Das Verkehrslexikon

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Oberverwaltungsgericht Magdeburg Beschluss vom 23.03.2021 - 3 M 19/21 - Formulierung des Anhörungsschreibens im Bußgeldverfahren

OVG Magdeburg v. 23.03.2021: Zur Formulierung des Anhörungsschreibens im Bußgeldverfahren




Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg (Beschluss vom 23.03.2021 - 3 M 19/21) hat entschieden:

   Eine kurze Fristsetzung der Bußgeldstelle von einer Woche zur wahrheitsgemäßen Vervollständigung der Angaben des Anhörungsbogens ist im Licht der kurzen Verfolgungsverjährung von drei Monaten nicht zu beanstanden. Die Bußgeldbehörde ist allerdings nicht berechtigt, von einem Beschuldigten die Einräumung des Tatvorwurfs zu verlangen.

Siehe auch
Zeugnisverweigerungsrecht und Fahrtenbuchauflage
und
Stichwörter zum Thema Fahrtenbuch

Gründe:


I.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 1. Kammer - vom 4. Februar 2021, deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die dargelegten Gründe beschränkt ist, hat teilweise Erfolg. Die von dem Antragsteller vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen die begehrte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutz ist - obgleich vom Verwaltungsgericht im Beschluss noch offen gelassen - zulässig. Der Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamts vom 11. November 2020 ist dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers nach dessen unbestritten gebliebenen Vorbringen am 16. November 2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden. Mithin endete die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO mit Ablauf des 16. Dezember 2020. Ausweislich des Transfervermerks ging die Klageschrift vom 15. Dezember 2020 am 16. Dezember 2020 um 16.31 Uhr im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs und damit fristgemäß ein. Das Gerichtsversehen, den elektronischen Posteingang zunächst für den 17. Dezember 2020 auf der Klageschrift zu notieren und diesen in der Eingangsverfügung des Gerichts vom 17. Dezember 2020 auszuweisen, wurde ausweislich der richterlichen Verfügung vom 17. Februar 2021 mittlerweile korrigiert.

2. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller mit seiner Beschwerde ein, dass das Verwaltungsgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass die unter Sofortvollzug gestellte Regelung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids vom 17. Juni 2020, mit der gegenüber dem Antragsteller als Fahrzeughalter angeordnet wurde, für die Dauer von 12 Monaten ab der Zustellung der Entscheidung für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... ein Fahrtenbuch zu führen, offensichtlich rechtmäßig ist.

Die angeordnete Fahrtenbuchauflage findet ihre Rechtsgrundlage in § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) vom 26. April 2012 (BGBl. I S. 679), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. November 2019 (BGBl. I S. 2015). Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.




2.1. Die Beschwerde dringt nicht damit durch, der Anordnung des Führens eines Fahrtenbuchs stehe entgegen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers ohne weiteres möglich gewesen und bereits gelungen sei. Das Verwaltungsgericht ist mit dem Antragsgegner zutreffend davon ausgegangen, dass die Fahrerfeststellung nicht möglich war.

Der Antragsteller ist im Bußgeldverfahren mit Anhörungsschreiben vom 7. Februar 2020 als Beschuldigter angehört worden. Er hat den beigefügten Anhörungsbogen unbeantwortet gelassen und damit nicht zur Sache ausgesagt, mithin im Bußgeldverfahren von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Es besteht kein hinreichender Anhalt dafür, dass der Antragsteller davon ausgehen konnte, dass er bereits als Fahrzeugführer ermittelt wurde. Weder lässt die Formulierung des Anhörungsschreibens einen solchen Schluss zu noch hat es im Übrigen Kontakt zwischen der Bußgeldbehörde oder durch sie beauftragte Dritte mit dem Antragsteller gegeben, aus welchem der Antragsteller Entsprechendes hätte ableiten können.

Dem Antragsteller ist mit dem Anhörungsschreiben als Beschuldigter die Gelegenheit eingeräumt worden, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Ihm ist mitgeteilt worden, dass er nicht verpflichtet ist, sich zur Sache zu äußern (Aussageverweigerungsrecht). Daneben erfolgte der Hinweis, dass im Fall der Nichtäußerung oder des Erhebens von Einwendungen entschieden wird, ob weitere Ermittlungen vorgenommen werden, das Verfahren eingestellt o d e r ohne weitere Mitteilung ein Bußgeldbescheid erlassen werden. Mithin konnte der Antragsteller trotz seiner Beschuldigtenstellung und der Formulierung ("Ihnen wird vorgeworfen [...] als Führer[in] des Pkw [...] folgende Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG begangen zu haben") schon nicht davon ausgehen, dass mit dem Ausbleiben seiner Reaktion die Ermittlungen der Bußgeldbehörde in Bezug auf seine Person dahingehend abgeschlossen sind, dass sie im Erlass eines Bußgeldbescheides gegen ihn münden. Es ist auch ohne Bedeutung, dass der Antragsteller angesichts der alternativen Formulierung nicht (sicher) wissen konnte, ob die Bußgeldbehörde Zweifel an seiner Täterschaft hegt. Denn diese war nicht verpflichtet, dem Antragsteller ihre Bedenken an seiner Fahrereigenschaft oder gar deren Gründe offenzulegen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2018 - 8 A 740/18 - juris Rn. 47). Es ist ferner nicht erforderlich, dass die Ermittlungsmaßnahmen gar keinen Hinweis auf die Identität des Fahrzeugführers ergeben haben. Die Feststellung des Fahrers ist auch dann unmöglich, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten und eine Person ernsthaft verdächtigt ist, die Behörde jedoch keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte. Abzustellen ist dabei auf das im Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafverfahren erforderliche Maß der Überzeugung. Denn es ist dem Betroffenen nicht zuzumuten, dass er sich gegen einen an ihn gerichteten Bußgeldbescheid zur Wehr setzen muss, obwohl nicht einmal die Behörde seine Täterschaft für erwiesen hält. Überdies besteht bei verbleibenden Zweifeln an der Täterschaft des Betroffenen das Risiko, dass der Bußgeldbescheid im gerichtlichen Verfahren aufgehoben und die Kosten des Verfahrens gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse auferlegt werden (zum Ganzen: OVG NRW, a.a.O. Rn. 39-42 m.w.N.). Ausgehend davon, dass die vorliegenden Beweismittel nur den Verkehrsverstoß, nicht aber die Täterschaft belegen, genügt allein der Umstand, dass der Antragsteller Halter des Fahrzeuges ist, mit dem die Ordnungswidrigkeit begangen wurde, nicht, um ihm den Tatvorwurf nachzuweisen. Die dadurch verbliebenden Zweifel an der Täterschaft des Antragstellers und an deren Nachweisbarkeit boten hinreichenden Anlass, vom Erlass eines Bußgeldbescheides abzusehen. Es blieb mit Blick auf die verweigerte Aussage unklar, ob dem Antragsteller die Tat im Ordnungswidrigkeitenverfahren mit dem erforderlichen Grad an Überzeugung nachweisbar sein würde.

Der Einwand des Antragstellers, das Anhörungsschreiben sei so missverständlich formuliert, dass er mit einer Fahrtenbuchauflage nicht zu rechnen brauchte, greift ebenfalls nicht durch. Richtig ist, dass er neben der Einräumung der Gelegenheit zur Stellungnahme zum Tatvorwurf nur dazu aufgefordert worden ist, innerhalb einer Woche die Angaben zu seiner Person im Anhörungsbogen zu berichtigen oder zu vervollständigen, soweit diese unrichtig oder unvollständig sind, bzw. bei Nichtbegehung der Ordnungswidrigkeit innerhalb einer Woche neben seinen Personalien auch die Personalien des Verantwortlichen mitzuteilen. Diese Aufforderung dient vor dem Hintergrund der nur kurzen dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen (§ 33 Abs. 1 bis 3 OWiG) der Effektivität des Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Hieraus folgt indes nicht, dass es, um die Tat mit dem erforderlichen Grad an Überzeugung nachzuweisen, keiner weiteren Ausführungen des Antragstellers bedurft hätte. Die Bußgeldbehörde ist angesichts des Aussageverweigerungsrechts nicht berechtigt, von einem Beschuldigten die Einräumung des Tatvorwurfs zu verlangen, so dass eine entsprechende Formulierung und Fristsetzung von vornherein ausscheidet. Davon abgesehen hat sie - obgleich hierzu keine rechtliche Verpflichtung besteht (keine Belehrungsobliegenheit: vgl. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 3. August 2016 - OVG 1 N 80.14 - juris Rn. 4 f. m.w.N.) - unter Bezugnahme auf § 31a StVZO darauf hingewiesen, dass dem Halter eines Kraftfahrzeuges bei Verkehrsverstößen die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt werden kann, wenn die Feststellung des Fahrzeugführers zur Tatzeit nicht oder nicht rechtzeitig möglich war. Dass der Antragsteller davon ausgegangen sein will, dass die Bußgeldbehörde seine Täterschaft abschließend ermittelt habe, berührt die Rechtmäßigkeit der Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, nicht. Auch sein nicht näher begründeter Einwand, dass der Zeitablauf zwischen der Zuwiderhandlung und der Anhörung als Beschuldigter den Eindruck verstärkt habe, dass er bereits als Täter ermittelt sei, rechtfertigt keine andere Bewertung. Daher ist nichts dagegen zu erinnern, dass die Bußgeldbehörde keinen Bußgeldbescheid erlassen, sondern das Verfahren gegen den Beschuldigten eingestellt hat.

Zu konstatieren ist, dass der Antragsteller im Bußgeldverfahren tatsächlich von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat. Der Halter eines Fahrzeugs kann nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ein Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht geltend gemacht hat. Ein "doppeltes Recht", nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage bzw. das Zeugnis zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht (so bereits: vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezem-ber 1981 - 2 BvR 1172/81 - juris Rn. 7; BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juni 1995 - 11 B 7.95 - juris Rn. 2 ff., und vom 11. August 1999 - 3 B 96.99 - juris Rn. 2 f.).


Sendet der betreffende Fahrzeughalter im Ordnungswidrigkeitsverfahren einen ihm übersandten Anhörungs- oder Zeugenfragebogen unausgefüllt, kommentarlos oder - wie hier der Antragsteller - überhaupt nicht zurück und macht auch sonst keine weiteren Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer, darf die Bußgeldbehörde aus diesem Verhalten grundsätzlich den Schluss ziehen und davon ausgehen, dass der Halter nicht willens ist, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. In einem solchen Verhalten liegt die konkludente Erklärung, sich zur Sache nicht äußern zu wollen. Bei einer derartigen Sachlage ist die zuständige Behörde regelmäßig nicht gehalten, weitere aufwendige und zeitraubende Ermittlungsmaßnahmen einzuleiten und durchzuführen (vgl. Beschluss des Senats vom 2. Februar 2020 - 3 M 16/20 - juris Rn. 12; BayVGH, Beschluss vom 3. Mai 2019 - 11 CS 19.214 juris Rn. 14; VGH BW, Beschluss vom 10. August 2015 - 10 S 278/15 - juris Rn. 8 m.w.N.; NdsOVG, Beschluss vom 6. April 2010 - 12 ME 47/10 - juris Rn. 5 m.w.N.). Erst wenn sich im Einzelfall besondere Beweisanzeichen ergeben haben, die auf die Person des Fahrzeugführers hindeuten, oder wenn besondere Umstände des Einzelfalls es naheliegend erscheinen lassen, dass der Halter bei Kenntnis bestimmter Ermittlungsergebnisse doch mitwirkungsbereit sein könnte, muss die Behörde weiter ermitteln (vgl. BayVGH, Beschluss vom 3. Mai 2019, a.a.O. Rn. 14). Dies zugrunde gelegt, bedurfte es weiterer Ermittlungsmaßnahmen schon nicht. Gleichwohl hat die Bußgeldbehörde den Vorgang an das örtlich zuständige Polizeirevier Salzlandkreis zur Ermittlung des Fahrzeugführers weitergeleitet und damit weitere Ermittlungsmaßnahmen ergriffen. Der sodann unternommene zweimalige Versuch, den Antragsteller persönlich an seinem Wohnort anzutreffen, ist ausweislich des Aktenvermerks vom 30. März 2020 gescheitert. Soweit der Antragsteller dies in Zweifel zieht und einwendet, dass seine Ehefrau hätte angetroffen werden können, zeigt die Beschwerde schon nicht auf, weshalb seine berufstätige Ehefrau, die arbeitstäglich zu ihrer Dienststelle nach Burg pendelt (vgl. Schreiben des Antragstellers an den Antragsgegner vom 10. Mai 2020), während des fraglichen Zeitraums ununterbrochen zu Hause gewesen sein soll.

Ausgehend von diesen weiteren fruchtlosen Ermittlungsbemühungen (zweimaliges Aufsuchen des Wohnsitzes des Antragstellers) und dem Umstand, dass der Antragsteller auch nicht aufzeigt, welchen vernachlässigten, aber erfolgversprechenden Ermittlungsansatz es ansonsten noch gegeben haben könnte, kann letztlich sogar dahinstehen, ob die mangelnde Mitwirkung des Antragstellers - wie dieser behauptet - aus einer missverständlichen Anhörung resultierte. Die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO setzt nicht voraus, dass die Nichtfeststellbarkeit des verantwortlichen Fahrzeugführers auf einer - aus welchem Grund auch immer - unzureichenden Mitwirkung des Fahrzeughalters an den Ermittlungen der Verfolgungsbehörde im Bußgeldverfahren beruht. Es kommt allein darauf an, dass der verantwortliche Fahrer mit zumutbarem Aufwand der Verfolgungsbehörde nicht festzustellen war. Ohne Belang ist also insbesondere, ob den Fahrzeughalter ein Verschulden an der Nichtfeststellbarkeit des Fahrzeugführers trifft. Eine mangelnde Mitwirkung des Fahrzeughalters an der Ermittlung des Fahrzeugführers hat lediglich eine mittelbare Bedeutung. Wenn sie vorliegt, führt dies - wie dargestellt - regelmäßig dazu, dass der Verfolgungsbehörde weitere eigene Ermittlungen nicht zuzumuten sind und sich der Fahrzeughalter den Einwand nimmt, die Feststellung des Fahrzeugführers sei nach der Verkehrszuwiderhandlung sehr wohl möglich gewesen, hätten nur solche weiteren Ermittlungen stattgefunden (zum Ganzen: vgl. NdsOVG, Beschluss vom 19. August 2020 - 12 ME 114/20 - juris Rn. 22 - 24 m.w.N.).

2.2. Das Beschwerdevorbringen gibt auch keinen Anlass zu Bedenken gegenüber den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit der 12-monatigen Fahrtenbuchauflage, soweit diese das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ... betrifft.

Das Verwaltungsgericht hat u.a. darauf abgehoben, dass die Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf 12 Monate bei mit einem Punkt bewerteten und erstmalig begangenen Ordnungswidrigkeiten verhältnismäßig sei und im Übrigen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamts vom 11. November 2020 verwiesen (vgl. Beschlussabdruck S. 6). Mit diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verhältnismäßigkeit der angeordneten Dauer der Fahrtenbuchauflage in Anbetracht des objektiven Unrechtsgehalts des begangenen Verkehrsverstoßes setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.

Sie trägt im Hinblick auf die zeitliche Dauer der Fahrtenbuchauflage lediglich erneut vor, dass der Antragsteller zu Unrecht der fehlenden Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes bezichtigt und im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die missverständliche Formulierung des Anhörungshörungsschreibens nicht entlastend gewertet worden sei. Bei der Bemessung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage ist zwar auch das Verhalten zu würdigen, dass der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bußgeldbehörde an den Tag gelegt hat, eine mit seinem Kraftfahrzeug begangene Verkehrszuwiderhandlung aufzuklären. Denn je mehr sich ein Fahrzeughalter darum bemüht, an der Tataufklärung beizutragen, desto weniger besteht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr Anlass, ihn hierzu für künftige Fälle durch eine Fahrtenbuchauflage anzuhalten (vgl. VGH BW, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 10 S 1408/01 - juris Rn. 8). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist allerdings nichts dagegen zu erinnern, dass das Verwaltungsgericht die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs angesichts einer unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung des zur Tatzeit verantwortlichen Fahrzeugführers für nicht unverhältnismäßig erachtet hat (vgl. Beschlussabdruck S. 6 [3. Absatz]). Wie bereits dargestellt, hat der Antragsteller durch die Nichtbeantwortung des Anhörungsbogens tatsächlich nicht zur Aufklärung beigetragen und dies auf eine nach seiner - vom Senat nicht geteilten (siehe Darstellung unter Ziffer 2.1.) - Ansicht missverständliche Formulierung seiner Anhörung als Beschuldigter gestützt. Dessen ungeachtet ist es rechtlich auch unerheblich, ob der Fahrzeughalter seine Mitwirkung ausdrücklich verweigert hat. Entscheidend ist allein, dass nach Kenntnisnahme vom Verkehrsverstoß bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht zureichend an der Aufklärung mitgewirkt wurde, was - wie dargestellt - hier der Fall war und die angeordnete Dauer der Fahrtenbuchauflage als solche nicht berührt.




Soweit der Antragsteller ferner einwendet, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung undifferenziert der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 22. Juli 2020 - 8 B 892/20 - juris) gefolgt, weil der dortige "Delinquent" seine Fahrereigenschaft im Gegensatz zu ihm aktiv bestritten habe, trifft dies schon nicht zu. Der Antragsteller berücksichtigt nicht, dass das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang allein die Randnummer 38 der vorbezeichneten Entscheidung in Bezug genommen hat. Darin wird allein ausgeführt, dass es bereits als verhältnismäßig anzusehen sei, schon bei mit einem Punkt bewerteten und erstmalig begangenen Ordnungswidrigkeiten eine Fahrtenbuchauflage von zwölf Monaten zu erlassen. Diese rechtliche Bewertung betrifft allein den objektiven Unrechtsgehalt des begangenen Verkehrsverstoßes - hinsichtlich derer sich die Beschwerde enthält - und wird nicht an das Bestreiten der Fahrereigenschaft geknüpft.

Auch der Umstand, dass der Antragsteller keine Eintragungen im Fahreignungsregister aufweise, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Durch eine Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers im Falle eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Die Fahrtenbuchauflage dient damit einem doppelten Zweck: Zum einen soll künftigen Führern der von der Fahrtenbuchauflage erfassten Fahrzeuge ins Bewusstsein gebracht werden, dass sie im Falle der Begehung von Verkehrsdelikten auf Grund der Fahrtenbucheintragungen als Täter ermittelt und mit Sanktionen belegt werden können; bereits hierdurch können weitere Verkehrsverstöße möglicherweise unterbunden werden. Zum anderen soll sichergestellt werden, dass im Falle der Begehung weiterer Verkehrsverstöße eine Ahndung nach Maßgabe des Ordnungswidrigkeiten- oder Strafrechts möglich ist und gegebenenfalls auch präventiv-polizeiliche Maßnahmen in Anwendung des Fahrerlaubnisrechts ergriffen werden können. Diese Zwecke kann die Fahrtenbuchauflage nur erfüllen, wenn sie von einer gewissen Dauer ist (zum Ganzen: vgl. VGH BW, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 10 S 1408/01 - juris Rn. 6).

2.3. Soweit der Antragsteller im Übrigen vollinhaltlich auf die Antragsschrift vom 15. Dezember 2020 verweist und insbesondere auf seine Ausführungen auf Seite 4 f. unter lit. a) bis d) Bezug nimmt, ist dies bereits unstatthaft. Die bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts reicht grundsätzlich nicht aus. Zur Begründung einer Beschwerde im Sinne des § 146 Abs. 4 VwGO ist unter inhaltlicher Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen darzulegen, weshalb die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Die bloße Wiederholung des Vortrages in erster Instanz gibt daher keine Veranlassung, sich damit obergerichtlich auseinanderzusetzen (vgl. Beschluss des Senats vom 14. Mai 2018 - 3 M 141/18 - juris Rn. 23.).

2.4. Der Einwand des Antragstellers, dass es sachgerecht sei, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen, weil im Zeitpunkt der Einreichung der Klage und des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz sechs Monate der Fahrtenbuchauflage bereits abgelaufen gewesen seien, verfängt mit Blick auf die angeordnete Dauer von 12 Monaten nicht. Dies gilt auch, soweit der Antragsgegner in Reaktion auf die Eingangsverfügung des Verwaltungsgerichts erklärt hat, von Vollstreckungsmaßnahmen einstweilen abzusehen.

3. Dagegen rechtfertigen die mit der Beschwerdebegründung erhobenen Einwände eine Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides getroffene Anordnung. Dort hat der Antragsgegner bestimmt, dass die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches auch für ein oder mehrere Fahrzeuge gilt, die sich der Antragsteller evtl. in der Zeit der Fahrtenbuchauflage als Ersatz beschafft oder im Besitz hat.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Vollzugsinteresse geht insoweit zu Lasten des Antragsgegners aus. Nach im vorläufigen Rechtsschutzverfahren grundsätzlich nur gebotenen summarischen Prüfung ist Ziffer 2 des Bescheides des Antragsgegners vom 17. Juni 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landesverwaltungsamts vom 11. November 2020 rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Zwar kann die zuständige Behörde nach § 31a Abs. 1 StVZO gegenüber einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs auch für mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge anordnen (vgl. Satz 1) und ein oder mehrere Ersatzfahrzeuge bestimmen (vgl. Satz 2). Diese über das Fahrzeug, mit dem der Verkehrsverstoß begangen wurde, hinausgehende Anordnung steht aber im Ermessen der zuständigen Behörde und muss dementsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einbeziehung weiterer Fahrzeuge im Verhältnis zur Einzelanordnung für das jeweilige Tatfahrzeug eine erhebliche Erweiterung für den Betroffenen darstellt, die nur dann erforderlich und angemessen ist, wenn Umstände des Einzelfalls dafür sprechen (vgl. Beschluss des Senats vom 24. November 2020 - 3 M 186/20 -; BayVGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 - 11 CS 13.426 - juris Rn. 12). Die mit der Beschwerdebegründung gerügte Unverhältnismäßigkeit der Einbeziehung mehrerer Fahrzeuge des Antragstellers in die Fahrtenbuchauflage folgt bereits daraus, dass der streitgegenständliche Bescheid wie auch der Widerspruchsbescheid keine konkreten Ermessenserwägungen dahingehend enthalten, weshalb es nicht ausreichend ist, den Antragsteller mit einer Fahrtenbuchauflage für das Tatfahrzeug zu belegen, es also der Erstreckung auf weitere Fahrzeuge bedarf. Auch die Beschwerdeerwiderung des Antragsgegners verhält sich hierzu nicht, unabhängig davon, ob ein Nachschieben von Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO überhaupt noch zulässig wäre, weil der streitgegenständliche Bescheid diesbezüglich keinerlei Ermessensbetätigung erkennen lässt.

Abgesehen davon liegen die Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO, auf den der Antragsgegner ausweislich der Begründung des angegriffenen Bescheides in Bezug auf die unter Ziffer 2 getroffene Anordnung offenbar abheben wollte, voraussichtlich nicht vor. Mit der Regelung in § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO soll vermieden werden, dass sich der Halter eines Fahrzeugs, mit dem die unaufklärbare Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen worden ist, der für dieses Fahrzeug erlassenen Fahrtenbuchauflage entziehen kann, indem er das Tatfahrzeug veräußert oder stilllegt und an dessen Stelle ein anderes Fahrzeug nutzt (vgl. Beschluss des Senats vom 24. November 2020 - 3 M 186/20 - unter Bezugnahme auf BR-Drs. 325/93 S. 34; BVerwG, Beschluss vom 3. Februar 1989 - 7 B 18.89 - juris Rn. 5; NdsOVG, Beschluss vom 30. April 2015 - 12 LA 156/14 - juris Rn. 9; OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 13. März 2003 - 8 S 330/02 - juris Rn. 3). Es ist überhaupt nicht ersichtlich, dass der Antragsteller das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen SFT- (...), für das der Antragsgegner in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides eine Fahrtenbuchauflage erlassen hat, veräußert oder stillgelegt hat und deshalb Anlass bestehen könnte, nach § 31a Abs. 1 Satz 2 StVZO ein Ersatzfahrzeug zu bestimmen.



II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es ist sachangemessen, die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zwischen den Beteiligten hälftig aufzuteilen. Der Antragsteller unterliegt mit seinem vorläufigen Rechtsschutzbegehren hinsichtlich des unter Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides angeordneten Teils der Fahrtenbuchauflage und obsiegt bezogen auf deren gegenständliche Erstreckung auf weitere Fahrzeuge in Ziffer 2 des Bescheides, wobei die beiden Regelungen des Bescheides als gleichgewichtig erscheinen.

III.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5, 46.11 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beil. 2013, 58 ff.) und entspricht der verwaltungsgerichtlichen Wertfestsetzung.

IV.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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