1. | § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV erlaubt den Schluss von einer nicht fristgemäßen Beibringung des Gutachtens auf die Nichteignung nur, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist. Hierzu gehört auch die Angemessenheit der Beibringungsfrist. Wie lange der Zeitraum mindestens zu bemessen ist, entzieht sich einer abstrakten Festlegung, da die insoweit relevanten Umstände je nach Sachlage im Einzelfall variieren können. |
2. | Eine in einer wiederholten Missachtung behördlicher Anordnungen, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, zum Ausdruck kommende Verweigerungshaltung kann Veranlassung geben, die Frist für eine erneute Gutachtenanordnung im Interesse einer effizienten behördlichen Überwachung der Sicherheitslage und des Verfahrensgangs kurz zu bemessen. |
3. | Die Frist für die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens muss grundsätzlich nicht so lange bemessen werden, dass dem Probanden die vorherige Ausräumung von Eignungszweifeln ermöglicht wird. |
4. | Ob die Untersagung des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge nach §§ 3, 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c, 11 Abs. 8 FeV in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe y StVG eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage findet, ist fraglich (ausführlich hierzu: BVerwG, Urteil vom 4.12.2020 – 3 C 5.20 –, juris) und bedarf der Klärung im Hauptsacheverfahren. |
5. | Dasselbe gilt hinsichtlich der Frage, inwieweit es mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar ist, wenn § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind (s. BVerwG, Urteil vom 4.12.2020 – 3 C 5.20 –, juris, Rdnrn. 38 f. |
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 2.11.2020 wiederherzustellen, |
„aa) Die Beklagte hat die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens auf § 3 Abs. 2 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV und die wegen der Nichtvorlage anschließend erfolgte Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf § 3 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV gestützt. § 3 FeV bedarf für den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, der mit jeder der beiden Maßnahmen verbunden ist (vgl. zum Eingriff durch die Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht: BVerfG, Beschluss vom 24. Juni 1993 - 1 BvR 689/92 - BVerfGE 89, 69 <84>), einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung, die den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Dem Gesetzgeber wird damit aufgegeben, die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit zu umreißen, dass deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen. Dabei genügt, dass sie sich mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1991 - 1 BvR 1469/86 - BVerfGE 85, 97 <104 f.>). bb) Dass § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG diesen Anforderungen genügt, ist keineswegs eindeutig (zweifelnd auch Rebler/Müller, DAR 2014, 690 <695>; die Verfassungskonformität der Regelung dagegen bejahend: OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. April 2008 - 12 ME 35/08 - NJW 2008, 2059 und OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2015 - 16 E 208/15 - juris Rn. 4 ff.; offengelassen von Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 FeV Rn. 10). In § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG ermächtigt der Gesetzgeber das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zu erlassen über Maßnahmen, um die sichere Teilnahme sonstiger Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, sowie die Maßnahmen, wenn sie bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Klar ist zwar, dass ‚sonstige Personen‘ im Sinne dieser Regelung auch solche sind, die fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr führen. Dagegen lässt sich näherer Aufschluss darüber, welche Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers der Verordnungsgeber danach unter welchen Voraussetzungen vorsehen darf, weder dem Wortlaut dieser Regelung noch der Gesetzesbegründung entnehmen. Indes sind für die Prüfung, ob eine Verordnungsermächtigung dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt (‚im Gesetz‘), nicht nur die Ermächtigungsnorm selbst und deren Begründung, sondern auch die weiteren Vorschriften des Gesetzeswerkes in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 1991 - 1 BvR 1469/86 - BVerfGE 85, 97 <105>). Dementsprechend kann daraus, dass gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 4 StVG im Fahreignungsregister auch Daten über unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, gespeichert werden, auch mit Blick auf Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entnommen werden, dass diese Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers zu denen gehören, deren Ausgestaltung er dem Verordnungsgeber über § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG eröffnen will. Denselben Schluss rechtfertigen § 29 Abs. 5 Satz 2 StVG, der den Beginn der Tilgungsfrist bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen regelt, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, sowie § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StVG, wonach im örtlichen Fahrerlaubnisregister Daten über Verbote und Beschränkungen, ein Fahrzeug zu führen, gespeichert werden dürfen; auch hier wird vom Gesetzgeber die Möglichkeit solcher Maßnahmen vorausgesetzt. An vergleichbaren Anknüpfungspunkten im Straßenverkehrsgesetz fehlt es indes, was mögliche Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und die Maßnahmen angeht, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung von Eignungszweifeln zu treffen sind oder im Ermessenswege getroffen werden können. Die Verordnungsermächtigung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG ist deutlich allgemeiner und zudem knapper gehalten als das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, q und r StVG in Bezug auf das Führen von Kraftfahrzeugen der Fall ist. In diesen Bestimmungen hat der Gesetzgeber den Verordnungsgeber zur Regelung der Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die Beurteilung der Eignung durch Gutachten sowie die Feststellung und Überprüfung der Eignung durch die Fahrerlaubnisbehörde nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4, 7 und 8 StVG (Buchst. c) sowie zur Regelung der Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten oder bei nicht befähigten Fahrerlaubnisinhabern nach § 3 Abs. 1 StVG ermächtigt (Buchst. q). Darüber hinaus erteilt der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. r StVG die Befugnis, im Verordnungswege Regelungen zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht zu treffen. Hinzu kommt, dass der Verordnungsgeber in Bezug auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge anders als das aufgrund von § 2 StVG hinsichtlich des Führens von Kraftfahrzeugen der Fall ist, nicht an eine gesetzliche Regelung und Eingriffsgrundlage anknüpfen kann, die - wenn auch nur in recht allgemeiner Form - selbst Vorgaben für die Eignung und Befähigung zum Führen solcher Fahrzeuge (vgl. § 2 Abs. 4 und 5 StVG) und zur Anordnung der Beibringung von Gutachten bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung zum Führen (vgl. § 2 Abs. 8 StVG) enthält. Ebenso fehlt es für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an vergleichbaren Regelungen wie denen des § 3 StVG zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung oder Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Straßenverkehrsgesetz regelt schließlich nicht - auch nicht im Wege einer Verordnungsermächtigung (vgl. § 3 Abs. 7 StVG) - für welche Dauer das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verboten werden darf und/oder unter welchen Voraussetzungen ein solches Verbot wieder aufzuheben ist.“ 11 |
„cc) Näherer Überprüfung bedürfte aus Sicht des erkennenden Senats zudem, inwieweit es mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar ist, wenn § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind. Aufgeworfen ist damit zugleich die Frage, inwieweit bestehenden Unterschieden im Rahmen der vorgegebenen entsprechenden Anwendung der §§ 11 ff. FeV Rechnung getragen werden kann und, ob und inwieweit die §§ 11 ff. FeV auch im Verfahren zur Aufhebung eines Verbots, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, anzuwenden sind. dd) Eine Gesamtschau ergibt: Das Straßenverkehrsgesetz und die Fahrerlaubnis-Verordnung regeln das Verbot, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, nur punktuell. Die vorhandenen Regelungen werfen eine Reihe von Auslegungsfragen auf, auch solche des Verfassungsrechts. Aus Sicht des Senats sind in erster Linie der Gesetz- und der Verordnungsgeber berufen, für Klarheit zu sorgen. Die Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, insbesondere mit dem Fahrrad, kann für die private Lebensgestaltung des Einzelnen von erheblicher Bedeutung sein.“12 |