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Oberverwaltungsgericht Koblenz Urteil vom 14.10.2021 - 8 B 11187/21 - Zur Beweislast für den rechtzeitigen Eingang einer Rechtsmittelschrift per Telefax

OVG Koblenz v. 14.10.2021: Zur Beweislast für den rechtzeitigen Eingang einer Rechtsmittelschrift per Telefax




Das Oberverwaltungsgericht Koblenz (Urteil vom 14.10.2021 - 8 B 11187/21) hat entschieden:

   Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Übermittlung eines Schriftsatzes im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs umfasst den Erhalt der Eingangsbestätigung entsprechend § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO (wortgleich § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO).

Siehe auch
Fax - Telefaxschreiben - Schriftform - Textform - faksimilierte und aufgedruckte Unterschriften
und
Sendeprotokoll - Telefax - OK-Vermerk - Anscheinsbeweis?

Gründe:


Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Sie ist bereits unzulässig, da sie nicht binnen der in § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden ist.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2021 ist den Bevollmächtigten der Antragstellerin ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am selben Tag (Freitag, den 20. August 2021) zugestellt worden. Die zweiwöchige Beschwerdefrist endete damit am Freitag, den 3. September 2021 (§ 57 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2 BGB). Ausweislich des Aktenvermerks der Geschäftsstelle des Senats vom 29. September 2021 (Bl. 74a der GA) ist weder bei dem Verwaltungsgericht noch beim Oberverwaltungsgericht bis zum Ablauf des 3. September 2021 eine Beschwerdeschrift der Antragstellerin weder per normaler Post noch per Telefax oder mittels des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) eingegangen.

Von den Bevollmächtigten der Antragstellerin ist beim Oberverwaltungsgericht vielmehr erstmals deren Schriftsatz vom 17. September 2021 eingegangen, und zwar sowohl per beA als auch per Telefax. In diesem Schriftsatz bitten sie das Oberverwaltungsgericht um Mitteilung des Gerichtsaktenzeichens und begehren die Aufhebung der „angefochtenen Entscheidung“. Auf gerichtliche Nachfrage haben sie mit Schriftsatz vom 24. September 2021 geltend gemacht, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2021 bereits mit dem anliegenden, an das Oberverwaltungsgericht adressierten Schriftsatz vom 2. September 2021 eingelegt zu haben. Auf neuerliche Nachfrage des Gerichts haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin sodann die Zustellbestätigung über den Eingang eines Schreibens an das Oberverwaltungsgericht am 2. September 2021 (18:26 Uhr, Zusatz: „Zustellung manuell bestätigt“) vorgelegt (vgl. Bl. 82 der GA).




Mit dieser Zustellbestätigung ist indes nicht der ordnungsgemäße Eingang der Beschwerdeschrift vom 2. September 2021 innerhalb der Beschwerdefrist nachgewiesen. Nach § 55a VwGO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Sobald eine an das Gericht versendete Nachricht auf dem in dessen Auftrag geführten Server (Empfänger-Intermediär im Netzwerk für das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach [EGVP]) eingegangen ist, schickt dieser gemäß § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO automatisch dem Absender eine Bestätigung über den Eingang der Nachricht. Die Eingangsbestätigung soll dem Absender unmittelbar und ohne weiteres Eingreifen eines Justizbediensteten Gewissheit darüber verschaffen, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind.

Die von den Bevollmächtigten der Antragstellerin vorgelegte Zustellbestätigung entspricht nicht den Anforderungen an die Eingangsbestätigung gemäß § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO. Denn diese Eingangsbestätigung hat einen anderen Inhalt, was in dem hierzu herausgegebenen Newsletter der Bundesrechtsanwaltskammer näher erläutert wird (vgl. BRAK, beA-Newsletter 31/2019, "Wo findet man Eingangsbestätigung, Prüf- und Übermittlungsprotokoll?", abrufbar über das beA-Newsletter Archiv unter https://www.brak.de/bea-newsletter/). Bei der Bestätigung eines erfolgreichen Eingangs des elektronischen Dokuments wäre im Abschnitt „Zusammenfassung Prüfprotokoll“ bei dem Unterpunkt „Meldungstext“ die Nachricht „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ der Text „erfolgreich“ angezeigt worden (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – VIII ZB 9/20 –, NJW 2021, 2201 und juris, Rn. 33 m.w.N. ; auch: Günther, NJW 2020, 1785 [1786 ]). Daneben wäre auch die Nachrichten-ID (Message-ID, hier: „govapp_16…“) aufgeführt worden. All dies lässt sich der von den Bevollmächtigten der Antragstellerin übersandten Zustellbestätigung nicht entnehmen. Dort heißt es unter der Überschrift „Nachrichtenjournal“ lediglich: „Keine Journaleinträge, da Nachrichtenversand manuell bestätigt wurde.“. Auch in der Zeile „Zugegangen“ erscheint bloß der Hinweis auf die manuelle Bestätigung der Zustellung. Dies entspricht nicht dem automatisierten Bestätigungsvorgang gemäß § 55a Abs. 2 VwGO.

Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft der Mitarbeiter des Gerichts, dass im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach [EGVP] am 2. September 2021 kein Schriftsatz der Bevollmächtigten der Antragstellerin eingegangen ist. Unter deren Absenderkennung sind beim Oberverwaltungsgericht lediglich am 17. September und am 1. Oktober 2021 Eingänge verzeichnet; darüber hinaus ist ein weiterer Eingang beim Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße am 25. August 2021 nachgewiesen (Empfangsbekenntnis für den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2021). Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Antragstellerin die (materielle) Beweislast für den rechtzeitigen Eingang der Rechtsmittelschrift (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 13. Januar 2020 – 1 Bf 193/19 –, juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021, a.a.O., Rn. 31).

2. Der Antragstellerin kann auch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden.


Wiedereinsetzung in die versäumte Frist ist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei steht ein Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Hier beruht die Fristversäumung auf einem anwaltlichen Organisationsmangel bei der Ausgangskontrolle in der Kanzlei der Bevollmächtigten der Klägerin. Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin sich auf die vorgelegte Zustellbestätigung beruft, genügt dies nicht den gebotenen Sorgfaltsanforderungen zur Kontrolle des rechtzeitigen Eingangs der Rechtsmittelschrift.

Ein Rechtsanwalt hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Hierzu hat er grundsätzlich sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Rechtsmittelfristen auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021, a.a.O., Rn. 44). Bei der Übermittlung fristgebundener Schriftsätze im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs ist es unerlässlich, den Versendevorgang selbst zu überprüfen. Dies hat bei Nutzung von beA/EGVP durch Prüfung des Erhalts und des Inhalts der vom EGVP an das beA versandten Eingangsbestätigung zu erfolgen (vgl. VGH RP, Beschluss vom 24. September 2019 – VGH B 23/19 –, NJW 2020, 604 und juris, Rn. 8 m.w.N.). Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung eines Schriftsatzes im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs erfordert mithin die Kontrolle, ob der Eingang des elektronischen Dokuments bei Gericht entsprechend § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO (wortgleich § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO) bestätigt worden ist. Erst wenn der Rechtsanwalt eine solche Eingangsbestätigung in der oben erläuterten Form erhalten hat, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Ihr Ausbleiben – wie hier – muss den Rechtsanwalt zur Überprüfung und gegebenenfalls zur erneuten Übermittlung veranlassen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021, a.a.O., Rn. 21 bis 24, 46 f; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. November 2020 – OVG 6 S 49/20 –, juris, Rn. 7). Dies ist hier nicht geschehen.

Die Bevollmächtigten der Antragstellerin haben weder eine automatisierte Eingangsbestätigung i.S.v. § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO vorgelegt noch geltend und glaubhaft gemacht, dass in ihrer Kanzlei Vorkehrungen dazu getroffen waren, das Übermittlungsprotokoll unter dem Unterpunkt „Meldungstext“ auf die Nachricht „request executed“ und unter dem Unterpunkt „Übermittlungsstatus“ auf die Meldung „erfolgreich“ zu überprüfen. Die Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag deuten vielmehr auf ein fehlendes Verständnis bei den Bevollmächtigten der Antragstellerin dafür hin, dass es für die Kontrolle des Versandvorgangs im elektronischen Rechtsverkehr entscheidend auf die Überprüfung der Eingangsbestätigung in der Form des § 55a Abs. 5 Satz 2 VwGO (wortgleich § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO) ankommt (vgl. ähnlich: BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021, a.a.O., Rn. 50 f).

3. Lediglich ergänzend führt der Senat aus, dass die Beschwerde auch nicht begründet gewesen wäre.

Die in der Beschwerde geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine von dem Verwaltungsgericht abweichende Entscheidung. Auch nach Auffassung des Senats fällt die im Eilrechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus.

Zunächst hält es auch der Senat für zutreffend, das Eilrechtsschutzbegehren der Antragstellerin als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des – mittlerweile eingelegten – Widerspruchs gegen das von der Antragsgegnerin angeordnete Startverbot auszulegen. Ferner versteht der Senat das Beschwerdevorbringen dahin, dass die Antragstellerin die Aussetzung des in § 29 Abs. 3 Satz 7 LuftVG gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs der Startverbotsverfügung – abweichend von dem in der Antragsschrift vom 19. August 2021 formulierten Antrag – über den 20. August 2021 hinaus begehrt.

Wie die Antragsgegnerin vorträgt, hat die zuständige Flugaufsichtsbehörde am 5. August 2020 für das Flugzeug der Antragstellerin mit dem Kennzeichen I-D… ein Startverbot nach § 29 LuftVG angeordnet. Dies ist in der an den Geschäftsführer der Antragstellerin adressierten E-Mail des Mitarbeiters des Landesbetriebs Mobilität – Referat Luftverkehr –, Herrn W., vom 11. August 2021 noch einmal bestätigt worden (vgl. Bl. 24 der Behördenakte). Darin wird das Startverbot neben den bei verschiedenen luftaufsichtlichen Kontrollen wiederholt festgestellten Verfehlungen vor allem mit der fehlenden Zulassung des Flugzeugs begründet. Dies stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von § 29 Abs. 3 Satz 6 LuftVG dar.

Insofern stützt sich die Behörde auf das Schreiben der die Zulassung des Flugzeugs erteilenden italienischen Behörde (A…- R.) vom 20. Juli 2021, wonach der Geschäftsführer der Antragstellerin innerhalb von 30 Tagen das Identifikationszertifikat des Fluggeräts I-D… zurückzugeben habe und ab Eingang des Schreibens keine Flugaktivitäten mit dem Flugzeug durchführen dürfe (vgl. Bl. 29 f der Behördenakte – mit Übersetzung nach google). Die Antragstellerin hat die Wirksamkeit dieser Verfügung zunächst nicht in Frage gestellt. So heißt es in der Antragsschrift vom 19. August 2021 (S. 3):

   „Das Flugzeug [kann] im Rahmen seiner Betriebserlaubnis nur noch bis 20.8.2021 betrieben werden …“



Sofern sie nunmehr in der Beschwerdeschrift vom 20. September 2021 bezweifelt, dass es sich bei dem Schreiben vom 20. Juli 2021 um ein rechtswirksames Dokument handelt, genügt dies nicht, um die Anhaltspunkte für das Fehlen der Lizenz und für ein bereits von der Zulassungsbehörde ausgesprochenes Flugverbot zu entkräften. Die letztverbindliche Klärung der Rechtswirkungen des Schreibens der italienischen Behörde vom 20. Juli 2021 muss allerdings dem Widerspruchsverfahren und einem eventuell anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung wiegen die Zweifel am Fortbestand der Zulassung für das Flugzeug der Antragstellerin doch so schwer, dass es gerechtfertigt ist, die gesetzlich angeordnete sofortige Vollziehbarkeit des Startverbots einstweilen aufrechtzuerhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47, 52 GKG.

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