Eine Berufungsbegründungsschrift, die sich weitgehend aus Textbausteinen, Urteilsversatzstücken etc. zusammensetzt und auf das angegriffene erstinstanzliche Urteil nur „sporadisch“ eingeht, genügt den an eine ordentliche Berufungsbegründung zu stelklenden Anforderungen nicht. Textbausteinartige Darlegungen, die sich in Massenverfahren wohl nicht vermeiden lassen, sind nur dann unschädlich, wenn sie die Subsumtion der (sei es umfangreichen) Textbausteine auf den Einzelfall noch – zumindest im wesentlichen Kern – an irgendeiner Stelle der Berufungsbegründung erkennen lassen. |
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 13.06.2019 (2 O 379/18)
|
die Berufung zurückzuweisen. |
„…Die Berufung der Klägerin ist unzulässig, denn sie ist nach Auffassung des Senats nicht i.S. der Maßstäbe des § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO ausreichend begründet. a) Nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO muss eine Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge), nach Nr. 2 die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, nach Nr. 3 die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten und nach Nr. 4 die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind. Im Rahmen dieser gesetzlichen Anforderungen muss jede Berufungsbegründung anerkanntermaßen auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Dazu gehört die Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche Gründe er ihm entgegensetzt; formelhafte Wendungen und allgemeine Redewendungen genügen dabei ebenso wenig wie die pauschale Rüge, die Auffassung des Erstrichters sei falsch oder die Anwendung einer bestimmten Vorschrift irrig. Unzureichend ist in aller Regel auch die – vorliegend nicht einmal erfolgte (!) - bloße Bezugnahme auf Sachvortrag und Beweisangebote erster Instanz; dies genügt nur ausnahmsweise dann, wenn das erstinstanzliche Gericht ein bereits ausreichend unter Beweis gestelltes Vorbringen für nicht beweisbedürftig gehalten hat (vgl. zum Vorgenannten statt aller etwa nur Musielak/Voit/Ball, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 520 Rn. 29, 30 ff. m.w.N.). Eine Berufungsbegründungsschrift, die sich weitgehend aus Textbausteinen, Urteilsversatzstücken etc. zusammensetzt, auf das angegriffene erstinstanzliche Urteil nur „sporadisch“ eingeht, genügt diesen Anforderungen richtigerweise nicht (statt aller BGH v. 27.05.2008 - XI ZB 41/06, NJW-RR 2008, 1308 Rn. 11 ff.; dies bestätigend BGH v. 02.04.2019 – XI ZR 466/17, NJW-RR 2019, 937 Rn. 13; v. 22.5.2014 – IX ZB 46/12, BeckRS 2014, 12010 Rn. 7; speziell zu sog. Diesel-Fällen dann etwa auch OLG Frankfurt v. 31.07.2019 - 17 U 326/18, BeckRS 2019, 21331; OLG Stuttgart v. 29.05.2017 - 5 U 46/17, BeckRS 2017, 119632; OLG Naumburg v. 12.09.2019 - 1 U 168/18, BeckRS 2019, 27098.). Textbausteinartige Darlegungen, die sich in Massenverfahren wohl nicht vermeiden lassen, sind nur dann unschädlich, wenn sie die Subsumtion der (sei es umfangreichen) Textbausteine auf den Einzelfall noch – zumindest im wesentlichen Kern – an irgendeiner Stelle der Berufungsbegründung erkennen lassen (wie bei BGH v. 06.12.2011 - II ZB 21/10, ZfBR 2012, 229 zu einem konkretem Prospekt und dessen Inhalt; allgemein auch etwa BGH v. 10.06.2015 – IV ZB 33/14, BeckRS 2015, 11502 Rn. 8). b) Diesen Vorgaben genügt die hiesige Berufungsbegründung – trotz stolzer 146 Seiten Text – nicht. In dem Schreibwerk fehlt jedweder Einzelfallbezug und entgegen Rz. 12 der Berufungserwiderung befasst man sich nicht einmal auf nur 2 von 146 Seiten mit dem angegriffenen Urteil, sondern richtigerweise bei genauem Hinsehen gar nicht. Die Berufungsbegründung ist ersichtlich so aufgebaut, dass sie mit der geschlechtsneutralen Formulierung „die Klagepartei“ pauschal zur Begründung wohl jedweder gegen einen Hersteller von Dieselfahrzeugen, zumindest aber gegen die Beklagte gerichteten „Klage“ (so ganz deutlich S. 6 der Berufungsbegründung = Bl. 405 d.A.) genutzt werden soll, also als Textbaustein schon im Ansatz nicht für eine Berufungsbegründung gedacht gewesen zu sein scheint. Die telefonbuchartige Schreibvorlage soll offenbar sowohl Euro 5- als auch Euro 6-Fahrzeuge der Motoren OM 651 und 642 „abdecken“, wobei dem Gericht teilweise sogar alternativ zu lesende „Auswahlbegründungen“ (hier: Fahrzeuge mit oder ohne Ad-Blue-Einrichtung) vorgegeben werden, bei denen man sich dann trotz des nicht unerheblichen Streitwerts – wie die Beklagte zutreffend rügt – hier nicht einmal mehr die Mühe gegeben hat, sich in den Textbausteinen zumindest am Ende fallbezogen festzulegen. Auf S. 39 der Berufungsbegründung (Bl. 438 d.A.) wird zum konkreten Fahrzeug unter Beweisantritt vorgetragen, es sei „kein/ein“ (!) Ad-Blue-Tank verbaut; nicht einmal diese individuelle Eingabemöglichkeit hat man genutzt. Die allgemeine Darstellung auf den 146 Seiten, die teilweise einem Rechtsgutachten zur Dieselkrise ähnelt, umfassend zur „Historie“ vorträgt sowie Rechtsausführungen vor allem zu einem Schadensersatzanspruch enthält, die im vorliegenden Fall aber primär zu prüfenden kaufrechtlichen Gewährleistungsfragen ausblendet, bringt zudem – ohne dies nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 ZPO kenntlich zu machen und sich wenigstens dabei mit dem erstinstanzlichen Vortrag und dem angegriffenen Urteil auseinanderzusetzen – auch noch zahlreiche neue Angriffsmittel und – richtungen vor (etwa zum angeblich zu hohen Verbrauch des Fahrzeugs, zu Manipulationen auch am OBD, zu fehlenden Antragsunterlagen im Genehmigungsverfahren, zu Falschangaben zum Geräuschpegel, zu angeblich fehlerhaften Prospektangaben nach § 16 UWG usw.). Da die Berufung offenbar nicht allein auf den neuen Vortrag gestützt wird, führt dies zwar nicht schon für sich genommen zur Unzulässigkeit (zu einem solchen Fall BGH v. 09.10.2014 – V ZB 225/12, NJW-RR 2015, 465). Auch dies zeigt aber ganz deutlich den fehlenden Einzelfallbezug der Berufungsbegründung, der jede Befassung mit dem Akteninhalt fehlt und bei der die Klägervertreter sich letztlich so verhalten, als würden sie in der Berufung eine neue Klage einreichen – wozu wie gezeigt der Textbaustein ursprünglich auch gedient zu haben scheint -, die dann möglichst alles richten soll. Selbst die – thematisch hier wohl primär einschlägigen - Passagen zur Substantiierung / sekundären Darlegungslast (S. 88 ff./104 f./118 = Bl. 487 ff./503 f./517 d.A.) beziehen sich nur auf den „vorstehenden Vortrag“ aus der Berufungsbegründung und setzen sich nicht mit dem erstinstanzlichen Vortrag im konkreten Verfahren, dem angegriffenen Urteil und seinen Bedenken – sei es auch nur irgendwo am Rande, was dem Senat schon genügt hätte – auseinander. Vielmehr handelt es sich auch hier – wie bereits ausgeführt – nur um eine für sich stehende eigenständige „Klagebegründung“ im wesentlichen Torso, die alle denkbaren Abgaskonstellationen der Herstellerhaftung abdecken soll (und die hier auch in Betracht kommende Verkäuferhaftung ausblendet). Würde aber – selbst wenn der erstinstanzliche Vortrag inhaltlich ausreichend wäre – im Rahmen des § 520 ZPO das reine Wiederholen des erstinstanzlichen Klagevortrages für eine Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen regelmäßig nicht genügen (statt aller BeckOK-ZPO/Wulf, Ed. 35, § 520 Rn. 23), kann aber das Einreichen einer neuen Klagebegründung ohne Bezug zum bisherigen Vorbringen und zur angegriffenen Entscheidung erst recht nicht ausreichen. Wie wenig Mühe man sich hier gemacht hat, zeigt sich deutlich auch auf S. 2 der Berufungsbegründung, wonach man – so wörtlich - die Anträge „über den bereits zugesprochenen Umfang hinaus“ in vollem Umfang weiterverfolge und man sich dann gegen den – „klageabweisenden Teil des am 20.08.2019 verkündeten Urteils“ wendet (S. 2 = Bl. 401 d.A.). Das kann ersichtlich nur ein ganz anderes Verfahren meinen. Auf S. 3 der Begründung (Bl. 402 d.A.) wird sodann – wieder textbausteinartig - die Summe von 58.147,99 EUR aus dem Klageantrag als „Kaufpreis“ angegeben, obwohl dieser Wert als Klageforderung nach S. 18 der Klageschrift (Bl. 18 d.A.) nur ein errechneter Wert unter Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung ist. Die Berufungsbegründung verneint auf S. 93 ff. (Bl. 492 ff. d.A.) ohne Bezug zur Akte dann aber gerade die Möglichkeit einer solchen Nutzungsentschädigung. Auch hier zeigt sich die fehlende Auseinandersetzung mit der Akte und dem angegriffenen Urteil überdeutlich. Dies mündet in abstrakte Rechtsausführungen auf S. 98 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 497 ff. d.A.), die sich zu den – hier eigentlich sogar primär verfolgten – vertraglichen Ansprüchen nach Rücktritt von einem Kaufvertrag nicht näher verhalten, sondern nur zu quasivertraglichen und deliktischen Ansprüchen. Auch dies wird dem Einzelfall ersichtlich nicht gerecht – zumal hier unverjährte kaufvertragliche Ansprüche in Betracht kamen, bei denen anders als bei deliktischen Ansprüchen keine subjektiven Voraussetzungen auf Seiten der Beklagten zu prüfen wären und bei denen – anders als bei § 826 BGB (dazu Senat v. 28.11.2019 - 15 U 93/19, n.v.) – schon das rein objektive Vorliegen unzulässiger Abschaltvorrichtungen im konkreten Fahrzeug bereits ein Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB sein dürfte (BGH v. 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, BeckRS 2020, 2119 Rn. 5, v. 08.01.2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 5, 17 ff.) - auch wenn hier kein behördliches Einschreiten konkret droht, sondern nur die Möglichkeit eines behördlichen Eingreifens in der Zukunft besteht (BGH v. 08.01.2019 - VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 20, 22). Auch dies zeigt wieder deutlich, dass man dem Senat nur - in sich geschlossene - Textbausteine „präsentiert“ hat, dies offenbar in der Hoffnung, der Senat werde sich aus der Fülle des Vorbringens dann von Amts wegen schon das Gebotene selbst heraussuchen. Genau dies genügt – auch wenn der Senat in ständiger Rechtsprechung keinen überzogen strengen Maßstab an die inhaltlichen Anforderungen einer Berufungsbegründung anlegt- so den Anforderungen des § 520 ZPO aber ganz eindeutig nicht. Dass dann, wenn sich die Entscheidungserheblichkeit einer gerügten Rechtsverletzung oder einer beanstandeten Tatsachenfeststellung unmittelbar aus dem angefochtenen Urteil in Verbindung mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung ergibt, (nur) die Entscheidungserheblichkeit keiner gesonderten Darlegung in der Berufungsbegründung mehr bedarf (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 10.3.2015 – VI ZB 28/14, NJW 2015, 1458), hilft der Klägerin mangels konkreter Rüge im Übrigen zuletzt dann ebenfalls nicht mehr.“ |