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BGH Beschluss vom 30.08.2022 - 4 StR 117/22) - Scheinverteidigung durch nicht (mehr) zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Pflichtverteidiger

BGH v. 30.08.2022: Scheinverteidigung durch nicht (mehr) zur Rechtsanwaltschaft zugelassenen Pflichtverteidiger




Der BGH (Beschluss vom 30.08.2022 - 4 StR 117/22) hat entschieden:

   Wenn es sich um einen Fall notwendiger Verteidigung handelt (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StPO), begründet die alleinige Mitwirkung des nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassenen „Scheinverteidigers“ an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.

Siehe auch
Beigeordneter Rechtsanwalt / Pflichtverteidiger
und
Stichwörter zum Thema Rechtsanwalt im Verkehrsrecht

Gründe:


Das Landgericht hat den im Übrigen freigesprochenen Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Raubes, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls und versuchter Anstiftung zur Falschaussage zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.

Die erhobene Verfahrensbeanstandung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 349 Abs. 4 StPO). Die Revision stützt sich mit Erfolg auf den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO.

1. Nach dem Revisionsvorbringen wurde der Angeklagte in der Hauptverhandlung am 10. Dezember 2021, an dem das angefochtene Urteil erging, allein von dem ihm beigeordneten weiteren Pflichtverteidiger verteidigt. Dieser war seit dem 2. Dezember 2021 nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen.


2. Die Verfahrensrüge ist in zulässiger Weise erhoben. Der Vortrag der Revision genügt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. November 2021 - 4 StR 103/21 Rn. 4 mwN). Die Pflichtverteidigerin trägt unter Mitteilung der erhaltenen schriftlichen Auskunft der Rechtsanwaltskammer Hamm konkret und bestimmt vor, seit wann der weitere Verteidiger nicht mehr zur Rechtsanwaltschaft zugelassen war. Die Ausführungen hierzu sind nicht etwa unklar oder widersprüchlich. Die Revision teilt zusätzlich die - ihrerseits unklaren - Angaben des vormaligen Rechtsanwalts gegenüber der Pflichtverteidigerin dazu mit, wann ihm die Zulassung entzogen worden sei, ohne damit inhaltlich von ihrem Vorbringen abzurücken. Indem sie diese ihr insoweit unter Berücksichtigung von § 76 BRAO allein zugänglichen und die weiteren für den gerügten Verfahrensfehler bedeutsamen Tatsachen vorgetragen hat, ist die Revision den Vortragserfordernissen gerecht geworden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. März 2019 - 1 StR 532/18 Rn. 5 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 344 Rn. 22).

3. Die Verfahrensrüge ist begründet.

a) Das Erlöschen (§ 13 BRAO) der Anwaltszulassung des Pflichtverteidigers vor dem letzten Hauptverhandlungstag ergibt sich zweifelsfrei bereits aus dem von der Revision übermittelten Schreiben der Rechtsanwaltskammer Hamm.



b) Da es sich vorliegend um einen Fall notwendiger Verteidigung handelt (§ 140 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 StPO), begründet die alleinige Mitwirkung des nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassenen "Scheinverteidigers" an der Hauptverhandlung den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2019 - 1 StR 532/18 Rn. 10; Beschluss vom 20. Juni 2006 - 4 StR 192/06 Rn. 4; Beschluss vom 5. Februar 2002 - 5 StR 617/01, BGHSt 47, 238, 239, 242). Mit der Verlesung der Urteilsformel ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung betroffen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2018 - 1 StR 616/17 Rn. 11; Beschluss vom 6. Juni 2001 - 2 StR 194/01 Rn. 6; Beschluss vom 30. Oktober 1990 - 5 StR 472/90; Urteil vom 26. Juli 1961 - 2 StR 575/60, BGHSt 16, 178, 180).

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