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Amtsgericht München Urteil vom 12.03.2020 - 274 C 7752/19 - Kein Wertersatz bei "Einbruch" mittels Keyless-Go-System

AG München v. 12.03.2020: Kein Wertersatz bei "Einbruch" mittels Keyless-Go-System




Das Amtsgericht München (Urteil vom 12.03.2020 - 274 C 7752/19) hat entschieden:

   Werden aus einen geparkten Kfz Sachen gestohlen, nachdem das Fahrzeug ohne Gewatlanwendung mittels des Keyless-Go-Systems geöffnet wurde, besteht kein Versichierungsschutz in der Hausratversicherung.

Siehe auch
Diebstahl von Sachen aus einem geparkten oder nach einem Verkehrsunfall zurückgelassenen Fahrzeug
und
Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung

Tatbestand:


Die Parteien streiten über Versicherungsleistungen aus einem Schadensereignis.

Der Kläger und die Beklagte sind durch eine private Hausratversicherung verbunden. Die Versicherungsbedingungen der Beklagten enthalten unter anderem folgende Formulierungen:

   „1.2.1 Welche Gefahren und Schäden sind versichert?

(1) Versicherte Gefahren Entschädigt werden versicherte Sachen (siehe Ziffer 1.1.1), die durch (…)

- Einbruchdiebstahl, Raub oder den Versuch einer solchen Tat (siehe Ziffer 1.2.3)

(…) zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen (Versicherungsfall).

(2) Vorliegen eines Versicherungsfalls bei Diebstahlsschäden a) Diebstahl aus verschlossenen Kraftfahrzeugen

Entschädigt werden auch versicherte Sachen, die Ihnen oder einer mit Ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen gehören oder Ihrem persönlichen Gebrauch dienen, wenn sich diese Sachen vorübergehend außerhalb der Wohnung befinden und innerhalb eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, der Schweiz oder Norwegens durch Aufbrechen eines verschlossenen Kraftfahrzeugs, nicht aber eines Kfz-Anhängers, entwendet oder bei diesem Ereignis zerstört oder beschädigt werden.

Keine Entschädigung wird bei Diebstählen aus verschlossenen Kraftfahrzeugen geleistet für (..)

- sonstige elektrische (auch batteriebetriebene) Geräte, jeweils einschließlich des Zubehörs.

(…)

1.2.3 was ist unter den Gefahren Einbruchdiebstahl und Raub zu verstehen?

(1) Definition Einbruchdiebstahl

Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Dieb

a) in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mittels falscher Schlüssel oder anderer nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmter Werkzeuge eindringt.

(…).“

Für Einzelheiten wird auf die Anlage K10 verwiesen.

Es gab Gespräche zwischen dem Kläger und Herrn M, einem Versicherungsvertreter der Beklagten. Der Kläger gab hierbei an, dass er einen möglichst umfangreichen Versicherungsschutz bei der Beklagten wolle. Der Versicherungsvertreter M gab hierbei weder an, dass eine Überwindung des Keyless-Go-Systems bei dem streitgegenständlichen Vertrag versichert sei, noch dass es dies nicht sei.

Am 10.12.2018 stellte der Kläger sein privates Kraftfahrzeug Audi RS 3 in der M. Straße in Fr. am M. ab und verließ es mit der Zeugin K . Der Pkw kann mittels eines Keyless-Go-Systems über Funk ver- und entriegelt werden. Die beiden holten etwas ab und kehrten nach weniger als fünf Minuten zu den Pkw zurück. In der Zwischenzeit wurden mehrere in dem Pkw befindliche Gegenstände von einem unbekannten Täter entwendet. An dem Pkw befanden sich danach keine Aufbruchspuren.

Der Kläger verständigte umgehend die örtlich zuständige Polizeidienststelle und erstattete Strafanzeige gegen unbekannt. Dieses Verfahren wurde eingestellt, da kein Täter ermittelt werden konnte.

Insoweit wird auf die Anlage K1 verwiesen.

Der Kläger zeigte den Fall umgehend bei der Beklagten an. Diese forderte den Kläger mit Schreiben vom 14.12.2018 zur Aufstellung der gestohlenen Gegenstände unter Vorlage der Anschaffungsrechnungen auf. Dieser Aufforderung kam der Kläger mit Schreiben vom 31.12.2018 nach. Insoweit wird auf die Anlage K2 verwiesen.




Eine Regulierung des Schadens wurde von Seiten der Beklagten jedoch abgelehnt. Nach diesbezüglicher Korrespondenz zwischen den Parteien beauftragte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten. Diese forderten die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 08.02.2019 zur Zahlung auf. Eine Regulierung des Schadens wurde von der Beklagten jedoch weiterhin abgelehnt.

Insoweit wird auf die Anlagen K3 bis K9 verwiesen.

Der Kläger trägt vor, dass die oben genannten Gespräche mit Herrn M vor Abschluss des Versicherungsvertrages stattgefunden hätten.

Der Kläger trägt vor, dass sich in dem Pkw die in der Anlage K2 genannten Gegenstände mit dem dort genannten Wert befunden hätten. Er habe dem Pkw sicher verschlossen, bevor er sich von dem Fahrzeug entfernt habe. Wahrscheinlich sei der Pkw vom unbekannten Täter durch eine sogenannte „Relay Attack“ entriegelt worden, indem das Keyless-Go-System unbefugt mit einem Funksignal überwunden wurde. Es könne jedoch auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Drahtseil verwendet wurde.

Der Kläger ist der Auffassung, dass auch eine unbefugte Öffnung des Pkw per Funksignal unter die Versicherungsbedingungen der Beklagten falle. Der Begriff „Aufbrechen“ müsse entsprechend ausgelegt werden. Unklarheiten gingen zulasten der Beklagten als Verwenderin der Versicherungsbedingungen. Eine Ersatzpflicht der Beklagten bestünde auch hinsichtlich der elektrischen Zahnbürste und der Kopfhörer.

Der Kläger beantragt,

  1.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.314,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2019 zu zahlen.

  2.  Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 413,64 € an außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.03.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

   Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass vor Abschluss des Versicherungsvertrages keine Gespräche zwischen dem Kläger und Herrn M stattgefunden hätten. Erst später habe es Ge spräche im Rahmen einer Einbeziehung der Lebensgefährtin des Klägers in den Vertrag gegeben.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass keine Einstandspflicht bestehe, da es vorliegend an einem „Aufbrechen“ fehle. Hierfür sei mehr erforderlich als jedes unbefugte Öffnen. Die Verwendung eines falschen Schlüssels sei aber gerade nicht gleichzusetzen mit einem „Aufbrechen“. Die elektrische Zahnbürste und die Kopfhörer seien aufgrund der Versicherungsbedingungen von einer Erstattung ausgeschlossen.

Am 09.01.2020 fand die mündliche Verhandlung am Amtsgericht München statt. Insoweit wird auf das Protokoll verwiesen.

Danach gingen bei Gericht noch die Schriftsätze der Beklagten vom 05.02.2020 und vom 20.02.2020 sowie der Schriftsatz des Klägers vom 20.02.2020 ein, auf die verwiesen wird.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen Bezug genommen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Schriftsatz des Klägers vom 20.02.2020 wurde bei der Entscheidung noch berücksichtigt. Die beiden Schriftsätze der Beklagten vom 05.02.2020 und 20.02.2020 wurden dagegen nicht berücksichtigt.

A.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem streitgegenständlichen Vorfall, da dieser gemäß der Versicherungsbedingungen der Beklagten keinen Versicherungsfall darstellt, bei dem eine Erstattung der Beklagten zu erfolgen hätte.

I.

Hierbei kann dahinstehen, ob der Kläger den Pkw vor dem Verlassen ordnungsgemäß verriegelt hat (und damit kein Fall des sogenannten „Jamming“ vorliegt). Auch das vom Kläger vermutete unbefugte Öffnen des Pkw per Funksignal fällt nicht unter die Versicherungsbedingungen der Beklagten. Ein Öffnen mittels Drahtseil, das laut Kläger ebenfalls nicht ausgeschlossen werden könne, stellt eine bloße Spekulation des Klägers dar. Ein dahingehender Beweis ist in Hinblick darauf, dass die Beklagte die vom Kläger genannten Möglichkeiten des Vorgehens des unbekannten Täters bestritten hat, nicht angeboten worden.

II.

Es ist im hiesigen Verfahren unstreitig geblieben, dass der Pkw des Klägers bei dem Diebstahl nicht beschädigt wurde, und sich auch im Übrigen keine Aufbruchspuren fanden.

III.

Streitentscheidend war damit, ob die vom Kläger vorgetragene Vorgehensweise des unbefugten Öffnens des Pkw per Funksignal von den Versicherungsbedingungen der Beklagten umfasst ist, insbesondere unter den Begriff „Aufbrechen“ fällt (vgl. Anlage K10). Dies ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht der Fall.

1. Der Wortlaut des Begriffs „Aufbrechen“ ist nach Auffassung des Gerichts eindeutig.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch (und auch der Definition des Duden) umfasst ein entsprechendes Vorgehen die Anwendung von Gewalt. Auch wenn nach Auffassung des Gerichts nicht zwangsläufig eine Beschädigung der Sache erforderlich ist, fällt unter „Aufbrechen“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sicher nicht jedes unbefugte Öffnen mittels Verstärkung eines Funksignals oder Verwendung eines „falschen“ Funksignals. Aufgrund der Eindeutigkeit des Begriffes ist es aus Sicht des Gerichts auch nicht erforderlich, dass der Begriff in den Versicherungsbedingungen der Beklagten gesondert definiert wird. Dies kann nicht hinsichtlich jedes Begriffes erwartet werden.

2. Nach der Überzeugung des Gerichts ist insoweit auch keine Auslegung erforderlich, die zu einem anderen Ergebnis führen könnte, und es bestehen auch keine Zweifel, die zulasten der Verwenderin gehen könnten (vgl. § 305c Abs. 2 BGB).

a. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass es für den Kläger letztlich keine Rolle spielt, auf welche Weise die Gegenstände entwendet wurden. Maßgeblich für die Beurteilung von allgemeinen Geschäftsbedingungen (die hier zweifelsfrei vorliegen) sind jedoch beide Seiten des Vertrages.

b. Für die Kosten- und Risikokalkulation der Beklagten ist es zwangsläufig erforderlich, dass der Versicherungsumfang (und damit ihre zu erwartenden Risiken) klar abgegrenzt sind. Es können nicht einfach (später) zusätzliche versicherte Risiken durch Auslegung entgegen eines eindeutigen Wortlauts in den Vertrag aufgenommen werden.

c. Im Übrigen ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Versicherungsbedingungen der Beklagten veraltet sind. Vielmehr wurden die entsprechenden Formulierungen in den Versicherungsbedingungen offenbar bewusst gewählt. So wurde der Umfang und die Begrifflichkeit von § 243 StGB gerade nicht übernommen. Es wird nicht der Begriff „einbricht“ aus § 243 StGB verwendet, sondern „Aufbrechen“. Im Übrigen ist in § 243 StGB das Einbrechen nur als eine von mehreren einen besonders schweren Fall des Diebstahls begründenden Varianten genannt. Das Verwenden eines falschen Schlüssels ist dort gesondert aufgeführt. Der von Seiten des Klägers angestellte Vergleich zwischen den Versicherungsbedingungen der Beklagten und der Formulierung von § 243 StGB hilft ihm daher nicht weiter.

d. Auch auf die Definition des Einbruchsdiebstahls unter Ziffer 1.2.3 kann sich der Kläger nicht berufen. Diese betrifft nur Diebstähle aus dem Raum eines Gebäudes, nicht Kraftfahrzeuge. Bei diesen hat die Beklagte ersichtlich eine andere Formulierung gewählt.

Diese Unterscheidung ist für das Gericht auch ohne weiteres nachvollziehbar, da für die Bereiche Gebäude (insbesondere Haus oder Wohnung) und im freien befindliche Pkw unterschiedliche Risiken zu versichern sind. Der Diebstahl mittels Verwendung eines falschen Schlüssels wird bei Kraftfahrzeugen vermutlich häufiger vorkommen als bei Wohnungen, da sie bei letzteren schwieriger zu realisieren sein dürften, auch wegen einer größeren Entdeckungsgefahr durch Nachbarn o. ä.

Für eine unterschiedliche Behandlung dieser Fälle spricht auch die Nachprüfbarkeit durch die Beklagte und die Beweislage. Bei dem versicherten gewaltsamen Aufbrechen dürfen in der Regel Spuren hinterlassen werden. Im Fall einer elektronischen Überwindung per Funksignal könnte die Abgrenzung zum schlichten Vergessen des Absperrens durch den Versicherungsnehmer nur deutlich unsicherer anhand der Angaben des Versicherungsnehmers und ggf. Zeugen erfolgen. Für die Beklagte wäre dies kaum nachprüfbar, und es bestünde nach Auffassung des Gerichts eine nicht unerhebliche Missbrauchsgefahr.

Die unterschiedlichen Voraussetzungen gegenüber dem Einbruchdiebstahl und die Beschränkung von Versicherungsfällen auf ein „Aufbrechen“ des Pkw ist damit aus Sicht des Gerichts (auch für einen verständigen Versicherungsnehmer) nachvollziehbar. Ein Versicherungsnehmer kann damit nicht davon ausgehen, dass auch ein unbefugtes Öffnen des Pkw ohne Anwendung von Gewalt einen Versicherungsfall darstellen sollte.

3. In Anbetracht der obigen Ausführungen stellen die Versicherungsbedingungen der Beklagten auch keine unangemessene Benachteiligung des Klägers dar (vgl. § 307 BGB).

IV.

Auch aus den vom Kläger vorgetragenen Angaben des Versicherungsvertreters M lässt sich kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte herleiten. Nach entsprechenden Hinweis des Gerichts stellte der Kläger klar, dass vom Versicherungsvertreter M nicht zugesichert wurde, dass auch eine elektronische Überwindung des Keyless-Go-Systems vom Versicherungsschutz umfasst sei. Somit liegt keine vorrangige Individualvereinbarung hinsichtlich des Versicherungsumfang vor. Auch anderweitige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aufgrund der vorgetragenen Angaben des Versicherungsvertreters sind damit nicht ersichtlich. Insbesondere kann keine Rolle spielen, wovon der Kläger ausgegangen ist, ohne vom Versicherungsvertreter insoweit getäuscht worden zu sein.

B.

Aufgrund der Klageabweisung hinsichtlich der Hauptforderung war die Klage auch in Bezug auf die geltend gemachten Nebenforderungen abzuweisen.

C.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.

D.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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