Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Oberlandesgericht Schleswig Urteil vom 15.02.2022 - 7 U 41/21 - Zum Ersatz von Finanzierungskosten bei deliktischer Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs

OLG Schleswig v. 15.02.2022: Zum Ersatz von Finanzierungskosten bei deliktischer Rückabwicklung eines Fahrzeugkaufs


Das Oberlandesgericht Schleswig (Urteil vom 15.02.2022 - 7 U 41/21) hat entschieden:

  1.  Wer Zahlung statt der Freistellung begehrt, bewegt sich im Anwendungsbereich des § 264 Nr. 2 ZPO (sog. „qualitative Erweiterung“).

  2.  Grundsätzlich sind bei der Rückabwicklung von Fahrzeugkäufen beim Diesel-Abgasskandal neben dem gezahlten Kaufpreis auch die mit dem Erwerb verbundenen Finanzierungskosten erstattungsfähig.

  3.  Wenn ein alternativer Fahrzeugerwerb unstreitig oder festgestellt ist, können Finanzierungskosten ausnahmsweise im Wege der Vorteilsausgleichung als Sowieso-Kosten anrechenbar sein. Hierbei sind aber nur diejenigen Vorteile anzurechnen, die mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmen, dem Geschädigten also zumutbar sind und den Schädiger nicht unangemessen entlasten. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise zu einer Rechnungseinheit verbunden sein. Die Grundsätze der Vorteilsanrechnung gelten auch für den Anspruch aus § 826 BGB.

  4.  Eine weitere Vorteilsausgleichung wegen des mit einer Kfz-Finanzierung erlangten generellen „Liquiditätsvorteils“ ist unbegründet. Wenn der Finanzierungsaufwand allein dem Fahrzeugerwerb dient, verschafft dies dem Darlehensnehmer keine zusätzliche Liquidität gegenüber dem Zustand, der bestehen würde, wenn er vom Fahrzeugkauf Abstand genommen hätte.


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Verkehrszivilrecht


Gründe:


I.

Die Parteien streiten um Ansprüche im Rahmen des sog. Diesel-Abgasskandals.

Der Kläger erwarb am 6. Juni 2016 vom X als Neuwagen einen Porsche Cayenne S Diesel Typ 92 A, 8 Zylinder, mit 4.2 l Hubraum, EU 6, AGR mit SCR-Katalysator zum Preis von 110.000 € brutto. Im Zusammenhang mit dem Fahrzeugkauf schloss der Kläger [...] einen Darlehensvertrag mit der Y-Bank GmbH (vgl. Anlage K2) ab. Die Darlehenssumme war mit 95.000 € zuzüglich Zinsen iHv 18.827,40 € angegeben. Der Kläger leistete eine Anzahlung von 15.000 € und verpflichtete sich, auf das Darlehen 59 monatliche Raten zu je 944,18 € und eine Schlussrate von 58.120,32 € zu zahlen.

Der Dieselmotor Typ 92 A wurde von der Beklagten entwickelt und hergestellt. Für das Fahrzeug besteht ein Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes vom 16. September 2020 (Anlage K5) aufgrund mehrerer in die Motorsteuerung integrierter Abschalteinrichtungen. Die Beklagte entwickelte in der Folgezeit ein Softwareupdate, das am 28. Juli 2020 vom Kraftfahrtbundesamt freigegeben und am 20. Oktober 2020 aufgespielt wurde. Der Kläger möchte das Fahrzeug, das inzwischen 100.050 km gelaufen hat, zurückgeben. Da die Berechtigung des klägerischen Rückabwicklungsverlangens im zweiten Rechtszug nicht mehr im Streit steht, wird wegen der Einzelheiten zu den technischen Motoreigenschaften, die für den Rückrufbescheid Anlass gaben, auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 43.026,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.06.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW Porsche Cayenne S 4.2 l Diesel mit der FIN ...,

hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung seines Herausgabe- und Übereignungsanspruchs bzgl. des genannten PKW gegenüber der Y-Bank GmbH, M., aus dem Darlehensvertrag Nr. ...,

  2.  die Beklagte zu verurteilen, ihn von seiner Verbindlichkeit gegenüber der Y-Bank GmbH, M., aus dem Darlehensvertrag Nr. ... in Höhe von 61.897,04 € freizustellen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW Porsche Cayenne S 4.2 l Diesel mit der FIN ...,

hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung seines Herausgabe- und Übereignungsanspruchs bzgl. des genannten PKW gegenüber der Y-Bank GmbH, M., aus dem Darlehensvertrag Nr. ...,

  3.  festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des genannten Fahrzeugs seit dem 10.06.2020 in Annahmeverzug befindet,

  4.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.348,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Die Beklagte hat beantragt,

   die Klage abzuweisen.




Das Landgericht hat die Klage ganz überwiegend als begründet angesehen und die Beklagte wegen sittenwidriger Schädigung aus §§ 826, 31 BGB verurteilt. Gem. § 249 BGB sei die Beklagte verpflichtet, den Kläger so zu stellen, als wenn er den nachteiligen Vertrag nicht geschlossen hätte. Der Kläger könne somit die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises, die Erstattung der von ihm bereits entrichteten sowie die Freistellung von noch offenen Darlehensraten verlangen. Hierbei seien im Rahmen des Vorteilsausgleichs die vom Kläger gezogenen Nutzungen zu berücksichtigen. Das Landgericht hat die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs mit 300.000 km angenommen und die Laufleistung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung mit 96.921 km angegeben, woraus es einen Nutzungsvorteil von 31.871,03 € ermittelt hat. Das Feststellungsbegehren sei allerdings unbegründet, denn die Nutzungsentschädigung sei beim Rückabwicklungsverlangen falsch berechnet worden. Wegen der im Laufe des Verfahrens erster Instanz weiter zurückgelegten Kilometer hat das Landgericht (in Höhe von 4.737,70 €) die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer beschränkt eingelegten Berufung, die sich ausschließlich gegen das Freistellungsbegehren bezüglich des insoweit auch in vollem Umfang (18.827,40 €) zuerkannten Finanzierungsschadens richtet. Es handele sich dabei - so die Beklagte - um Sowieso-Kosten, die auch angefallen wären, wenn der in Rede stehende Kaufvertrag nicht abgeschlossen worden wäre. Außerdem habe der Kläger - auch ohne den Kauf - einen Liquiditätsvorteil von 95.000 € erlangt. Der Kläger hätte ein anderes hochwertiges Fahrzeugs, nämlich einen BMW M50d, erworben, wenn er sich nicht das streitgegenständliche Fahrzeug gekauft hätte. Zunächst hat die Beklagte mit ihrer Berufung vom 30. April 2021 den gesamten Zinsanteil aus dem Darlehensvertrag in Höhe von 18.827,40 € angegriffen, den sie mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 auf lediglich 11.964,40 € beschränkt und im Übrigen ihre Einwendungen fallen gelassen hat.

Der Kläger hat zum 15. Mai 2021 - mithin nach Erlass des angefochtenen Urteils - das noch verbleibende und vom Freihalteanspruch umfasste Finanzierungsdarlehen komplett abgelöst durch Zahlung weiterer vier Darlehensraten in Höhe von jeweils 944,18 € (Summe 3.776,72 €) und der Schlusszahlung von 58.038,36 € (insgesamt also 61.815,08 €).

Durch die vollständige Rückführung des Darlehens hat sich das Freihaltebegehren des Klägers erledigt. Stattdessen beansprucht er eine entsprechende Erhöhung seines Zahlungsbegehrens. Der Kläger trägt vor, er hätte sich alternativ einen günstigeren BMW X5, 3.0 Ltr. Diesel für nur 76.409,90 € gekauft, für den wegen eines günstigeren Zinssatzes bei der Y-Bank (3,45 % statt 4,99 % p. a.) Finanzierungskosten in Höhe von lediglich 6.849,94 € angefallen wären, die er sich im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen will. In Höhe dieses Betrags hat der Kläger deshalb im zweiten Rechtszug seine Klage mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen.

Im Übrigen beantragt er im Wege der Anschlussberufung,

   das Urteil im Hinblick auf Ziffer 1 des Tenors unter Aufhebung des Tenors zu Ziffer 3 aufrechtzuerhalten mit der Maßgabe, dass die Beklagte verurteilt wird, über den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 35.085,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.06.2020, weitere 54.965,14 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18.11.2021, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Pkw Porsche Cayenne S 4.2 l Diesel mit der FIN ..., zu zahlen,

Die Beklagte beantragt,

   die Anschlussberufung nur insoweit zurückzuweisen, als mit ihr Finanzierungskosten in Höhe von 11.964,40 € nebst anteiliger Zinsen geltend gemacht werden,

sowie

das angefochtene Urteil insoweit abzuändern und die Klage abzuweisen, als das Landgericht Kiel bei der Bemessung des Schadensersatzanspruchs Finanzierungskosten in Höhe von 11.964,40 € für ersatzfähig gehalten hat.

Der Kläger beantragt,

   die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2022 betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 100.050. Die Parteien haben deshalb einen Nutzungsvorteil des Klägers in Höhe von insgesamt 36.685 € insoweit unstreitig gestellt. In Höhe der Differenz gegenüber dem im angefochtenen Urteil zugrundeliegenden Kilometerstand (36.685 ./. 31.871,03 = 4.813,97 €) haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Parteien haben sich zudem in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2022 im Hinblick auf die streitige Höhe der im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnenden Sowieso-Kosten auf alternativ angefallene Finanzierungskosten in Höhe von 10.000 € geeinigt. Im Ergebnis muss sich der Kläger deshalb über die von ihm bereits zugebilligten 6.849,94 € hinaus weitere 3.150,06 € (insgesamt also 10.000 €) als Sowieso-Kosten anrechnen lassen. Eine Beweisaufnahme über die Höhe der im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnenden Finanzierungskosten war deshalb nicht mehr erforderlich.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2022 verwiesen.




II.

Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Der Kläger muss sich im Wege der Vorteilsausgleichung über die von ihm bereits zugebilligten 6.849,94 € hinaus weitere 3.150,06 €, insgesamt also 10.000 € an "Sowieso-Kosten" anrechnen lassen. Insoweit bleibt auch die Anschlussberufung des Klägers, soweit er nicht die Klage bereits in Höhe von 6.849,94 € zweitinstanzlich zurückgenommen hat, ohne Erfolg.

1) Anschlussberufung des Klägers

Der Kläger begehrt im Hinblick auf die nunmehr erfolgte vollständige Ablösung des Kredits die Zahlung der hierfür getätigten Aufwendungen anstelle der erstinstanzlich begehrten Freistellung.

Mit dieser Umstellung seines Klagbegehrens dringt er zwar prozessual durch (a), muss sich aber im Wege der Vorteilsausgleichung Sowieso-Kosten anrechnen lassen (b). Nach Abzug eines im Wege der übereinstimmenden Teilerledigung erklärten weiteren Nutzungsvorteils von 4.813,97 € errechnet sich der nunmehr zuerkannte Zahlbetrag (c).

a) Die Anschlussberufung ist zulässig. § 533 ZPO regelt die Zulässigkeit der Klageänderung iSv § 263 ZPO in der Berufungsinstanz. Änderungen des Klageantrags nach § 264 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als Klageänderung anzusehen, so dass § 533 ZPO auf sie keine Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2005 - VII ZR 191/04, NJW-RR 2006, 390).

Wer Zahlung statt der Freistellung begehrt, bewegt sich im Anwendungsbereich des § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2014 - IX ZR 267/13, NJW 2015, 1093, 1094, Rn. 10 bei Beck-Online; sog. "qualitative Erweiterung", vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 264 Rn. 14). Nach § 264 Nr. 2 ZPO ist es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird.

Der in erster Instanz obsiegende Kläger muss sich auch im Fall der Klagerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO der Berufung der Gegenseite anschließen, wenn er im zweiten Rechtszug eine Klageerweiterung vornehmen oder neue Ansprüche einführen und sich damit nicht nur auf die Abwehr der Berufung beschränken will (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2015 - VII ZR 145/12, NJW 2015, 2812, 2814, Rn. 28 bei Beck-Online).

Hier hat der Kläger zwar nicht ausdrücklich Anschlussberufung gegen das Urteil eingelegt. Dies ist aber unschädlich. Für die Einlegung einer Anschlussberufung genügt jede Erklärung, die sich ihrem Sinn nach als Begehren auf Abänderung des Urteils erster Instanz darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2011 - I ZR 41/10, GRUR 2012, 180, 182, Rn. 26 bei Beck-Online). Dieser Voraussetzung ist vorliegend durch den Schriftsatz des Klägers vom 29. September 2021 Genüge getan, der auch die für die Anschlussberufung zu beachtende Frist (§ 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO) gewahrt hat.

b) Die Anschlussberufung des Klägers ist auch zum Teil begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB. Die Beklagte hat das Urteil bezüglich der Verurteilung zur Rückabwicklung des Kaufvertrags nicht angegriffen, so dass der Senat die Berechtigung des diesbezüglichen Verlangens ohne eigene Prüfung seiner Entscheidung zu Grunde zu legen hat (§ 529 Abs. 1 ZPO). Die Beklagte hat deshalb den Kläger gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen.


Grundsätzlich sind bei der Rückabwicklung von Fahrzeugkäufen beim Diesel-Abgasskandal neben dem gezahlten Kaufpreis in diesem Rahmen auch die mit dem Erwerb verbundenen Finanzierungskosten erstattungsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2021 - VI ZR 274/20, NJW 2021, 2362, 2363, Rn. 14 bei Beck-Online, BGH, Urteil vom 27.07.2021, IV ZR 480/21 - juris Rn. 16). Anrechenbar im Wege der Vorteilsausgleichung können aber Kosten sein, falls ein alternativer Fahrzeugerwerb festgestellt ist. Nach den für den Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung muss sich der Geschädigte nämlich in gewissem Umfang diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die ihm im adäquaten Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Er soll durch das Schadensereignis nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis dastehen würde. Hierbei sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise zu einer Rechnungseinheit verbunden sein. Die Grundsätze der Vorteilsanrechnung gelten auch für einen Anspruch aus § 826 BGB (vgl. BGH, a.a.O., NJW 2021, 2362, 2363, Rn. 19 m. w. N.).

So liegt der Fall hier. Die Parteien haben unstreitig gestellt, dass der Kläger, falls es nicht zum Kauf des streitgegenständlichen Fahrzeugs gekommen wäre, ein anderes Fahrzeug erworben hätte (BMWX5) und er deshalb im Rahmen der Fahrzeugfinanzierung "sowieso" Finanzierungskosten in Höhe von 10.000 € hätte aufwenden müssen. Dieser Anteil ist deshalb im Wege der Vorteilsausgleichung vom Schaden abzuziehen, so dass rechnerisch von den zunächst beanspruchten Finanzierungskosten (18.827,04 €) nur noch der Restbetrag von 8.827,04 € als Schaden beim Kläger verbleibt. Einer Klärung der zunächst streitigen Frage, welches konkrete Fahrzeug der Kläger alternativ erworben und zu welchen Konditionen er es finanziert hätte, bedurfte es nicht, nachdem die Parteien den entsprechenden Betrag der Höhe nach im Termin am 25. Januar 2022 unstreitig gestellt haben.

Eine weitere Vorteilsausgleichung des klägerischen Anspruchs wegen des erlangten "Liquiditätsvorteils" ist dagegen nicht geboten. Wenn der Finanzierungsaufwand - wie hier - dem Fahrzeugerwerb dient, verschafft dies dem Darlehensnehmer keine zusätzliche Liquidität gegenüber dem Zustand, der bestehen würde, wenn er vom Fahrzeugkauf Abstand genommen hätte (vgl. BGH, a.a.O., NJW 2021, 2362, 2363, juris Rn. 20). Das Darlehen hatte der Kläger nicht zur freien Verwendung aufgenommen, sondern es diente zweckgebunden ausschließlich der Finanzierung des streitgegenständlichen Fahrzeugerwerbs. Ein zusätzlicher Liquiditätsvorteil war damit nicht verbunden (BGH a. a. O.).

c) Der Kläger muss sich zudem einen weiteren Nutzungsvorteil in Höhe von 4.813,97 € anrechnen lassen, den die Parteien mit insgesamt 36.685 € (bei Zugrundelegung einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 300.000 km) unstreitig gestellt haben. In Höhe dieses weiteren Nutzungsvorteils in Höhe von 4.813,97 € haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend nach § 91a ZPO für erledigt erklärt.

Rechnerisch ergibt sich hiernach der Zahlungsanspruch des Klägers in der Hauptsache wie folgt:

35.085,87 €
+ 3.776,72 € Zahlungen des Klägers für die Darlehensablösung
+ 58.038,36 € Schlussrate aus dem Darlehensvertrag
96.900,95 € Zwischensumme - 10.000,00 € wegen Vorteilsanrechnung bei den Finanzierungskosten (Sowieso-Kosten) 86.900,95 € Zwischensumme

4.813,97 € weiterer Nutzungsvorteil-
82.086,98 € (Zahlungsbetrag)

Der Zinsanspruch für die Klagerweiterung folgt aus §§ 288, 291 BGB. Die Umstellung der Klage mit der Klagerweiterung des Antrags zu 1) ist erst mit Schriftsatz vom 17. November 2021 erfolgt, mit dem der Kläger seinen zuvor gestellten Berufungsantrag vom 29. September 2021 präzisiert hat. Dieser Schriftsatz ist am 18. November 2021 an die Beklagte zugestellt worden.

Die Urteilsaussprüche zu 2 und 3 bezüglich der Teilerledigung erster Instanz und der Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten beruhen auf dem insoweit rechtskräftig gewordenen Urteil des Landgerichts. Sie sind von den Berufungen nicht angegriffen und waren im Zuge der vollständigen Neufassung des Tenors mit aufzuführen.



2) Berufung der Beklagten

Soweit der Kläger sich über den von ihm zugebilligten Betrag von 6.849,94 € hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 3.150,06 € im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen muss, hat die Berufung der Beklagten Erfolg und führt zur Klagabweisung, im Übrigen bleibt sie erfolglos. Auf die vorstehenden Ausführungen zur Anschlussberufung des Klägers wird Bezug genommen.

3) Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91a Abs. 1, 92 Abs. 1, 97, 269, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Bei der Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass zweitinstanzlich die Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs durch den Kläger zwischen den Parteien nicht mehr im Streit war, sondern die Parteien sich lediglich noch über die Höhe der Finanzierungskosten auseinandergesetzt haben. Die Änderung des Tenors aufgrund der Ablösung des Darlehens wirkt sich daher auf die Kostenentscheidung ebensowenig aus wie die Teilerledigung im zweiten Rechtszug aufgrund der weiter zurückgelegten Fahrstrecke.

Gründe für die Zulassung einer Revision liegen nicht vor.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum