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Amtsgericht Perleberg - Beschluss vom vom 08.08.2022 – 29 OWi 119/22 - Zur Unzulässigkeit eines neben dem bereits eingelegten Einspruch gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung

AG Perleberg v. 08.08.2022: Zur Unzulässigkeit eines neben dem bereits eingelegten Einspruch gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung




Das Amtsgericht Perleberg (Beschluss vom vom 08.08.2022 – 29 OWi 119/22) hat entschieden:

   Gegenüber einem gegen den Bußgeldbescheid eingelegten Einspruch sind andere Rechtsmittel subsidiär. Ein neben dem Einspruch gestellter Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, Akteneinsicht in die Messdaten zu bekommen, ist daher unzulässig.

Siehe auch
Akteneinsicht und Aktenversendungspauschale
und
Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren

Gründe:


Durch die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg wird unter dem o.g. Aktenzeichen gegen den Antragsteller als Betroffenen ein verkehrsordnungsrechtliches Bußgeldverfahren betrieben, welches in dem Bußgeldbescheid vom 22.04.2022 (Blatt 44 der Beiakte) mit dem dem Antragsteller als Fahrzeugführer eine außerörtliche fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung zur Last gelegt wird, mündete. Der Bußgeldbescheid wurde dem Verteidiger des Antragstellers im Weiteren unter dem 26.01.2022 förmlich zugestellt, und dieser hat im vorliegenden Verfahren, mit Schriftsatz vom 27.04.2022 (Blatt 46 der Beiakte) Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt.

Im Anhörungsverfahren der Bußgeldbehörde hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten mit FAX-Schriftsatz vom 28.02.2022 (Blatt 22, 23 der Beiakte) im Ergebnis einen Antrag auf Informationszugang gegenüber der Bußgeldbehörde geltend gemacht, indem er die Herausgabe von Messfoto, Messvideo / Referenzvideo, Messprotokoll und gegebenenfalls Messstellenprotokoll, Eichschein/weitere Eichunterlagen / Konformitätsnachweise, Kalibriationsfoto, Schulungsbescheinigungen, Nachweise über Wartungen/Reparaturen vor und nach dem Messvorgang, Beschilderungsplan, Gebrauchsanweisung (und zwar auch für Sonderbauten), Unterlagen etwa über halbjährliche Sensorenprüfung (Piezo-Richtlinie), Statistikdateien, digitale Falldaten inklusive der unverschlüsselte Rohmessdaten der gesamten Messserie, die Token-Datei, das zugehörige Passwort sowie die Statistikdatei zur Übersendung verlangte.




Daraufhin übersandte die Bußgeldbehörde die angeforderte Akte und 2 CD’s (Bedienungsanleitung, Falldaten) und wies darauf hin, dass der Beschilderungsplan sowie die Ortsskizze zur Messörtlichkeit nicht Bestandteil der Verfahrensakten seien und die Beschilderung sich aus dem Messprotokoll entnehmen lasse. Bezugnehmend auf einen weiteren Verteidigerschriftsatz vom 14.04.2022 (Bl. 39, 40 der Beiakte) schrieb die Bußgeldbehörde nach erfolgtem Erlass des Bußgeldbescheides mit Schriftsatz vom 10.05.2022 (Blatt 52, 53 der Beiakte) unter anderem, dass in der verwendeten Software-Version keine Speicherung von Rohmessdaten erfolge. Darauf beantragte der Verteidiger des Antragstellers wegen der von der Bußgeldbehörde versagten Einsicht in die gesamte Messreihe mit Schriftsatz vom 23.05.2022 die gerichtliche Entscheidung (Bl. 54, 55 der Beiakte).

Die Bußgeldbehörde hat aufgrund dieses Antrages des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung die Akte zuständigkeitshalber dem Amtsgericht Perleberg vorgelegt.

Die Akte ging am 08.06.2022 beim Amtsgericht Perleberg ein.

Daraufhin verfügte das Gericht unter dem 29.06.2022 ein Anschreiben an den Bevollmächtigten des Antragstellers, mit dem dieser unter entsprechender Fristsetzung darauf hingewiesen wurde, dass im vorliegenden Fall von der Unzulässigkeit des gegenüber dem Einspruch subsidiären Rechtsmittels des Antrages auf gerichtliche Entscheidung ausgegangen werde.




Daraufhin bekräftigte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 22.07.2022 sein gestelltes Rechtsmittel im Ergebnis (Blatt 5, 6 der Akte).

Unter dem 26.07.2022 ging zwischenzeitlich auf den Einspruch des Antragstellers die unter dem Az. 29 OWi 3428 Js-OWi 24169/22 geführte Akte der Staatsanwaltschaft Neuruppin beim Amtsgericht Perleberg ein und am heutigen Tag wurde der Termin der Hauptverhandlung in der Sache richterlich verfügt.

Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist gegenüber dem bereits zuvor eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid im Verfahren subsidiär und damit unzulässig.

   „Stillschweigende Subsidiarität wird durch Auslegung zweier oder mehrerer beteiligter Normen bzw. Stadien der Normverletzung festgestellt (Blum/Gassner/Seith-Blum vor § 19 Rn. 7; Honig S. 37; Geerds S. 184; Sch/Sch-Sternberg-Lieben/Bosch vor § 52 Rn. 109 ff). Daher können insbesondere bei Berücksichtigung der verschiedenen Verletzungsstadien uU auch mehrere Akte im natürlichen Verständnis zu einer Gesetzeskonkurrenz im Sinne der Subsidiarität zusammentreten.“
(KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, OWiG § 19 Rn. 59)

„§ 62 als Auffangnorm im Bußgeldverfahren Speziellere Rechtsbehelfe, die den Antrag nach § 62 ausschließen, sind der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 58 Abs. 3, 4 GWB gegen die Beschlagnahme im Kartellverfahren, der Einspruch nach §§ 67 ff. gegen den Bußgeldbescheid und diesem gleichgestellte Bescheide (→ 65 Rn. 4) sowie der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 103 f. gegen Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Vollstreckungsverfahren.“
(Gassner/Seith, Ordnungswidrigkeitengesetz, OWiG § 62 Rn. 1, 2,)


In diesem Zusammenhang weist das Gericht auf die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 30.12.2019 zu Aktenzeichen 2 Ss OWi 867/19, NZV 2020, 524 hin. Anders als das erkennende Gericht - und soweit ersichtlich ohne Bezugnahme auf den Grundsatz der materiellen Subsidiarität des Rechtsmittels gemäß § 62 OWiG gegenüber dem Einspruch gemäß § 67 OWiG - argumentiert der Bußgeldsenat in der vorgenannten Entscheidung wie folgt:

   „Mit Eingang des Verfahrens bei Gericht, ist das Zwischenverfahren nach § 62 OWiG rechtlich überholt, und der Antrag nach §§ 62, 68 OWiG wird mit Eingang des Hauptverfahrens bei Gericht unzulässig.“

Auf die Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens, also des Bußgeldverfahrens selbst, kommt es jedoch nach der hier vertretenden Auffassung zur Subsidiarität des Rechtsmittels gemäß § 62 OWiG gegenüber dem des Einspruchs gemäß § 67 OWiG nicht an.

Der Antragsteller wurde bereits im Schriftsatz des Gerichtes vom 29.06.2022 darauf hingewiesen, dass der mit dem Rechtsmittel des Antrages auf gerichtliche Entscheidung gegenüber der Bußgeldbehörde geltend gemachte Anspruch auf Informationszugang im gerichtlichen Bußgeldverfahren selbst weiterverfolgt werden könne.

Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 1 OWiG.

Die Entscheidung des Gerichtes ist gemäß § 62 Abs. 2 Satz 3 OWiG nicht anfechtbar.

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