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Landgericht Bremen Urteil vom 22.12.2021 - 4 S 187/21 - Zur Offenlegung der Rechnungen von Subunternehmern

LG Bremen v. 22.12.2021: Zur Offenlegung der Rechnungen von Subunternehmern




Das Landgericht Bremen (Urteil vom 22.12.2021 - 4 S 187/21) hat entschieden:

   Der Haftpflichtversicherer kann von dem Geschädigten nicht die Offenlegung der Rechnungen der Subunternehmer (hier Lackierer) von der von dem Geschädigten beauftragen Fachwerkstatt verlangen. Dies ändert sich auch bei Abtretung der Ansprüche von dem Geschädigten an die Fachwerkstatt nicht.

Siehe auch
Kosten der Beilackierung - Umlackierung
und
Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung

Gründe:


Die Klägerin macht Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend.

Das Amtsgericht hat in erster Instanz folgenden Sachverhalt festgestellt:

„Am 22.01.2020 wurde der PKW der Geschädigten, Frau A, mit dem amtlichen Kennzeichen HB..., bei einem Verkehrsunfall durch den haftpflichtversicherten PKW eines Versicherungsnehmers der Beklagten beschädigt. Mit Schreiben vom 24.01.2020 teilte die Beklagte der Geschädigten mit, dass sie für den Schaden an ihrem Fahrzeug dem Grunde nach aufkommen wird. Die Geschädigte ließ ihren PKW bei der Klägerin reparieren. Die Klägerin stellte am 20.02.2020 Leistungen in Höhe von 3.000,16 € in Rechnung, hiervon 1.164,80 € netto als Fremdleistungen für Lackierarbeiten. Auf Nachfrage der Beklagten übermittelte die Klägerin der Beklagten lediglich eine geschwärzte Rechnung des ausführenden Lackierunternehmens an die Klägerin. Nach den Zahlungen der Beklagten verblieb ein offener Restbetrag in Höhe von 1.188,32 €. Die Geschädigte trat ihre Ansprüche aus dem Haftpflichtschaden an die Klägerin ab. Mit anwaltlichen Schreiben vom 04.11.2020 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Restbetrag zu zahlen. Die Beklagte zahlte nicht.“

Die Klägerin hat in erster Instanz behauptet, Frau A sei zum Zeitpunkt des Unfalls Eigentümerin des verunfallten Volvo V60 T3 gewesen. Sie ist der Auffassung, sie selbst sei nicht dazu verpflichtet, der Beklagten die ungeschwärzte Rechnung der Lackiererei vorzulegen. Sie behauptet, sie selbst unterhalte keine Lackiererei, der Wagen sei kostenpflichtig zu der Firma F verbracht worden. Die Kosten seien nicht überhöht und ortsüblich. Die Geschädigte sei auch Eigentümerin des PKW. Sie habe das Auto am 15.03.2017 bei der Klägerin gekauft.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

   die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 1.188,32 € sowie eine Nebenforderung (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) in Höhe von 196,62 € nebst jeweils 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich behauptet, ein direkter Transfer mit dem fahrtüchtigen Auto zur Lackiererei sei möglich gewesen. Die Beklagte ist der Auffassung, die Geschädigte hätte eine Werkstatt wählen müssen, die selbst Lackierereiarbeiten durchführen könnte. Die geschwärzte Rechnung könne nicht berücksichtigt werden, ihr stehe ein Leistungsverweigerungsrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht zu.




Das Amtsgericht hat der Klage in Höhe eines Teilbetrages von € 80,00 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen hat das Amtsgericht ausgeführt:

„Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf weiteren Schadenersatz aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.01.2020 aus §§ 398 BGB i.V.m. §§ 7, 17 StVG, 823, 249 BGB, 115 VVG, 1 PflVG. Der Anspruch besteht jedoch nur auf Ersatz der Verbringungskosten in Höhe von 80,00 €, weitere Zahlungen werden nicht geschuldet.

1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Sie hat durch Vorlage der verbindlichen Fahrzeugbestellung zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass Frau A zum Unfallzeitpunkt Eigentümerin des Fahrzeugs war. Im Übrigen hat die Beklagte gegenüber der Frau A auch die vollständige Haftung dem Grunde nach eingeräumt und dieser Schaden auch bereits zum weit überwiegenden Teil reguliert.

Die (zweite) Abtretungsvereinbarung vom 18.05.2021 ist auch wirksam. Insbesondere ist diese anders als die undatierte Abtretungserklärung (Bl. 35) hinreichend konkretisiert. Es wird deutlich, dass die Schadensersatzansprüche der Geschädigten aus dem Verkehrsunfall vom 22.01.2020 gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten werden.

2. Dem Grunde nach ist eine vollständige Haftung zwischen den Parteien unstreitig.

3. Die von der Klägerin in Rechnung gestellten Verbringungskosten in Höhe von 80 € sind erforderliche Aufwendungen im Sine des § 249 BGB, nicht aber die als Fremdleistung angegebenen Lackierarbeiten in noch offener Höhe von 1.108,32 €.

a. Gem. § 249 BGB hat der Schädiger im Wege der Naturalrestitution den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im Falle einer Sachbeschädigung kann der Geschädigte anstelle der Herstellung den zur Reparatur erforderlichen Geldbetrag verlangen. Aufwendungen sind erforderlich, wenn ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten diese für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Kosten, die für Überführungsfahrten zum Lackierer anfallen, sind grundsätzlich zweckmäßig und dürfen für notwendig gehalten werden (Grüneberg in Palandt, 75. Auflage, § 249, Rn. 12). Nach der Überzeugung des Gerichts sind diese auch tatsächlich angefallen. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, dass sie selbst keine Lackierarbeiten durchführt und das Fahrzeug der Geschädigten hierfür zu der Firma F verbracht hat. Das Gericht ist auch hinreichend (§ 286 ZPO) davon überzeugt, dass die Verbringungskosten auch tatsächlich angefallen sind: Die Klägerin verfügt über keine eigene Lackiererei und das auf der Rechnung der Firma F vom 20.02.2020 aufgeführte Kennzeichen des zu lackierenden Fahrzeugs stimmt mit dem amtlichen Kennzeichen des PKWs der Geschädigten überein (Gerichtsakte Bl.16).

Die Beklagte hat der Geschädigten zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt, wo eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit bestand.

Von sich aus musste die Geschädigte keine Werkstatt auswählen, die eine eigene Lackiererei betreibt. Zwar ist die Geschädigte im Rahmen der Zumutbarkeit nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet, den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbehebung zu wählen, soweit der die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (BGH, 9. März 2010, VI ZR 6/09). Bei der Beurteilung der erforderlichen Aufwendungen ist jedoch auch Rücksicht zu nehmen auf die spezielle Situation der Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten (vgl. BGHZ 115, 364, 3681; 132,373, 3761; 155, 1,41; 162, 161,164 f.; 163, 362, 365). Ein Verweis auf eine andere Werkstatt, die eine hauseigene Lackiererei betreibt, erfolgte durch die Beklagte vorliegend nicht. war der Geschädigten nicht zuzumuten. Eine besondere Sachkenntnis der Geschädigten ist nicht ersichtlich. Die Geschädigte hat ihren beschädigten PKW zur Reparatur in die Werkstatt der Klägerin gegeben. Dabei durfte sie davon ausgehen, dass lediglich zweckmäßige und notwendige Maßnahmen durchgeführt werden. Von einem Laien kann nicht erwartet werden, dass dieser vollumfänglich über die durchzuführenden Arbeiten Kenntnis hat, um zu beurteilen, welche Arbeiten durchgeführt werden müssen. Gibt man einen beschädigten PKW zur Reparatur in eine Fachwerkstatt und diese verspricht eine vollständige Reparatur, muss ein Laie nicht davon ausgehen, dass der Reparaturbetrieb dafür Fremdleistungen in Anspruch nimmt. Gleichzeitig kann nicht erwartet werden, dass sich der Geschädigte im Vorfeld einer Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs darüber informiert, ob und im welchem Umfang Verbringungskosten anfallen.

Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 BGB widersprechen, wenn die Geschädigte bei der Widerherstellung des ursprünglichen Zustands die Kosten selbst tragen müsste, die außerhalb ihrer Einflusssphäre entstehen. Auf die tatsächliche Schadensbeseitigung hat die Geschädigte keinen Einfluss. Insoweit trägt der Schädiger das Werkstatt- und Prognoserisiko. Er haftet für erfolglose Reparaturversuche und nicht notwendige Aufwendungen, sofern der Geschädigte die getroffene Maßnahme als aussichtsreich ansehen durfte und für Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihr beauftragten Werkstatt verursacht worden (Grüneberg in Palandt, 75. Auflage, § 249, Rn. 13).

b. Es besteht indes kein Anspruch auf Ersatzes für Kosten der Lackierarbeiten in Höhe von 1.108,32 €. Die Klägerin hat den auf sie übergegangenen Schaden nicht hinreichend dargelegt.

Der Geschädigte kann die Kosten für die Reparatur eines KFZ nach einem Verkehrsunfall fiktiv oder konkret abrechnen. Vorliegend rechnete Frau A konkret anhand der Reparaturrechnung der Klägerin vom 20.02.2020 ab. Infolgedessen sind die Kosten zu ersetzen, die tatsächlich zur Reparatur angefallen sind.

aa. Dabei genügt der Geschädigte grundsätzlich seiner Darlegungs- und Beweislast für die Erforderlichkeit des zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrags, indem er die Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung beauftragten Unternehmens vorlegt. Der Geschädigte muss nicht das Werkstatt- oder Prognoserisiko tragen, solange dem Geschädigten kein Auswahlverschulden trifft (BGH, 29.10. 1974, VI ZR 42/73). Dadurch entstehen dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer auch keine Nachteile, denn in analoger Anwendung des § 255 BGB ist der Geschädigte Zug-um-Zug zur Abtretung der Ansprüche gegen die Werkstatt zu verurteilen, um dem Versicherer eine Möglichkeit zu geben, sich gegen möglichweise überhöhte Kosten zu verteidigen (BGH, 29.10. 1974, VI ZR 42/73).

bb. Macht die Reparaturwerkstatt aber wie hier selbst Schadensersatzansprüche aus abgetretenen Recht geltend, ist die Vorlage der eigenen Reparaturrechnung mit Verweis auf Fremdleistungen nicht ausreichend.

In diesem Fall steht die Reparaturwerkstatt dem Versicherer und nicht der Geschädigte selbst gegenüber. Die Werkstatt trifft dann die grundsätzliche Beweislast des § 249 BGB in Bezug auf die Entstehung des Schadens. Eine Beweiserleichterung hinsichtlich der angefallenen Reparaturkosten ist nicht sachgemäß. Das Werkstatt- und Prognoserisiko wird im Falle eines Verkehrsunfalls dem Schädiger zugewiesen, um dem Geschädigten bei der Herstellung des ursprünglichen Zustands gerade keinen Mehrkosten auszusetzen, auf die dieser keinen Einfluss hat. Die Kosten der Lackierung entstammen aber gerade aus der Sphäre der sachkundige und in Reparaturfragen erfahrenen Klägerin, die die Lackierarbeiten als Fremdleistungen eingekauft hat.

Auch kann die Beklagte als Versicherer gem. § 119 Abs. 3 VVG von einem Dritten Auskunft verlangen, soweit diese zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich ist und die Beschaffung von Belegen dem Dritten billigerweise zugemutet werden kann. Vorliegend ist die Auskunft über die tatsächlich angefallenen Lackiererkosten notwendig, um die Höhe des Schadens festzustellen und die Vorlage des ungeschwärzten Belegs der Klägerin auch zuzumuten: Bei einer konkreten Abrechnung von Reparaturkosten sind die tatsächlich angefallenen Kosten erforderlich und zu ersetzen. Zwar genügt zur Darlegung der erforderlichen Kosten grundsätzlich die Rechnung des zur Schadensbeseitigung beauftragten Betriebs. Der Grundsatz der Tragung des Werkstatt- und Prognoserisikos gilt aber gerade nicht, wenn wie hier die Reparaturwerkstatt selbst die abgetretenen Reparaturansprüche gegenüber dem Schädiger geltend macht. In diesem Fall steht der Versicherer der Werkstatt gegenüber. Eine Verurteilung des Geschädigten Zug-um-Zug gegen die Abtretung der Ansprüche gegenüber der Reparaturwerkstatt kommt dann gerade nicht in Betracht. Würde man dem Grundsatz des Werkstatt- und Prognoserisikos auch in diesem Fall anwenden, würde die Versicherung schutzlos gegenüber den Reparaturwerkstätten gestellt werden. Vielmehr muss die Klägerin im Rahmen der sekundären Beweislast des § 254 BGB an der Sachverhaltsaufklärung mitwirken, soweit es um Umstände aus ihrer Sphäre geht. Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken des § 119 Abs. 3 VVG (Schleswig-Holststeinisches Oberlandesgericht, 30.05.20216, 7 W 15/16; OLG Karlsruhe, 23.12.2011, 1 W 61/11). Dieser Pflicht kam die Klägerin nicht nach, obwohl der Klägerin die Rechnung der Lackiererei vorliegt.

Ein Verweis auf die üblichen Kosten schließlich ist nicht statthaft, denn es erfolgt gerade keine fiktive, sondern eine konkrete Abrechnung. Ein etwaiger Gewinn der Klägerin durch die Ausgliederung der Lackierarbeiten ist kein zu ersetzender Schaden. Da der Grundsatz des Bereicherungsverbotes gilt, wären tatsächlich geringere Kosten vielmehr offenzulegen und besonders gute Konditionen an die Beklagte weiterzugeben.

Mangels Darlegung der tatsächlich entstandenen Kosten für die Lackierarbeiten und damit des Schadens besteht kein Anspruch auf Ersatz. Ob der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 273 BGB zusteht, kann daher offenbleiben.

II.

Mangels Verzugs hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verzinsung und auch nicht auf Ersatz außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.

Eine wirksame Abtretung erfolgte erst nach Beauftragung des Rechtsanwaltes im Laufe des gerichtlichen Verfahrens, so dass die Beklagte auch mit der Zahlung der 80 € nicht in Verzug war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.“



Das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 30.06.2021 ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 08.07.2021 zugestellt worden (Bl. 61 d.A.). Die Klägerin hat gegen das Urteil durch ihren Prozessbevollmächtigten Berufung einlegen lassen, die unter dem 28.07.2021 bei Gericht eingegangen ist (Bl. 66 d.A.). Die Berufungsbegründung der Klägerin ist bei Gericht am 31.08.2021 eingegangen (Bl. 73 d.A.).

Die Klägerin greift unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags das Urteil des Amtsgerichts Bremen an und verfolgt den Ersatz der nicht regulierten Positionen weiter.

Die Klägerin beantragt in 2. Instanz,

   unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bremen vom 30.06.2021 die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, weitere 1.108,32 € sowie eine Nebenforderung von 196,62 € jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags und beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.




II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete, also zulässige Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiteren 1.108,32 € sowie Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher RVG-Kosten iHv 196,62 € aus § 115 VVG, §§ 249 ff. BGB, § 398 BGB.

1. Die Verpflichtung der Beklagten der Geschädigten Frau A die unfallbedingten Schäden aus dem Haftpflichtschaden vom 22.01.2020 mit einer Haftungsquote von 100% ersetzen zu müssen, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

2. Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass erst mit der Abtretungsvereinbarung vom 18.05./21.05.2021 die streitgegenständlichen Ansprüche an die Klägerin abgetreten worden sind.

Die Abtretung mit der Klausel

   „B.2 Abtretung (erfüllungshalber) – nur im Haftpflichtschaden (ankreuzbar)

Aus Anlass des oben bezeichneten Schadensereignisses habe ich zur Beseitigung der Unfallschäden an meinem Kraftfahrzeug den o.g. Reparaturbetrieb beauftragt. Meine jeweiligen Schadenersatzansprüche aus dem oben bezeichneten Schadensereignis gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Fahrzeugs auf Erstattung der

1. Reparaturkosten (ankreuzbar),
2. Mietwagenkosten (ankreuzbar),
3. Abschleppkosten (ankreuzbar),
4________ (ankreuzbar)

- ausgewiesen durch den jeweiligen ...

trete ich unwiderruflich erfüllungshalber an den o.g. Reparaturbetrieb ab, wobei sich die Reihenfolge der abgetretenen Forderungen aus der v.g. Bezifferung ergibt. Der Reparaturbetrieb ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern offen zu legen und die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden Ansprüche des Reparaturbetriebes gegen aus dem Reparaturvertrag gegen mich nicht berührt. Er kann Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder Teilzahlung angenommen wird.“

war zum einen schon nicht angekreuzt, so dass nicht festzustellen ist, dass eine entsprechende Abtretungsvereinbarung geschlossen worden wäre. Zum anderen ist die Klausel nach §§ 307 ff. BGB unwirksam.


Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 – VI ZR 156/18; BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – VI ZR 274/17; BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – IX ZR 77/19; BGH, Urteil vom 16. Januar 2020, – IX ZR 351/18). Der Vertragspartner soll unter anderem davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden. Die eindeutige und durchschaubare Vermittlung der mit einem beabsichtigten Vertragsschluss verbundenen Rechte und Pflichten ist Voraussetzung für eine informierte Sachentscheidung. Die Klausel muss deshalb nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich verdeutlichen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 – VI ZR 156/18; BGH, Urteil vom 16. Januar 2020 – IX ZR 351/18, juris Rn. 25). Eine Intransparenz kann sich nicht nur bei einzelnen Klauseln aus ihrer inhaltlichen Unklarheit, mangelnden Verständlichkeit oder der unzureichenden Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 – VI ZR 156/18; BGH Urteil vom 17. Juli 2018 – VI ZR 274/17). Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2019 – VI ZR 156/18; BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 -; BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – IX ZR 77/19; BGH, Urteil vom 16. Januar 2020 – IX ZR 351/18). Für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in erster Linie ihr Wortlaut relevant (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – VI ZR 274/17; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 504/16; BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 – VI ZR 135/19). Diesen Anforderungen entspricht die Klausel nicht. Aus ihr wird für den durchschnittlichen Auftraggeber (Unfallgeschädigten) nicht hinreichend deutlich, unter welchen Voraussetzungen er den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat. Die danach in der Klausel intransparent geregelte Frage, unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber den erfüllungshalber abgetretenen Schadensersatzanspruch (teilweise) zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat, steht in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der Regelung der erfüllungshalber erfolgenden Anspruchsabtretung selbst und führt deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – VI ZR 274/17; BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 – VI ZR 135/19 –, Rn. 11, juris).

3. Die Abtretung vom 18.05.2021/21.05.2021 lässt die Rechtsverhältnisse zwischen der Geschädigten und der Beklagten einerseits aus dem Haftpflichtschadenfall und der Geschädigten und der Klägerin aus dem Werkvertrag (§ 631 BGB) über die Instandsetzung ihres Fahrzeuges unberührt.

Die wirksame Abtretung bewirkt als dingliches Rechtsgeschäft den Übergang der Forderung auf den Zessionar. Damit kann der Zessionar die Forderung im eigenen Namen durchsetzen (BeckOK BGB/Rohe, 60. Ed. 1.11.2021, BGB § 398 Rn. 58). Bei der Abtretung bleibt die Forderung inhaltlich identisch; die Person des Gläubigers ist grds. kein prägender Forderungsbestandteil (BeckOK BGB/Rohe, 60. Ed. 1.11.2021, BGB § 398 Rn. 59). Die Beklagte hätte allenfalls dann gegenüber der Klägerin einen Anspruch auf Offenlegung der Fremdleistungskosten, wenn die Geschädigte einen entsprechenden Anspruch gegen die Klägerin aus dem mit der Klägerin geschlossenen Werkvertrag (§ 631 BGB) hätte. Mangels eigener Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten können die Ansprüche infolge der Abtretung nicht weiter gehen, als in Fällen, in denen keine Abtretung erfolgt ist. Der Geschädigte schließt mit seiner Werkstatt einen Reparaturvertrag (§ 631 BGB), dem konkludent die Berechtigung innewohnt, dass die beauftragte Fachwerkstatt Subunternehmer für einzelne Leistungen heranziehen kann, die sie selbst nicht erbringen kann; dies ist zumeist bei Lackierarbeiten und Fahrzeugprogrammierungen gängige Praxis. Mangels Rechtsbeziehung zwischen dem Geschädigten und dem Subunternehmer hat der Geschädigte gegen den Subunternehmer keinen Anspruch auf Offenlegung der Rechnung. Auch aus dem Werkvertrag mit der beauftragten Fachwerkstatt kann der Geschädigte die Offenlegung der Fremdleistungsvereinbarung mit dem Subunternehmer nicht verlangen.

Der Geschädigte hat „nur“ die Pflicht die angefallenen Reparaturkosten dem Schädiger gegenüber geltend zu machen. Dieser Pflicht wird er durch Vorlage der Reparaturkostenrechnung gerecht. Der Schädiger ist in diesen Fällen nicht rechtlos gestellt. Wenn und soweit er der Auffassung ist, dem Geschädigten sei zu viel in Rechnung gestellt worden, besteht die Möglichkeit sich die Ersatzansprüche von dem Geschädigten gegen die beauftragte Werkstatt abtreten zu lassen. Anders als in dem Verhältnis Geschädigte – Schädiger gilt in dem Verhältnis Geschädigte – Werkstatt, dass sogenannte Werkstatt und Prognoserisiko nicht. Wenn also die Werkstatt überteuerte bzw. nicht notwendige Arbeiten durchführt, hat die Versicherung die Möglichkeit diese Zuvielleistung im Wege des Regresses nach Abtretung bzw. im Wege der Aufrechnung geltend zu machen. Damit wird der Beklagten auch kein zusätzliches Risiko auferlegt, als jedem Kunden eines Werkunternehmers. Jeder Besteller, der im Nachhinein feststellt, dass unnötige oder überteuerte Werkarbeiten abgerechnet worden sind, muss dieses in einem Rechtsstreit darlegen und beweisen. Hinzukommt, dass die Beklagte als Haftpflichtversicherer eher einen Überblick hat, welche durchschnittlichen Beträge für einzelne Reparaturleistungen abgerechnet werden.

In dem Verhältnis zwischen der Geschädigten und der Beklagten als Haftpflichtversicherer gilt, wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, das sogenannte Werkstatt- und Prognoserisiko.

Der Anspruch auf Ersatz der tatsächlichen Reparaturkosten besteht dann, wenn der Geschädigte die Reparatur fachgerecht durchführen lässt (vgl. BGH, NJW 2005, 439; BGH, NJW 2012, 52; BGH, NJW 2008, 437; BGH, NJW 2008, 2183). Der Schädiger trägt grundsätzlich das sogenannte “Prognoserisiko“ (Hans. OLG Bremen, Urteil vom 21.10.2009, Az.: 3 U 44/09, 1. Leitsatz, zit. n. juris, abgedruckt in Schaden-Praxis 2010, 253). Der Geschädigte ist im Regelfall und nicht selten zur Einschätzung des erforderlichen Wiederherstellungsaufwandes von Fachleuten angewiesen. Da die Schätzung der Kosten im Regelfall vor Beginn der Reparatur vorgenommen wird, ist selbst die Prognose stets mit dem Risiko behaftet, dass diese Einschätzung (zB verdeckte Schäden) nicht vollumfänglich zutreffend ist. Dieses Prognose- bzw. Werkstattrisiko ist dem Geschädigten nicht anzulasten, wenn er nach entsprechender Information den Weg der Schadensbehebung mit dem vermeintlich geringsten Aufwand gewählt hat und ihm weder ein eigenes Auswahlverschulden, noch eine unzureichende Überwachung des Reparaturbetriebs vorgeworfen werden kann (OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.02.2012, Az.: 4 U 112/11, Rz. 35, zit. n. juris). Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschädigte im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich der Erteilung des Reparaturauftrages, Zweifel an der Seriosität der Klägerin hätte haben müssen oder hätte erkennen können, dass hier bewusst überhöhte Fremdleistungen abgerechnet werden könnten, sind weder dargelegt noch sonstwie ersichtlich.



Da kein Anspruch auf Vorlage der Fremdleistungsrechnung besteht, läuft das insoweit geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht ins Leere.

Da die Beklagte die Zahlung der Haupt- und Nebenforderung (RVG-Kosten) ernsthaft verweigert, hat sich der Anspruch auf Freistellung von Anwaltskosten in einen Zahlungsanspruch umgewandelt.

Der Höhe nach sind die restlichen Reparaturkosten (1.108,32 €) sowie die vorgerichtlichen RVG-Kosten zutreffend berechnet.

III.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird zugelassen. Die Frage, ob und inwieweit der Haftpflichtversicherer die Belegung abgerechneter Fremdleistungskosten verlangen kann, wird in der Instanzenrechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Diese Frage ist nach Recherche der Kammer nicht vom Bundesgerichtshof entschieden worden. Diese Frage hat nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

V.

Die Festsetzung des Streitwertes hat seine Grundlage in §§ 43, 48 GKG, §§ 3 ff., 511 ZPO.

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