Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 17.03.2020 - (1 Z) 53 Ss-OWi 684/19 (64/20) - Verteidiger muss für die Rechtsbeschwerdebegründung bevollmächtigt sein

OLG Brandenburg v. 17.03.2020: Verteidiger muss für die Rechtsbeschwerdebegründung bevollmächtigt sein




Das Oberlandesgericht Brandenburg (Beschluss vom 17.03.2020 - (1 Z) 53 Ss-OWi 684/19 (64/20)) hat entschieden:

   Gemäß § 345 Abs. 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG müssen die Rechtsbeschwerdeanträge und Rechtsbeschwerdebegründung zwingend von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt abgegeben oder von dem Betroffenen zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts erklärt werden. Dabei muss der Verteidiger bzw. Rechtsanwalt oder der Rechtspfleger die Verantwortung für die Anträge und den Inhalt der Begründung übernehmen. Ein Rechtsanwalt im Sinne des § 345 Abs. 2 StPO muss bei einem Gericht im Geltungsbereich der StPO zugelassen (vgl. dazu OLG Hamburg NJW1962, 1689) und vor Ablauf der (Monats-) Frist des § 345 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG zur Begründung der Rechtsbeschwerde von dem Betroffenen bevollmächtigt worden sein, wobei die Vollmacht auch noch später nachgewiesen bzw. eine Vollmachtsurkunde nachgereicht werden kann.

Siehe auch
Die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen
und
Die Vollmacht des Rechtsanwalts

Gründe:


I.

Die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg hat gegen den Rechtsmittelführer mit Bußgeldbescheid vom 14. März 2019 wegen der Ordnungswidrigkeit des Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um mindestens 24 km/h, die am ... . Januar 2019 gegen ... Uhr auf der Bundesautobahn 10, km ...,1 Fahrtrichtung Autobahnkreuz ... begangen worden sein soll, ein Bußgeld in Höhe von 70,00 € festgesetzt.

Nach form- und fristgerecht eingelegtem Einspruch hat das Amtsgericht Oranienburg mit Verfügung vom 12. Juni 2019 Termin zur Hauptverhandlung auf den 22. Juli 2019 anberaumt und den Betroffenen förmlich geladen. Ausweislich der Zustellungsurkunde wurde die Ladung des Betroffenen am 20. Juni 2019 an dem amtlich gemeldeten Wohnsitz zugestellt.

Da zur Hauptverhandlung am 22. Juli 2019 weder der Betroffene noch ein Verteidiger erschienen waren, hat das Amtsgericht Oranienburg mit Urteil vom selben Tag den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 14. März 2019 wegen unentschuldigten Ausbleibens zur Hauptverhandlung verworfen und dabei festgestellt, dass Verjährung nicht eingetreten sei.

Das Verwerfungsurteil wurde dem Betroffenen am 3. August 2019 förmlich zugestellt.

Mit dem am 9. August 2019 bei Gericht angebrachten Anwaltsschriftsatz hat der Betroffene die Zulassung der Rechtsbeschwerde und Wiedereinsetzung in die Hauptverhandlung beantragt und mit weiterem bei Gericht am 10. September 2019 eingegangenen Anwaltsschriftsatz den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Verletzung materiellen und formellen Rechts begründet.

Das Amtsgericht Oranienburg hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Beschluss vom 19. September 2019 als unbegründet zurückgewiesen; die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin als Beschwerdekammer mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 (11 Qs 95/19) als unzulässig verworfen.




Mit Anwaltsschriftsatz vom 10. Februar 2020 hat der Verteidiger des Betroffenen der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg eine auf den 10. Februar 2020 datierte schriftliche Vollmachtsurkunde des Betroffenen zu den Akten gereicht. Vor dem 10. Februar 2020 ist keine anwaltliche Versicherung der Bevollmächtigung zu den Akten gereicht worden oder Gegenstand eines Anwaltsschriftsatzes gewesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit Stellungnahme vom 17. Februar 2020 beantragt, den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg vom 22. Juli 2019 unzulässig zu verwerfen, da die Rechtsmittelbegründung nicht in der Form des § 345 Abs. 2 StPO iVm. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG begründet worden sei; es fehle an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung eines Verteidigers. Der Verteidiger des Betroffenen hat in seiner Replik vom 27. Februar 2020 ausgeführt, dass er sich vom 6. September 2019 bis zum 10. September 2019 in Urlaub befunden habe; die Rechtsbeschwerdebegründung am 9. September 2019 sei von seinem Sozius als gemäß § 53 Abs. 2 BRAO bestellten Vertreter gefertigt und unterzeichnet worden.





II.

Der Senat folgt dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg. Der von dem Betroffenen eingelegte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 OWiG statthaft, er erweist sich jedoch als unzulässig.

Die Beschwerdeanträge und ihre Begründung sind in der nach §§ 344, 345 StPO iVm. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG vorgeschriebenen Form und First anzubringen, obwohl die Rechtsbeschwerde mit dem Zulassungsantrag nur aufschiebend bedingt ist. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Rechtsbeschwerde zunächst zugelassen wird, obgleich feststeht, dass sie alsbald danach wegen Nichtbeachtung der für die Beschwerdeanträge und deren Begründung vorgeschriebenen Form- und Fristvorschriften nach § 349 Abs. 1 StPO iVm. 79 Abs. 3 OWiG zu verwerfen wäre (allgemeine Ansicht, vgl. OLG Düsseldorf NJW 1999, 2130; Seitz in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 80 Rn. 31 mwN.).

Gemäß § 345 Abs. 2 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG müssen die Rechtsbeschwerdeanträge und Rechtsbeschwerdebegründung zwingend von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt abgegeben oder von dem Betroffenen zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts erklärt werden. Dabei muss der Verteidiger bzw. Rechtsanwalt oder der Rechtspfleger die Verantwortung für die Anträge und den Inhalt der Begründung übernehmen. Zweck dieser Zulässigkeitsvoraussetzung für die Rechtsbeschwerde ist, dass die Anträge und die Begründung von sachkundiger Seite stammen und daher gesetzmäßig und sachgerecht sind (vgl. BVerfGE 46, S. 135, 152; BGHSt 25, S. 272, 273; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 345 Rn. 10). Ein Rechtsanwalt im Sinne des § 345 Abs. 2 StPO muss bei einem Gericht im Geltungsbereich der StPO zugelassen (vgl. dazu OLG Hamburg NJW1962, 1689) und vor Ablauf der (Monats-) Frist des § 345 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG zur Begründung der Rechtsbeschwerde von dem Betroffenen bevollmächtigt worden sein (vgl. BVerfG NJW 1996, 713; BGH NStZ 2001, 52; OLG Düsseldorf NJW 1993, 2002), wobei die Vollmacht auch noch später nachgewiesen bzw. eine Vollmachtsurkunde nachgereicht werden kann.

Im vorliegenden Fall begann mit der am 3. August 2019 erfolgten Zustellung des Urteils an den Betroffenen die Wochenfrist zur Einlegung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und mit deren Ablauf am 12. August 2019 (Montag) wurde die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 StPO in Gang gesetzt, die am 12. September 2019 endete.



Zu diesem Zeitpunkt war der Verteidiger des Betroffenen jedoch nicht bevollmächtigt, das Rechtsmittel für den Betroffenen einzulegen und zu begründen. Eine Bevollmächtigung des Verteidigers durch den Betroffenen erfolgte ausweislich der Vollmachtsurkunde erst am 10. Februar 2020. Die Wirksamkeit der Verteidigerbestellung hängt zwar nicht ausschließlich von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde ab. Sie kann vielmehr auch mündlich erteilt werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., vor § 137 Rn. 9, § 345 Rn. 11 ff.), hierzu wäre jedoch bis zum Ende der Rechtsmittelbegründungsfrist eine entsprechende anwaltliche Versicherung der mündlichen Bevollmächtigung (vgl. OLG Nürnberg NStZ 2007, 539) oder zumindest eine Bezugnahme darauf erforderlich. Aber auch eine solche anwaltliche Versicherung hat der Verteidiger des Betroffenen vor Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO iVm. § 79 Abs. 3 OWiG nicht abgegeben. Aus dem Umstand, dass der Verteidiger den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde eingelegt hat, folgt nicht zwingend, dass er dazu berechtigt und von dem Betroffenen entsprechend bevollmächtigt war. Da der Verteidiger des Betroffenen zur Rechtsmittelbegründung nicht bevollmächtigt war, kommt es auf Fragen einer möglichen Vertretung gemäß § 52 BRAO nicht an.

Mangels formgerechter Begründung des Rechtsmittels erweist sich der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unzulässig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

- nach oben -



Datenschutz    Impressum