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Amtsgericht Mettmann Urteil vom 06.02.2020 - 32 OWi - 923 Js 1085/19 - 251/19 - Kein Fahrverbot bei Übersehen einer Baustellenampel

AG Mettmann v. 06.02.2020: Kein Fahrverbot trotz Unfall bei Übersehen einer Baustellenampel




Das Amtsgericht Mettmann (Urteil vom 06.02.2020 - 32 OWi - 923 Js 1085/19 - 251/19) hat entschieden:

   Übersieht eine 79-jährige Kfz-Führerin bei einer nicht abgedeckten nicht im Betrieb befindlichen Hauptampel das Rotlicht einer seitlich etwas ungeschickt aufgestellten Baustellenampel, dann kann trotz des durch den Rotlichtverstoß verursachten Unfalls von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden.

Siehe auch
Absehen vom Fahrverbot
und
Stichwörter zum Thema Fahrverbot

Gründe:


I.

Die 79-jährige Betroffene stellt Handwebarbeiten her und verkauft diese auf Kunsthandwerkermärkte im ganzen Bundesgebiet. Zu diesem Zweck fährt sie ca. 25.000-30.000 km pro Jahr.

Das Fahreignungsregister weist zur Person der Betroffenen keine Eintragung auf.





II.

Die Betroffene befuhr am 23.05.2019 um 9:55 Uhr in Wülfrath die ... Straße mit einem Pkw. Die Lichtzeichenanlage an der Kreuzung ... Straße/... befand sich zu dem Zeitpunkt wegen Bauarbeiten außer Betrieb. Die Lichtzeichenanlage war ausgeschaltet, aber nicht verhüllt. In 1m - 2m Entfernung rechts von dem Mast der außer Betrieb gesetzten Lichtzeichenanlage stand eine kleinere Baustellenlichtzeichenanlage, die für die Betroffene die Wechsellichtzeichen anzeigte. Die Betroffene missachtete das Rotlicht dieser Baustellenlichtzeichenanlage und befuhr die Kreuzung. Dabei kam es zum Unfall mit dem Pkw der Zeugin T, die zeitgleich von der Straße ... kommend in die Kreuzung hineinfuhr, wobei die für sie geltende Lichtzeichenanlage Grünlicht zeigte.

Hätte die Betroffene die erforderliche Sorgfalt an den Tag gelegt, hätte sie die Rotlicht zeigende Lichtzeichenanlage erkennen und das Missachten des Rotlichts sowie den Unfall vermeiden können.




III.

Vorstehender Sachverhalt steht fest auf Grund der Einlassung der Betroffenen sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Übrigen, wie es sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt.

Die Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, dass der im Bußgeldbescheid geschilderte Sachverhalt objektiv richtig gewesen sei. Zu dem Zeitpunkt des Unfalls sei die eigentliche Lichtzeichenanlage außer Betrieb gewesen und habe kein Lichtzeichen angezeigt. Allerdings sei die Ampel nicht durch "Mützen" verhüllt gewesen, sodass sie die weiter rechts davon stehende Baustellenlichtzeichenanlage nicht wahrgenommen habe. Sie habe gedacht, sie könne fahren.

Dass die Situation der außer Betrieb gesetzten Lichtzeichenanlage und der anstelle ihrer geltenden Baustellenlichtzeichenanlage irreführend gewesen waren, ergibt sich aus den Aussagen der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen.

Die Zeugin T hat bestätigt, dass zum Zeitpunkt des Unfalls wegen Bauarbeiten die eigentlichen Lichtzeichenanlagen nicht in Betrieb gewesen sein, sondern Baustellenampel aufgestellt gewesen seien, wobei die eigentlichen Ampeln nicht abgedeckt gewesen seien. Sie sei gefahren, als die Ampel für sie grün gezeigt habe. Da sie regelmäßig auch in der Fahrtrichtung der Betroffenen fahre, könne sie sagen, dass die Hilfsampel aus Sicht der Betroffenen schon weit rechts gestanden habe, sodass man sie auch für die Ampel, die für Rechtsabbieger gelten solle, hätte halten können. Man habe damals sehr aufpassen müssen.


Die hinter der Zeugin T fahrende Zeugin L hat bekundet, dass die Baustellenampeln in der Fahrtrichtung der Betroffenen auch irritierend gewesen seien. Man habe schon aufpassen müssen, da man auf die andere normale Ampel geschaut habe, welche nicht abgedeckt gewesen sei.

Der zur Unfallstelle gerufene Polizeibeamte R... hat als Zeuge bekundet, dass es zu dem Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Baustellenampel in diesem Kreuzungsbereich vermehrt zu Unfällen gekommen sei. Die eigentliche Lichtzeichenanlage sei ausgeschaltet, aber nicht abgedeckt gewesen. Normalerweise sei es jedoch üblich, dass Lichtzeichenanlagen, welche nicht im Betrieb sind, abgedeckt werden würden. Die Betroffene habe ihm an der Unfallstelle gesagt, dass sie die für sie geltende Ampel für eine Rechtsabbiegerampel gehalten habe. Sie habe sich den Unfall an der Unfallstelle nicht erklären können.

Die Einlassung der Betroffenen, dass sie die Baustellenlichtzeichenanlage nicht wahrgenommen hat, wird durch die in Augenschein genommenen Lichtbilder gestützt. Auf den Lichtbildern Blatt 10 und 36 der Akte, ist ersichtlich, dass die reguläre Lichtzeichenanlage außer Betrieb, aber nicht abgedeckt ist. Auch ist nicht ersichtlich, dass in anderer Weise darauf hingewiesen wird, dass diese Lichtzeichenanlage nicht gilt. Die kleinere Baustellenampel ist erst bei genauerem Hinsehen erkennbar. Zudem ist anhand der Beschilderung erkennbar, dass die Fahrtrichtung der Betroffenen Vorfahrt hat. Auf die weiteren Details der Lichtbilder, Bl. 9 ff und Bl 36 der Akte wird gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen.

IV.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Betroffene wegen einer fahrlässigen Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage, wobei es zum Unfall kam, gemäß §§ 37 Abs. 2, 49 StVO zu verantworten. Die Missachtung des Rotlichts wäre für die Betroffene vermeidbar gewesen. Sie handelte rechtswidrig und schuldhaft.

V.

Nach den getroffenen Feststellungen war daher gegen die Betroffenen eine Geldbuße von 240,00 EUR zu verhängen. Eine Geldbuße in dieser Höhe sieht der Bußgeldkatalog unter Ziffer 137602 vor.

Allerdings konnte vorliegend von dem gem. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, wegen gröblicher Pflichtverletzung, anzuordnenden Fahrverbot abgesehen werden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV in Verbindung mit § 25 StVG kommt ein Fahrverbot in der Regel in Betracht, wenn ein Tatbestand u.a. der Nummer 132.3 begangen wird. Durch die Missachtung des Rotlichts der Lichtzeichenanlage, wobei es zu einem Unfall kam, ist hier die Ziffer 132.3 verwirklicht.



Hier konnte allerdings vom Fahrverbot abgesehen werden, da insoweit besondere Ausnahmeumstände in der Tat offensichtlich gegeben sind und deshalb erkennbar nicht der von § 4 BKatV erfasste Normalfall vorliegt. Nach der Einlassung der Betroffenen, den in Augenschein genommenen Lichtbildern und der Aussage des Zeugen T, L und R stand die geltende Baustellenlichtzeichenanlage rechts von der nicht abgedeckten außer Betrieb gesetzten Lichtzeichenanlage. Diese außer Betrieb gesetzte Lichtzeichenanlage dominiert das Blickfeld von ihrem Erscheinungsbild durch ihre Größe und zusätzlich die weiße Umrandung der Wechsellichtzeichen. Erschwerend kommt hinzu, dass die außer Betrieb gesetzt Lichtzeichenanlage nicht abgedeckt war. Es ist für das Gericht daher nachvollziehbar, dass die kleinere, etwas rechtsstehende Baustellenampel aus Sicht der Betroffenen daher übersehen werden konnte. Aus Sicht der Betroffenen galt bei Außer-Betriebnahme der Lichtzeichenanlage ohne eine weitere Ersatzlichtzeichenanlage aufgrund der Beschilderung Vorfahrt. Aus Sicht der Betroffenen ist es für das Gericht daher nachvollziehbar, dass sie die Baustellenlichtzeichenanlage übersehen hat und dann aus ihrer Sicht davon ausgehen durfte, dass sie Vorfahrt hatte und weiterfahren konnte.

Zudem gab es zu dem Zeitpunkt der Geltung dieser Baustellenlichtzeichenanlage eine vermehrte Häufung von Unfällen an dieser Kreuzung. Dies bestätigt, dass die Aufstellung der Baustellenlichtzeichenanlage und die Nichtverhüllung der eigentlichen Lichtzeichenanlage tatsächlich irreführend, nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für andere Verkehrsteilnehmer war.

Das Verhalten der Betroffenen ist zwar immer noch als ein Missachtens des Rotlichts, wobei es zum Unfall kam, zu werten und eine dementsprechende Geldbuße zu verhängen, aber sie hat nicht gröblich gegen die Pflichten eines Fahrzeugführer verstoßen. Sie hat gerade nicht in der Art und Weise gehandelt, dass ihr die Verkehrsregeln gleichgültig erschienen oder aus grobem Leichtsinn oder Nachlässigkeit. Das subjektiv erforderliche besonders verantwortungslose Verhalten fehlt bei der Betroffenen. Die Betroffene hat auch keine Voreintragungen im Fahreignungsregister, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie sich üblicherweise an Verkehrsregeln hält. Deswegen konnte vorliegend auch ohne Erhöhung der Geldbuße von einem Fahrverbot abgesehen werden.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG, § 465 Abs. 1 StPO.

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