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BGH Beschluss vom 16.06.2015 - 2 StR 29/15 - Zur Form des Eröffnungsbeschlusses

BGH v. 16.06.2015: Zur Form des Eröffnungsbeschlusses




Der BGH (Beschluss vom 16.06.2015 - 2 StR 29/15) hat entschieden:

   Wegen seiner Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und der Notwendigkeit der Feststellbarkeit der Beschlussfassung bedarf es regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zu einem Verfahrenshindernis.

Siehe auch
Eröffnungsbeschluss
und
Stichwörter zum Thema Verkehrsstrafsachen

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten F. unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten N. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, ferner wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug und Urkundenfälschung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 7.000 Euro angeordnet. Sichergestelltes Methamphetamin hat das Landgericht eingezogen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten F. und N. mit der Sachrüge, das Rechtsmittel des Angeklagten N. auch mit Verfahrensbeanstandungen. Die Revisionen haben Erfolg. Die Urteilsaufhebung ist gemäß § 357 StPO im Fall II.3. der Urteilsgründe auch auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

a) Die Angeklagten N. und F. vereinbarten Ende Mai oder Anfang Juni 2012 die Einfuhr von Methamphetamin aus T. zum gewinnbringenden Verkauf im Inland. Zur Umgehung von Entdeckungsrisiken beim Transport im Inland sollten die Betäubungsmittel nach der Einfuhr mit einem Postpaket von dem grenznahen J. an eine Adresse in einem unbewohnten Haus in No. verschickt werden, wo sie von einem der Täter in Empfang genommen werden sollten.

Die Angeklagten N. und F. erwarben in T. 194,77 g Methamphetamin. Ob sie die Betäubungsmittel selbst einführten oder die Verbringung über die Grenze durch den Verkäufer oder einen Boten erfolgte, konnte die Jugendkammer nicht feststellen. Sie ging aber davon aus, dass die Angeklagten zumindest den Transportweg mit dem Lieferanten vereinbart hatten.

Der Angeklagte F. verpackte das Methamphetamin unter Verwendung einer zuvor in No. kostenlos verteilten Zeitung in ein Postpaket, das er von J. an die angebliche Anschrift der Zeugin E. in einem tatsächlich unbewohnten, ihm gehörenden Haus in No. zur Übergabe an " P. " versandte. Der Angeklagte N. verfügte über einen gefälschten Reisepass auf diesen Namen, mit dessen Hilfe er die Aushändigung des Pakets erwirken sollte. Der Name " P. " wurde auch am Briefkasten des Hauses auf einer Klebefolie angegeben. Später wurden die Namen " F. " und " E. " hinzugefügt.

Die Paketzustellung an dem sonst unbewohnten Haus unterblieb aufgrund einer allgemeinen Vorsorgemaßnahme der Post im Hinblick auf Warenkreditbetrügereien. Verschiedene Versuche unbekannt gebliebener Personen, das im Postrücklauf befindliche Paket zu erlangen, schlugen fehl; es wurde schließlich sichergestellt (Fall II.1. der Urteilsgründe).




b) Ende Januar oder Anfang Februar 2012 erwarb der Angeklagte N. mindestens 100 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer in T. . Wie die Betäubungsmittel nach Deutschland kamen, blieb ungeklärt. Wiederum wurden sie aber in ein Postpaket verpackt und an dieselbe Zustelladresse in No. verschickt, wobei das Landgericht nicht feststellen konnte, wer dies bewirkt hatte. Der Angeklagte N. nahm das Paket unter Verwendung des gefälschten Reisepasses entgegen.

Die Jugendkammer ging davon aus, dass die Betäubungsmittel danach in den Verkehr gelangten und der Angeklagte N. daraus "einen Verkaufserlös erzielt hat" (Fall II.2. der Urteilsgründe).

c) Am 17. April 2012 fuhren die Angeklagten N. und A. mit einem Pkw nach J. . Der Angeklagte N. schaltete sein Mobiltelefon aus. Er parkte in unmittelbarer Nähe zur Grenze und überquerte diese zusammen mit dem Angeklagten A. zu Fuß. In T. erwarb er mindestens 400 g Methamphetamin von einem unbekannten Verkäufer, nahm die Betäubungsmittel aber nicht sogleich mit. Bei seiner Rückkehr über die Grenze wurde er einer Zollkontrolle unterzogen, die nicht zum Auffinden von Betäubungsmitteln oder größeren Bargeldbeträgen führte. Kurz darauf ging der Angeklagte N. erneut zu Fuß über die Grenze und kam mit dort erworbenem Kaffee zurück.

Die Jugendkammer nahm an, das Betäubungsmittelgeschäft sei von dem Angeklagten N. wegen der Zollkontrolle storniert worden (Fall II.3. der Urteilsgründe).

d) Der Angeklagte N. meldete sich mit dem gefälschten Reisepass auf den Namen " P. " bei der Stadtverwaltung M. an (Fall II.6. der Urteilsgründe). Er verwendete diesen Reisepass auch beim Abschluss zweier Mobilfunkverträge, deren monatliche Raten er, wie von vornherein beabsichtigt, nicht bezahlte (Fälle II.7. und II.8. der Urteilsgründe).

2. a) Das Landgericht hat zu Fall II.1. der Urteilsgründe im Wesentlichen aus den Umständen der Versendung des sichergestellten Postpakets mit den Betäubungsmitteln an die Adresse eines leerstehenden Hauses im Eigentum des Angeklagten F. , aus der Adressierung des Pakets zur Übergabe an " P. ", der auch im gefälschten Reisepass des Angeklagten N. genannt war, und aus dem Auffinden von DNA-Spuren des Angeklagten F. am Verpackungsmaterial in dem Paket darauf geschlossen, dass die Angeklagten N. und F. an dem Versand des sichergestellten Methamphetamin beteiligt waren.

Für den Ankauf der Betäubungsmittel in T. und deren Einfuhr konnte das Landgericht nicht auf konkrete Beweismittel zurückgreifen, nahm aber mit Hinweis darauf, dass kein Fall bekannt geworden sei, "in dem ein Zwischenhändler auf deutscher Seite Crystal angeboten hätte", an, dass es von den Angeklagten als Mittäter in T. erworben worden war. Für die Annahme eines Erwerbs im Inland gebe "es keinen Grund, wenn man das Crystal relativ unproblematisch in T. erwerben und selbst einführen kann".

Der Angeklagte N. habe die Postzustellerin auf das Paket angesprochen. Diese habe sich zwar nicht an die Person erinnert, die sie angesprochen hatte. Sie habe aber eine dunkle Limousine Marke BMW gesehen, und der Angeklagte N. habe zur fraglichen Zeit einen grauen Pkw BMW gefahren.

b) Zu Fall II.2. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht allein auf Informationen über eine weitere Postsendung auf demselben Weg gestützt. Es gebe zwar keinen direkten Hinweis darauf, dass der Angeklagte N. Methamphetamin erworben und dieses in das Postpaket verpackt und nach No. versandt habe. Aus der Tatsache, dass ein weiteres Paket mit gleicher Versandstrecke auf den Weg gebracht wurde, ergebe sich aber, dass es sich erneut um eine Drogensendung gehandelt habe. Der identische Vorgang deute auch darauf hin, dass es sich nach Art und Menge der Betäubungsmittel um eine ähnliche Menge Methamphetamin gehandelt habe, wie sie im Fall II.1. der Urteilsgründe sichergestellt wurde.

c) Die Feststellungen zu Fall II.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht darauf gestützt, dass der Angeklagte N. vor der Fahrt nach J. in zunehmender Frequenz im Internet Wetterrecherchen für diese Gemarkung durchgeführt und über Webcams die Örtlichkeiten beobachtet, vor Ort sein Mobiltelefon ausgeschaltet und ein später leer vorgefundenes Geldkuvert mitgeführt habe. Ferner hat sie angenommen, die Angabe des Angeklagten N. , er habe ein Gebrauchtfahrzeug gesucht, sei nicht glaubhaft. Schließlich sei der wiederholte Grenzübertritt zu Fuß auffällig.

Die Art der Drogen hat das Landgericht aus der im Fall II.1. der Urteilsgründe erfolgten Sicherstellung gefolgert. Die Drogenmenge hat es anhand der nach seiner Auffassung mit Blick auf ein im Internet recherchiertes Fahrzeugangebot mitgeführten Geldmenge geschätzt.





II.

Hinsichtlich der Vorwürfe zu den Fällen II.6. bis II.8. der Urteilsgründe gegen den Angeklagten N. besteht ein Verfahrenshindernis, weil die Jugendkammer eine Eröffnung des Hauptverfahrens versäumt hat.

1. Mit Anklageschrift vom 8. Mai 2014 (820 Js 81/14) erhob die Staatsanwaltschaft Gera gegen den Angeklagten N. insoweit Anklage. Die Jugendkammer übernahm durch Beschluss vom 20. Mai 2014 das Verfahren und verband es zu dem bisher dort anhängigen Verfahren (820 Js 12758/13 3 KLs jug.) hinzu. Danach verfügte der Vorsitzende die Zustellung der Anklageschrift an den Angeklagten N. und gab ihm Gelegenheit zur Erklärung, ob er Beweisanträge stellen oder Einwendungen gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens erheben wolle. Ein Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde danach nicht getroffen.

In dienstlichen Erklärungen, die der Generalbundesanwalt eingeholt hat, haben die Berufsrichter der Jugendkammer ausgeführt, sie hätten bereits am 20. Mai 2014 zugleich mit der Übernahme des Verfahrens und dessen Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren auch über die Eröffnung des Hauptverfahrens hinsichtlich der weiteren Anklagevorwürfe beraten.

2. Der Übernahme- und Verbindungsbeschluss enthält keine wirksame Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu den Vorwürfen aus der Anklageschrift vom 8. Mai 2014. Das folgt nicht nur aus dem alleine auf die Übernahme der Sache und die Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren bezogenen Beschlusstext, sondern auch aus der Verfügung des Vorsitzenden, mit der dem Angeklagten N. anschließend das rechtliche Gehör zur Frage der Eröffnung des Hauptverfahrens gewährt wurde.

Soweit der Generalbundesanwalt dem Text der Verfügung keine Bedeutung beimessen will, weil diese auf einem Formular niedergelegt wurde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der Prozessverlauf und der Urkundeninhalt sprechen einzeln und in der Gesamtschau gegen eine konkludente Eröffnung des Hauptverfahrens noch vor der Anhörung des Angeklagten N. . Wenn die Richter der Jugendkammer bei der Beschlussfassung vom 20. Mai 2014 auch die Eröffnung des Hauptverfahrens vorberaten haben, ändert dies nichts daran, dass ein wirksamer Eröffnungsbeschluss danach weder gefasst noch dokumentiert wurde.

Zwar enthält die Strafprozessordnung keine spezielle Formvorschrift für den Eröffnungsbeschluss; dennoch bedarf es im Hinblick auf seine Bedeutung als Grundlage des Hauptverfahrens und mit Rücksicht auf die Feststellbarkeit der Beschlussfassung regelmäßig einer schriftlichen Niederlegung der Entscheidung. Erforderlich ist aus Gründen der Rechtsklarheit, dass die Urkunde aus sich heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass die zuständigen Richter die Eröffnung des Hauptverfahrens tatsächlich beschlossen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 484/10, BGHR StPO § 207 Beschluss 1). Daran fehlt es hier; denn nach der Anhörung des Angeschuldigten wäre - unbeschadet der durchgeführten Vorberatung - eine abschließende Beschlussfassung der Jugendkammer erforderlich gewesen, die auch nach den dienstlichen Erklärungen der Mitglieder der Jugendkammer nicht erfolgt ist.

Das Fehlen eines wirksamen Eröffnungsbeschlusses führt zu einem Verfahrenshindernis hinsichtlich der Fälle II.6. bis II.8. der Urteilsgründe. Insoweit ist das Verfahren mit der Kostenfolge gemäß § 467 Abs. 1 StPO einzustellen (§ 206a StPO).




III.

Die Verurteilung der Angeklagten F. und N. in den Fällen II.1. bis II.3. hat aufgrund ihrer Sachbeschwerden keinen Bestand. Im Fall II.3. der Urteilsgründe ist die Urteilsaufhebung gemäß § 357 StPO auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der keine Revision eingelegt hat.

1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar muss das Revisionsgericht die Überzeugung des Tatgerichts vom Vorliegen eines Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen. Ebenso ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatgerichtlichen Überzeugung zu setzen. Allerdings muss überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatgerichts in den Feststellungen und der ihnen zugrunde liegenden Beweiswürdigung eine ausreichende Grundlage findet. Diese müssen den Schluss erlauben, dass das festgestellte Geschehen mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Deshalb müssen die Urteilsgründe des Tatgerichts erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht nur eine bloße Vermutung darstellt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 22. August 2013 - 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388).

2. Nach diesem Maßstab ist die Beweiswürdigung des Landgerichts zu den Fällen II.1. bis II.3. der Urteilsgründe nicht tragfähig.

a) Zu Fall II.1. der Urteilsgründe hat sich das Landgericht bei seiner Feststellung einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten auf einen Erfahrungssatz gestützt, den es nicht gibt. Es hat sich auf die Annahme gestützt, dass ein Fall des Erwerbs von Crystal im Inland anstelle einer Einfuhr aus T. im Grenzgebiet durch einen Zwischenhändler bisher nicht bekannt geworden sei. Dies sagt aber nichts darüber aus, ob die Angeklagten solche Betäubungsmittel aus T. eingeführt haben. Zudem ist der behauptete Erfahrungssatz weder belegt noch erläutert worden. Allein die Ungewöhnlichkeit eines hypothetisch möglichen Vorkommnisses schließt einen solchen Vorgang nicht aus. Die Tatsache, dass die Jugendkammer kein konkretes Indiz für die Annahme einer Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten feststellen konnte, kann nicht durch eine vage Behauptung einer allgemeinen Erfahrung überwunden werden.

Ähnliches gilt für die Begründung der Mittäterschaft der Angeklagten F. und N. , bei der sich das Landgericht auf den Eindruck von der Persönlichkeit des Angeklagten F. gestützt hat, der "unorganisiert und unselbständig" erscheine und deshalb nicht in der Lage gewesen sei, alleine zur Durchführung des Drogengeschäfts aus Th. nach J. zu reisen. Deshalb sei sicher davon auszugehen, dass beide Angeklagten gemeinsam "die Tat wie festgestellt begangen haben". Das trägt nicht. Das Persönlichkeitsbild eines Angeklagten reicht nicht aus, um konkrete Schlüsse auf die Art seiner Beteiligung an einem komplexen Handlungsablauf zu ziehen.


Hat das Gericht somit zur Frage der Einfuhr der Betäubungsmittel durch die Angeklagten einen falschen Maßstab angelegt, ist weiter zu besorgen, dass die zur Grundlage der Verurteilung wegen Handeltreibens gemachte Feststellung einer Postversendung der Betäubungsmittel durch den Angeklagten F. in J. mit der Abrede, dass der Angeklagte N. sie in No. in Empfang nehmen solle, auf einer unzureichenden Beweisgrundlage beruht.

Allerdings sind mit der Feststellung des Besitzes eines gefälschten Reisepasses bei dem Angeklagten N. und der DNA-Spur des Angeklagten F. auf dem Verpackungsmaterial im Postpaket Indizien vorhanden, die auf ihre Beteiligung am Postversand der Drogen schließen lassen. Andererseits wirkt die Bewertung zusätzlicher Indizien durch die Jugendkammer erneut spekulativ, so dass zumindest einige Elemente der Gesamtwürdigung durchgreifend in Frage gestellt sind.

So ist die Person, welche die Postzustellerin in No. angesprochen hat, um das Paket zu erlangen, nicht identifiziert worden. Das Landgericht hat aus der vagen Beschreibung des von ihr geführten Fahrzeugs möglicherweise zu weit gehend auf die Identität dieser Person mit dem Angeklagten N. geschlossen. Das Landgericht hat ergänzt: "Schließlich macht ein gefälschter Pass auch nur dann Sinn, wenn die Person, die auf dem Lichtbild abgebildet ist, den Pass auch später benutzt". Damit wird nichts darüber ausgesagt, dass der gefälschte Pass gerade zur Annahme einer Postsendung mit Methamphetamin eingesetzt werden sollte. Die Überlegung der Jugendkammer lässt besorgen, dass sie ihre Würdigung von Umständen mit beschränkter Aussagekraft zu sehr am erwarteten Beweisergebnis orientiert und den begrenzten Beweiswert der Indizien überbewertet hat.

b) Sind die Feststellungen zur ersten Tat der Angeklagten F. und N. nicht tragfähig begründet, kann die Verurteilung wegen der zweiten Tat, die ohne konkrete Hinweise auf den Erwerb von Betäubungsmitteln, ihren grenzüberschreitenden Transport und die Weiterversendung auf dem Postweg alleine wegen der Ähnlichkeit des Verlaufs einer Postsendung festgestellt wurde, mit der mitgeteilten Begründung nicht aufrecht erhalten bleiben. Sie enthält nicht mehr als einen Verdacht.




c) Im Kern dasselbe gilt für die Feststellungen zur dritten Tat des Angeklagten N. , die er mit Unterstützung durch den Angeklagten A. begangen haben soll.

Hierfür hat das Landgericht sich auf intensive Wetterrecherchen des Angeklagten N. im konkreten Grenzgebiet, die Fragwürdigkeit der Suche nach einem Fahrzeug aus Kaufinteresse, das Mitführen eines Fahrrads, das Ausschalten des Mobiltelefons, das Auffinden eines leeren Geldkuverts und die Umstände des zweifachen Grenzübertritts durch den Angeklagten N. zu Fuß gestützt. Daraus hat es die "nahe liegende Möglichkeit" entnommen, dass die Angeklagten eine Drogeneinfuhr geplant hatten, bei der die Betäubungsmittel vom Verkäufer "entlang der grünen Grenze übergeben oder abgelegt und von dort mit dem Fahrrad abtransportiert werden sollten". Nach der ersten Zollkontrolle sei der Angeklagte N. nach T. zurückgekehrt, weil er "offensichtlich etwas ganz Dringliches und Wichtiges in der T. zu klären hatte".

Diese Überlegungen lassen erneut besorgen, dass das Landgericht aufgrund jeweils für sich genommen wenig aussagekräftiger Umstände konkrete Schlüsse auf das erwartete Beweisergebnis gezogen hat, ohne die geringe Aussagekraft der Einzelindizien genügend zu beachten. Auch eine Summe von Beweisanzeichen, die jeweils geringe Aussagekraft haben und keinen zwingenden Schluss zulassen, der alle in Frage kommenden Alternativhypothesen ausschließt, gestattet im Einzelfall nicht mehr als die Annahme eines Verdachts. Diesen hat die Jugendkammer überbewertet, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie zu der Überzeugung gelangt ist, "dass allein der Angeklagte N. die Tat plante und das Tatgeschehen lenkte", während der Angeklagte A. , zu dessen Mitwirkung sie keine Feststellungen treffen konnte, nur eine untergeordnete Rolle spielte.

3. Die Urteilsaufhebung ist im Fall II.3. der Urteilsgründe auf den Angeklagten A. zu erstrecken, der nach Ansicht des Landgerichts bereits "durch seine Anwesenheit und die Begleitung nach T. " den Angeklagten N. in dessen Tatentschluss und bei der Tatausführung unterstützt und damit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geleistet habe. Der sachlichrechtliche Fehler bei der Feststellung der Haupttat erstreckt sich insoweit auf die Feststellung der Beihilfehandlung. Die Verurteilung des Angeklagten A. in den Fällen II.4. und II.5. der Urteilsgründe bleibt dagegen unberührt.

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