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Amtsgericht Aschersleben Urteil vom 20.02.2023 - 62 OWi 29/22 - Zum Absehen vom Regelfahrverbot bei Verfahrensdauer von etwas mehr als 1,5 Jahrn

AG Aschersleben v. 20.02.2023: Zum Absehen vom Regelfahrverbot bei Verfahrensdauer von etwas mehr als 1,5 Jahrn




Das Amtsgericht Aschersleben (Urteil vom 20.02.2023 - 62 OWi 29/22) hat entschieden:

   Ein Fahrverbot kann seine Warnungs- und Besinnungsfunktion – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt (OLG Hamm, Beschluss vom 23.07.2007, Az. 2 Ss 224/07). Einer langen Verfahrensdauer ist dabei in der Regel durch Herabsetzung des Fahrverbots Rechnung zu tragen (OLG Brandenburg (1. Strafsenat, Beschluss vom 25.02.2020, Az. 1 B 53 Ss-Owi 708/19 (405/19). Ist zunächst lediglich ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen, muss eine Herabsetzung zum gänzlichen Absehen vom Fahrverbot führen.

Siehe auch
Stichwörter zum Thema Fahrverbot
und
Absehen vom Fahrverbot

Gründe:


I.

Der ...-jährige Betroffene ist ausweislich des FAER bisher 2 Mal in Erscheinung getreten. Zuletzt ist er am 04.04.2020 wegen fahrlässiger Überschreitung der innerorts zulässigen Geschwindigkeit um 28 km/h auffällig geworden. Deswegen wurde gegen ihn eine Geldbuße von 125 € sowie ein Fahrverbot von 1 Monat verhängt. Die Entscheidung ist am 06.03.2021 rechtskräftig geworden.




II.

Der Betroffene befuhr mit seinem PKW amtliches Kennzeichen ...-...123 am 07.11.2021 um 15.56 Uhr die B-Straße in Höhe E-Stadt. Hierbei überschritt er die durch Verkehrszeichen 274-70 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 33 km/h. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte dem Betroffenen die Geschwindigkeitsbegrenzung auffallen können.

III.

Die Feststellungen zu I. beruhen auf den Angaben des Betroffenen zu seinen persönlichen Verhältnissen und dem FAER-Auszug des Betroffenen.

Die Feststellungen zu II. stehen fest, da das Gericht von einer ordnungsgemäßen Messung ausgeht und der Betroffene die Fahrereigenschaft eingeräumt hat. Aus dem Akteninhalt folgt, dass an der genannten Stelle zum Vorfallszeitpunkt eine Geschwindigkeitsmessung mit der Geschwindigkeitsmessanlage Poliscan Speed mit der Gerätenummer ... und der Bauartzulassungsnummer der PTB Nr. X durch den für die Bedienung der Geschwindigkeitsmessanlage geschulten Messbeamten B. stattfand. Diese Messanlage war zum Tatzeitpunkt gültig geeicht und ist von dem Zeugen B. entsprechend der Herstellervorgaben aufgestellt und betrieben worden. Der Betroffene wurde mit dem PKW, amtl. Kennzeichen ...-...123, mit einer Geschwindigkeit von 107 km/h (Toleranz 103 km/h vorwerfbar) gemessen und bei Überschreitung der Geschwindigkeit fotografiert.


Der Auswerterahmen des in Augenschein genommenen Messfotos, auf das hiermit gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG ausdrücklich verwiesen wird, gab keine Anhaltspunkte auf eine fehlerhafte Messung.

IV.

Durch sein Verhalten hat sich der Betroffene somit wegen der unter II. dargestellten Tat einer fahrlässigen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. § 24 StVG, 49 StVO, 11.3.6 BKat (in der damals gültigen Fassung) schuldig gemacht.




V.

Für die fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung der unter II. dargestellten Tat sah der damals gültige Bußgeldkatalog eine Regelgeldbuße von 120,00 € vor. Auf Grund von § 4 Abs. 3 ist das mildere Gesetz, also der zum Zeitpunkt der Tat geltende Bußgeldkatalog, anzuwenden.

Auf Grund der Voreintragungen wäre in der Regel gemäß § 25 Abs. 1 StVG, § 4 Abs. 2 BKatV ein Fahrverbot von einem Monat anzuordnen gewesen. Das Gericht hat jedoch von der Verhängung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen und das Bußgeld auch unter Berücksichtigung der beiden Voreintragungen angemessen auf 300 € erhöht.

Beim Absehen vom Regelfahrverbot hat sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten lassen. Die Verhängung eines Fahrverbots wegen beharrlicher Pflichtverletzung erscheint in diesem Einzelfall als nicht angemessen.



Der letzte begangene Verstoß vor dem tatgegenständlichen Geschehen wurde am 04.04.2020 begangen. Zwar ist die daraufhin ergangene Entscheidung erst am 06.03.2021 in Rechtskraft erwachsen und der Regelfall des § 4 Abs. 2 BKatV liegt vor, ein solcher Regelfall ist hier jedoch ausnahmsweise ausgeschlossen, da der lange Zeitablauf zwischen dem Verstoß von immerhin 1,5 Jahren zur heutigen Entscheidung dem vom Gesetz verfolgten Zweck der Sanktion von wiederholten Verstößen entgegenläuft. Der Betroffene ist nach dem tatgegenständlichen Vorfall nicht wieder in Erscheinung getreten. Ein Fahrverbot kann seine Warnungs- und Besinnungsfunktion – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt (OLG Hamm, Beschluss vom 23.07.2007, Az. 2 Ss 224/07). Einer langen Verfahrensdauer ist dabei in der Regel durch Herabsetzung des Fahrverbots Rechnung zu tragen (OLG Brandenburg (1. Strafsenat, Beschluss vom 25.02.2020, Az. 1 B 53 Ss-Owi 708/19 (405/19). In diesem Fall war zunächst lediglich ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen, sodass eine Herabsetzung zum Absehen vom Fahrverbot führen musste. Eine Einwirkung auf den Betroffenen in Form eines Fahrverbots war in Anbetracht der Umstände nicht mehr erforderlich. Gleichzeitig wurde das Absehen vom Fahrverbot bei der Bemessung der Höhe des Bußgeldes berücksichtigt.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 StPO, § 46 OWiG.

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