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Verwaltungsgerichtshof München Beschluss vom 23.03.2021 - 11 CS 20.2643 - Zur Annahme gelegentlichen Cannabiskonsums und zur Verwertung der Konsumangaben gegenüber der Polizei

VGH München v. 23.03.2021: Zur Annahme gelegentlichen Cannabiskonsums und zur Verwertung der Konsumangaben gegenüber der Polizei




Der Verwaltungsgerichtshof München (Beschluss vom 23.03.2021 - 11 CS 20.2643) hat entschieden:

  1.  Bei der Wertung, dass der Betroffene mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss.

  2.  Selbst wenn hinsichtlich von Konsumangaben des Betroffenen gegenüber Polizeibeamten ein Verstoß gegen strafprozessuale Beweiserhebungsvorschriften vorläge, führte dies im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren zu keinem Verwertungsverbot. Da ein Beweisverwertungsverbot im Fahrerlaubnisrecht nicht ausdrücklich normiert ist, ist über die Verwertbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des verletzten Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.


Siehe auch
Der gelegentliche Konsum von Cannabis
und
Verwertungsverbote in den verschiedenen Verfahrensarten

Gründe:


I.

Der 1990 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.

Am 19. Oktober 2016 unterzog die Polizeiinspektion Augsburg Mitte den Antragsteller als Kraftfahrzeugführer einer Verkehrskontrolle, bei der er drogentypische Auffälligkeiten zeigte. Gegenüber der Polizei gab er zunächst an, er habe eine Woche zuvor einen Joint geraucht. Nachdem ein Drogenvortest positiv auf THC reagierte, räumte er ein, am 18. Oktober 2016 gegen 15 Uhr Marihuana konsumiert zu haben. In dem Pkw des Antragstellers fand die Polizei einen Joint, in seinem Zimmer einen Grinder mit Anhaftungen von Marihuana. Dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Bonn vom 2. November 2016 zufolge wurden bei der am 19. Oktober 2016 um 19:20 Uhr entnommenen Blutprobe 7,9 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) und 38,5 ng/ml THC-Carbonsäure (THC-COOH) festgestellt. Mit Bußgeldbescheid vom 2. Dezember 2016, rechtskräftig seit dem 10. Mai 2017, verhängte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt gegen den Antragsteller wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG eine Geldbuße und ein Fahrverbot von einem Monat.

Ein daraufhin vom Landratsamt Augsburg zunächst erlassener Bescheid zur Entziehung der Fahrerlaubnis vom 13. Dezember 2016 wurde unter Verweis auf das Urteil des Senats vom 25. April 2017 (11 BV 17.33), der zufolge die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen kann, am 5. August 2019 zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2020 forderte das Landratsamt den Antragsteller gestützt auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV auf, zur Klärung seiner Fahreignung bis zum 20. März 2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Zu klären sei, ob zu erwarten sei, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Einfluss von Cannabis führen werde. In der Gutachtensanordnung findet sich unter der Überschrift "Akteneinsicht" die Passage, die zur Erstellung des Gutachtens benötigten Unterlagen würden vom Landratsamt direkt an die Begutachtungsstelle gesandt. Beigefügt war der Aufforderung ein Formblatt für die Erklärung gegenüber dem Landratsamt, durch welchen Gutachter die Begutachtung erfolgen solle. Dort heißt es unter dem Punkt "Hinweise" u.a., die für die Begutachtung erforderlichen Verwaltungsvorgänge könnten vor Übersendung an die Begutachtungsstelle eingesehen werden; ausgenommen davon seien Aktenteile anderer Behörden, die der Führerscheinstelle zur Entscheidung dienten.




Der Bevollmächtigte des Antragstellers nahm daraufhin am 3. Februar 2020 Akteneinsicht.

Nachdem innerhalb der bis zum 20. April 2020 verlängerten Frist kein Gutachten vorgelegt wurde, entzog das Landratsamt dem Antragsteller nach Anhörung mit Bescheid vom 28. Mai 2020, zugestellt am 4. Juni 2020, die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein spätestens sieben Tage nach Zustellung des Bescheids abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Aus der Nichtbeibringung des Gutachtens sei auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen.

Hiergegen ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Augsburg am 11. Juni 2020 Klage erheben (Az. Au 7 K 20.970), über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig stellte er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Begründung, die Auskunft zu seinem Drogenkonsum gegenüber der Polizei sei mangels ordnungsgemäßer Belehrung nicht verwertbar und der Hinweis auf die Möglichkeit der Akteneinsicht werde den formalen Anforderungen nicht gerecht.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 13. Oktober 2020 ab. Der Antrag, der sich bei interessengerechter Auslegung auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sowie auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung richte, sei unbegründet, da die Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben werde. Das Landratsamt habe aus der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen. Die Gutachtensanordnung genüge der formalen Anforderung des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV, auch wenn sich der Hinweis auf eine mögliche Akteneinsicht nur auf dem beigefügten Formblatt befunden habe. Es sei davon auszugehen, dass ein von einer Gutachtensanordnung Betroffener aufgrund der in der Anordnung dargelegten Bedeutung für den Erhalt seiner Fahrerlaubnis regelmäßig sämtliche Anlagen zur Kenntnis nehme. Im Übrigen habe der Antragstellerbevollmächtigte Akteneinsicht beantragt und auch genommen. Materiellrechtlich sei die auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützte Gutachtensanordnung nicht zu beanstanden. Das Landratsamt habe zu Recht angenommen, der Antragsteller sei gelegentlicher Cannabiskonsument. Einen Konsumakt am 18. Oktober 2016 gegen 15 Uhr habe der Antragsteller eingeräumt; daran müsse er sich festhalten lassen. Der Wert von 7,9 ng/ml THC in der am 19. Oktober 2016 gegen 19:00 Uhr entnommenen Blutprobe könne mit Blick auf das Abbauverhalten des Wirkstoffs THC durch diesen Konsum am Vortag nicht mehr erklärt werden, so dass ein zweiter Konsumakt am 19. Oktober 2016 erfolgt sein müsse. Für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts bestehe kein Verwertungsverbot für Aussagen, die vor einer Belehrung gemacht worden seien, so dass offenbleiben könne, ob hier ein Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensregelungen vorliege. Mit der Fahrt am 19. Oktober 2016 habe der Antragsteller auch gegen das Trennungsgebot nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV verstoßen. Darin liege eine ausreichende Zusatztatsache, die eine Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertige.

Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, lässt der Antragsteller ausführen, der erteilte Hinweis auf das Akteneinsichtsrecht genüge den formellen Anforderungen nicht, da er in dem Anordnungsschreiben selbst hätte gegeben werden müssen und Aktenbestandteile anderer Behörden danach von der Einsichtnahme ausgenommen seien. Die tatsächlich erfolgte Akteneinsicht könne diesen Verstoß nicht heilen. In materieller Hinsicht verneine das Verwaltungsgericht zu Unrecht ein Verwertungsverbot, da mit der Berücksichtigung der Aussage zum Cannabiskonsum am 18. Oktober 2016 sowohl rechtsstaatliche (Art. 20 Abs. 3 GG) als auch grundrechtliche (Art. 2 Abs. 2 GG) Grundsätze verletzt würden. Mit Blick auf den entsprechenden Hinweis durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2014 (1 BvR 1837/12) könne ohne weiteres von einem Beweisverwertungsverbot auch im Verwaltungsrecht ausgegangen werden. Rechtsfehlerhaft sei schließlich auch die Annahme, ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot würde eine ausreichende Zusatztatsache für die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens darstellen, denn ein gelegentlicher Cannabiskonsum sei hier nicht festgestellt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.




II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen wäre.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch das zum Teil am 1. Juni 2020 in Kraft getretene Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).

Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist - vorbehaltlich der Anwendung des Art. 46 BayVwVfG - gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 Rn. 19, 29). Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.

2. Gemessen daran begegnet die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken. Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, da die auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützte Gutachtensanordnung an keinem beachtlichen Fehler leidet.

a) Soweit der Antragsteller in formeller Hinsicht meint, die Beibringungsaufforderung vom 17. Januar 2020 genüge nicht der Vorgabe des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV, wonach die Fahrerlaubnisbehörde dem Betroffenen mitteilt, dass er die an den Gutachter zu übersendenden Unterlagen einsehen kann, vermag er damit nicht durchzudringen.




aa) Die Regelung des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV betrifft die formellen Anforderungen an den Inhalt einer Gutachtensanordnung, die dem Betroffenen ermöglichen sollen, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will oder nicht (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 - 3 C 20.15 - BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 21). Vor diesem Hintergrund dient die Mitteilungspflicht dazu, einem weniger rechtskundigen Bürger deutlich zu machen, dass die Fahrerlaubnisbehörde zwar bestimmt, welche Unterlagen dem Gutachter übersandt werden, er aber Gelegenheit erhält, sich über diese zu informieren, bevor er seine Entscheidung über die Begutachtung trifft (vgl. BVerwG a.a.O. unter Verweis auf BR-Drs. 497/02 S. 63). Dieser spezifische Zweck würde verfehlt, bliebe ein Verstoß von vornherein folgenlos, so dass die Regelung nicht als bloße Ordnungsvorschrift einzustufen ist (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 23 f.).


Eine Verletzung der Hinweispflicht führt jedoch nicht stets dazu, dass die auf eine solchermaßen fehlerhafte Beibringungsaufforderung gestützte Behördenentscheidung aufzuheben ist. Denn nach Art. 46 BayVwVfG, der insoweit Anwendung findet, kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Ist folglich offensichtlich, dass der versäumte Hinweis auf die Möglichkeit, die dem Gutachter zu übersendenden Unterlagen einzusehen, die Weigerung des Betroffenen, sich einer Begutachtung zu unterziehen, nicht beeinflusst hat, so ist er auch ohne Einfluss auf die Berechtigung, aus der unterlassenen Begutachtung auf die Nichteignung zu schließen, und damit auf die darauf gestützte Behördenentscheidung. Dem entsprechend ist die Aussage, dass der Schluss auf die Nichteignung nur zulässig ist, wenn die Anordnung der Untersuchung rechtmäßig war, um den Vorbehalt der Anwendung von Art. 46 BayVwVfG zu ergänzen (vgl. BVerwG, a.a.O. Rn. 27 ff.).

bb) Davon ausgehend begegnet hier zwar keinen Bedenken, dass der Hinweis auf die Möglichkeit, Einsicht in die dem Gutachter zu übersendenden Unterlagen einzusehen, in einer Anlage zur Gutachtensanordnung erteilt wurde. Diese steht erkennbar in engem Zusammenhang zur Anordnung und ergänzt diese. Es kann erwartet werden, dass ein Empfänger, der sich noch unschlüssig über seine Entscheidung zur Begutachtung ist, auch einen solchen "mit" der Anordnung erteilten Hinweis zur Kenntnis nimmt, wenn dieser - wie hier - verständlich formuliert und seiner textlichen Gestaltung nach geeignet ist, die Aufmerksamkeit des Betroffenen auf sich zu lenken (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 17.11.2020 - 11 CS 20.1748 - juris Rn. 18; Dauer in Hentschel/ König/ Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 47). Nach Wortlaut sowie Zweck des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 FeV findet jedoch der Zusatz zu dem Hinweis, ausgenommen von dem Einsichtsrecht seien Aktenteile anderer Behörden, die dem Landratsamt zur Entscheidung dienen, keine Stütze im Gesetz. Insoweit gilt nichts anderes als für das allgemeine Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG, das sich grundsätzlich auch auf beigezogene Akten bzw. Aktenbestandteile anderer Behörden erstreckt (vgl. Schneider in Schoch/ Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 29 Rn. 27 sowie Grünewald in Obermayer/ Funke-Kaiser, VwVfG, 6. Aufl. 2021, § 29 Rn. 20 jeweils mit dem Hinweis, dass die übersendende Behörde konkludent ihre Zustimmung zur Akteneinsicht erteilt).

cc) Dieser Verfahrensfehler ist jedoch unbeachtlich. Der Antragstellerbevollmächtigte hat am 3. Februar 2020 Einsicht in die Fahrerlaubnisakte genommen. Somit ist offensichtlich, dass der unzutreffende Zusatz zu dem Hinweis die Weigerung des Antragstellers, sich der Begutachtung zu unterziehen, nicht beeinflusst hat (vgl. auch BVerwG a.a.O. Rn. 32).

b) In materieller Hinsicht hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass im Zeitpunkt der Anordnung (vgl. BVerwG a.a.O Rn. 14; BayVGH, B.v. 11.2.2019 - 11 CS 18.1808 - juris Rn. 18) die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vorlagen. Daran hat sich auch bis zum Erlass des Bescheids nichts geändert.

aa) Es ist von gelegentlichem Cannabiskonsum des Antragstellers auszugehen. Gelegentlicher Konsum von Cannabis i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 - NJW 2015, 2439 = juris Rn. 20 f.; BayVGH, U.v. 25.4.2017 - 11 BV 17.33 - juris Rn. 17).

Bei der Wertung, dass der Betroffene mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar ist die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Allerdings liegt ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat. Dies plausibel darzulegen, obliegt dem Betroffenen. Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument bereits wenige Stunden nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2020 - 11 CS 20.791 - Blutalkohol 58, 300 = juris Rn. 23; OVG NW, U.v. 15.3.2017 - 16 A 432/17 - Blutalkohol 54, 328 = juris Rn. 47 ff. mit Nachweisen zum Meinungsstand; OVG SH, B.v. 23.1.2017 - 4 MB 2/17 - juris Rn. 10; VGH BW, U.v. 21.2.2007 - 10 S 2302/06 - Blutalkohol 44, 190 = juris Rn. 15; so auch OVG RhPf, B.v. 1.3.2018 - 10 B 10008/18 - VRS 133, 39 = juris Rn. 2 ff. sowie SächsOVG, B.v. 26.6.2020 - 6 B 131/20 - juris Rn 5 für THC-COOH-Wert ab 10 ng/ml).

bb) Hiervon ausgehend ist im Fall des Antragstellers die Annahme eines mehrfachen und damit gelegentlichen Cannabiskonsums gerechtfertigt.

(1) Der Antragsteller hat gegenüber der Polizei angegeben, am 18. Oktober 2016 um 15:00 Uhr Cannabis konsumiert zu haben.

Ein weiterer Konsumakt vor der Fahrt am 19. Oktober 2016 steht aufgrund des Ergebnisses der Blutuntersuchung fest. Denn der angegebene Konsum am Vortag kann den in der am 19. Oktober 2016 um 19:20 Uhr entnommenen Blutprobe festgestellten THC-Wert von 7,9 ng/ml nicht erklären. Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar. Bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten sind bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festzustellen. Lediglich bei häufigem Cannabiskonsum kann ggf. selbst 24 bis 48 Stunden nach dem letzten Konsum noch eine positive THC-Konzentration im Serum nachgewiesen werden. Diese Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2020 - 11 CS 20.1234 - juris Rn. 22; B.v. 3.1.2017 - 11 CS 16.2401 - Blutalkohol 54, 140 = juris Rn. 13 ff. m.w.N.; U.v. 10.4.2018 - 11 BV 18.259 - juris Rn. 24). Hiervon ausgehend kann der beim Antragsteller am 19. Oktober 2016 festgestellte THC-Wert nicht auf den angegebenen Konsum am Vortag zurückzuführen sein. Vielmehr muss er, um einen solchen Wert zu erreichen, entweder kurz vor der Fahrt nochmals oder aber häufig Cannabis konsumiert haben.

(2) Entgegen der Auffassung des Antragstellers konnte seine Aussage zum Konsum am 18. Oktober 2016 gegenüber der Polizei der Gutachtensanordnung auch zu Grunde gelegt werden, ohne dass dem ein Verwertungsverbot entgegenstand.

Nach dem Vermerk der Polizeiinspektion Augsburg Mitte vom 22. Oktober 2016 war der Antragsteller mit dem am 19. Oktober 2016 durchgeführten Drogenvortest nach ordnungsgemäßer Belehrung einverstanden und gab, nachdem dieser positiv auf THC reagierte, an, einen Tag zuvor Marihuana konsumiert zu haben. In Einklang damit ist in dem vom Antragsteller unterschriebenen Protokoll und Antrag zur Feststellung von Drogen im Blut vom 19. Oktober 2016 neben dem vorgenannten Konsumakt auch eine Belehrung des Antragstellers als Beschuldigter nach § 163a Abs. 4, § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO vermerkt. Es ist somit bereits nicht ersichtlich, dass diese Einlassung unter Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften gewonnen wurde und einem strafprozessualen Verwertungsverbot unterliegt.

Doch selbst wenn ein Verstoß gegen strafprozessuale Beweiserhebungsvorschriften vorläge, führte dies im vorliegenden Fahrerlaubnisentziehungsverfahren zu keinem Verwertungsverbot. Da ein Beweisverwertungsverbot im Fahrerlaubnisrecht nicht ausdrücklich normiert ist, ist über die Verwertbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des verletzten Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (vgl. Kallerhoff/ Fellenberg in Stelkens/ Bonk/ Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 33; Engel/ Pfau in Mann/ Sennekamp/ Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 24 Rn. 32; BVerwG, U.v. 4.11.2016 - 1 A 6.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 71 = juris Rn. 30; BayVGH, B.v. 4.12.2018 - 11 CS 18.2254 - juris Rn. 13 ff.; OVG NW, B.v. 26.9.2016 - 16 B 685/16 - juris Rn. 15). Die Frage, ob unter Missachtung strafprozessualer Vorschriften gewonnene belastende Erkenntnisse im Verwaltungsrecht berücksichtigungsfähig sind, ist dabei unabhängig vom Bestehen eines strafprozessualen Verwertungsverbots zu beantworten (vgl. BayVGH, a.a.O. Rn. 14; OVG NW a.a.O.).

Diese Abwägung fällt hier zu Gunsten der Verwertung aus. Im vorrangig repressiven Zwecken dienenden Strafprozess sichert der Grundsatz, dass niemand gegen sich selbst aussagen muss, also ein Schweigerecht hat, die verfahrensrechtliche Stellung des Beschuldigten und ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 136 Abs. 1 Satz 2, § 163a Abs. 4 StPO führt daher zu einem Verwertungsverbot im Strafprozess (vgl. BGH, B.v. 27.2.1992 - 5 StR 190/91 - BGHSt 38, 214 = juris Rn. 13 ff.). Diese Wertung trägt damit dem Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Strafverfolgungsanspruch einerseits und dem Grundrechtsschutz des Betroffenen andererseits Rechnung (vgl. dazu BayVGH, B.v. 31.5.2012 - 11 CS 12.807 u.a. - juris Rn. 13; OVG NW a.a.O.). Dieser Schutzzweck fordert jedoch kein Verwertungsverbot für das rein präventive, auf keine Bestrafung gerichtete Fahrerlaubnisentziehungsverfahren. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass den Antragsteller, an dessen Fahreignung aufgrund der Vorkommnisse Zweifel entstanden sind, hier nach den vorgenannten Grundsätzen eine Mitwirkungsobliegenheit trifft. Deswegen ist schon nicht ersichtlich, dass das geltend gemachte Schweigerecht im vorliegenden Verfahren schutzwürdig wäre. Ferner sind im Fahrerlaubnisrecht auch Rechtsgüter Dritter, namentlich das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, in die Abwägung einzustellen. Mit dem Schutz der Allgemeinheit vor ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern wäre es nicht zu vereinbaren, wenn die Fahrerlaubnisbehörden an der Berücksichtigung (eventuell) strafprozessual fehlerhaft gewonnener Erkenntnisse allgemein gehindert wären bzw. wegen eines außerhalb ihres Verantwortungsbereichs begangenen Verfahrensfehlers sehenden Auges die gravierenden Gefahren hinzunehmen hätten, die mit der Verkehrsteilnahme eines derzeit kraftfahrungeeigneten Fahrerlaubnisinhabers verbunden sind (vgl. BayVGH a.a.O.; OVG NW a.a.O.; s. auch HessVGH, B.v. 17.8.2017 - 2 B 1213/17 - Blutalkohol 54, 390 = juris Rn. 5 f.; VGH BW, U.v. 27.7.2016 - 10 S 1880/15 - Blutalkohol 53, 490 = juris Rn. 26; jeweils zur fehlenden Beschuldigtenbelehrung).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Antragsteller ins Feld geführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2014 (1 BvR 1837/12 - NJW 2015, 1005). Soweit das Bundesverfassungsgericht dort in einem obiter dictum Bedenken gegen die verwaltungsrichterliche Praxis geäußert hat, Erkenntnisse aus Blutproben, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO a.F. gewonnen wurden, bei der Entziehung von Führerscheinen zu verwerten, betraf dies bereits eine andere Fallgestaltung und verhält sich das Bundesverfassungsgericht nicht zu den Maßstäben für die Abwägung oder dessen Ergebnis in der hier vorliegenden Konstellation (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 5.2.2018 - 11 ZB 17.2069 - juris Rn. 12 f.; OVG NW a.a.O. Rn. 19 ff.).



(3) Unabhängig von Vorstehendem spricht hier für gelegentlichen Cannabiskonsum, dass bei dem Antragsteller ein Joint sowie ein Grinder mit Anhaftungen von Marihuana gefunden wurden.

cc) Mit der Fahrt vom 19. Oktober 2016 hat der Antragsteller auch gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen, was Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 - 3 C 9.18 - Buchholz 442.10 § 3 StVG Nr. 21 = juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 25.4.2017 - 11 BV 17.33 - DAR 2017, 417 = juris Rn. 23). Gemäß dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin im Universitätsklinikum Bonn vom 2. November 2016 hat er mit einer Konzentration von 7,9 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut am Straßenverkehr teilgenommen. Somit hat er den maßgeblichen Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml THC überschritten und war eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen (vgl. BVerwG, U.v. 23.10.2014 - 3 C 3.13 - NJW 2015, 2439 = juris Rn. 28 ff.; BayVGH, B.v. 10.3.2015 - 11 CS 14.2200 - juris Rn. 12; B.v. 23.5.2016 - 11 CS 16.690 - NJW 2016, 2601 = juris Rn. 15 ff.).

3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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