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Landgericht München Urteil vom 15.09.2020 - 20 O 5615/18 - Auch unfallverletzte Wachhunde brauchen Physiotherapie

LG München v. 15.09.2020: Auch unfallverletzte Wachhunde brauchen Physiotherapie


Das Landgericht München (Urteil vom 15.09.2020 - 20 O 5615/18) hat entschieden:

   Kommt es bei überhöhter Geschwindigkeit des Kfz zu einer Verletzung eines als Wachhund eingesetzten Hundes sind die gutachterlich für notwendig erachteten Physiotherapiekosten von mehr als 14.000,00 € zu erstatten.

Siehe auch
Vermehrte Bedürfnisse nach Unfallverletzungen
und
Stichwörter zum Thema Unfallschadenregulierung


Tatbestand:


Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einem Unfall am 15.11.2017 gegen 10:40 Uhr auf dem Gelände des …. Hierbei wurde der Hund … verletzt, der nach dem Klagevortrag der Klägerin gehört.

Auf dem Gelände fuhr der Beklage zu 2) mit seinem Pkw, der bei der Beklagten zu 1) versichert ist. Nach dem Klagevortrag fuhr er mit weit überhöhter Geschwindigkeit, da nach Klagevortrag eine Geschwindigkeit von 10 km/h vorgeschrieben ist. Jedenfalls kam es zu einer Kollision zwischen dem Pkw der Beklagtenseite und dem Hund …, der dadurch an der Pfote verletzt wurde. Nach dem Beklagtenvortrag fuhr der Beklagte zu 2) mit angepasster Geschwindigkeit und der Hund sprang in sein Fahrzeug hinein. Der Hund sei nicht angeleint gewesen. Es habe sich die typische Tiergefahr verwirklicht.

Mit der Klage vom 18.04.2018 wurden zunächst Behandlungskosten bis zu diesem Zeitpunkt geltend gemacht in Höhe von 6.748,16 € netto.

Sodann wurde die Klage am 09.07.2019 um die bis dahin entstandenen weiteren Behandlungskosten in Höhe von 7.310,68 € erweitert.

Zunächst wurden vorgerichtlich am 26.02.2018 5.142,66 € geltend gemacht, sodann mit Schriftsatz vom 06.03.2018 6.794,95 €.

Die Beklagte zu 1) bezahlte nicht.

Die Klageseite behauptet, weil der Beklagte zu 2) mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h gefahren sei und mit dem Handy telefoniert habe, sei es zu dem Unfall gekommen. Der Hund sei angeleint gewesen.

Die Klagepartei beantragt zuletzt,

  1.  Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt 14.058,84 € zuzüglich Verzugszinsen aus einem Betrag in Höhe von 6.748,16 € seit dem 20.03.2018 sowie aus einem weiteren Betrag in Höhe von 7.310,68 € ab Rechtshängigkeit dieser Klageerweiterung jeweils in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu bezahlen.

  2.  Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch dem Grunde nach verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weitere Schäden im Zusammenhang mit der Verletzung des Hundes … bei dem Verkehrsunfall am 15.11.2017 im …, verursacht durch das Kfz …, zu ersetzen.

  3.  Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die Klägerin von außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in dieser Angelegenheit (Streitwert 5.709,62 €, 1,5 Geschäftsgebühr, zuzüglich Auslagenpauschale) in Höhe von 551,00 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung.




Die Beklagten bestreiten ein Verschulden an dem Unfall mit der Begründung, dass der Führer des Hundes den noch sehr jungen und sicherlich noch nicht gut erzogenen Hund nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angewandt habe. Zudem sei der Hund unangeleint gewesen. Weiter werden die Unfallbedingtheit und Erforderlichkeit der mit der Klage geltend gemachten Tierarzt und sonstigen Behandlungs- und Arzneimittelkosten bestritten.

Das Gericht hat zunächst am 08.01.2019 den Geschäftsführer der Klägerin und den Beklagten zu 2) zur Sache angehört, vergleiche dazu Bl. 29-33 der Akten nebst Zeichnung in der Anlage.

Sodann wurden am 21.05.2019 die Zeugen … und … vernommen, siehe dazu Bl. 41-52 der Akten nebst Anlagen. Schließlich wurde ein schriftliches Sachverständigengutachten für Unfallbedingtheit der Verletzungen und Angemessenheit der geltend gemachten Behandlungskosten eingeholt, vergleiche dazu Bl. 85-107 der Akten.

Zur Ergänzung des Tatbestands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage ist begründet.

Gemäß den §§ 7, 17 StVG in Verbindung mit § 115 VVG, § 823 BGB und § 249 BGB haften die Beklagten gesamtschuldnerisch auf den geltend gemachten Schaden.

Aufgrund der glaubhaften Angaben des glaubwürdigen Geschäftsführers der Klägerin ist bewiesen, dass der Hund … als Wachhund in der Firma eingesetzt wurde.

Somit ist die Klägerin als Besitzerin und Eigentümerin aktivlegitimiert. Herr … hat glaubhaft bekundet, dass er den Hund für die Firma angeschafft hat und auch dort als Wachhund eingesetzt hat.

Weiter ist bewiesen, dass auf dem Firmengelände eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 10 km/h besteht, siehe K 1, und dass der Beklagte zu 2) schneller gefahren ist.

Das hat er selber eingeräumt.

Ferner hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Hund vor dem Unfall angeleint war.

Das haben die glaubwürdigen Zeugen … und … glaubhaft bestätigt.

Durch ihre Angaben wurde auch klar, warum der Beklagte zu 2) der Ansicht war, der Hund sei nicht angeleint gewesen. Nach dem Zusammenstoß war es dem Hund nämlich gelungen sich von der Leine zu befreien und er bewegte sich unangeleint auf der Wiese neben dem Unfallort. Aufgrund der Zeugenaussagen und auch des vernommenen glaubwürdigen Beklagten zu 2) steht zur Überzeugung der erkennenden Richterin fest, dass Herr … mit dem angeleinten Hund unterwegs war und die Straße überqueren wollte, als der Beklagte zu 2) mit überhöhter Geschwindigkeit, mindestens 20 km/h, dort entlang fuhr. Herr … zog sodann den Hund zurück, sodass nur seine Pfote verletzt wurde und nicht schwerwiegendere Verletzungen entstanden. Dem Hund gelang es sich von der Leine zu befreien und er rannte schmerzheulend auf der Wiese umher.




Somit hat sich die Betriebsgefahr des Pkws verwirklicht. Hinzu kommt ein Verschulden des Beklagten zu 2) durch eine überhöhte Geschwindigkeit.

Ein Mitverschulden auf Klageseite oder ein Mitverursachungsbeitrag, etwa durch die Verwirklichung der sogenannten Tiergefahr, ist hingegen nicht nachgewiesen.

Die Beklagten haften somit dem Grunde nach zu 100 %.

Aufgrund des überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachtens des Professors … von der Universität … steht auch fest, dass die Verletzungen des Hundes mit dem Autounfall kompatibel sind und die Behandlungskosten angemessen, und dass richtig abgerechnet wurde und ebenfalls, dass eine Physiotherapie bei solchen Verletzungen notwendig ist.

Somit waren die Beklagten antragsgemäß zu verurteilen.



Auch der Feststellungsantrag war zuzusprechen, weil nicht auszuschließen ist, dass noch weitere Verletzungsfolgen entstehen könnten.

Rechtsanwaltskosten wurden in Höhe einer 1,3-fachen Gebühr, weil es sich um eine durchschnittliche Angelegenheit handelt, jedoch aus einem Betrag von 6.794,00 €, vergleiche Anlage K 6, zugesprochen. Deshalb war die klage in geringem Umfang abzuweisen.

Die Zinsen sind gemäß den §§ 286, 288, 291 BGB geschuldet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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