Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Verwaltungsgericht Saarlouis Beschluss vom 27.04.2021 - 5 L 426/21 - Aberkennung des Rechts von einer tschechischen in eine ungarische Fahrerlaubnis umgeschriebenen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen

VG Saarlouis v. 27.04.2021: Aberkennung des Rechts von einer tschechischen in eine ungarische Fahrerlaubnis umgeschriebenen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen




Das Verwaltungsgericht Saarlouis (Beschluss vom 27.04.2021 - 5 L 426/21) hat entschieden:

Teilt das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit mit, dass ein in Deutschland mit Hauptwohnsitz Gemeldeter sich nur für 146 Tage in Tschechien „vorübergehend angemeldet“ hat, liegen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV vor.

Siehe auch
Auskünfte des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit
und
Stichwörter zum Thema EU-Führerschein

Gründe:


Der Antragsteller wendet sich gegen die Verfügung des Antragsgegners, mit der ihm unter Anordnung des Sofortvollzugs das Recht aberkannt worden ist, von seiner von einer tschechischen in eine ungarische umgeschriebenen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, und er verpflichtet wurde, seinen ungarischen Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen.

I.

Dem ... 1961 geborenen Antragsteller wurde die ... erstmals erteilte Fahrerlaubnis für die Klassen 1 und 2 mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 14.12.1995 ... wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr entzogen.

Die ihm am 05.02.1999 wieder erteilte Fahrerlaubnis wurde ihm mit Urteil des Amtsgerichts ... vom 22.03.2000 wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit (BAK 1,56 Promille) mit fahrlässiger Körperverletzung entzogen und eine zwölfmonatige Sperrfrist für die Wiedererteilung verhängt.

Ausweislich eines Fahreignungsgutachtens des ... vom 06.06.2007 war aufgrund der dargelegten Mängel zu erwarten, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird.

Ausweislich des medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens der ... vom 27.12.2007 war nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. Daraufhin wurde sein Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis abgelehnt. Seinen Widerspruch gegen die Versagung nahm er im Mai 2010 zurück.

Am 15.04.2010 wurde der Antragsteller gegen 18:40 Uhr als Fahrer eines Kraftrades nach dem Überfahren einer Verkehrsampel bei Rotlicht von der Polizei angehalten. Dabei war er im Besitze einer vom Magistrat in Most am 09.12.2008 ausgestellten und bis zum 09.12.2018 gültigen tschechischen Fahrerlaubnis der Klassen A und B. Als Wohnort ist in der Fahrerlaubnis „Most“ angegeben. Der Antragsteller legte dem Antragsgegner sodann eine Stellungnahme der Kreisverwaltung des Kreises Usti nad Labem vom 02.07.2010 vor, in der es heißt, dass die Erteilung der Fahrberechtigung durch den Magistrat der Stadt Most alle gesetzlichen Vorgaben erfülle.

Die Staatsanwaltschaft A-Stadt stellte daraufhin das Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis ... am 21.11.2012 gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein und gab das Verfahren nach § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde ab.

Am 14.02.2019 wurde der Antragsteller in ... mit seinem Motorrad in einen Verkehrsunfall verwickelt. Bei diesem präsentierte er der Polizei einen ungarischen Führerschein. In einem Beschuldigtenfragebogen der Polizei vom 28.02.2019 erklärte er am 07.03.2019, er sei seit dem 23.07.2018 im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis des EU-Mitgliedsstaates Ungarn, wo er seinerzeit gemeldet gewesen sei und gewohnt habe und wo er die Fahrerlaubnis nach den dort geltenden gesetzlichen Bestimmungen erworben habe.

Mit Strafbefehl vom 30.07.2019 ... verhängte das Amtsgericht ... gegen den Antragsteller wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen. Der Antragsteller erhob dagegen Einspruch.

Auf Anfrage des Landespolizeipräsidiums ... erklärte das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit ...-... mit Schriftsatz vom 14.10.2019, dass der Antragsteller in Tschechien einen vorübergehenden Aufenthalt für EU-Bürger vom 03.06.2008 bis zum 27.10.2008 (= 146 Tage) unter der Adresse ... MOST, angemeldet habe. Sein ausgestellter tschechischer Aufenthalt sei seit dem 20.03.2019 in Tschechien als verlustig gemeldet worden und befinde sich im Fahndungssystem.

Das Amtsgericht ... stellte das Strafverfahren wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit Beschluss vom 03.02.2020 gemäß § 153a Abs. 2 StPO auf die Dauer von 2 Monaten unter der Auflage vorläufig ein, dass der Antragsteller eine Geldbuße in Höhe von 500 € an eine gemeinnützige Einrichtung zahlt und die Zahlung nachweist. Am 10.03.2020 stellte das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 153a StPO endgültig ein.




Am 08.10.2020 wurde eine zivile Polizeistreife auf den Antragsteller aufmerksam, der mit einem Kraftrad auf der BAB ... bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h brutto 193 km/h und nach Toleranzabzug 183 km/h fuhr. Nachdem er angehalten wurde, präsentierte er den Polizisten die beglaubigte Kopie eines am 23.07.2018 ausgestellten und bis zum 11.06.2023 geltenden ungarischen Führerscheins, ausweislich dessen ihm die Fahrerlaubnisse der Klassen A und B am 09.12.2008 erteilt worden ist.

Der Antragsgegner hörte den Antragsteller mit Schreiben vom 10.02.2021 gemäß § 28 SVwVfG zu seiner Absicht an, festzustellen, dass seine im Ausland erworbene Fahrerlaubnis nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtige, weil die Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnis nach EU-Recht einen mindestens 185 Tage dauernden ordentlichen Wohnsitz verlange, er nur 146 Tage in Tschechien gemeldet gewesen und seine tschechische Fahrerlaubnis in Ungarn nur umgeschrieben worden sei.

Der Antragsteller erwiderte daraufhin, er habe über die 146 Tage in Most auch noch ca. 2 Monate in „Herberge (Teblice)“ gewohnt. Deshalb seien sowohl seine tschechische Fahrerlaubnis als auch sein ungarischer Führerschein rechtmäßig und dürfe in Deutschland genutzt werden.

Mit dem Feststellungsbescheid vom 09.03.2021 stellte der Antragsgegner fest, dass die im Ausland erworbene Fahrerlaubnis des Antragstellers nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtige und ordnete gemäß § 80 Abs. 2 VwGO aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses die sofortige Vollziehung an. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 FeV forderte er ihn auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheides zur Anbringung des Sperrvermerks vorzulegen.

Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, nach der Auskunft des europäischen Führerscheinnetzwerkes RESPER und der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft A-Stadt ... sei der Antragsteller Inhaber einer am 23.07.2018 ausgestellten ungarischen Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B1, B, T, und K. Der Führerschein sei im Wege der prüfungsfreien Umschreibung einer am 09.12.2008 in der Tschechischen Republik durch das Stadtamt Most ausgestellten Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B und B1 ..., erkennbar an der in dem ungarischen Führerschein eingetragenen Schlüsselzahl 70 mit dem Ländercode CZE und einer über das Kraftfahrtbundesamt eingeholten Auskunft aus dem europäischen EUCARIS-System (European Car and Driving License Information System). Aus Letzterer ergebe sich eindeutig, dass die Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, B1, B T und K am 09.12.2008 (issue date) erteilt worden seien, was sich auf die Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis beziehe. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV sei der ungarische Führerschein in Deutschland nicht gültig, da bereits die der Umschreibung zugrunde liegende tschechische Fahrerlaubnis in Deutschland ungültig sei. Gemäß § 28 Abs. 1 FeV dürften Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4, im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Diese Berechtigung gelte nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedsstaat unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. Dem Antragsteller sei am 09.12.2008 eine tschechische Fahrerlaubnis sowie ein bis zum 09.12.2018 geltender tschechischer Führerschein erteilt worden. Bereits diese tschechische Fahrerlaubnis und der darauf basierende Führerschein berechtigten nicht zum Fahren in der Bundesrepublik Deutschland, weil die Fahrerlaubnis in Deutschland kraft Gesetzes nicht gültig sei. Nach Art. 12 der 32. EU-FS-Richtlinie sei der ordentliche Wohnsitz dort, wo der Fahrerlaubnisinhaber mindestens 185 Tage im Jahr wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen wohne. Die Ausstellung eines Führerscheins allein genüge als Nachweis für den Wohnsitz im Ausstellungsstaat nicht, wenn berechtigte Zweifel an diesem Wohnsitz bestünden. In einem solchen Fall sei der Wohnsitz durch die Behörde und ggf. die Gerichte zu überprüfen. Solche Zweifel bestünden vorliegend, weil der Antragsteller seit dem 10.06.2004 ununterbrochen unter der Adresse in A-Stadt gemeldet sei. Zudem stehe aufgrund amtlicher Auskünfte fest, dass das Wohnsitzprinzip bereits bei der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis, die in Ungarn lediglich in eine ungarische Fahrerlaubnis umgeschrieben worden sei, nicht erfüllt gewesen sei. Die über das Kraftfahrt-Bundesamt an die tschechischen Behörden gerichtete Anfrage habe ergeben, dass sich der Antragsteller nur vom 03.06.2008 bis 27.10.2008 und damit nur 146 Tage vorübergehend als EU-Bürger in Tschechien angemeldet habe. Die Auskunft des gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit sei eine vom Ausstellermitgliedsstaat herrührende Information, die auf Auskünften der tschechischen Behörden beruhe. Zum Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis am 09.12.2008 habe der Antragsteller selbst seinen vorübergehenden Aufenthalt nicht mehr in der Tschechischen Republik, sondern in A-Stadt gehabt. Weiterhin sei im Hinblick auf seine fristgerechten Ummeldungen in ... am 15.07.2001 und A-Stadt am 10.06.2004 davon auszugehen, dass sich der Antragsteller seiner melderechtlichen Pflichten durchaus bewusst gewesen sei. Da der (am 23.07.2018) in Ungarn ausgestellte Führerschein auf der in Deutschland nicht gültigen tschechischen Fahrerlaubnis basiere (erkennbar an der eingetragenen Schlüsselzahl 70 mit dem Ländercode CZE), sei auch dieser in Deutschland nicht als Nachweis einer gültigen Fahrerlaubnis anzuerkennen. Da dem Antragsteller die deutsche Fahrerlaubnis mit der Entscheidung des AG ... vom 22.03.2000 ... mit einer Sperrfrist bis zum 21.03.2002 entzogen worden sei, verfüge er nicht über die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland. Deshalb sei nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV festzustellen, dass der Antragsteller nicht berechtigt sei, in Deutschland ein Kraftfahrzeug zu führen. Ein besonderes Feststellungsinteresse bestehe vorliegend, weil die Staatsanwaltschaft A-Stadt im Rahmen des Ermittlungsverfahrens ... angefragt habe, ob er über eine Fahrerlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland verfüge, nachdem er mehrfach Kraftfahrzeuge geführt habe. Soweit er im Rahmen der Anhörung erklärt habe, er habe zusätzlich zu den dokumentierten 146 Tagen weitere zwei Monate in „Herberge (Teblice)“ gewohnt, gebe es dafür keinen Nachweis. Allein die Angabe des Wohnortes im Führerschein reiche dafür nicht aus.

Die sofortige Vollziehung sei nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anzuordnen, weil die durch das Führen von Kraftfahrzeugen ohne gültige Fahrerlaubnis begründeten Gefahren für die Allgemeinheit dies notwendig machten. Insbesondere auch aus haftungsrechtlichen Gründen könne nicht geduldet werden, dass ein Kraftfahrzeugführer ohne gültige Fahrerlaubnis am Straßenverkehr teilnehme. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs hätte eine weitere Gefährdung des Eigentums sowie von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer zur Folge.




Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 12.03.2021 zugestellt. Der Widerspruch ging am 09.04.2021 bei der Posteingangsstelle des Antragsgegners ein. Am 12.04.2021 erschien er beim Antragsgegner und legte seinen Führerschein vor, auf dem der Sperrvermerk angebracht wurde. Auf den noch nicht vorliegenden Widerspruch angesprochen erklärte er, er habe parallel Anträge an den Antragsgegner und das Verwaltungsgericht geschickt.

Am 09.04.2021 hat der Antragsteller bei Gericht beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Zur Begründung führt er aus, er habe 2008 und damit vor fast 14 Jahren über 185 Tage und damit länger als 145 Tage in Tschechien (Böhmen) gewohnt. Um diesen Nachweis führen zu können, müsse er wohl nach Tschechien reisen, was wegen Corona derzeit nicht möglich sei. Tschechien sei Coronahochburg und die Menschen dürften ihre Bezirke nicht verlassen. Schon deshalb sollte man den Feststellungsbescheid aufheben.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

der aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Feststellungsbescheid vom 09.03.2021 wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Widerspruch des Antragstellers habe keine Aussicht auf Erfolg, da er nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt sei. Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) könne die zuständige Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt über die nicht bestehende Berechtigung erlassen. Der Antragssteller sei nicht berechtigt von seiner ungarischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, da er diese als Umschreibung einer tschechischen Fahrerlaubnis erworben habe, die aufgrund eines Wohnsitzverstoßes nicht anerkannt werden könne. Gemäß § 28 Abs. 1 FeV dürften Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis grundsätzlich im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge auch im Inland führen. Nach Abs. 4 S. 1 Nr. 2 gelte die Berechtigung nach Abs. 1 allerdings nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die aufgrund vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland gehabt hätten. Der Antragsteller habe zum Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz in A-Stadt gehabt. Am 09.12.2008 sei ihm die tschechische Fahrerlaubnis erteilt worden. Zum damaligen Zeitpunkt habe er seinen Wohnsitz im Inland gehabt. Nach § 7 Abs. 1 FeV sei der ordentliche Wohnsitz dort, wo der Fahrerlaubnisinhaber mindestens 185 Tage im Jahr wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen wohne. Die Ausstellung eines Führerscheins allein genüge als Nachweis für den Wohnsitz im Ausstellungsstaat nicht, wenn berechtigte Zweifel an diesem Wohnsitz bestünden. In einem solchen Fall sei der Wohnsitz durch die Behörde und ggf. die Gerichte zu überprüfen. Der Antragsteller sei seit dem 10.06.2004 ununterbrochen an seiner jetzigen Wohnanschrift in A-Stadt gemeldet. Es lägen auch unbestreitbare Informationen aus der Tschechischen Republik vor, die belegten, dass sein Wohnsitz zum Erteilungszeitpunkt nicht in der Tschechischen Republik gewesen sei. Eine Anfrage über das gemeinsamen Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit ... habe ergeben, dass der Antragsteller dort lediglich im Zeitraum vom 03.06.2008 bis zum 27.10.2008 ... einen vorübergehenden Aufenthalt für EU-Bürger an der Adresse ... Most angemeldet habe, also lediglich für 146 Tage. Diese Auskunft stamme vom gemeinsamen Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit und könne als vom Ausstellermitgliedsstaat Tschechische Republik herrührende Information angesehen werden, da sie ihrerseits auf Auskünften der tschechischen Behörden beruhe (Stadtamt Most; Verlustmeldung hinsichtlich des Aufenthaltstitels ... mit Eintragung in das SIS-Fahndungssystem durch die Tschechische Republik).1

Der Antragsteller habe mit Faxschreiben vom 26.02.2021 im Anhörungsverfahren vor Erlass des Bescheids Stellung genommen ... Er habe angegeben, er habe seinen Wohnsitz nicht nur 146 Tage, sondern mehr als 185 Tage in Tschechien gehabt. Zusätzlich zu der gemeldeten Anschrift habe er noch zwei Monate in „Herberge (Teblice)" gewohnt. Eine solche Meldeanschrift sei aber von den tschechischen Behörden und dem gemeinsamen Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit nicht dokumentiert. Nachgewiesen sei lediglich eine Aufenthaltsdauer von 146 Tagen. Auch der Antragsteller habe keine Belege für diese Behauptung geliefert. Es sei anzunehmen, dass er damit geltend machen wolle, in einer Herberge in der Stadt oder dem Bezirk Teplice gewohnt zu haben. Auch mögliche Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Belegen in der Tschechischen Republik aufgrund der Corona-Pandemie könnten nichts daran ändern, dass der Aufenthalt dort über den Zeitraum von 146 Tagen hinaus durch nichts belegt sei. Zudem sei die Angabe „Herberge (Teblice)" sehr vage. Es sei auch nicht ersichtlich, warum das Stadtamt Most den Führerschein ausgestellt habe, wenn der Antragsteller damals angeblich in der Nachbarstadt bzw. im Nachbarbezirk Teplice gewohnt habe. Der Antragsteller habe auch keine Angaben zu seinem Aufenthalt dort gemacht, die diesen plausibel machten. Daher liege ein reiner Scheinwohnsitz zum Führerscheinerwerb nahe. Es obliege dem Antragsteller, plausible und überprüfbare Angaben zu seinem tatsächlichen Aufenthalt dort zu machen. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einem vergleichbaren Fall entschieden:

„Wird in einer von einer Behörde des Ausstellermitgliedstaates herrührenden Aufenthaltsbescheinigung aber nicht nur eine kürzere als die nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 91/439/EWG erforderliche Aufenthaltsdauer ausgewiesen, sondern darüber hinaus nur ein von vornherein als vorübergehend beabsichtigter Aufenthalt, liegt es auf der Hand, dass die durch den Führerschein des Ausstellermitgliedstaates begründete Annahme, das Wohnsitzerfordernis sei zum Ausstellungszeitpunkt erfüllt gewesen, erschüttert ist, mit anderen Worten; unter solchen Voraussetzungen kann allein damit, dass der Betroffene einen Führerschein unter Eintragung eines Wohnsitzes im Ausstellermitgliedstaat erhalten hat, nicht mehr der Nachweis geführt werden, dass das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis erfüllt war. Vielmehr obliegt es dem Fahrerlaubnisinhaber, beharrt er trotz der das Gegenteil ausweisenden Aufenthaltsbescheinigung darauf, das Wohnsitzerfordernis eingehalten zu haben, substantiierte und verifizierbare Abgaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellermitgliedstaat im Zusammenhang mit der Fahrerlaubniserteilung sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen zu machen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden." (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013 - 3 C 18.12 -, BVerwGE 146, 377-387, Rn. 30).

Es sei auch davon auszugehen, dass sich der Antragsteller der melderechtlichen Pflichten bewusst gewesen sei: Er habe seine Umzüge innerhalb Deutschlands direkt gemeldet. Nach dem Zuzug von ... am 15.07.2001 sei die Ummeldung am 20.07.2001 und bei einem Umzug innerhalb Saarbrückens am 10.06.2004 bereits zwei Tage davor am 08.06.2004 erfolgt (Seite 146 der Akte). Der Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis am 09.12.2008 habe damit bereits nach dem gemeldeten vorübergehenden Aufenthalt dort gelegen. Damit habe der Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung der tschechischen Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Gebiet des Ausstellungsstaates gehabt, sondern in A-Stadt. Er habe die Fahrerlaubnis auch nicht während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts in der Tschechischen Republik als Studierender oder Schüler erworben (§ 7 Abs 2 FeV).

Da der ungarischer Führerschein auf der in Deutschland nicht gültigen tschechischen Fahrerlaubnis basiere (erkennbar an der im Führerschein eingetragenen Schlüsselzahl 70 mit Ländercode CZE) sei dieser in Deutschland auch nicht als Nachweis einer gültigen Fahrerlaubnis anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) sei geklärt, dass in einem solchen Fall auch der umgeschriebene Führerschein nicht anerkannt werde.

„Hat ein Mitgliedstaat einen Führerschein ausgestellt, den die übrigen Mitgliedstaaten wegen eines offensichtlichen Verstoßes gegen das Wohnsitzerfordernis nicht anerkennen müssen, und tauscht ein anderer Mitgliedstaat diesen Führerschein gegen einen gleichwertigen Führerschein um, sind die übrigen Mitgliedstaaten unionsrechtlich nicht verpflichtet, den im Wege des Umtauschs ausgestellten Führerschein anzuerkennen. Der offensichtliche Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis wirkt in diesem Führerschein fort." (BVerwG, Urteil vom 05. Juli 2018 - 3 C 9.17 -, BVerwGE 162, 308-325, Rn. 36)

Der europäische Gerichtshof habe entschieden, dass der Aufnahmemitgliedstaat insgesamt zur Nichtanerkennung berechtigt sei, auch wenn sich die Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses aus dem neuen Führerschein nicht mehr ergebe.2

Anders als die Ausstellung eines Führerscheins, die die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis dokumentiere, lasse der bloße Umtausch eines Führerscheins den Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis unberührt; der Verstoß setze sich in dem umgetauschten Führerschein fort. Die Wohnsitzvoraussetzung sei unerlässlich, um die Einhaltung der Voraussetzung der Fahreignung zu überprüfen.3

Eine Heilung der Auswirkungen des Wohnsitzverstoßes käme deshalb nur in Betracht, wenn im Rahmen des Umtauschs zu prüfen wäre, ob der Inhaber des unter Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis ausgestellten Führerscheins nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/126/EG zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei. Das sei nicht der Fall. Werde ein Führerschein lediglich umgetauscht, sei die Fahreignung nicht zu prüfen. Auf eine Überprüfung des Bestandes und ggf. der Dauer eines Wohnsitzes in Ungarn vor der Umschreibung komme es somit nicht mehr an. Allerdings sei der Antragsteller auch zum Zeitpunkt der Ausstellung des ungarischen Führerscheins in A-Stadt gemeldet gewesen.

Nach § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV könne die zuständige Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt über die nicht bestehende Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland erlassen. Im Fall des Antragstellers bestehe in dieser Hinsicht Klärungsbedarf und somit ein Feststellungsinteresse, da die Staatsanwaltschaft A-Stadt im Rahmen des Ermittlungsverfahrens 68 Js 2281/20 angefragt habe, ob er über eine Fahrerlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland verfüge und er bereits mehrfach beim Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland auffällig geworden sei (Unfall vom 14.02.2019, ...; erhebliche Geschwindigkeitsübertretung vom 08.10.2020, ...). Außerdem habe er in seinem Schreiben vom 26.02.2021 mitgeteilt, er wolle in der verbliebenen Gültigkeitszeit seines ungarischen Führerscheins von diesem auch Gebrauch machen. Der Erlass des Feststellungsbescheids sei daher notwendig.

Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtmäßig. Auch wenn der Feststellungsbescheid nur deklaratorischen Charakter habe, könne die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet werden. Damit werde sofort nach außen dokumentiert, dass keine Fahrberechtigung bestehe.4 Bei Vorschriften zur Abwehr von Gefahren für typische Gemeinschaftsgüter, hier die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs, falle das besondere öffentliche Vollzugsinteresse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im Regelfall mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsakts zusammen. Die Behörde könne die Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall sei. Besondere Gesichtspunkte, die für ein Abweichen von der üblichen Interessenlage sprächen, seien nicht ersichtlich.





II.

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines fristgerecht eingelegten Widerspruchs gegen die kraft behördlicher Anordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sofort vollziehbare Feststellungsverfügung des Antragsgegners sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV von Gesetz wegen sofort vollziehbare Anordnung zur Anbringung eines Sperrvermerks auf dem ungarischen Führerschein begehrt, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die vom Gericht zu treffende Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO richtet sich danach, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung schriftlich hinreichend begründet wurde (§ 80 Abs. 3 VwGO) und ob es gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs schwerer wiegt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Im Rahmen der Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Widerspruchs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Erkenntnisstand offensichtlich aussichtslos ist; umgekehrt überwiegt bei einer offensichtlichen Erfolgsaussicht des Widerspruchs das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.5

Zunächst hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise mit der Gefahr, die mit der Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr für die Allgemeinheit verbunden ist, und der angesichts dieser Gefahr bestehenden Notwendigkeit eines schnellen Eingreifens begründet. Diese auf die typische Interessenlage abstellende Begründung ist zulässig und ausreichend, weil es um die Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des öffentlichen Straßenverkehrs geht und in Fällen der vorliegenden Art sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gerade aus den Gesichtspunkten ergibt, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend sind.6

Weiter ist davon auszugehen, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Feststellungsbescheid vom 09.03.2021 nach derzeitigem Erkenntnisstand keine Aussicht auf Erfolg hat, da die darin ausgesprochenen Verfügungen offensichtlich rechtmäßig sind.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis hat die Entziehung die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 StVG). Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gilt die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 FeV, Kraftfahrzeuge im Inland zu führen, nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie - anders als hier - als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. In den Fällen des § 28 Abs. 4 Satz 1 FeV kann die Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen (§ 28 Abs. 4 Satz 2 FeV).

Nach gefestigter europarechtlicher Rechtsprechung sieht Artikel 2 Abs. 1 der „Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein“ (3. Führerscheinrichtlinie) die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor und erlegt den Mitgliedstaaten damit eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen.7 Die Mitgliedstaaten dürfen aber nach Art. 11 Abs. 2 und Abs. 4 der genannten Richtlinie ihre nationalen Eignungsüberprüfungs- und Entzugsvorschriften auf diejenigen Fahrzeugführer anwenden, die nach Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis (erstmalig oder erneut) im Inland auffällig werden oder Bedenken in Hinblick auf ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen.8

Die vom Antragsgegner getroffene Feststellung, dass die dem Antragsteller in der Tschechischen Republik am 09.12.2008 erteilte und am 23.07.2018 in Ungarn umgeschriebene Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, B1, B, T und K nicht berechtigt, Fahrzeuge dieser Klassen im Bundesgebiet zu führen, ist aller Voraussicht nach rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Feststellung der Nichtberechtigung zum Führen von Fahrzeugen im Inland ist § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV. Danach kann u.a. im Fall von § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV die Behörde einen feststellenden Verwaltungsakt über die fehlende Berechtigung erlassen. Nach dieser Vorschrift darf ein Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis, der ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, keine Kraftfahrzeuge im Inland führen - es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Ein Bewerber, dessen persönliche Bindungen im Inland liegen, der sich aber aus beruflichen Gründen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU (oder EWR) aufhält, hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland, sofern er regelmäßig dorthin zurückkehrt (§ 7 Abs. 1 Satz 3 FeV). Die Voraussetzung entfällt, wenn sich der Bewerber zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer in einem solchen Staat aufhält (§ 7 Abs. 1 Satz 4 FeV). Diese Bestimmungen entsprechen Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl EG Nr. L 237 S. 1) bzw. Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung, ABl EG Nr. L 403 S. 18).


Voraussetzung für die Anerkennung einer EU-Fahrerlaubnis, die ein Mitgliedstaat ausgestellt hat, ist gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG ein Wohnsitz im Ausstellungsmitgliedstaat im Sinne Art. 12 der Richtlinie 2006/126/EG. Die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG gilt jedoch nicht, wenn entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende Informationen vorliegen, die darauf hinweisen, dass das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde. Die Prüfung, ob solche Informationen als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührend und unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats. Dabei muss die Begründung eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein. Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen. Soweit unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Frage die Umstände des gesamten Falles heranzuziehen, also ergänzend auch die „inländischen Umstände“.9

Gemessen daran ist der Antragsgegner zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis am 09.12.2008 seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in der Tschechischen Republik, sondern in der Bundesrepublik Deutschland hatte.

Ausweislich der vom Gemeinsamen Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit ...-... unter dem 14.10.2019 weitergegebenen Erkenntnisse hatte der Antragsteller in Tschechien allein einen „vorübergehenden“ Aufenthalt für EU-Bürger vom 03.06.2008 bis zum 27.10.2008 an der Adresse „... MOST“ angemeldet. Die dafür ausgestellte Aufenthaltserlaubnis sei seit dem 20.03.2009 als verlustig gemeldet worden. Damit hatte sich der Antragsteller nur für 146 Tage als in Tschechien „vorübergehend“ aufenthaltsam angemeldet. Bei diesen Informationen, die ihrerseits von tschechischen Behörden stammen, handelt es sich um Informationen des Ausstellungs-Mitgliedstaats. 10

Diese sind auch unbestreitbar im Sinne des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV. Aufgrund der Feststellungen der Tschechischen Polizei liegen „inländische Umstände“ und damit Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vor, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass sich der Antragsteller nicht mindestens 185 Tage wegen persönlicher und/oder beruflicher Bindungen in Most aufgehalten hat. Der Antragsteller selbst hat nichts dargetan, was überhaupt auf einen Aufenthalt wegen persönlicher und/oder beruflicher Bindungen in Most schließen lässt.

Dass sich der Antragsteller im Zeitraum vom 03.06.2008 bis zur Ausstellung seines tschechischen Führerscheins am 09.12.2008 tatsächlich in Most aufgehalten hat, erscheint mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen. Hierfür spricht nicht nur, dass er während des gesamten Zeitraumes mit einem Hauptwohnsitz seit dem 10. bzw. 08.06.2004 (Einzugs- und Anmeldedatum) unter der aktuellen Anschrift in A-Stadt gemeldet ist. Anhaltspunkte dafür, dass sich der Antragsteller (mindestens) 185 Tage aus persönlichen und/oder beruflichen Gründen in Tschechien aufgehalten hatte, hat er auch im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht. Dies spricht erheblich für die Annahme, dass der Antragsteller lediglich einen Scheinwohnsitz in der Tschechischen Republik begründet hat, um dort eine auch im Bundesgebiet anzuerkennende Fahrerlaubnis zu erhalten. Für seine Behauptung, er habe (nach dem 27.10.2008) zwei weitere Monate in „Herberge (Teblice)“ gewohnt, hat er zum einen keinen Nachweis erbracht. Zum anderen ist Most die Hauptstadt des Bezirks Most, Teblice die Hauptstadt des Bezirks Teblice, sodass Most für die Erteilung der Fahrerlaubnis an den Antragsteller am 09.12.2008 gar nicht zuständig gewesen wäre. Da der Antragsteller aber eigenen Angaben zufolge in Teblice auch nicht gemeldet war, kam eine Erteilung der Fahrerlaubnis in Teblice auch nicht in Betracht.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, von seiner tschechischen EU-Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.



Der Umstand, dass der Antragsteller seinen vom 09.12.2008 bis zum 09.12.2018 gültigen tschechischen Führerschein am 23.07.2018 in einen (bis zum 11.06.2023 gültigen) ungarischen Führerschein umgetauscht hat, ändert nichts daran, dass dieser in der Bundesrepublik Deutschland nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen berechtigt. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid sowie in der Antragserwiderung verwiesen werden.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die im angegriffenen Bescheid ausgesprochene Verpflichtung zur Vorlage des Führerscheins zur Eintragung eines inländischen Ungültigkeitsvermerks. Rechtsgrundlage ist insoweit § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FeV. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 StVG erlischt im Fall der Entziehung bei einer ausländischen Fahrerlaubnis das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern oder zur Eintragung der Entscheidung vorzulegen. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FeV sind nach der Entziehung oder der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung (im Inland) oder bei Beschränkungen oder Auflagen ausländische oder im Ausland ausgestellte internationale Führerscheine unverzüglich der entscheidenden Behörde vorzulegen, auch dann, wenn die Entscheidung angefochten wurde, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Nach einer Entziehung oder der Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung wird gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 FeV auf dem Führerschein vermerkt, dass von der Fahrerlaubnis im Inland kein Gebrauch gemacht werden darf. Diese Voraussetzungen sind vorliegend offensichtlich gegeben, da, wie bereits ausgeführt, der Antragsteller nicht berechtigt ist, von seiner ungarischen EU-Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.

Folglich ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Wegen der Höhe des Streitwerts folgt die Kammer den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2/2013). Hiernach ist für die Fahrerlaubnis der Klassen A und B gemäß Nrn. 46.1 und 46.3 jeweils der Auffangwert in Höhe von 5.000,00 € anzusetzen. Der sich so ergebende Betrag von 10.000 € für das Hauptsacheverfahren ist nach Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für das Eilverfahren zu halbieren.


Fußnoten
1) vgl. Verwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 09.02.2011 - 10 L 16/11-, Rn. 6, juris

2) EuGH, Urteil vom 13.10.2011 - C- 224/10 (ECI:EU:C:2011:655), Apelt - Rn. 47 und Beschluss vom 22.11.2011 - 590/10, Köppl – NJW 2012, 2018 - Rn. 52

3) EuGH, Urteile vom 26.06.2008 - C-329/06 u.a., Wiedemann und Funk - NJW 2008, 2403Rn. 69 und vom 19.05.2011 - C-184/10, Grasser- Rn. 27

4) Dauer in Hentschel/König/Dauer, 45. Auflage, FeV § 28 Rdnr. 56

5) vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 Rdnr. 158

6) Ständige Rechtsprechung, vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 07.05.2008 - 2 B 187/8 -; VG Saarlouis, Beschlüsse vom 28.07.2011 - 10 L 558/11 -, vom 20.01.2012 - 10 L 1872/11 -, m.w.N., vom 27.10.2014 - 6 L 961/14 -, vom 08.06.2015 - 5 L 555/15 – und vom 17.06.2016 – 5 L 561/16 -

7) Vgl. EuGH, Urteil vom 29.04.2004 - C-476/01 [„Kapper“] -, NJW 2004, 1725 = DAR 2004, 333

8) Vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 31.01.2007 - 11 CS 06.1923 - juris, EuGH, Beschlüsse vom 06.04.2006 – C-227/05 [„Halbritter“] –, DAR 2006, 375 = NJW 2006, 2173 = DVBl 2006, 891 = Blutalkohol 43, 307 und vom 28.09.2006 - C-340/05 [„Kremer“] -, DAR 2007, 77 = NJW 2007, 1863 = Blutalkohol 44, 238

9) Vgl. Bayerischer VGH, Beschlüsse vom 15.09.2015 - 11 ZB 15.1077 - und vom 11.05.2016 - 11 CS 16.658 -, jew. juris m.w.N.; OVG des Saarlandes, Urteil vom 08.05.2012, a.a.O.; VG des Saarlandes, Beschluss vom 17.06.2016 - 5 L 561/16 -, die Beschwerde gegen den Beschluss wurde zurückgenommen

10) Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.08.2013 - 3 B 38.13 - DAR 2013, 594; EuGH, Urteil vom 01.03.2012 - C-467/10 [„Akyüz“] -, DAR 2012, 193 = NJW 2012, 1341


- nach oben -



Datenschutz    Impressum