Hinsichtlich des für eine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts wird im deutschen Recht eine grundsätzlich unterschiedliche Herangehens- und Aufklärungsweise praktiziert, die jeweils davon abhängt, welche Parteien sich in einer rechtlichen Auseinandersetzung gegenüber stehen.
Handelt es sich um gleichberechtigte Mitglieder der Zivilgesellschaft (wie beispielsweise Bürger, Vereine, wirtschaftliche Unternehmen usw.), dann müssen die Beteiligten selbst durch Parteivortrag und Beweisangebote dafür sorgen, dass die streitentscheidende Instanz (Behörde, Gericht usw.) von einem zutreffenden Sachverhalt ausgeht. Man spricht dann vom sog. Beibringungsgrundsatz
Dem steht gegenüber der sog. Amtsermittlungsgrundsatz, der in Verfahren zur Anwendung kommt, in denen sich nicht zivilrechtlich Gleichberechtigte, sondern sich der Staat im weitesten Sinn einerseits auf der einen Seite und “gewaltunterworfene” Beteiligte auf der anderen Seite gegenüber stehen.
Es geht dabei also z.B. um Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, aber auch um Steuerauseinandersetzungen oder sonstige Verwaltungsstreitverfahren usw., in denen der zutreffende “wahre” Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln ist, während beispielsweise in einem Zivilprozess für die richterliche Entscheidung nur das maßgeblich ist, was von den Parteien selbst vorgebracht und nötigenfalls bewiesen wurde.
BVerwG v. 03.01.2018:
Der Umfang der gebotenen Beweiserhebung richtet sich nach der materiellen Rechtsauffassung des Tatsachengerichts. Für den Erfolg einer gegen einen Dauerverwaltungsakt gerichteten Klage ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Verhandlung maßgeblich. Hat ein Verfahrensbeteiligter keinen Beweisantrag gestellt, ist seine Aufklärungsrüge unbegründet, wenn sich dem Tatsachengericht die Notwendigkeit einer Beweiserhebung nicht aufdrängen musste.
BVerwG v. 30.01.2018:
Die Aufklärungsrüge stellt kein zulässiges Mittel dafür dar, eigene Versäumnisse in der Tatsacheninstanz nachzuholen (BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2014 - 2 B 20.14 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 381 Rn. 14). Ein Mangel des gerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung liegt grundsätzlich nur vor, wenn sich die weitere Beweiserhebung dem Berufungsgericht auch ohne förmlichen Antrag der Beteiligten hätte aufdrängen müssen. Maßgeblich hierfür ist die materiell-rechtliche Auffassung des Berufungsgerichts. Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil es nach seinem Rechtsstandpunkt auf das Ermittlungsergebnis für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt.