, Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels überhaupt nicht getroffen oder lediglich solche Regelungen getroffen und Maßnahmen ergriffen zu haben, die offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, das gebotene Schutzziel zu erreichen (oben Rn. 154 ff.). Insbesondere ist Deutschland dem Pariser Klimaschutzübereinkommen beigetreten und hat der Bundesgesetzgeber in § 1 Satz 3 KSG sowohl die Verpflichtung nach dem Übereinkommen als auch das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland, Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen, zur Grundlage des Klimaschutzgesetzes gemacht. In § 3 Abs. 1 Satz 2 und in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 sind konkrete Reduktionsvorgaben bis 2030 geregelt. In zahlreichen anderen Gesetzen sind Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels getroffen.

Das bei inländischen Sachverhalten an Schutzvorkehrungen darüber hinaus anzulegende Kriterium, dass diese nicht erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben dürfen (vgl. BVerfGE 142, 313 <337 f. Rn. 70>; stRspr), könnte auf eine gegen die Gefahren des Klimawandels gerichtete Schutzpflicht gegenüber den im Ausland lebenden Beschwerdeführenden nicht zur Anwendung kommen. Auch insoweit bedürfte der Prüfungsmaßstab angesichts der Besonderheiten einer Schutzpflicht gegenüber Menschen im Ausland einer Modifikation. Ob Schutzvorkehrungen gegen die Gefahren des Klimawandels erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben, könnte nicht isoliert anhand der zur Vermeidung des Klimawandels getätigten Maßnahmen beantwortet werden. Vielmehr hinge dies auch davon ab, welche Anpassungsmaßnahmen zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels möglich sind. Das ist bei Auslandssachverhalten im Grunde nicht anders als bei Inlandssachverhalten (dazu oben Rn. 154, 164, 177). Der Unterschied liegt vielmehr darin, dass dem deutschen Staat bei Auslandssachverhalten Anpassungsmaßnahmen als Schutzvorkehrungen nicht zur Verfügung stünden (oben Rn. 178). Er hätte damit nur auf einen Teil der zum Schutz vor dem Klimawandel im Ausland möglichen und erforderlichen Vorkehrungen Zugriff. Ob die Maßnahmen zum Schutz der Grundrechte ausreichen oder nicht, ließe sich aber erst in der Zusammenschau der Klimaschutzmaßnahmen mit den möglichen Anpassungsmaßnahmen beurteilen. Bei der Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten ergänzen sich Emissionsminderung und Anpassungsmaßnahmen und stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Insoweit könnte die Verletzung einer etwaigen Schutzpflicht also nicht festgestellt werden. Vielmehr hätten die Bundesrepu-blik Deutschland und insbesondere der deutsche Gesetzgeber dieser Schutzpflicht durch das internationale Eintreten für den Klimaschutz und durch konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des international zum Klimaschutz Vereinbarten genügt (oben Rn. 154 ff.).

III.

Der Gesetzgeber hat hingegen Grundrechte verletzt, weil er keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, die ‒ wegen der gesetzlich bis 2030 zugelassenen Emissionen in späteren Zeiträumen möglicherweise sehr hohen ‒Emissionsminderungspflichten grundrechtsschonend zu bewältigen. Insoweit verletzen § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 die Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 und die Beschwerdeführenden zu 1) bis 11) in dem Verfahren 1 BvR 2656/18 schon jetzt in ihren Grundrechten.

1. Die Entscheidung des Gesetzgebers, bis zum Jahr 2030 die in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 geregelte Menge an CO2-Emissionen zuzulassen, entfaltet eingriffsähnliche Vorwirkung auf die durch das Grundgesetz umfassend geschützte Freiheit der Beschwerdeführenden und bedarf verfassungsrechtlicher Rechtfertigung (1). Zwar ist die Gefährdung der Freiheitsrechte nicht bereits wegen einer Verletzung objektiven Verfassungsrechts verfassungswidrig; ein Verstoß gegen Art. 20a GG kann nicht festgestellt werden (2 a). § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 sind jedoch insoweit verfassungswidrig, als sie unverhältnismäßige Gefahren der Beeinträchtigung künftiger grundrechtlicher Freiheit begründen. Weil die in den beiden Vorschriften bis 2030 vorgesehenen Emissionsmengen die nach 2030 unter Wahrung des verfassungsrechtlich gebotenen Klimaschutzes noch verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren, muss der Gesetzgeber zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität hinreichende Vorkehrungen treffen. Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Als intertemporale Freiheitssicherung schützen die Grundrechte die Beschwerdeführenden hier vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft (dazu bereits oben Rn. ,117 ff.). Insoweit fehlen Mindestregelungen über Reduktionserfordernisse nach 2030, die geeignet wären, einer notwendigen Entwicklung klimaneutraler Techniken und Praktiken rechtzeitig grundlegende Orientierung und Anreiz zu bieten (2 b).

a) Die Entscheidung des Gesetzgebers, bis zum Jahr 2030 die in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 geregelte Menge an CO2-Emissionen zuzulassen, entfaltet eingriffsähnliche Vorwirkung auf die durch das Grundgesetz geschützte Freiheit der Beschwerdeführenden. Das Grundgesetz schützt sämtliche menschlichen Freiheitsbetätigungen durch spezielle Freiheitsgrundrechte und jedenfalls durch die in Art. 2 Abs. 1 GG als dem grundlegenden „allgemeinen Freiheitsrecht“ (vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 309 ff.; Eifert, in: Herdegen/Masing/Poscher/Gärditz , Handbuch des Verfassungsrechts, 2021, § 18 Rn. 39 ff. m.w.N.) verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit (grundlegend BVerfGE 6, 32 <36 f.>; stRspr). Geschützt ist auch die aktuell noch hohe Zahl an Verhaltensweisen des täglichen Lebens, des Arbeitens und des Wirtschaftens (oben Rn. 37), die unmittelbar oder mittelbar dazu führen, dass CO2-Emissionen in die Erdatmosphäre gelangen.

Allerdings unterliegt jede solche Freiheitsausübung den vom Gesetzgeber zum Schutz des Klimas nach Art. 20a GG wie auch zur Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten zu ziehenden Grenzen. Die Möglichkeiten, von grundrechtlich geschützter Freiheit in einer Weise Gebrauch zu machen, die direkt oder indirekt mit CO2-Emissionen verbunden ist, stoßen an verfassungsrechtliche Grenzen, weil CO2-Emissionen nach derzeitigem Stand im Wesentlichen unumkehrbar zur Erwärmung der Erde beitragen, der Gesetzgeber einen ad infinitum fortschreitenden Klimawandel aber von Verfassungs wegen nicht tatenlos hinnehmen darf. Verfassungsrechtlich maßgeblich ist insoweit das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG (vgl. BVerfGE 118, 79 <110 f.>; 137, 350 <368 f. Rn. 47, 378 Rn. 73>; 155, 238 <278 Rn. 100>), das vom Gesetzgeber durch das Ziel konkretisiert ist, die Erwärmung der Erde auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (unten Rn. 208 ff.). Geht das dieser Temperaturschwelle entsprechende CO2-Budget zur Neige, dürfen Verhaltensweisen, die direkt oder indirekt mit CO2-Emissionen verbunden sind, nur noch zugelassen werden, soweit sich die entsprechenden Grundrechte in der Abwägung mit dem Klimaschutz durchsetzen können. Dabei nimmt das relative Gewicht der Freiheitsbetätigung bei fortschreitendem Klimawandel aufgrund der immer intensiveren Umweltbelastungen immer weiter ab.

Vor diesem Hintergrund begründen Vorschriften, die jetzt CO2-Emissionen zulassen, eine unumkehrbar angelegte rechtliche Gefährdung künftiger Freiheit, weil sich mit jeder CO2-Emissionsmenge, die heute zugelassen wird, das verfassungsrechtlich vorgezeichnete Restbudget irreversibel verkleinert und CO2-relevanter Freiheitsgebrauch stärkeren, verfassungsrechtlich gebotenen Restriktionen ausgesetzt sein wird (näher oben Rn. 117 ff.). Zwar müsste CO2-relevanter Freiheitsgebrauch irgendwann ohnehin im Wesentlichen unterbunden werden, weil sich die Erderwärmung nur anhalten lässt, wenn die anthropogene CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre nicht mehr weiter steigt. Ein schneller Verbrauch des CO2-Budgets schon bis 2030 verschärft jedoch das Risiko schwerwiegender Freiheitseinbußen, weil damit die Zeitspanne für technische und soziale Entwicklungen knapper wird, mit deren Hilfe die Umstellung von der heute noch umfassend mit CO2-Emissionen verbundenen Lebensweise auf klimaneutrale Verhaltensweisen freiheitsschonend vollzogen werden könnte (oben Rn. 121). Je kleiner das Restbudget und je höher das Emissionsniveau ist, desto kürzer ist die verbleibende Zeit für die erforderlichen Entwicklungen. Je weniger aber auf solche Entwicklungen zurückgegriffen werden kann, desto empfindlicher werden die Grundrechtsberechtigten von den bei schwindendem CO2-Budget verfassungsrechtlich immer drängenderen Beschränkungen CO2-relevanter Verhaltensweisen getroffen.

Konkret herbeigeführt wird die Gefährdung durch jene Regelungen, die festlegen, welche CO2-Emissionsmengen heute zulässig sind. Im geltenden Klimaschutzrecht sind das § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2. Der Verbrauch der dort bis 2030 geregelten Jahresemissionsmengen verzehrt notwendig und unumkehrbar Teile des verbleibenden CO2-Budgets. Diese beiden Vorschriften entscheiden also auch darüber mit, wieviel Zeit für jene Transformationen bleibt, die zur Sicherung von Freiheit unter gleichzeitiger Wahrung des Klimaschutzgebots erforderlich sind. Die durch § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 zugelassenen Jahresemissionsmengen haben damit eine unausweichliche, eingriffsähnliche Vorwirkung auf die nach 2030 bleibenden Möglichkeiten, von der grundrechtlich geschützten Freiheit tatsächlich Gebrauch zu machen. Diese Vorwirkung ist nicht bloß faktischer Art, sondern ist rechtlich vermittelt: Es ist das Verfassungsrecht selbst, das mit jedem Anteil, der vom endlichen CO2-Budget verzehrt wird, umso dringender aufgibt, weitere CO2-relevante Freiheitsausübung zu unterbinden. Diese rechtlich vermittelte eingriffsähnliche Vorwirkung aktueller Emissionsmengenregelungen bedarf wegen der gegenwärtig weitestgehend irreversiblen Wirkung der einmal zugelassenen und in die Erdatmosphäre gelangten Emissionsmengen bereits heute verfassungsrechtlicher Rechtfertigung.

b) Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dieser Gefahr künftiger Freiheitseinbußen setzt zum einen voraus, dass die beiden über das Ausmaß künftiger Freiheitseinbußen mitbestimmenden Vorschriften des Klimaschutzgesetzes mit elementaren Grundentscheidungen des Grundgesetzes vereinbar sind (aa). Zum anderen dürfen sie nicht zu unverhältnismäßigen Belastungen der künftigen Freiheit der Beschwerdeführenden führen (bb).

aa) Grundrechtseingriffe lassen sich verfassungsrechtlich nur rechtfertigen, wenn die zugrunde liegenden Regelungen den elementaren Grundentscheidungen und allgemeinen Verfassungsgrundsätzen des Grundgesetzes entsprechen (vgl. grundlegend BVerfGE 6, 32 <41>; stRspr). Das gilt angesichts ihrer eingriffsähnlichen Vorwirkung auf grundrechtlich geschützte Freiheit auch für § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2.

Eine solche grundlegende Verfassungsbestimmung enthält Art. 20a GG (vgl. BVerfGE 128, 1 <48>; 134, 242 <339 Rn. 289>). Die Vereinbarkeit mit Art. 20a GG ist daher Voraussetzung für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen (vgl. bereits BVerfGE 134, 242 <339 Rn. 289, 342 f. Rn. 298, 354 f. Rn. 327>; so auch Kahl, JZ 2010, 668 <670 Fn. 17>; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 85; Murswiek, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 74; Cremer, ZUR 2019, 278 <280>; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 25; offen gelassen in BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. November 2009 - 1 BvR 1178/07 -, Rn. 32). Auch die Gefährdung künftiger Freiheit durch § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 wäre demnach verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, wenn die Vorschriften gegen Art. 20a GG verstießen, weil der verfassungsrechtlich gebotene Klimaschutz nach den dort bis 2030 zugelassenen Emissionsmengen nach 2030 nicht mehr realisiert werden könnte.

Gleiches könnte für die objektivrechtliche Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf Leben und körperliche Unversehrtheit künftiger Generationen gelten (dazu oben Rn. 146). Auch sie würde durch eine übermäßige Zulassung von CO2-Emissionen verletzt, wenn der Klimawandel damit unweigerlich menschengefährdende Ausmaße annähme. Ob dies der hier zu beurteilenden Rechtfertigung der eingriffsähnlichen Vorwirkung auf die Freiheitsrechte entgegenstünde, bedarf keiner Klärung, weil Anforderungen der objektivrechtlichen Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Bezug auf Leben und körperliche Unversehrtheit künftiger Generationen hier inhaltlich nicht über die Anforderungen des Klimaschutzgebots hinausgingen.

bb) Weitere Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ergeben sich aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Grundrechte verpflichten den Gesetzgeber, die nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen bis hin zur Klimaneutralität vorausschauend so zu gestalten, dass die damit verbundenen Freiheitseinbußen trotz steigender Klimaschutzanforderungen weiterhin zumutbar ausfallen und die Reduktionslasten über die Zeit und zwischen den Generationen nicht einseitig zulasten der Zukunft verteilt sind (vgl. Kreuter-Kirchhof, DVBl 2017, 97 <102>; Meyer, NJW 2020, 894 <896 f.>; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 24; siehe auch Kube, in: Kahl , Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, 2016, S. 137 <143 f., 150 ff.> m.w.N.). Aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit folgt, dass nicht einer Generation zugestanden werden darf, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine – von den Beschwerdeführenden als „Vollbremsung“ bezeichnete – radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben schwerwiegenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde. Zwar können selbst gravierende Freiheitseinbußen künftig zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und gerechtfertigt sein; gerade aus dieser künftigen Rechtfertigbarkeit droht ja die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen (oben Rn. 117, 120). Weil die Weichen für künftige Freiheitsbelastungen aber bereits durch die aktuelle Regelung zulässiger Emissionsmengen gestellt werden, muss deren Auswirkung auf künftige Freiheit aus heutiger Sicht und zum jetzigen Zeitpunkt – in dem die Weichen noch umgestellt werden können – verhältnismäßig sein.

Der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG bestätigt dies. Wenn Art. 20a GG den Staat verpflichtet, die natürlichen Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen zu schützen, zielt das zunächst vor allem darauf, den künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Zugleich betrifft dies jedoch auch die Verteilung von Umweltschutzlasten zwischen den Generationen. Der Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten (vgl. Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, 2005, S. 535 m.w.N.).

Muss demnach eine zu kurzsichtige und damit einseitige Verteilung von Freiheit und Reduktionslasten zulasten der Zukunft verhindert werden, verlangt das hier, dass das knappe CO2-Restbudget hinreichend schonend aufgezehrt und so Zeit gewonnen wird, rechtzeitig erforderliche Transformationen einzuleiten, welche die Freiheitseinbußen durch die verfassungsrechtlich unausweichliche Reduktion von CO2-Emissionen und CO2-relevantem Freiheitsgebrauch lindern, indem sie CO2-neutrale Verhaltensalternativen verfügbar machen. Die beanstandeten Regelungen wären verfassungswidrig, wenn sie zuließen, dass so viel vom verbleibenden Budget verzehrt würde, dass die künftigen Freiheitseinbußen aus heutiger Sicht unweigerlich unzumutbare Ausmaße annähmen, weil für lindernde Entwicklungen und Transformationen keine Zeit mehr bliebe. Lässt sich angesichts der vielfältigen Ungewissheit, wie groß das verbleibende CO2-Budget künftig tatsächlich sein wird (unten Rn. 220 ff.), nicht mit Sicherheit feststellen oder ausschließen, dass es zu solchen aus heutiger Sicht unzumutbaren Freiheitseinbußen kommen muss, können heute aber doch Maßnahmen geboten sein, die ein solches Risiko wenigstens begrenzen. Nehmen Vorschriften ein Risiko erheblicher Grundrechtsbeeinträchtigung in Kauf, können die Grundrechte je nach der Art und Schwere der Folgen gebieten, rechtliche Regelungen so auszugestalten, dass auch die Gefahr von Grundrechtsverletzungen eingedämmt bleibt (grundlegend BVerfGE 49, 89 <141 f.>). Ohnehin schützt das Verhältnismäßigkeitsgebot nicht erst vor absoluter Unzumutbarkeit, sondern gebietet auch zuvor schon einen schonenden Umgang mit grundrechtlich geschützter Freiheit. Danach kann der Gesetzgeber hier verpflichtet sein, vorausschauend Vorkehrungen zur grundrechtsschonenden Bewältigung der nach 2030 drohenden Reduktionslast zu treffen (unten Rn. 244 ff.).

2. Die in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 getroffene Regelung der bis zum Jahr 2030 zulässigen Emissionsmengen ist mit Blick auf die hierdurch in späteren Reduktionsphasen erheblich gefährdete Freiheit verfassungsrechtlich nicht ohne weitere Vorkehrungen verfassungsgemäß. Die Grundrechtsvorwirkung dieser Emissionsmengenregelungen ist verfassungsrechtlich nicht vollständig zu rechtfertigen. Zwar bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit objektivrechtlichen Maßgaben des Verfassungsrechts. Es kann nicht festgestellt werden, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 gegen das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG verstoßen (a). Die Regelungen sind jedoch insoweit verfassungswidrig, als sie die derzeit nicht hinreichend eingedämmte Gefahr schwerwiegender Grundrechtsbeeinträchtigungen in der Zukunft begründen. Weil die in den beiden Vorschriften bis 2030 vorgesehenen Emissionsmengen die anschließend im Einklang mit Art. 20a GG verbleibenden Emissionsmöglichkeiten erheblich reduzieren, müssen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs zur Klimaneutralität hinreichende Vorkehrungen getroffen werden, um die ab 2031 auf die Beschwerdeführenden zukommende Reduktionslast zu erleichtern und die damit verbundene Grundrechtsgefährdung einzudämmen. Dazu sind die Maßgaben für die weiteren Reduktionserfordernisse nach 2030 so auszugestalten, dass sie hinreichende Orientierung und Anreiz für die Entwicklung sowie die umfassende Implementierung klimaneutraler Techniken und Praktiken bieten. Hieran fehlt es bislang (b).

a) Die Rechtfertigung der Grundrechtsvorwirkung von § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 setzt voraus, dass die angegriffenen Regelungen auch mit objektivem Verfassungsrecht vereinbar sind (oben Rn. 189 ff.). Maßgebliche Anforderungen ergeben sich insoweit aus Art. 20a GG, der das Gebot des Klimaschutzes enthält (aa). Derzeit kann nicht festgestellt werden, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 (bb) oder die bislang zum Klimaschutz konkret getroffenen Einzelmaßnahmen (cc) gegen das Klimaschutzgebot verstoßen. Gegen Art. 20a GG hat der Gesetzgeber auch nicht wegen fehlender Tatsachenaufklärung oder mangels Begründung des Klimaschutzgesetzes verstoßen (dd). Indessen bleibt dem Gesetzgeber aufgegeben, sein in Konkretisierung von Art. 20a GG bekundetes Bemühen zu realisieren, den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen (ee).

aa) Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz (1). Der Klimaschutzverpflichtung steht nicht entgegen, dass der globale Charakter von Klima und Erd-erwärmung eine Lösung der Probleme des Klimawandels durch einen Staat allein ausschließt, prägt jedoch deren Inhalt. Weil der deutsche Gesetzgeber den durch Art. 20a GG aufgegebenen Klimaschutz wegen der globalen Natur des Klimawandels allein nicht erreichen könnte, verlangt Art. 20a GG auch, Lösungen auf internationaler Ebene zu suchen (2). Der offene Normgehalt von Art. 20a GG und die dort explizit formulierte Verweisung auf die Gesetzgebung schließen eine verfassungsgerichtliche Kontrolle der Einhaltung des Klimaschutzgebots nicht aus; Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm, die den politischen Prozess zugunsten ökologischer Belange auch mit Blick auf die besonders betroffenen künftigen Generationen binden soll (3). Durch § 1 Satz 3 KSG ist das Klimaschutzziel verfassungsrechtlich maßgeblich und zulässig dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen (4).

(1) Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz (vgl. BVerfGE 118, 79 <110 f.>; 137, 350 <368 f. Rn. 47, 378 Rn. 73>; 155, 238 <278 Rn. 100>). Zentrale Leitgröße für den klimatischen Zustand des Erdsystems insgesamt ist die mittlere Temperatur der Erde. Entsprechend zielt das Klimaschutzgebot im Kern auf die Einhaltung einer Temperaturschwelle, bei der die durch Menschen verursachte Erwärmung der Erde angehalten werden soll. Die gegenwärtig zu beobachtende Erderwärmung resultiert aus anthropogenen Treibhausgasemissionen, die in die Erdatmosphäre gelangen. Um die Erderwärmung bei der verfassungsrechtlich maßgeblichen Temperaturschwelle (unten Rn. 208 ff.) anzuhalten, muss eine weitere Anreicherung der Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre über diese Schwelle hinaus verhindert werden. Denn die Treibhausgaskonzentration und der daraus über die Erderwärmung resultierende Klimawandel sind nach derzeitigem Stand weitgehend unumkehrbar. Geboten sind daher vor allem Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen (vgl. bereits BVerfGE 118, 79 <110>). Sind die verfassungsrechtlichen Grenzen der weiteren Erderwärmung erreicht, verpflichtet das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot dazu, Treibhausgasemissionen auf ein für die Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre neutrales Maß zu begrenzen (vgl. auch § 1 Satz 3 und § 2 Nr. 9 KSG). Insofern zielt Art. 20a GG auch auf die Herstellung von Klimaneutralität. Art. 20a GG genießt indessen keinen unbedingten Vorrang gegenüber anderen Belangen, sondern ist im Konfliktfall in einen Ausgleich mit anderen Verfassungsrechtsgütern und Verfassungsprinzipien zu bringen (vgl. BTDrucks 12/6633, S. 6 f.; BVerfGE 127, 293 <328> zum Tierschutz; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 46; Murswiek, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 55; Huster/Rux, in: BeckOK, GG, 45. Ed. 15.11.2020, Art. 20a Rn. 44; Kloepfer, in: Bonner Kommentar zum GG, April 2020, Art. 20a Rn. 60 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 20a Rn. 41 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 20a Rn. 14; Epiney, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 47 ff.). Das gilt auch für das darin enthaltene Klimaschutzgebot. Wegen der nach heutigem Stand weitestgehenden Unumkehrbarkeit des Klimawandels wäre eine Überschreitung der zum Schutz des Klimas einzuhaltenden Temperaturschwelle jedoch nur unter engen Voraussetzungen – etwa zum Schutz von Grundrechten – zu rechtfertigen. Zudem nimmt das relative Gewicht des Klimaschutzgebots in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zu.

(2) Der Klimaschutzverpflichtung aus Art. 20a GG steht nicht entgegen, dass Klima und Klimaerwärmung globale Phänomene sind und die Probleme des Klimawandels daher nicht durch die Klimaschutzbeiträge eines Staates allein gelöst werden können. Wie der Klimawandel selbst hat auch der Klimaschutzauftrag des Art. 20a GG von vornherein eine besondere internationale Dimension. Art. 20a GG verpflichtet den Staat, eine Lösung des Klimaschutzproblems gerade auch auf überstaatlicher Ebene zu suchen (a). In internationaler Einbettung können nationale Klimaschutzmaßnahmen die durch Art. 20a GG geforderte Wirkung entfalten; sie müssen zur Erfüllung des verfassungsrechtlichen Klimaschutzauftrags ergriffen werden, auch wenn sie für sich genommen das Klimaproblem nicht lösen könnten (b).

(a) Mit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen verpflichtet Art. 20a GG auf ein Ziel, das der nationale Gesetzgeber für das Klima nicht allein, sondern nur in internationaler Kooperation erreichen kann. Das liegt an den tatsächlichen Gnheiten des Klimawandels und des Klimaschutzes. Das Problem der Erderwärmung und deren (rechtliche) Bekämpfung sind genuin globaler Natur (vgl. Ismer, Klimaschutz als Rechtsproblem, 2014, S. 16; Saurer, NVwZ 2017, 1574 f.; Franzius, ZUR 2017, 515 ff.; Kreuter-Kirchhof, DVBl 2017, 97 <98>; Buck/Verheyen, in: Koch/Hofmann/Reese, Handbuch Umweltrecht, 5. Aufl. 2018, § 1 Rn. 2; Groß, EurUP 2019, 353 <362>; Meyer, NJW 2020, 894 <898>). Kein Staat kann die globale Erwärmung allein verhindern. Zugleich trägt jede Emission aus jedem Staat gleichermaßen zum Klimawandel bei (siehe auch Rechtbank Den Haag, Urteil vom 24. Juni 2015, C/09/456689 / HA ZA 13-1396, Rn. 4.90). Eine Lösung des globalen Klimaproblems ist nur möglich, wenn weltweit Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden.

Als Klimaschutzgebot enthält Art. 20a GG damit eine Verpflichtung, die über das dem einzelnen Staat allein verfügbare nationale Recht zwangsläufig hinausdeutet und als Verweisung auch auf die Ebene internationalen Handelns zu verstehen ist. Das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot hat so von vornherein auch eine „internationale Dimension“ (Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 11). Es verlangt vom Staat international ausgerichtetes Handeln zum globalen Schutz des Klimas und verpflichtet insbesondere die Bundesregierung, im Rahmen internationaler Abstimmung (zum Beispiel durch Verhandlungen, in Verträgen oder in Organisationen) auf Klimaschutz hinzuwirken (siehe dazu bereits am Rande BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 26. Mai 1998 - 1 BvR 180/88 -, Rn. 23; vgl. Groß, ZUR 2009, 364 <366 f.> m.w.N.; ders., NVwZ 2011, 129 <130>; Dederer, in: Isensee/Kirchhof, HStR XI, 3. Aufl. 2013, § 248 Rn. 72 m.w.N.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 64; Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, 12. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 5; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 18; Sommermann, in: v.Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 20a Rn. 24). Dabei erschöpft sich die internationale Dimension des Art. 20a GG als Klimaschutzgebot nicht in dem Auftrag, auf internationaler Ebene eine Lösung des Klimaproblems zu suchen und dafür möglichst eine Vereinbarung zu treffen. Vielmehr schließt das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot die Umsetzung vereinbarter Lösungen ein (vgl. Frank, NVwZ 2016, 1599 ff.; siehe auch Gärditz, ZUR 2018, 663 <664>). Zu nationalem Klimaschutz verpflichtete Art. 20a GG zudem auch, wenn es nicht gelänge, die internationale Kooperation in einem Abkommen rechtlich zu formalisieren. Die staatlichen Organe sind unabhängig von einem solchen Abkommen zum Klimaschutz verpflichtet, müssten aber weiterhin zugleich Chancen der Effektuierung nationaler Klimaschutzanstrengungen in internationaler Einbindung suchen.

(b) So oder so kann dem Gebot, nationale Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, nicht entgegengehalten werden, sie könnten den Klimawandel nicht stoppen. Zwar wäre Deutschland nicht allein in der Lage, den Klimawandel anzuhalten. Das isolierte Handeln der Bundesrepublik ist für Klimawandel und Klimaschutz offensichtlich nicht umfänglich kausal. Der Klimawandel kann nur dann angehalten werden, wenn weltweit Klimaneutralität erreicht wird. Angesichts des weltweiten Reduktionserfordernisses ist der bei knapp 2 % liegende Anteil Deutschlands an den weltweiten CO2-Emissionen (vgl. BMU, Klimaschutz in Zahlen, Ausgabe 2020, S. 12) für sich genommen eher gering. Sind die Klimaschutzmaßnahmen Deutschlands aber in weltweite Klimaschutzbemühungen eingebunden, sind sie als Teil der Gesamtanstrengung geeignet, das Ende des Klimawandels herbeizuführen (vgl. Buser, DVBl 2020, 1389 <1394>; siehe auch Dederer, in: Isensee/Kirchhof, HStR XI, 3. Aufl. 2013, § 248 Rn. 74).

Dabei könnte sich der Staat seiner Verantwortung auch nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 31. Oktober 2019 - 10 K 412.18 -, Rn. 74; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2005 - 7 C 26/04 -, Rn. 35 f.; High Court of New Zealand, Judgement of 2. November 2017, CIV 2015-485-919 [2017] NZHC 733, Rn. 133 f.; Gerechtshof Den Haag, Urteil vom 9. Oktober 2018, 200.178.245/01, Ziffer 64; Hoge Raad der Niederlande, Urteil vom 20. Dezember 2019, 19/00135, Ziffer 5.7.7; United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Urteil vom 17. Januar 2020, No. 18-36082, S. 19 f.). Aus der spezifischen Angewiesenheit auf die internationale Staatengemeinschaft folgt vielmehr umgekehrt die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, eigene, möglichst international vereinbarte Maßnahmen zum Klimaschutz tatsächlich zu ergreifen. Gerade weil der Staat das ihm in Art. 20a GG auferlegte Klimaschutzgebot nur in internationalem Zusammenwirken erfolgreich umsetzen kann, darf er für andere Staaten keine Anreize setzen, dieses Zusammenwirken zu unterlaufen. Er soll durch sein eigenes Handeln auch internationales Vertrauen stärken, dass Klimaschutz, insbesondere eine Umsetzung vertraglich vereinbarter Klimaschutzziele, auch mit Blick auf grundrechtliche Freiheiten zu lebenswerten Bedingungen gelingen kann. Die praktische Lösung des globalen Klimaschutzproblems ist insofern maßgeblich auf das wechselseitige Vertrauen in den Realisierungswillen der anderen angewiesen.

Das Pariser Übereinkommen hat das wechselseitige Vertrauen in besonderer Weise zur Wirkungsvoraussetzung gemacht. In Art. 2 Abs. 1 lit. a PA haben sich die Vertragsstaaten auf ein Klimaschutzziel (deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C) verständigt, ohne sich aber zu konkreten Reduktionsmaßnahmen zu verpflichten. Das Pariser Übereinkommen installiert insoweit einen freiwilligen Mechanismus, nach dem die Vertragsstaaten ihre Maßnahmen zur Erreichung des vertraglichen Temperaturziels selbst festsetzen, aber transparent machen müssen. Die Transparenzregelungen bezwecken, dass alle Staaten Vertrauen und Zuversicht in das zielkonforme Agieren der anderen Staaten setzen können (vgl. Franzius, ZUR 2017, 515 <519>; Gärditz, ZUR 2018, 663 <668 f.>) und so ihrerseits Anreize haben, die international vereinbarten Klimaschutzziele tatsächlich zu verfolgen (vgl. Frank, NVwZ 2016, 1599 f.; Gärditz, ZUR 2018, 663 <667 f.>; Buser, DVBl 2020, 1389 <1393>; vgl. auch Böhringer, ZaöRV 2016, 753 <795>; Saurer, NVwZ 2017, 1574 <1575 f.>; Voland/Engel, NVwZ 2019, 1785 <1786>). Die Schaffung und der Erhalt von Vertrauen in die Erfüllungsbereitschaft der Vertragsstaaten gelten damit als Schlüssel zur Effektivität des internationalen Klimaschutzabkommens. Das Abkommen setzt gerade darauf, dass die einzelnen Staaten ihren eigenen Beitrag leisten. Verfassungsrechtlich ist dies insofern bedeutsam, als der durch Art. 20a GG gewiesene Weg zu global effektivem Klimaschutz derzeit vor allem über dieses Abkommen führt.

(3) Der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 steht nicht etwa entgegen, dass Art. 20a GG kein justiziables Maß für die verfassungsrechtliche Bewertung konkreter Treibhausgasminderungsziele böte, sondern diese vollständig in Händen des Gesetzgebers lägen. Art. 20a GG ist eine justiziable Rechtsnorm. Das gilt auch für das darin enthaltene Klimaschutzgebot. Zwar bedarf der konkrete Gehalt des Art. 20a GG weiterer Konkretisierung. Bereits der Wortlaut des Art. 20a GG („Der Staat schützt [...] die natürlichen Lebensgrundlagen [...] durch die Gesetzgebung [...].“) weist auf die besondere Bedeutung der Gesetzgebung hin, der hier eine Konkretisierungsprärogative zukommt (vgl. Steinberg, NJW 1996, 1985 <1991>; Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, S. 50; Sommermann, in: v.Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 20a Rn. 37; Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, S. 127 f. Rn. 45; Appel, in: Koch/Hofmann/Reese, Handbuch Umweltrecht, 5. Aufl. 2018, § 2 Rn. 113; Wolff, in: Hömig/Wolff, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 12. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 5; Kahl/Gärditz, Umweltrecht, 11. Aufl. 2019, S. 65 f.). Damit ist Art. 20a GG aber nicht unverbindliches Programm, sondern Rechtsnorm, die den Gesetzgeber bindet (vgl. BVerfGE 118, 79 <110> ‒ Emissionshandel; siehe außerdem Waechter, NuR 1996, 321; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 67; Epiney, in: v.Man-goldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 43; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 46; Huster/Rux, in: GG BeckOK, 45. Ed., 15. November 2020, Art. 20a Rn. 30).

Diese Bindung darf nicht aufgegeben werden, indem die Konkretisierung des Art. 20a GG zu entnehmenden Schutzauftrags allein dem Gesetzgeber überlassen bliebe (vgl. Epiney, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 58). Denn auch wenn Art. 20a GG die Gesetzgebung in die Konkretisierung seines materiellen Gehalts einbindet, soll dem politischen Prozess damit zugleich etwas entgegengesetzt sein. Die Verfassung begrenzt hier politische Entscheidungsspielräume, Maßnahmen zum Umweltschutz zu ergreifen oder es zu lassen. In Art. 20a GG ist der Umweltschutz zur Angelegenheit der Verfassung gemacht, weil ein demokratischer politischer Prozess über Wahlperioden kurzfristiger organisiert ist, damit aber strukturell Gefahr läuft, schwerfälliger auf langfristig zu verfolgende ökologische Belange zu reagieren und weil die besonders betroffenen künftigen Generationen heute naturgemäß keine eigene Stimme im politischen Willensbildungsprozess haben. Mit Blick auf diese institutionellen Bedingungen erlegt Art. 20a GG der demokratischen Entscheidung inhaltliche Bindungen auf (vgl. dazu Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, 1998, S. 342, 431; Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge, 2005, S. 75; Eifert, in: KJ, Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 211 <216> m.w.N.; Kleiber, Der grundrechtliche Schutz künftiger Generationen, 2014, S. 5; Kube, in: Kahl , Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, 2016, S. 137 ff.; Gärditz, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 93. EL August 2020, Art. 20a GG Rn. 13). Diese durch Art. 20a GG angestrebte Bindung des politischen Prozesses drohte verloren zu gehen, wenn über den materiellen Gehalt des Art. 20a GG vollumfänglich im tendenziell kurzfristiger und an direkt artikulierbaren Interessen orientierten tagespolitischen Prozess entschieden würde.

Art. 20a GG lässt der Gesetzgebung allerdings erheblichen Gestaltungsspielraum. Grundsätzlich ist es auch nicht Aufgabe der Gerichte, aus der offenen Formulierung des Art. 20a GG konkret quantifizierbare Grenzen der Erderwärmung und damit korrespondierende Emissionsmengen oder Reduktionsvorgaben abzuleiten. Gleichwohl darf Art. 20a GG auch als Klimaschutzgebot nicht leerlaufen. Es bleibt auch insoweit Aufgabe verfassungsgerichtlicher Kontrolle, über die Wahrung der Grenzen des Art. 20a GG zu wachen (vgl. aber Wegener, ZRU 2019, 3 <10 ff.>). Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass Art. 20a GG anders als die anderen Bestimmungen des Grundgesetzes einen Regelungsgehalt hätte, dessen Auslegung und Anwendung richterlicher Kontrolle entzogen wäre.

(4) In Wahrnehmung seines Konkretisierungsauftrags und seiner Konkretisierungsprärogative hat der Gesetzgeber das Klimaschutzziel des Art. 20a GG aktuell durch § 1 Satz 3 KSG dahingehend bestimmt, dass der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist. Der gesetzgeberische Spielraum des Art. 20a GG ist damit derzeit nicht überschritten. Die Temperaturschwelle des § 1 Satz 3 KSG ist als verfassungsrechtlich maßgebliche Konkretisierung auch der verfassungsgerichtlichen Prüfung zugrundezulegen.

(a) Die in § 1 Satz 3 KSG genannte Temperaturschwelle ist als verfassungsrechtlich maßgebliche Konkretisierung des Klimaschutzziels des Grundgesetzes anzusehen. § 1 KSG bestimmt den Zweck des Klimaschutzgesetzes. Dort heißt es (Hervorhebung in Satz 3 hinzugefügt):

   Zweck dieses Gesetzes ist es, zum Schutz vor den Auswirkungen des weltweiten Klimawandels die Erfüllung der nationalen Klimaschutzziele sowie die Einhaltung der europäischen Zielvorgaben zu gewährleisten. Die ökologischen, sozialen und ökonomischen Folgen werden berücksichtigt. Grundlage bildet die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris aufgrund der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, wonach der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist, um die Auswirkungen des weltweiten Klimawandels so gering wie möglich zu halten, sowie das Bekenntnis der Bundesrepublik Deutschland auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen am 23. September 2019 in New York, Treibhausgasneutralität bis 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen.

§ 1 Satz 3 KSG bezeichnet die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris als Grundlage . Das Gesetz selbst will die genannte Temperaturschwelle damit als grundlegende Ausrichtung des Klimaschutzes verstanden wissen. Eine andere, ähnlich grundlegende Zielbestimmung findet sich im deutschen Klimaschutzrecht nicht. Dabei ist die gewählte Temperaturschwelle nicht allein Ausdruck des politisch aktuell Gewollten, sondern ist auch als Konkretisierung gerade des verfassungsrechtlich gebotenen Klimaschutzziels zu verstehen. Dafür spricht vor allem, dass es sich bei dem in § 1 Satz 3 KSG genannten Klimaschutzziel um die international vereinbarte Temperaturschwelle des Art. 2 Abs. 1 lit. a PA handelt, die der Gesetzgeber bewusst und ausdrücklich als solche zugrunde gelegt hat. In seiner verfassungsrechtlichen Bedeutung geht dies über die durch Vertragsgesetz gegebene Zustimmung des deutschen Gesetzgebers zum Pariser Übereinkommen hinaus. Dass das Paris-Ziel eigens als Grundlage des deutschen Klimaschutzgesetzes ausgewiesen ist, steht in einem besonderen Zusammenhang zu dem Klimaschutzgebot des Art. 20a GG. Wegen der genuin globalen Dimension des Klimawandels kann der Staat das Ziel des Art. 20a GG, den Klimawandel anzuhalten, letztlich nur in internationaler Kooperation erreichen. Dazu ist er mit dem Beitritt zum Pariser Übereinkommen tätig geworden, in dessen Rahmen er nun auch seine weitergehenden Klimaschutzverpflichtungen aus Art. 20a GG erfüllt (oben Rn. 201). Mit der Statuierung der Temperaturschwelle des Art. 2 Abs. 1 lit. a PA hat der Gesetzgeber die grundlegende Ausrichtung des nationalen Klimaschutzrechts gerade in der Weise bestimmt, die dem deutschen Staat eine Möglichkeit eröffnet, seinen verfassungsrechtlichen Auftrag zum Klimaschutz international eingebettet durch eigene Anstrengungen effektiv zu erfüllen.

(b) Der Gesetzgeber ist bei der Konkretisierung des Klimaschutzgebots des Art. 20a GG allerdings nicht völlig frei. Mit der im Pariser Übereinkommen und eigens noch einmal im Klimaschutzgesetz gewählten Temperaturmaßgabe ist der durch Art. 20a GG belassene Konkretisierungsspielraum derzeit aber gewahrt. Das gewählte Klimaschutzziel ist von der in Art. 20a GG angelegten Konkretisierungsprärogative des Gesetzgebers gedeckt. Das Pariser Übereinkommen ist im Dezember 2015 auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse angenommen worden, die in Vorbereitung der Klimakonferenz von Paris zusammengetragen worden waren (UNFCCC, Report on the structured expert dialogue 2013-2015 review, 2015, S. 18 Message 5, S. 31 Rn. 108). Zwar muss die Erwärmung nach Ansicht der Beschwerdeführenden weitergehend auf höchstens 1,5 °C begrenzt werden. Das entspricht verbreiteter Einschätzung und wird insbesondere auf den IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C von 2018 gestützt. Anlass zur Besorgnis gibt die in dem Sonderbericht enthaltene Einschätzung, dass die klimabedingten Risiken für natürliche und menschliche Systeme, vor allem die Wahrscheinlichkeit einer Überschreitung von Kipppunkten, bei einer Erwärmung um 2 °C höher sind als bei einer Erwärmung um 1,5 °C (oben Rn. 161). Wegen der erheblichen Unsicherheit, die in den vom IPCC angegebenen Spannbreiten und Ungewissheiten dokumentiert ist, lässt jedoch – wie schon die grundrechtlichen Schutzpflichten (oben Rn. 162 f.) – auch Art. 20a GG der Gesetzgebung bei der Bestimmung des Klimaschutzziels insofern Spielraum, die Gefahrenlagen und Risiken in politischer Verantwortung zu bewerten (vgl. BVerfGE 128, 1 <39>). Dass mit der Wahl des Paris-Ziels die Grenzen dieses gesetzgeberischen Spielraums verletzt sind, ist jedenfalls aktuell nicht erkennbar.

Neue hinreichend gesicherte Erkenntnisse über die Entwicklung der anthropogenen Erderwärmung oder deren Folgen und ihre Beherrschbarkeit könnten allerdings auch unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums eine andere Zielfestlegung im Rahmen des Art. 20a GG erforderlich machen. Das unterliegt der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Durch Art. 20a GG ist dem Gesetzgeber eine permanente Pflicht aufgegeben, das Umweltrecht den neuesten Entwicklungen und Erkenntnissen in der Wissenschaft anzupassen (vgl. BVerfGE 49, 89 <130, 132> zu Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Sollte sich das in Art. 2 Abs. 1 lit. a PA vereinbarte Temperaturziel als unzulänglich erweisen, ausreichenden Klimaschutz zu erzielen, aktualisiert sich auch die Verpflichtung aus Art. 20a GG, eine Lösung des Klimaschutzproblems auf internationaler Ebene zu suchen; es müsste insbesondere versucht werden, strengere Vereinbarungen zu erzielen. Hingegen müsste sich eine Neuausrichtung an schwächeren Klimaschutzzielen wegen des damit verbundenen ökologischen Rückschritts vor Art. 20a GG rechtfertigen lassen (vgl. dazu allgemein Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 71; Kluth, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 51. EL 2016, Art. 20a Rn. 106; siehe auch Art. 4 Abs. 3 PA, § 3 Abs. 3 Satz 2 KSG), sofern nicht neuere hinreichend gesicherte Erkenntnisse in der Klima-forschung ergeben, dass die Erderwärmung geringeres Schädigungspotenzial hat, als dies derzeit zu befürchten ist.

(c) Als verfassungsrechtlich notwendige, grundlegende Konkretisierung des Art. 20a GG entfaltet die dem Klimaschutz in § 1 Satz 3 KSG zugrunde gelegte Temperaturmaßgabe ihrerseits verfassungsrechtliche Orientierungsfunktion. Auch für die verfassungsgerichtliche Kontrolle bildet sie die maßgebliche Konkretisierung des in Art. 20a GG enthaltenen Klimaschutzauftrags (vgl. zur gesetzlichen Konkretisierung von Art. 20a GG zum Tierschutz BVerfGE 127, 293 <328 f.>). Die angegriffenen Vorschriften über die zulässigen Emissionsmengen hieran zu messen, ist nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil der Gesetzgeber das grundlegende Klimaschutzziel gerade mit diesen Vorschriften neu bestimmt haben könnte. Zwar könnte er die maßgebliche Klimaschutzzielsetzung in erneuter Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Klimaschutzauftrags ändern. Nicht jede neue Vorschrift, die mit der das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel bislang konkretisierenden Regelung unvereinbar ist, ist damit aber bereits selbst als aktualisierte Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags durch den Gesetzgeber anzusehen. Wollte der Gesetzgeber dem Klimaschutzrecht eine grundlegende Neuausrichtung geben, müsste diese als solche erkennbar und damit auch für die politische Öffentlichkeit diskutierbar sein. Hintergrund der ausdrücklichen Hervorhebung der Gesetzgebung in Art. 20a GG und der Anerkennung einer Konkretisierungsprärogative des Gesetzgebers ist gerade, dass die besondere Bedeutung der Schutzgüter des Art. 20a GG und deren Spannungsverhältnis zu etwaigen gegenläufigen Belangen in demokratischer Verantwortung zu einem Ausgleich gebracht werden müssen und die Gesetzgebung hierfür den geeigneten Rahmen bietet (vgl. Steinberg, NJW 1996, 1985 <1991 f.>; Murswiek, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 57, 60; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 91. EL April 2020, Art. 20a Rn. 47). Das Gesetzgebungsverfahren vermittelt dem erforderlichen Interessenausgleich die gebotene Legitimation. Das parlamentarische Verfahren ermöglicht mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion und den grundsätzlich öffentlichen Beratungen durch seine Transparenz und die Beteiligung der parlamentarischen Opposition, dass Entscheidungen auch in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert und damit die Voraussetzungen für eine Kontrolle der Gesetzgebung durch die Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden. Dieses Verfahren bietet der Öffentlichkeit auch durch die Berichterstattung seitens der Medien Gelegenheit, eigene Auffassungen auszubilden und zu vertreten (vgl. BVerfGE 143, 246 <344 Rn. 274> m.w.N.; 150, 1 <96 f. Rn. 192> m.w.N.). Sind aber gerade diese Transparenz und Öffentlichkeitsfunktion des Gesetzgebungsverfahrens der Grund dafür, dass Art. 20a GG der Konkretisierung durch Gesetzgebung herausgehobene Bedeutung zuweist, müsste auch eine Neuausrichtung der grundlegenden Zielbestimmung des Klimaschutzrechts auf derart öffentliche und transparente Weise erfolgen. Solange der Gesetzgeber das grundlegende Klimaschutzziel nicht erkennbar und in einem transparenten Verfahren neu bestimmt, muss er sich an seiner eigenen Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Ziels festhalten lassen.

bb) Gemessen an dem Ziel, die Erwärmung der Erde auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen, kann derzeit nicht festgestellt werden, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 gegen das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG verstoßen.

(1) Die Verfassungsmäßigkeit der in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 festgelegten Emissionsmengen lässt sich allerdings nicht unmittelbar an dem verfassungsrechtlich maßgeblichen Temperaturziel überprüfen. Um dieses als Maßgabe für die Begrenzung von CO2-Emissionen anwenden zu können, ist eine Übersetzung der Temperaturmaßgabe in eine Emissionsmaßgabe erforderlich. Eine solche Übersetzung leistet ungeachtet der Schwierigkeiten exakter Quantifizierung der Budgetansatz des IPCC (a). Die darauf beruhende nähere Bestimmung eines nationalen Restbudgets (b) ist allerdings mit erheblichen Ungewissheiten verbunden und verlangt Wertungen. Deshalb bleiben dem Gesetzgeber Entscheidungsspielräume, die er jedoch nicht nach politischem Belieben ausfüllen darf. Weisen belastbare Daten darauf hin, dass die verfassungsrechtlich maßgebliche Temperaturschwelle überschritten werden könnte, ist diesen – wenn auch nicht als zahlengenauem Maß – Rechnung zu tragen (c).

(a) Die Temperaturschwelle von deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C kann prinzipiell in eine entsprechende globale CO2-Emissionsmenge umgerechnet werden, die sich dann auf die Staaten verteilen lässt. Zwischen der Gesamtmenge der über alle Zeiten hinweg kumulierten anthropogenen CO2-Emissionen und der globalen Temperaturerhöhung besteht, wie gesehen, ein annähernd linearer Zusammenhang (oben Rn. 32), der eine solche Umrechnung zulässt. Dafür muss in einem ersten Schritt die globale Emissionsmenge ermittelt werden, die verbleibt, wenn die konkrete Temperaturschwelle eingehalten werden soll – das ist das konkrete globale CO2-Restbudget. In einem zweiten Schritt ist zu bestimmen, wie groß der auf Deutschland entfallende Anteil daran ist – das ist das konkrete nationale CO2-Restbudget. Der IPCC hat für verschiedene Temperaturschwellen und verschiedene Eintrittswahrscheinlichkeiten konkrete globale CO2-Restbudgets benannt; der Sachverständigenrat hat auf dieser Grundlage ein nationales Restbudget für Deutschland ermittelt. Daran kann die Vereinbarkeit der in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG zugelassenen Emissionsmengen mit der Temperaturschwelle dem Grunde nach gemessen werden.

Zwar hat die Bundesregierung in diesem Verfahren bekundet, nicht mit nationalen CO2-Budgets zu rechnen. Der prinzipiellen Aussagekraft des Budget-Ansatzes hat sie aber nicht widersprochen. Die Bundesregierung stellt fest, dass sich das CO2-Budget mit dem Stand weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse verändern könne. Das geht jedoch nicht erkennbar über die im IPCC-Bericht selbst angegebene Ungewissheit hinaus (unten Rn. 222). Dass es, wie die Bundesregierung weiter ausführt, für die multilaterale Zusammenarbeit klarer Treibhausgas-minderungsziele bedarf und diese daher im Mittelpunkt der globalen europäischen und deutschen Klimaschutzpolitik stünden, ist kein durchgreifender Einwand gegen die am globalen Restbudget ansetzende Herangehensweise des IPCC und des Sachverständigenrats. Denn Treibhausgasminderungsziele ersetzen diese Herangehensweise nicht, sondern setzen sie voraus. Emissionsminderungsziele können das auf die Begrenzung der Erderwärmung bezogene Temperaturziel nicht in Klimaschutzmaßgaben übersetzen, wenn diese Minderungsziele nicht ihrerseits an einer der angestrebten Temperaturschwelle entsprechenden Gesamtemissionsmenge ausgerichtet sind; für sich genommen sind sie nicht aussagekräftig (näher SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 42 f. Rn. 12). Das Temperaturziel lässt sich zwar in Minderungszielen umsetzen. Auch dafür muss jedoch in einem Zwischenschritt eine der angestrebten Temperaturschwelle entsprechende Emissionsmenge in den Blick genommen werden. Diese Gesamtemissionsmenge kann dann durch Minderungsziele abgebildet werden, indem sie auf einem bis zur Klimaneutralität führenden Reduktionspfad verteilt wird.

Der Gesetzgeber ist indessen nicht gehindert, Minderungsziele zu formulieren, ohne dabei von Beginn an eine Vorstellung davon zu entwickeln, welche Gesamt-emissionsmenge noch zur Verfügung steht. Er geht dann aber wegen der Unumkehrbarkeit der angestoßenen Prozesse das Risiko ein, dass die Temperaturschwelle überschritten wird. Theoretisch mag die Politik bei der Formulierung ihrer Minderungsziele sogar dauerhaft auf die Vorstellung von einer Gesamtemissionsmenge verzichten und sich bemühen, die gesetzte Temperaturschwelle versuchsweise im Wege von trial and error einzuhalten. So könnte allerdings kein bestimmtes Temperaturniveau angesteuert werden, weil die unumkehrbaren Effekte von CO2-Emissionen auf das Klima Korrekturen des eingeschlagenen Pfades allenfalls begrenzt zulassen. Letztlich bedeutete dies, Klimaschutz ins Blaue hinein zu betreiben. Das ist aber nicht das Ziel der Bundesregierung. Die Bundesregierung stellt hier vielmehr fest, dass der Budgetansatz zur Plausibilitätskontrolle geeignet sei, um zu überprüfen, ob die Summe der nach dem Pariser Übereinkommen national festzulegenden Beiträge global zur Erreichung der Ziele des Pariser Übereinkommens genüge; an diesem Maßstab müssten sich die nationalen Beiträge beim globalen Aushandlungsprozess messen lassen. Dass der Budgetansatz dem Grunde nach geeignet ist, die Temperaturmaßgabe zu übersetzen, ist mithin nicht in Abrede gestellt (zur Rezeption auch der Hoge Raad der Niederlande, Urteil vom 20. Dezember 2019, 19/00135, Ziffer 2.1, 7. Spiegelstrich, Ziffern 4.6, 7.4.3.; Irischer Supreme Court, Urteil vom 31. Juli 2020, 205/19, Ziffer 4.3). Der Einwand der Bundesregierung betrifft vielmehr die Unsicherheiten hinsichtlich der Größe des globalen Restbudgets und eines nationalen Budgets (unten Rn. 220 ff.).

(b) Der IPCC hat für verschiedene Temperaturschwellen und Wahrscheinlichkeiten, diese Schwellen einzuhalten, bezifferte Angaben zur Größe des entsprechenden globalen CO2-Restbudgets gemacht. So hat er beispielsweise für eine 67%ige Wahrscheinlichkeit, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, ab dem Jahr 2018 ein globales CO2-Restbudget von 420 Gigatonnen und für ein 2 °C-Ziel ab 2018 ein Restbudget von 1.170 Gigatonnen geschätzt (IPCC, Special Report, Global Warming of 1.5 °C, 2018, Chapter 2, S. 108, Tab. 2.2). Auf der Grundlage der Zahlen des IPCC hat der Sachverständigenrat für das Ziel, den Anstieg der mittleren Erdtemperatur mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % auf 1,75 °C zu begrenzen, ein ab 2020 verbleibendes konkretes nationales Restbudget von 6,7 Gigatonnen ermittelt (SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 52, 88 Rn. 111).

(c) Die Budgetbestimmung des Sachverständigenrats beruht auf einem nachvollziehbaren Zahlenwerk und schlüssigen Rechenschritten (vgl. dazu grundsätzlich BVerfGE 125, 175 <226>; 137, 34 <75 Rn. 82>) und legt wissenschaftlich begründete Annahmen des IPCC zugrunde, die in einem qualitätssichernden Verfahren gewonnen wurden. Sie enthält aber nicht unerhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Größe des globalen (aa) und des nationalen (bb) Restbudgets und lässt daher rechtlich keine zahlengenaue Schlussfolgerung zu. Die Unsicherheiten gehen dabei in beide Richtungen; tatsächlich könnte das Restbudget also auch kleiner sein als vom Sachverständigenrat angenommen (cc). Auf den Schätzungen des IPCC-Sonderberichts gründende Hinweise auf irreversible Beeinträchtigungen sind hier auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nicht umfassend gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis darstellen (dd).

(aa) Der Sachverständigenrat legt seiner Rechnung zunächst die Angaben des IPCC zum globalen CO2-Restbudget zugrunde. Dabei handelt es sich dem Grunde nach um belastbare Angaben. Die Schätzungen des IPCC sind das konkrete Ergebnis eines qualitätssichernden Verfahrens. Der IPCC hat seine Einschätzung aufgrund umfänglicher Auswertung des Forschungsstands durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und bei Offenlegung der verbleibenden Unsicherheit formuliert (oben Rn. 16 f.).

Der IPCC weist dabei selbst auf nicht unerhebliche Ungewissheiten hin. Zwar können die Gesamtmenge der anthropogenen Emissionen des wichtigsten Treibhausgases CO2 und die globale Temperaturerhöhung unstreitig prinzipiell ineinander umgerechnet werden. Die Beurteilung der Stärke des Zusammenhangs zwischen kumulierten Emissionen und Erwärmung ist jedoch aufgrund der Komplexität des Klimasystems mit Unsicherheiten verbunden. Unsicherheiten bestehen bezüglich der Klimareaktion auf Treibhausgasemissionen und werden für das globale Budget vom IPCC mit möglichen Abweichungen in beide Richtungen um 400 Gigatonnen CO2 beziffert; Unsicherheiten bezüglich des tatsächlichen Grads der historischen Erwärmung könnten in beide Richtungen eine Abweichung um 250 Gigatonnen CO2 ausmachen; eine potenzielle zusätzliche Freisetzung von CO2 durch künftiges Tauen von Permafrost und Methanfreisetzung aus Feuchtgebieten würde das Budget um bis zu 100 Gigatonnen CO2 weiter reduzieren; außerdem könnte das Ausmaß der künftigen Minderung anderer Treibhausgase als CO2 das verbleibende CO2-Budget in beide Richtungen um 250 Gigatonnen CO2 verändern; unklar ist auch, inwiefern künftig CO2-Extraktionen aus der Atmosphäre (sogenannte negative Emissionen) möglich werden könnten (zu alledem IPCC, Sonderbericht, 1,5 °C Globale Erwärmung, Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, 2018, S. 16 f.; siehe auch SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 44 f. Rn. 16 ff.). Setzt man diese für möglich gehaltenen Abweichungen ins Verhältnis dazu, dass der IPCC für eine 67%ige Zielerreichungswahrscheinlichkeit hinsichtlich des Ziels, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, ab dem Jahr 2018 ein globales CO2-Restbudget von 420 Gigatonnen und für ein 2 °C-Ziel ab 2018 ein Restbudget von 1.170 Gigatonnen veranschlagt, sind diese Unsicherheiten erheblich.

Genauere, ähnlich belastbare Daten wie die Schätzungen dieses IPCC-Sonderberichts liegen indessen nicht vor. Es ist kein Grund ersichtlich, an der Schätzung des IPCC jenseits der ausgewiesenen Unsicherheiten zu zweifeln. Die Beschwerdeführenden sehen zwar Anhaltspunkte dafür, dass die Schätzung des IPCC zu großzügig ist. Sie bezweifeln jedoch nicht, dass diese den aktuellen Wissensstand belastbar abbildet. Das tut auch die Bundesregierung nicht. Sie hält die Ungewissheiten nur für zu groß, als dass aus dieser Schätzung etwas gefolgert werden könnte.

(bb) Die weiteren Ableitungen des Sachverständigenrats zum nationalen Restbudget beruhen auf nachvollziehbaren Annahmen und schlüssigen Rechenschritten. Darin enthalten sind allerdings Wertungen und eigene Ungewissheiten.

So kommen für die Bestimmung des nationalen Anteils an dem globalen CO2-Restbudget verschiedene Aufteilungskriterien in Betracht. Der Sachverständigenrat hat für seine Empfehlungen den Ansatz eines Pro-Kopf-Emissionsrechts, also eine Verteilung nach der aktuellen Bevölkerungszahl gewählt und legt demgemäß den Anteil der deutschen Bevölkerung an der gesamten Weltbevölkerung von 1,1 % im Jahr 2016 zugrunde (SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 51). Andere Verteilungsschlüssel sind denkbar (SRU, a.a.O., S. 48; Winter, ZUR 2019, 259 <263 f.>). Art. 20a GG lässt sich allerdings kein genauer Verteilungsschlüssel entnehmen. Insbesondere gibt Art. 20a GG nicht vor, welcher Lastenanteil Deutschlands aus Gerechtigkeitsgründen angemessen wäre. Das heißt jedoch nicht, dass der in Deutschland zu leistende Beitrag von Verfassungs wegen beliebig gewählt werden könnte. Einer konkreten verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Reduktion der CO2-Emissionen kann auch nicht schlicht entgegengehalten werden, der Deutschland treffende Anteil an der Reduktionslast und an dem globalen CO2-Budget lasse sich nicht feststellen. Weil Art. 20a GG auch dazu verpflichtet, das Klimaschutzziel in internationaler Zusammenarbeit zu erfüllen, muss der dafür zu leistende deutsche Beitrag in einer Weise bestimmt werden, die wechselseitiges Vertrauen der Vertragspartner in den Realisierungswillen fördert, nicht aber Anreize setzt, diese zu unterlaufen (oben Rn. 203). Völkerrechtliche Anhaltspunkte für die Verteilung ergeben sich etwa aus Art. 2 Abs. 2, Art. 4 Abs. 4 PA (vgl. zum Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung <„common but differentiated responsibilities“> auch Art. 3 Nr. 1 und 4 des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 9. Mai 1992 sowie im 3. Erwägungsgrund der Präambel des Pariser Übereinkommens).

Weiterhin ist im Pariser Übereinkommen die Möglichkeit angelegt, das nationale Restbudget durch Übertragung überobligatorischer Emissionsreduktionsleistungen anderer Vertragsstaaten des Übereinkommens praktisch zu erweitern (Art. 6 Abs. 2 und Abs. 4 PA). Allerdings ist es bislang nicht gelungen, ein verlässliches Anrechnungssystem für international handelbare Minderungsleistungen einzurichten (vgl. BTDrucks 19/15906, S. 1 ff.). Ob über ein solches Übertragungs- und Anrechnungssystem das nationale Budget in der Zukunft in großem Umfang erweitert werden könnte, ist derzeit nicht absehbar. Angesichts der sehr hohen Reduktionslasten, die die Staatengemeinschaft insgesamt noch wird erbringen müssen, um das Temperaturziel des Pariser Übereinkommens zu erreichen (vgl. dazu UNFCCC, Nationally determined contributions under the Paris Agreement, Synthesis report by the secretariat, 2021, S. 5 Rn. 13), dürfte der Wettbewerb um übertragbare überobligatorische Reduktionen jedenfalls intensiv sein.

Auch eine Erweiterung des nationalen Restbudgets durch sogenannte Negativemissionstechnologien kommt in Betracht (vgl. hierzu etwa das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz vom 17. April 2012 ). Inwiefern Negativ-emissionstechnologien über einzelne Anwendungen hinaus in großem Umfang eingesetzt werden, ist heute jedoch angesichts ökologischer, technischer, wirtschaftlicher, politischer und sozialer Bedenken – ungeachtet der verfassungsrechtlichen Fragen, die hierdurch aufgeworfen werden könnten – noch nicht absehbar (oben Rn. 33).

(cc) Dass die Berechnung des Sachverständigenrats Unsicherheiten und Wertungen enthält, lässt allerdings nicht etwa darauf schließen, dass tatsächlich eher weitergehende Emissionsmöglichkeiten verblieben. Die Unsicherheiten bei der Bestimmung des globalen Restbudgets und dessen Verteilung auf die Staaten gehen in beide Richtungen, könnten also auch zu einer zu großzügigen Schätzung geführt haben. Insgesamt ist danach zwar nicht auszuschließen, dass Deutschland tatsächlich ein größeres Restbudget bleiben könnte. Ebenso möglich erscheint jedoch, dass das verbleibende Budget noch geringer ist.

(dd) Obwohl die konkrete Quantifizierung des Restbudgets durch den Sachverständigenrat nicht unerhebliche Unsicherheiten enthält, müssen ihm die gesetzlichen Reduktionsmaßgaben Rechnung tragen. Weil bei der exakten Quantifizierung des Zusammenhangs zwischen CO2-Emissionen und Erderwärmung Unsicherheiten verbleiben, lässt Art. 20a GG der Gesetzgebung zwar Wertungsspielräume (vgl. BVerfGE 128, 1 <39>; siehe auch zu den Grundrechten BVerfGE 49, 89 <131 f.>; 83, 130 <141 f.>). Die Größe der zur Wahrung der Temperaturschwelle verbleibenden Emissionsmenge lässt sich derzeit nicht so exakt ermitteln, dass die vom Sachverständigenrat angegebene Budgetgröße ein zahlengenaues Maß für die verfassungsgerichtliche Kontrolle bieten könnte. Jedoch darf der Gesetzgeber seine Wertungsspielräume nicht nach politischem Belieben ausfüllen. Besteht wissenschaftliche Ungewissheit über umweltrelevante Ursachenzusammenhänge, setzt Art. 20a GG den Entscheidungen des Gesetzgebers – zumal solchen mit unumkehrbaren Folgen für die Umwelt – vielmehr Grenzen und erlegt ihm, auch in Verantwortung für die künftigen Generationen, eine besondere Sorgfaltspflicht auf (vgl. auch BVerfGE 128, 1 <37>; Epiney, in: v.Mangoldt/Klein/ Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 71; siehe auch Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, 1998, S. 101 f.; Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 121 ff.; Wolf, in: AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 20a Rn. 32; Murswiek, in: Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 20a Rn. 50; Huster/Rux, in: BeckOK GG, 45. Ed. 15. November 2020, Art. 20a Rn. 22). Ausdruck dieser besonderen Sorgfaltspflicht ist jedenfalls, dass der Gesetzgeber bereits belastbare Hinweise auf die Möglichkeit gravierender oder irreversibler Beeinträchtigungen – jeweils in Ansehung ihrer Belastbarkeit – berücksichtigen muss. Auch nach Art. 3 Nr. 3 Satz 2 Klimarahmenkonvention soll das Fehlen einer völligen wissenschaftlichen Gewissheit nicht als Grund für das Aufschieben von Vorsorgemaßnahmen dienen, wenn „ernsthafte oder nicht wiedergutzumachende“ Schäden drohen. Hinsichtlich der Gefahr des irreversiblen Klimawandels muss das Recht daher auch den aus einem qualitätssichernden Verfahren hervorgegangenen Schätzungen des IPCC zur Größe des verbleibenden globalen CO2-Restbudgets und den Konsequenzen für verbleibende nationale Emissionsmengen Rechnung tragen, wenn diese auf die Möglichkeit der Überschreitung der verfassungsrechtlich maßgeblichen Temperaturschwelle hinweisen.

(2) Dem werden § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 noch gerecht. Verfassungsgerichtlich kann derzeit unter Berücksichtigung des Spielraums des Gesetzgebers nicht festgestellt werden, dass diese Regelungen das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot aus Art. 20a GG verletzten.

(a) Dass das verbleibende Restbudget mit den getroffenen Regelungen eingehalten werden kann, erscheint allerdings nicht gewiss. Legt man als ab 2020 verbleibendes konkretes nationales CO2-Restbudget 6,7 Gigatonnen zugrunde, wie es der Sachverständigenrat für das Ziel ermittelt hat, den Anstieg der mittleren Erdtemperatur mit einer Wahrscheinlichkeit von 67 % auf 1,75 °C zu begrenzen (SRU, Für eine entschlossene Umweltpolitik in Deutschland und Europa, Umweltgutachten 2020, S. 52, 88 Rn. 111), würde dieses Restbudget durch die in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 zugelassenen CO2-Mengen bis 2030 bereits weitgehend aufgezehrt.

Die in der Anlage 2 zu § 4 KSG für Jahre und Sektoren angegebenen Emissionsmengen ergeben (bei einer gewissen Unsicherheit wegen der nicht durchgehend festgelegten Emissionsmengen der Energiewirtschaft) in der Summe ungefähr 7 Gigatonnen. Diese Angabe bezieht sich allerdings auf sogenannte CO2-Äquivalente, schließt also neben CO2-Emissionen auch andere Treibhausgase ein (vgl. § 2 Nr. 2 KSG), die aber wegen ihrer abweichenden Eigenschaften, insbesondere ihrer Kurzlebigkeit, in der Berechnung des Restbudgets von IPCC und Sachverständigenrat nicht berücksichtigt werden. In Deutschland beträgt der Anteil des CO2-Ausstoßes an den Treibhausgasemissionen derzeit ungefähr 88 % (SRU, a.a.O., S. 40). Entsprechend werden in den in Anlage 2 aufgeführten Treibhausgasemissionen von in der Summe ungefähr 7 Gigatonnen CO2-Äquivalenten gut 6 Gigatonnen CO2-Emissionen enthalten sein.

Nach 2030 verbliebe danach von dem vom Sachverständigenrat ermittelten CO2-Restbudget von 6,7 Gigatonnen weniger als 1 Gigatonne. Dabei sind in Anlage 2 zu § 4 KSG noch nicht die zusätzlichen CO2-Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft und die Deutschland zuzurechnenden Emissionen des internationalen Luft- und Seeverkehrs enthalten (vgl. BTDrucks 19/14337, S. 26 f.), die das verbleibende Budget zusätzlich schmälern.

Zur Wahrung der Budgetgrenzen müsste demzufolge nach 2030 alsbald Klimaneutralität realisiert werden. Dass dies gelingen könnte, ist aber nicht wahrscheinlich. Nach dem im Klimaschutzgesetz vorgesehenen Reduktionspfad soll das Emissionsniveau im Jahr 2030 zwar im Vergleich zu 1990 um 55 % gemindert sein (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KSG). Das Emissionsniveau ist damit aber noch bei weitem nicht klimaneutral. Realistischerweise wird die Umstellung auf Klimaneutralität dann, von freiheitsrechtlichen Hindernissen abgesehen, allein aus technischen Gründen noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Ein Restbudget von 6,7 Gigatonnen CO2-Emissionen würde wohl überschritten. Richtete man die Bestimmung des nationalen Restbudgets indessen an einer etwas großzügigeren Temperaturmaßgabe zwischen 1,75 °C und 2 °C aus, erschiene die Einhaltung des nach der Methode des Sachverständigenrats ermittelten nationalen Restbudgets hingegen nicht ausgeschlossen. Dabei reicht ein nach 2030 verbleibendes Budget umso länger aus, je stärker die Jahresemissionsmengen nach 2030 kontinuierlich weiter abgesenkt werden.

Allerdings hat der Sachverständigenrat das nationale Restbudget, indem er ihm als Temperaturschwelle 1,75 °C zugrunde gelegt hat, nicht übermäßig streng bestimmt. Die rechtliche Maßgabe lautet, die Erwärmung auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen. Eine Begrenzung bei 1,75 °C liegt danach zwar im Bereich des rechtlich Zulässigen, realisiert aber nicht die aufgegebene Anstrengung, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 lit. a PA). Für eine höhere Schwelle zwischen 1,75 °C und 2 °C gilt das erst recht.

(b) Im Ergebnis kann derzeit nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Entscheidungsspielraum überschritten hat. Einer verfassungsgerichtlichen Feststellung, dass mit den in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis 2030 festgelegten Emissionsmengen das – durch Art. 20a GG auch verfassungsrechtlich begrenzte – CO2-Budget überzogen werde, steht derzeit die Unsicherheit bezüglich der Größe des globalen CO2-Restbudgets entgegen, die sich neben eigenen Unsicherheiten hinsichtlich des Umfangs des nationalen Restbudgets in dessen Berechnung niederschlägt. Das vom Sachverständigenrat auf der Grundlage der Schätzungen des IPCC zur Wahrung einer 1,75 °C-Temperaturschwelle ermittelte Restbudget von 6,7 Gigatonnen würde durch die in Anlage 2 geregelten Emissionsmengen zwar bis zum Jahr 2030 nahezu aufgezehrt (oben Rn. 231 ff.). Die Unsicherheit über die zur Wahrung der Temperaturschwelle global und national verbleibenden Emissionsmöglichkeiten ist derzeit jedoch zu groß, als dass die vom Sachverständigenrat ermittelte Budgetgröße ein zahlengenaues Maß für die verfassungsgerichtliche Kontrolle bieten könnte.

Die Schätzungen des IPCC zur Größe des verbleibenden globalen CO2-Restbudgets und der daraus zu entnehmende Hinweis auf die Gefahr einer Überschreitung der verfassungsrechtlich maßgeblichen Temperaturschwelle sind zwar dennoch zu berücksichtigen (oben Rn. 229). Dass der Gesetzgeber gegen diese Sorgfaltspflicht mit § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 verstoßen hat, kann derzeit jedoch nicht festgestellt werden. Das vom Sachverständigenrat auf der Grundlage der Schätzungen des IPCC zur Wahrung einer 1,75 °C-Temperaturschwelle ermittelte Restbudget von 6,7 Gigatonnen würde durch die in Anlage 2 geregelten Emissionsmengen bis zum Jahr 2030 weitgehend aufgebraucht, für sich genommen aber wohl nicht überzogen. Ein solches Maß an Verfehlung genügte verglichen mit den derzeit in der Berechnung des Restbudgets enthaltenen Unsicherheiten nicht für eine verfassungsgerichtliche Beanstandung. Angesichts der normativen Spanne der Temperaturmaßgabe „deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C“ ist dabei auch von Bedeutung, dass der Sachverständigenrat das nationale Budget von 6,7 Gigatonnen nicht etwa – wie die Beschwerdeführenden in den Verfahren 1 BvR 78/20 und 1 BvR 96/20 annehmen – für eine 2 °C-Schwelle, sondern für die strengere 1,75 °C-Schwelle ermittelt hat.

cc) Zum Teil wird in den Verfassungsbeschwerden darauf hingewiesen und als verfassungswidrig beanstandet, dass die in Deutschland aktuell eingesetzten Klimaschutzinstrumente ausweislich verschiedener Studien nicht ausreichen, um die in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG für das Zieljahr 2030 festgelegte Minderungsquote von 55 % im Vergleich zum Jahr 1990 einzuhalten (oben Rn. 169 f.). Eine Verletzung von § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG begründete jedoch für sich genommen keinen Verfassungsverstoß. § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG ist keine maßstäbliche Konkretisierung des Klimaschutzauftrags aus Art. 20a GG, weil er nicht wie § 1 Satz 3 KSG gesamthaft das Klimaschutzziel des Gesetzgebers benennt (oben Rn. 209). Davon abgesehen wäre nicht von vornherein auszuschließen, dass das konkrete nationale Klimaschutzinstrumentarium noch so fortentwickelt wird, dass das für 2030 geregelte Minderungsziel eingehalten wird, indem innerhalb dieses Zeitraums Reduktionsdefizite kompensiert werden. § 4 Abs. 3 Satz 1 KSG sieht innerhalb der Jahreszeiträume bis 2030 gegebenenfalls eine Nachholungspflicht vor.

dd) Der Gesetzgeber hat nicht gegen Rationalitätsanforderungen an die Gesetzgebung verstoßen. Art. 20a GG statuiert, jedenfalls für die hier zu entscheidende Konstellation, keine von seinen materiellen Anforderungen losgelöste, eigenständige Sachaufklärungs- und Begründungspflicht.

(1) Eine selbstständige, von den Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes unabhängige Sachaufklärungspflicht folgt aus dem Grundgesetz generell nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher nur in bestimmten Sonderkonstellationen eine selbstständige Sachaufklärungspflicht des Gesetzgebers angenommen. Ansonsten gilt das Prinzip, dass die Gestaltung des Gesetzgebungsverfahrens im Rahmen der durch die Verfassung vorgegebenen Regeln Sache der gesetzgebenden Organe ist. Das parlamentarische Verfahren ermöglicht zudem mit der ihm eigenen Öffentlichkeitsfunktion und den folglich grundsätzlich öffentlichen Beratungen gerade durch seine Transparenz, dass Entscheidungen auch in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert und damit die Voraussetzungen für eine Kontrolle auch der Gesetzgebung durch die Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden. Schon deshalb geht Entscheidungen von erheblicher Tragweite grundsätzlich ein Verfahren voraus, welches der Öffentlichkeit auch durch die Berichterstattung seitens der Medien hinreichend Gelegenheit bietet, Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Umfang der zu beschließenden Maßnahmen in öffentlicher Debatte zu klären. Das Grundgesetz vertraut so darauf, dass auch ohne Statuierung einer eigenständigen Sachaufklärungspflicht die Transparenz und der öffentliche Diskurs im parlamentarischen Verfahren hinreichende Gewähr für eine jeweils ausreichende Tatsachengrundlage der gesetzgeberischen Entscheidung bieten. Denn das Fehlen einer selbstständigen Sachaufklärungspflicht im Gesetzgebungsverfahren befreit den Gesetzgeber nicht von der Notwendigkeit, seine Entscheidungen in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere den Grundrechten, zu treffen, und sie insoweit – etwa im Blick auf die Verhältnismäßigkeitsanforderungen – auf hinreichend fundierte Kenntnisse von Tatsachen und Wirkzusammenhängen zu stützen (BVerfGE 143, 246 <343 ff. Rn. 273 ff.> m.w.N.).

(2) Aus Art. 20a GG ergibt sich hier auch nicht die von den Beschwerdeführenden geltend gemachte Begründungspflicht des Gesetzgebers (vgl. aber Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 73 m.w.N.; Kluth, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, 51. EL 2016, Art. 20a Rn. 107; speziell zum Klimaschutz Winter, ZUR 2019, 259 <265>; zurückhaltend hingegen etwa Groß, ZUR 2009, 364 <367>). Nach ständiger Rechtsprechung des Senats schreibt die Verfassung nicht vor, was, wie und wann genau im Gesetzgebungsverfahren zu begründen ist, sondern lässt Raum für Verhandlungen und für den politischen Kompromiss (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77> m.w.N.). Die sich aus der Verfassung ergebenden Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes beziehen sich grundsätzlich nicht auf seine Begründung, sondern auf die Ergebnisse eines Gesetzgebungsverfahrens (BVerfGE 139, 148 <180 Rn. 61>; vgl. auch BVerfGE 140, 65 <80 Rn. 33>; 143, 246 <345 f. Rn. 279>). Entscheidend ist auch hier, dass sich die Vereinbarkeit der gesetzlich geregelten Emissionsmengen mit Art. 20a GG schlüssig begründen lässt (vgl. entsprechend zum menschenwürdigen Existenzminimum BVerfGE 137, 34 <73 Rn. 77>).

ee) Indessen bleibt dem Gesetzgeber sein in Konkretisierung von Art. 20a GG bekundetes Bemühen aufgegeben, den Temperaturanstieg möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen (§ 1 Satz 3 KSG). Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass die in § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG für das Zieljahr 2030 vorgegebene Minderungsquote von 55 % nicht an dem Ziel ausgerichtet war, die Erwärmung der Erde auf deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen. Die Genese dieses Werts deutet vielmehr darauf hin, dass die Minderungsvorgabe ursprünglich an einer Temperaturschwelle von 2 °C orientiert war (oben Rn. 166). Dazu passt, dass sich mit der in § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 vorgesehenen Gesamtemissionsmenge das vom Sachverständigenrat auf der Grundlage der Schätzungen des IPCC für das 1,75 °C-Ziel bestimmte Restbudget nur unter äußersten Schwierigkeiten einhalten ließe, dass aber die Einhaltung eines entsprechend für das 2 °C-Ziel bestimmten Restbudgets möglich erschiene.

b) § 3 Abs. 1 Satz 2 KSG und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 sind insoweit verfassungswidrig, als sie die derzeit nicht hinreichend eingedämmte Gefahr künftiger Grundrechtsbeeinträchtigungen begründen; damit verletzen sie die sich aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ergebende Pflicht des Gesetzgebers, die nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen bis hin zur Klimaneutralität vorausschauend in grundrechtsschonender Weise über die Zeit zu verteilen (zu den Anforderungen oben Rn. 192 ff.).

aa) Die in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 vorgesehenen Emissionsmengen reduzieren die Emissionsmöglichkeiten erheblich, die entsprechend der das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG konkretisierenden Temperaturschwelle von deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C, für anschließende Zeiträume verbleiben. Dies ist mit Blick auf die grundrechtsrelevante Vorwirkung nur zu rechtfertigen, wenn zur Gewährleistung eines weiterhin freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität hinreichende Vorkehrungen getroffen werden, um die ab 2031 auf die Beschwerdeführenden zukommende Minderungslast zu lindern und die damit verbundene Grundrechtsgefährdung einzudämmen (1). Erforderlich ist die Schaffung eines entwicklungsfördernden Planungshorizonts (2). Damit sind konkrete Anforderungen an die weitere Ausgestaltung des Reduktionspfads gestellt (3).

(1) Die nach 2030 aufgrund von Art. 20a GG gebotene Treibhausgasminderungslast wird erheblich sein. Ob sie so einschneidend ausfällt, dass damit zwangsläufig aus heutiger Sicht unzumutbare Grundrechtsbeeinträchtigungen verbunden wären (a), lässt sich zwar nicht feststellen. Das Risiko gravierender Belastungen ist jedoch hoch. Wegen der Verpflichtung, die Gefahr erheblicher Grundrechtsbeeinträchtigungen einzudämmen, wie auch wegen der allgemeinen Verpflichtung, schonend mit den Grundrechten umzugehen, können die in § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 bis zum Jahr 2030 vorgesehenen Emissionsmengen mit den künftig betroffenen Freiheitsgrundrechten im Ergebnis nur in Einklang gebracht werden, wenn dies mit Vorkehrungen zur grundrechtsschonenden Bewältigung der nach 2030 drohenden Reduktionslast verbunden ist (b).

(a) Nach der verfassungsrechtlichen Maßgabe, die Erderwärmung bei deutlich unter 2 °C und möglichst 1,5 °C anzuhalten, ist die Menge an CO2-Emissionen, die noch im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Klimaschutzgebot in die Erdatmosphäre gelangen dürfen, begrenzt. Ein auf Deutschland entfallender Anteil an den verbleibenden Emissionsmöglichkeiten wird nach § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 ungeachtet der genauen Größe des Restbudgets jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil verbraucht. Nach der Berechnung des Sachverständigenrats bleibt bei Verfolgung einer Temperaturschwelle von 1,75 °C bei 67%iger Zielerreichungswahrscheinlichkeit nach 2030 allenfalls noch ein minimaler Rest an Emissionsmöglichkeiten, der angesichts des für 2031 noch zu erwartenden Emissionsniveaus kaum für ein weiteres Jahr genügte (oben Rn. 231 ff.). Zur strikten Wahrung des durch Art. 20a GG vorgegebenen Emissionsrahmens wären danach Reduktionsanstrengungen aus heutiger Sicht unzumutbaren Ausmaßes erforderlich, zumal die allgemeine Lebensweise auch im Jahr 2031 noch von hoher CO2-Intensität geprägt sein dürfte und die jährliche Emissionsmenge im Vergleich zu 1990 erst um 55 % reduziert sein wird (vgl. § 3 Abs 1 Satz 2 KSG). Auch wenn in Rechnung gestellt wird, dass Art. 20a GG keinen absoluten Vorrang des Klimaschutzes statuiert (oben Rn. 198), der sich im Verhältnis zu gegenläufigen Grundrechten oder anderen elementaren Verfassungsrechtsgütern oder -prinzipien zwangsläufig durchsetzen müsste, würde das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot – verstärkt durch grundrechtliche Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 GG – die Hinnahme erheblicher Freiheitseinschränkungen fordern, die aus heutiger Sicht kaum zumutbar wären.

(b) Wie viel Emissionsmöglichkeiten zur Wahrung des Paris-Ziels nach 2030 bleiben, lässt sich allerdings nicht exakt feststellen, weil das nationale Restbudget angesichts verbleibender Ungewissheiten und Wertungserfordernisse verfassungsrechtlich nicht zahlengenau beziffert werden kann (oben Rn. 224 ff.). Wäre das nationale Restbudget um einige Gigatonnen größer, als sich aus den Berechnungen des Sachverständigenrats ergibt, wäre mit den angegriffenen Bestimmungen eine grundrechtsgemäße Gestaltung des Übergangs zur Klimaneutralität in Einklang mit Art. 20a GG noch denkbar. Sie müsste allerdings rechtzeitig eingeleitet werden. Dass das verbleibende Restbudget größer sein wird, als der Sachverständigenrat schätzt, ist indessen alles andere als gewiss; es könnte auch noch kleiner sein (oben Rn. 228). Unter diesen Umständen muss der Gesetzgeber sowohl wegen der allgemeinen Verpflichtung schonenden Umgangs mit den Grundrechten als auch wegen der Verpflichtung, die Gefahr erheblicher Grundrechtsverletzungen einzudämmen (oben Rn. 194), Vorkehrungen zur grundrechtsschonenden Bewältigung der nach 2030 drohenden Reduktionslast treffen.

(2) Praktisch verlangt die Schonung künftiger Freiheit hier den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. In allen Lebensbereichen ‒ etwa Produktion, Dienstleistung, Infrastruktur, Verwaltung, Kultur und Konsum, letztlich bezüglich aller heute noch CO2-relevanten Vorgänge – müssen Entwicklungen einsetzen, die ermöglichen, dass von grundrechtlicher Freiheit auch später noch, dann auf der Grundlage CO2-freier Verhaltensalternativen, gehaltvoll Gebrauch gemacht werden kann. Allerdings wäre der Staat weder in der Lage noch ist es allein seine Aufgabe, alle technologischen und sozialen Entwicklungen zur Ersetzung und Vermeidung von treibhausgasintensiven Prozessen und Produkten und den Ausbau hierfür erforderlicher Infrastrukturen selbst zu erbringen. Es könnte dem Gesetzgeber auch kaum gelingen, die erforderlichen Entwicklungen konkret vorzugeben. Verfassungsrechtlich verpflichtet ist er aber, grundlegende Voraussetzungen und Anreize dafür zu schaffen, dass diese Entwicklungen einsetzen (vgl. so zu Art. 20a GG bereits BVerfGE 118, 79 <110 f.>; siehe auch Eifert, in: Kahl , Nachhaltigkeit durch Organisation und Verfahren, 2016, S. 371 <381 ff.> m.w.N.; Hermes, DV 53 <2020>, 311 <319> m.w.N.).

Auch insoweit stehen dem Gesetzgeber Gestaltungsspielräume offen. Das Grundgesetz gibt nicht im Einzelnen vor, was zu regeln ist, um Voraussetzungen und Anreize für die Entwicklung klimaneutraler Alternativen zu schaffen. Grundlegend hierfür und damit für eine vorausschauende Schonung künftiger Freiheit ist allerdings, dass der Gesetzgeber einer möglichst frühzeitigen Einleitung der erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse auch für die Zeit nach 2030 Orientierung bietet und diesen damit zugleich ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermittelt. Der nötige Entwicklungsdruck entsteht, indem absehbar wird, dass und welche Produkte, Dienstleistungen, Infrastruktur-, Verwaltungs- und Kultureinrichtungen, Konsumgewohnheiten oder sonstigen heute noch CO2-relevanten Strukturen schon bald erheblich umzugestalten sind. Legte der Gesetzgeber beispielsweise frühzeitig konkret fest, dass dem Verkehrssektor ab einem bestimmten Zeitpunkt nur noch geringe jährliche Emissionsmengen zur Verfügung stehen, könnte dies Anreiz und Druck für die Entwicklung und Verbreitung alternativer Techniken und der dafür erforderlichen Infrastruktur entfalten. Die frühzeitige Erkennbarkeit einer Verteuerung und Verknappung CO2-relevanter Mobilität könnte etwa auch dazu führen, dass grundlegende Entscheidungen und Entwicklungen zu Berufs- und Arbeitsplatzwahl oder zur Gestaltung von Arbeits- und Geschäftsabläufen rechtzeitig so getroffen und eingeleitet würden, dass sie von vornherein weniger Mobilität erforderten. Würde dann der festgelegte Zeitpunkt erreicht, könnte das CO2-Budget des Verkehrssektors verringert werden, ohne damit Freiheiten erheblich zu verkürzen.

Einer Innovationswirkung frühzeitiger konkreter Reduktionsmaßgaben stünde nicht notwendig entgegen, dass der Gesetzgeber seine Maßgaben ausschließlich für Deutschland treffen könnte, Deutschland aber zu klein wäre, um in international ausgerichteten Märkten die erforderlichen Entwicklungen anzustoßen und zu etablieren. Soweit durch konkrete Reduktionsmaßgaben gesellschaftlichen Wandlungsprozessen und individuellen Lebensentwürfen eine Orientierung geboten wird, bleibt der nationale Rahmen von herausgehobener Bedeutung. Aber auch im Bereich der technologischen Entwicklung ist ein spürbarer Effekt verbindlicher nationaler Reduktionspfade selbst dort denkbar, wo Innovation von ökonomischen Interessen getrieben ist. Einerseits entfaltet schon der deutsche Markt selbst eine Nachfragekraft. Andererseits stellen sich ähnliche Herausforderungen auch andernorts und erfolgen nationale Regelungen ohnehin auch in europäischer und internationaler Abstimmung und Wechselwirkung.

(3) Im Klimaschutzgesetz richtet sich das Augenmerk insoweit auf § 4 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG, in denen der Gesetzgeber die Fortschreibung des Treibhausgasreduktionspfads geregelt hat. Nach § 4 Abs. 1 Satz 5 KSG werden die jährlichen Minderungszeiträume ab dem Jahr 2031 (also nach dem Ende des in Anlage 2 zu § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG bis 2030 geregelten Reduktionspfads) durch Rechtsverordnung gemäß § 4 Abs. 6 KSG fortgeschrieben. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG legt die Bundesregierung im Jahr 2025 für weitere Zeiträume nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende Emissionsmengen durch Rechtsverordnung fest. Damit knüpft der Gesetzgeber regelungstechnisch an die Festlegung von Jahresemissionsmengen nach § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 an. Er könnte zur Schaffung des erforderlichen Planungshorizonts auch andere Regelungstechniken wählen. Da das weitere Reduktionsgeschehen nach 2030 nun aber über die Verordnungsermächtigung in § 4 Abs. 6 KSG angeleitet ist, muss diese Bestimmung die Entstehung des grundrechtlich gebotenen entwicklungsfördernden Planungshorizonts leisten können.

Konkret heißt dies, dass in Fortschreibung von § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 möglichst frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung verbleibender Emissionsmöglichkeiten und Reduktionserfordernisse nach 2030 formuliert werden müssen. Erst dies bietet die grundlegende Orientierung für die unerlässliche Entwicklung und Planung entsprechender Techniken und Praktiken (siehe auch BTDrucks 19/14337, S. 17). Dazu müssen die in Fortschreibung von § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 festzulegenden weiteren Reduktionsmaßgaben so ausgestaltet sein, dass sie die gebotene Orientierungsfunktion erfüllen können. Auch dies liegt weitgehend in den Händen des Gesetzgebers.

Verfassungsrechtlich unerlässlich ist aber zum einen, dass weitere Reduktionsmaßgaben rechtzeitig über das Jahr 2030 hinaus und zugleich hinreichend weit in die Zukunft hinein festgelegt werden (dazu nachdrücklich Irischer Supreme Court, Urteil vom 31. Juli 2020, 205/19, Ziffer 6.45 ff.; vgl. generell zu einem ökologischen Rechtzeitigkeitsgebot Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 72). Nur so kann ein Planungshorizont entstehen, vor dem Anreiz und Druck erwachsen, die erforderlichen, teils langwierigen Entwicklungen in großer Breite in Gang zu setzen. Dass diese Entwicklungen bald beginnen, ist erforderlich, um künftige Freiheit nicht plötzlich, radikal und ersatzlos beschneiden zu müssen. Zwar ist nachvollziehbar, dass es bei Abfassung des Klimaschutzgesetzes nicht ohne Weiteres möglich war, die Reduktionspfade über das Jahr 2030 hinaus etwa bis zum Jahr 2050 als dem Jahr der angestrebten Klimaneutralität (§ 1 Satz 3 KSG) konkret zu bestimmen. Technische Entwicklung und Verhaltens-innovation sind insoweit nicht genau genug vorhersehbar; eine zu frühe Festlegung der Entwicklungspfade könnte im ungünstigen Fall sogar Entwicklungspotenzial verschenken. Die bislang nur bis 2030 gesetzlich geregelten Pfade sind dann aber rechtzeitig, in einem gestuften Prozess, über die Zeit hinweg kontinuierlich fortzuentwickeln. Das muss jeweils so rechtzeitig geschehen, dass klare Planungshorizonte entstehen.

Zum anderen müssen weitere Jahresemissionsmengen und Reduktionsmaßgaben so differenziert festgelegt werden, dass eine hinreichend konkrete Orientierung entsteht. Erst dies erzeugt den erforderlichen Planungsdruck, weil nur so erkennbar wird, dass und welche Produkte und Verhaltensweisen im weitesten Sinne schon bald erheblich umzugestalten sind. Wenn im Einzelnen konkret erkennbar ist, dass, wann und wie die Möglichkeit endet, Treibhausgas zu emittieren, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass klimaneutrale Technologien und Verhaltensweisen diesem Entwicklungspfad entsprechend zügig etabliert werden.

Maßgeblich bleibt bei alledem das Klimaschutzgebot des Art. 20a GG. Die Festlegungen für die weitere Zukunft müssen einen Reduktionspfad weisen, der unter Wahrung des verbleibenden Emissionsbudgets zur Klimaneutralität führt. Dies setzt voraus, dass die zulässigen Emissionsmengen – wie vom Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 Satz 2, § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG bereits vorgesehen – immer weiter abgesenkt werden. Anders wäre die verfassungsrechtlich aufgegebene Klimaneu-tralität praktisch nicht rechtzeitig zu erreichen (vgl. auch Art. 4 Abs. 3 PA). Das schließt Verrechnungsmöglichkeiten, wie sie insbesondere in § 4 Abs. 3 Satz 1 KSG geregelt sind, nicht aus, solange die Emissionen insgesamt weiter sinken.

bb) Die in § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG zur Fortschreibung des Reduktionspfads gewählte Regelungstechnik der Festlegung sinkender Jahresemissionsmengen ist im Grunde geeignet, der weiteren Entwicklung Orientierung zu geben. Die Regelung schafft Transparenz darüber, wo der maßgebliche Reduktionspfad zu finden sein wird, nämlich in der aufgrund von § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG eigens hierfür zu erlassenden Verordnung; diese Klarheit ist unerlässlich. Allerdings ist die konkrete Fortschreibung in § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG unzureichend geregelt. Sie genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine der weiteren Entwicklung hinreichend Orientierung vermittelnde Ausgestaltung im Ergebnis nicht. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass der Gesetzgeber außerdem wegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes nähere Vorgaben zur Größe der Jahresemissionsmengen machen muss, wenn er an einer Einbindung des Verordnungsgebers festhält (unten Rn. 259 ff.).

(1) Die gesetzlichen Maßgaben für die Fortschreibung des Reduktionspfads nach 2030 sind verfassungsrechtlich unzureichend. So kann zwar nicht verlangt werden, dass die absinkenden Emissionsmengen bereits jetzt bis zum Ende, also bis zur Erreichung der für 2050 angestrebten Klimaneutralität, konkret bestimmt werden (oben Rn. 253). Jedoch genügt es nicht, dass § 4 Abs. 6 KSG die Bundesregierung lediglich dazu verpflichtet, „im Jahr 2025“ „für weitere Zeiträume nach dem Jahr 2030“ jährlich absinkende Emissionsmengen durch Rechtsverordnung festzulegen. Das lässt offen, wie weit in die Zukunft diese Festlegung reicht. Nach dem Wortlaut könnten dies nur zwei Einjahreszeiträume sein, die lediglich bis 2032 reichten. Gerade weil der Reduktionspfad im Jahr 2025 kaum endgültig festgelegt werden kann und soll, genügt es nicht, die Bundesregierung lediglich dazu zu verpflichten, einmal – im Jahr 2025 – eine weitere Festlegung zu treffen. Diese wird kaum bis zur Klimaneutralität reichen können. Vielmehr müsste zumindest bestimmt werden, in welchen Zeitabständen weitere Festlegungen transparent zu treffen sind.

Nach dem in § 4 Abs. 6 KSG geregelten Vorgehen ist zudem nicht gesichert, dass der weitere Reduktionspfad rechtzeitig erkennbar ist. So erscheint bereits zweifelhaft, dass die erste weitere Festlegung von Jahresemissionsmengen in Zeiträumen nach 2030 rechtzeitig käme. Nach der Regelung sollen Festlegungen erst im Jahr 2025 getroffen werden. Bis 2025 besteht demnach keine Planung über das Jahr 2030 hinaus. Für die folgende Zeit bleibt so eine Vorbereitungszeit von lediglich fünf Jahren. Ein hinreichender Planungshorizont dürfte damit etwa in vielen Produktions-, Konsum- oder Infrastrukturbereichen kaum rechtzeitig entstehen können. Auch über d,ie erste Festlegung hinaus ist die Rechtzeitigkeit nicht gesichert, weil § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG nicht gewährleistet, dass die Festlegungen weit genug in die Zukunft reichen. Denn die Regelung verpflichtet die Bundesregierung lediglich, „für weitere Zeiträume nach dem Jahr 2030“ jährlich absinkende Emissionsmengen festzulegen. Über die Länge der Zeiträume ist nichts gesagt; es könnten eben auch nur zwei Einjahreszeiträume sein. Mit einer einmaligen Festlegung im Jahr 2025 lassen sich keine hinreichend weit in die Zukunft reichenden Maßgaben treffen. Ein wiederholter Festlegungsprozess ist daher auch unter dem Gesichtspunkt zeitlich hinreichend weitgreifender Festlegung unerlässlich. Dabei dürfte in vielen Produktions- und Konsumbereichen ein Vorlauf von fünf Jahren nicht genügen, die zur späteren Schonung der Grundrechte erforderlichen Entwicklungen rechtzeitig anzustoßen. Der Gesetzgeber müsste dem Verordnungsgeber, sofern er an dessen Einbindung festhält, weiterreichende Festlegungen aufgeben; insbesondere müsste er ihn schon vor 2025 zur ersten weiteren Festlegung verpflichten oder ihm wenigstens deutlich früher durch gesetzliche Regelung vorgeben, wie weit in die Zukunft die Festlegungen im Jahr 2025 reichen müssen. Wenn der Gesetzgeber die Fortschreibung des Reduktionspfads vollständig übernimmt, muss er selbst alles Erforderliche entsprechend rechtzeitig weit genug in die Zukunft hinein regeln.

(2) Sofern der Gesetzgeber bei der Neuregelung der Maßgaben für die Festlegung von Jahresemissionsmengen für Zeiträume nach 2030 an der Einbindung des Verordnungsgebers festhalten will, kann er dies zwar im Grundsatz tun, muss aber nach Art. 80 Abs. 1 GG und dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts selbst ,Regelungen zur Größe der Jahresemissionsmengen treffen. Er kann diese schrittweise unmittelbar selbst regeln. Er kann dem Verordnungsgeber aber auch wesentliche Kriterien für die Bemessung der jährlichen Mengen vorgeben. § 4 Abs. 6 KSG genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen bislang nicht.

(a) Nach Art. 80 Abs. 1 GG kann die Bundesregierung durch Gesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen aber Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Der Grad der jeweils zu fordernden Bestimmtheit einer Regelung hängt auch von der Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen ab. Je schwerwiegender die Auswirkungen sind, desto höhere Anforderungen werden an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen sein. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, der fordert, dass der Gesetzgeber die entscheidenden Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, selbst festlegt und dies nicht dem Handeln der Verwaltung überlässt (BVerfGE 56, 1 <13>; vgl. BVerfGE 141, 143 <170 Rn. 59>; 147, 253 <309 f. Rn. 116>; 150, 1 <99 ff. Rn. 199 ff.> m.w.N.). Damit soll gewährleistet werden, dass Entscheidungen von besonderer Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten, und das die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären. Geboten ist ein Verfahren, das sich durch Transparenz auszeichnet und das die Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet (BVerfGE 150, 1 <96 f. Rn. 192> m.w.N.). Das Grundgesetz kennt allerdings keinen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts. Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte organisatorische und funktionelle Trennung und Gliederung der Gewalten zielt auch darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Vor diesem Hintergrund kann auch die Komplexität der zu regelnden Sachverhalte den Umfang der Regelungspflicht des Gesetzgebers begrenzen (BVerfGE 150, 1 <99 Rn. 197> m.w.N.). Sollen Regelungen ergehen, die Freiheits- und Gleichheitsrechte der Betroffenen wesentlich betreffen, ist die Einbindung des Verordnungsgebers in die Regelungsaufgabe nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 147, 310 <311 f. Rn. 120>). Die wesentlichen Fragen sind dann aber, sofern nicht funktionale Grenzen der Gesetzgebung entgegenstehen, entweder unmittelbar durch den Gesetzgeber oder durch entsprechend bestimmte Regelung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung in einem formellen Gesetz zu klären.

(b) Dem genügt § 4 Abs. 6 KSG bislang nicht. Sofern der Gesetzgeber an der Einbindung des Verordnungsgebers in die weitere Festlegung von Jahresemissionsmengen festhält, muss er das Ausmaß der Ermächtigung genauer fassen, indem er jedenfalls die Größe der festzulegenden Jahresemissionsmengen selbst bestimmt oder nähere Maßgaben zu deren konkreten Bestimmung durch den Verordnungsgeber trifft.

(aa) Generell verlangt Art. 80 Abs. 2 Satz 1 GG unter anderem die Bestimmung des Ausmaßes der Verordnungsermächtigung im Sinne quantitativer Begrenzung (vgl. Reimer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts Bd. I, 2. Aufl. 2012, § 9 Rn. 72). Hier ist gerade die Bemessung der weiteren Jahresemissionsmengen für die Zeit nach 2030 von besonders großer Bedeutung für die Verwirklichung der Grundrechte. Nach 2030 werden erhebliche Reduktionsanstrengungen erforderlich sein. Die Jahresemissionsmengen werden daher knapp zu bemessen sein und werden entsprechend gravierende Grundrechtsbeeinträchtigungen fordern. Dabei wird erneut zwischen zeitlich versetzten Freiheitsbedarfen abzuwägen sein. Denn der Verbrauch einmal zugelassener Emissionsmengen wird auch dann noch im Wesentlichen unumkehrbar sein. Die Aufteilung der Emissionsvermeidungsverantwortung könnte in der Schlussphase der Klimaschutzanstrengungen nach 2030 mit tiefen Grundrechtseingriffen verbunden sein (vgl. Kment, NVwZ 2020, 1537 <1540>) und bedarf daher einer gesetzlichen Grundlage (vgl. auch Franzius, EnWZ 2019, 435 <437>); gerade das Gesetzgebungsverfahren schafft die verfassungsrechtlich erforderliche Transparenz und gestattet einen öffentlichen Meinungsaustausch darüber, wie die Reduktionslasten nach 2030 verteilt werden sollen (vgl. auch Irischer Supreme Court, Urteil vom 31. Juli 2020, 205/19, Ziffern 6.37 f.). Zwar kann in Rechtsbereichen, die ständig neuer Entwicklung und Erkenntnis unterworfen sind, die gesetzliche Fixierung starrer Regelungen dem Grundrechtsschutz abträglich und damit kontraproduktiv sein (vgl. grundlegend BVerfGE 49, 89 <137>). Auch die weitere Gestaltung des Übergangs zur Klimaneutralität wird von Wandelungsprozessen und wachsender Erkenntnis geprägt sein. Der berechtigte Gedanke „dynamischen Grundrechtsschutzes“ (BVerfGE, a.a.O.) lässt sich dem Gesetzeserfordernis hier gleichwohl nicht entgegenhalten, weil es nicht darum geht, zum Schutz der Grundrechte regulatorisch mit Entwicklung und Erkenntnis Schritt zu halten, sondern vielmehr darum, weitere Entwicklungen zum Schutz der Grundrechte regulatorisch überhaupt erst zu ermöglichen (oben Rn. 248 ff.).

(bb) Der Gesetzgeber hat der Bundesregierung zur Bemessung der weiteren Jahresemissionsmengen für die Zeit nach 2030 keine hinreichend bestimmten Vorgaben gemacht. § 4 Abs. 6 Satz 1 KSG spricht zwar von jährlich absinkenden Jahresemissionsmengen (siehe außerdem § 4 Abs. 3 KSG zur Verrechnungsmöglichkeit innerhalb eines Minderungszeitraums). Anderes ließe Art. 20a GG auch nicht zu (oben Rn. 255). § 4 Abs. 6 KSG regelt jedoch nicht, wann und um welche Beträge die Jahresemissionsmengen zu reduzieren sind. Die Größe der Jahresemissionsmengen ließe sich erschließen, wenn etwa kontinuierlich, auch periodisch, in gleichmäßigen Schritten abgesenkt werden müsste. Dass dies gemeint ist, ist jedoch aus der bisherigen Regelung nicht ersichtlich; § 4 Abs. 1 Satz 4 KSG legt vielmehr im Umkehrschluss nahe, dass § 4 Abs. 6 KSG dies nicht unbedingt fordert. Auch in § 4 Abs. 1 Satz 6 KSG findet sich hierzu nichts Näheres. Damit ist die wesentliche Frage der Größe und Verteilung der verbleibenden Emissionsmengen auf künftige Zeiträume nicht hinreichend gesetzlich bestimmt.

Über die Größe der weiteren Jahresemissionsmengen kann der Gesetzgeber selbst entscheiden, indem er diese schrittweise unmittelbar selbst regelt. Er kann dem Verordnungsgeber aber auch wesentliche Kriterien für die Bemessung der jährlichen Mengen vorgeben. Denkbar ist etwa, dass der Gesetzgeber Minderungsquoten für bestimmte Zieljahre vorgibt. Weil diese für sich genommen nicht aussagekräftig sind (oben Rn. 125), müsste er dann aber zusätzlich nähere Vorgaben zu dem zum Zieljahr führenden Reduktionspfad machen. Im Übrigen ist verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, jenseits der notwendigen gesetzlichen Regelungen über die Größe der weiteren Jahresemissionsmengen die näheren Regelungen wie bislang dem Verordnungsgeber zu überlassen. Aus materiellrechtlichen Gründen muss die Verordnungsermächtigung dann aber um die oben genannten Maßgaben ergänzt werden (oben Rn. 257 f.).

(cc) Dass die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gebotene Regelung durch den Gesetzgeber fehlt, kann nicht durch die in § 4 Abs. 6 Satz 3 und 4 KSG vorgesehene Beteiligung des Bundestags an den Verordnungen der Bundesregierung kompensiert werden, weil diese das fehlende Gesetzgebungsverfahren und seine Legitimationswirkung nicht ersetzen kann (vgl. BVerfGE 8, 274 <322 f.>; Bauer, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 80 Rn. 31 m.w.N.; vgl. dazu auch Wallrabenstein, in: v.Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 80 Rn. 27 m.w.N.). Der besonders hohen Bedeutung der Festlegung von Jahresemissionsmengen wird eine bloße Beteiligung des Bundestags nicht gerecht. Die schlichte Parlamentsbeteiligung kann ein Gesetzgebungsverfahren, dessen besondere Öffentlichkeitsfunktion gerade ein gewichtiger Grund für die Anwendung des Grundsatzes des Gesetzesvorbehalts ist (oben Rn. 262), hier nicht ersetzen.


D.


I.


Im Ergebnis sind § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 verfassungswidrig, soweit eine den grundrechtlichen Anforderungen genügende (oben Rn. 251 ff.) Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele für den Zeitraum ab 2031 bis zum Zeitpunkt der durch Art. 20a GG geforderten Klimaneutralität fehlt. In diesem Umfang haben die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2656/18, soweit sie zulässig ist, und die Verfassungsbeschwerden in den Verfahren 1 BvR 96/20 und 1 BvR 288/20 Erfolg, während die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 78/20 unbegründet ist.

Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG). Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen die Nichtigerklärung einer Norm zu einem Zustand führt, welcher der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde. Das Bundesverfassungsgericht belässt es dann bei einer Unvereinbarkeitserklärung und ordnet in der Regel gleichzeitig die Weitergeltung der entsprechenden Normen für einen bestimmten Zeitraum an (BVerfGE 130, 372 <402> m.w.N.; stRspr).

Das ist hier der Fall. Blieben § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 unangewendet, entfiele die dem Grunde nach durch Art. 20a GG und die Grundrechte gebotene gesamthafte Begrenzung von Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030. Auch die Gefahr für die Nutzung grundrechtlicher Freiheit nach 2030 bestünde dann erst recht, weil das CO2-Restbudget bis dahin möglicherweise noch weiter aufgezehrt würde. Daher führt der festgestellte Verfassungsverstoß hier nicht zur Nichtigkeit von § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindungt Anlage 2, sondern lediglich zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz verbunden mit einer Fortgeltungsanordnung. Die Bestimmungen bleiben also anwendbar, der Gesetzgeber muss die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume nach 2030 jedoch bis zum 31. Dezember 2022 unter Beachtung der Maßgaben dieses Beschlusses näher regeln.

II.

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.


E.


Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.

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