1. |
Das Verfahren wird ausgesetzt und gemäß Artikel 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
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2. |
Das Amtsgericht Bernau hält alle Regelungen des Betäubungsmittelgesetzes, soweit sie Cannabisprodukte in der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG mit der Folge aufführen, dass der unerlaubte Verkehr mit diesen Stoffen den Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegt, für verfassungswidrig.
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Hilfsweise hält das Amtsgericht Bernau die Strafvorschrift des § 29 Abs. 1Nr. 1 BtMG in der Alternative des Erwerbens von Cannabis i. V. m. Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG für verfassungswidrig.
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„Personen, die (…) wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz (…) rechtskräftig verurteilt worden sind, dürfen Jugendliche nicht beschäftigen sowie im Rahmen eines Rechtsverhältnisses (…) nicht beaufsichtigen, nicht anweisen, nicht ausbilden und nicht mit der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen beauftragt werden.“ |
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3. | Soweit die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes Verhaltensweisen mit Strafe bedrohen, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, verstoßen sie deshalb nicht gegen das Übermaßverbot, weil der Gesetzgeber es den Strafverfolgungsorganen ermöglicht, durch das Absehen von Strafe (vgl. § 29 Abs. 5 BtMG) oder Strafverfolgung (vgl. §§ 153 ff. StPO, § 31a BtMG) einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat Rechnung zu tragen. In diesen Fällen werden die Strafverfolgungsorgane nach dem Übermaßverbot von der Verfolgung der in § 31a BtMG bezeichneten Straftaten grundsätzlich abzusehen haben. |
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4. | Der Gleichheitssatz gebietet nicht, alle potenziell gleich schädlichen Drogen gleichermaßen zu verbieten oder zuzulassen. Der Gesetzgeber konnte ohne Verfassungsverstoß den Umgang mit Cannabisprodukten einerseits, mit Alkohol oder Nikotin andererseits unterschiedlich regeln. |
„Das vorlegende Gericht ist gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an die frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Ihr kommen gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft und Rechtskraftwirkung zu (vgl. BVerfGE 33, 199 (203) m. w. N.). Da das vorlegende Gericht im Falle einer erneuten Vorlage einen Spruch begehrt, der im Gegensatz zu der früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht, muss es im Einzelnen die Gründe dafür darlegen, dass die Rechtskraft der früheren Entscheidung eine erneute Sachprüfung nicht hindert. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung bezieht sich zwar stets auf den Zeitpunkt, in dem sie ergeht; sie erfasst damit nicht solche Veränderungen, die erst später eintreten. Sie steht einer erneuten Vorlage daher nicht entgegen, wenn das vorlegende Gericht sich auf neue Tatsachen beruft, die erst nach der früheren Entscheidung entstanden oder bekannt geworden sind. Eine erneute Vorlage ist in solchen Fällen aber nur dann zulässig, wenn sie von der Begründung der früheren Entscheidung ausgeht; das vorlegende Gericht muss den in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dokumentierten Rechtsstandpunkt einnehmen und neue Tatsachen darlegen, die vor diesem Hintergrund geeignet sind, eine von der früheren Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts abweichende Entscheidung zu ermöglichen.“ |
Droge | Schädigungsgrad |
Alkohol | 72 |
Heroin | 55 |
Crack-Kokain | 54 |
Metamphetamine | 33 |
Kokain | 27 |
Tabak | 26 |
Amphetamine | 23 |
Cannabis | 20 |
„Angesichts der dargestellten offenen kriminal-politischen und wissenschaftlichen Diskussionen über die von Cannabiskonsum ausgehender Gefahr und den richtigen Weg ihrer Bekämpfung hat der Gesetzgeber die Auswirkungen des geltenden Rechts unter Einschluss der Erfahrung des Auslands zu beobachten und zu überprüfen. Dabei wird er insbesondere einzuschätzen haben, ob und in wieweit die Freigabe von Cannabis zu einer Trennung der Drogenmärkte führen und damit zur Eindämmung des Betäubungsmittelkonsums insgesamt beitragen kann oder ob umgekehrt nur die strafbewehrte Gegenwehr gegen den Drogenmarkt insgesamt und die sie bestimmende organisierte Kriminalität hinreichenden Erfolg verspricht“. (vgl. Bundesverfassungsgerichtsentscheidung 90, 145, 194). |
„Dieses Gesetz dient dazu, die Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit von weiteren Cannabisarzneimitteln herzustellen, wie z. B. von getrockneten Cannabisblüten und Cannabisextrakten in standardisierter Qualität. Damit soll Patientinnen und Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen nach entsprechender Indikationsstellung und bei fehlenden Therapiealternativen ermöglicht werden, diese Arzneimittel zu therapeutischen Zwecken in standardisierter Qualität durch Abgabe in Apotheken zu erhalten. Zu diesem Zweck wird eine Cannabis-Agentur eingerichtet, welche Herstellung und Vertrieb regelt“ (vgl. BT-Drucks. 18/8965 S. 1). |
„Bei schweren Erkrankungen wie chronischen Schmerzen oder Multiple Sklerose kann Cannabis als Medizin helfen, Symptome zu lindern. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass künftig Patientinnen und Patienten Cannabis in Arzneimittelqualität durch die Gesetzliche Krankenversicherung erstattet bekommen können, wenn es medizinisch angezeigt ist. […]“ |
„Wir müssen einsehen, dass wir mit einem rein repressiven Ansatz dem Problem nicht beikommen.“ (Luxemburger Wort vom 19.09.2014). |
„Wie die Kriminalisierung des Drogenkonsums die globale Pandemie anheizt“. |
„... die allgemeingültigen Gesetze zu respektieren und nicht gegen sie zu verstoßen, auch wenn sie nicht mit ihnen einverstanden sind“ (vgl. Bericht der Weltkommission für Drogenpolitik 2016, S. 15, m. w. N. in Fn. 19). |
„Ich wiederhole mich, aber ich sage es heute noch einmal: Ich bin der Ansicht, dass Drogen viele Leben zerstören, aber falsche Regierungspolitiken haben noch viele mehr zerstört. Ein Strafregistereintrag für ein kleines Drogendelikt kann für junge Menschen eine viel größere Gefährdung ihres Wohlergehens bedeuten als der gelegentliche Drogenkonsum.“ |
„unvoreingenommene, rationale Betrachtung (…) nicht länger ignorieren“ |
„dass die Prohibitionspolitik von Rauschmitteln kriminalpolitisch, aber auch strafrechtlich gescheitert ist. Eine Gesellschaft, die 5 Prozent ihrer Mitglieder wegen des Konsums von Rauschmitteln kriminalisiert, während sich zugleich weitere 30 Prozent der Bevölkerung legal und staatlich gefördert totsaufen oder -rauchen, verhält sich evident irrational.“ |
„den gesamten Umgang mit Cannabisprodukten mit Ausnahme des Konsums selbst wegen der von der Droge und dem Drogenhandel ausgehenden Gefahren für den Einzelnen und die Allgemeinheit einer umfassenden staatlichen Kontrolle zu unterwerfen und zur Durchsetzung dieser Kontrolle den unerlaubten Umgang mit Cannabisprodukten lückenlos mit Strafe zu bedrohen“, |
„Nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse lässt sich somit nicht sagen, dass Cannabis geeignet sei, die körperlich und seelische Gesundheit vieler Menschen in eine nahe liegende oder ernstliche Gefahr zu bringen. Der Sachverständige Prof. Dr. Dee hat erklärt, dass Cannabis nach seiner Erkenntnis das Rauschmittel mit den geringsten individuellen gesamtgesellschaftlichen Wirkungen sei, dass es zurzeit auf der Welt gebe. Binder hat in seinem Aufsatz im deutschen Ärzteblatt (1981, 124) ausgeführt:
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„Dort [in deutschen Gerichtssälen] werden noch immer die extrem weiten Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), das entsprechend seinem ,Geburtsfehler‘ nicht zwischen Cannabis und ,harten‘ Drogen wie Heroin etc. unterscheidet, oftmals in einer Härte angewandt, die sich unter keinem Gesichtspunkt (erst recht nicht unter dem des Rechtsgüterschutzes) in die sonstige Praxis der Strafgerichte einfügt. Es gilt für manche Strafgerichte offenbar noch immer: Entscheidend für die Strafzumessung ist die Menge der Betäubungsmittel. Dass es sich dabei um eine Ware handelt, deren Schädlichkeit in einem die umfassende Kriminalisierung legitimierenden Ausmaß mehr als fraglich ist, interessiert offenbar wenig. Das Betäubungsmittelstrafrecht wurde im Zuge einer ,Kriminalisierungshysterie‘ (vgl. Böllinger, Strafverteidiger 1996, S. 317, 320) mit Strafrahmen ausgestattet, die man sonst nur im Zusammenhang mit Tötungsdelikten und wenigen anderen schwersten Straftaten kennt. Wer sich etwa mit anderen zusammenschließt, um Cannabis in nicht geringer Menge nach Deutschland einzuführen, oder wer Cannabis als Mitglied einer Bande in nicht geringer Menge anbaut, hat nach § 30a BtMG eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren bis zu 15 Jahren zu gewärtigen. Aber auch, wer nicht im Rahmen einer ,Bande‘ handelt, erhält nach § 29a BtMG in diesen Fällen eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr (bzw. von zwei Jahren bei der Einfuhr, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) bis zu 15 Jahren. Eine beliebige, zufällige Auswahl aus der jüngsten Strafzumessungspraxis verschiedener Landgerichte:
Insgesamt werden pro Jahr mehr als 50.000 Personen nach dem BtMG verurteilt (die meisten davon wegen Umgangs mit Cannabis). Diese drastischen Strafen werden für ,Taten‘ ausgeurteilt, in denen es allenfalls um die Ermöglichung der (straflosen) Selbstgefährdung geht (während dieselben Gerichte etwa wegen durchaus gravierenden Fällen von Körperverletzung nicht selten Geldstrafen oder zur Bewährung ausgesetzte Strafen von unter zwei Jahren verhängen).“ (vgl. Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung zum Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes (CannKG), BT−Drucks. 18/4204). |
„Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seines Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren Die Freiheit sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierbei bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen“ |
- | ICD-10 E24.4 Alkoholinduziertes Pseudo-Cushing-Syndrom, |
- | ICD-10 E52 Niazinmangel (alkoholbedingte Pellagra); |
- | ICD-10 F10 Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol, |
- | ICD-10 G31.2 Degeneration des Nervensystems durch Alkohol, |
- | ICD-10 G62.1 AlkoholPolyneuropathie, |
- | ICD-10 G72.1 Alkoholmyopathie, |
- | ICD-10 I42.6 Alkoholische Kardiomyopathie, |
- | ICD-10 K29.2 Alkoholgastritis, |
- | ICD-10 K70 Alkoholische Leberkrankheit, |
- | ICD-10 K85.2 Alkoholinduzierte akute Pankreatitis (ab 2006), |
- | ICD-10 K86.0 Alkoholinduzierte chronische Pankreatitis, |
- | ICD-10 O35.4 Betreuung der Mutter bei (Verdacht auf) Schädigung des Feten durch Alkohol, |
- | ICD-10 P04.3 Schädigung des Feten und Neugeborenen durch
Alkoholkonsum der Mutter, |
- | ICD-10 Q86.0 Alkohol-Embryopathie (mit Dysmorphien) |
Droge | Schädigungsgrad |
Alkohol | 72 |
Heroin | 55 |
Crack-Kokain | 54 |
Metamphetamine | 33 |
Kokain | 27 |
Tabak | 26 |
Amphetamine | 23 |
Cannabis | 20 |
„ich fühle mich nicht schuldig“. |
„Das vorlegende Gericht ist gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG an die frühere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Ihr kommen gemäß § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft und Rechtskraftwirkung zu (vgl. BVerfGE 33, 199 (203) m. w. N.). Da das vorlegende Gericht im Falle einer erneuten Vorlage einen Spruch begehrt, der im Gegensatz zu der früheren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht, muss es im Einzelnen die Gründe dafür darlegen, dass die Rechtskraft der früheren Entscheidung eine erneute Sachprüfung nicht hindert. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung bezieht sich zwar stets auf den Zeitpunkt, in dem sie ergeht; sie erfasst damit nicht solche Veränderungen, die erst später eintreten. Sie steht einer erneuten Vorlage daher nicht entgegen, wenn das vorlegende Gericht sich auf neue Tatsachen beruft, die erst nach der früheren Entscheidung entstanden oder bekannt geworden sind. Eine erneute Vorlage ist in solchen Fällen aber nur dann zulässig, wenn sie von der Begründung der früheren Entscheidung ausgeht; das vorlegende Gericht muss den in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dokumentierten Rechtsstandpunkt einnehmen und neue Tatsachen darlegen, die vor diesem Hintergrund geeignet sind, eine von der früheren Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts abweichende Entscheidung zu ermöglichen.“ |
[folgt eine Tabelle] |